Frauen in Ägypten
    Inhalt:
    Frauenbewegung und Frauenemanzipation in Ägypten
    Die Frau in der heutigen ägyptischen Gesellschaft
    Berufstätige Frauen in Ägypten
    Situation und Stellung der Frau heute
    Lexikon: Ägyptens Frauen im Spiegel der Statistik
    "nichts hat sich geändert"
    Die Frau von heute in Ägypten
    Frauen auf dem Lande (1)
    Frauen auf dem Lande (2)
    Die ägyptischen Bäuerinnen werden vom Staat vergessen
    Ein ägyptisches Portrait: Sabah
    Die Rückkehr des Schleiers
    Nein... ich werde den Schleier nicht ablegen
    Der Schleier – ein soziales Phänomen
    Denkwürdiges aus dem Leben einer deutschen Muslime
    Verschleierung im Islam - Rückschritt oder gar Fortschritt?
    "Nach der Operation bist du hübscher"
    Das Verbot der Mädchenbeschneidung
    Aufklärung tut Not

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Frauenbewegung und Frauenemanzipation in Ägypten
von Alfred Huber

Papyrus-Logo Nr. 5—6/86, pp. 4—7

Wie vieles andere in diesem Land, so führt man auch das Thema der Frauenemanzipation auf altägyptische Ursprünge und Anfänge zurück. Bereits in pharaonischer Zeit war die Stellung der Frau in Ägypten gekennzeichnet von einer weitgehenden Freiheit, verglichen mit den übrigen antiken Kulturen in Mesopotamien und Griechenland. So hatte die Frau im allgemeinen das Recht, ihren Gatten selbst auszuwählen, was auch heutzutage nicht selbstverständlich ist, und sie wurde als ebenbürtige Partnerin des Mannes angesehen. Frauen hatten sogar Anteil an der Herrschaft des Landes, wie das Beispiel der Königin Hatschepsut beweist.

Mit der Ausbreitung der islamischen Religion kamen neue Vorstellungen nach Ägypten; die – wenigstens theoretisch – eine Gleichstellung der Frau mit dem Mann zum Ziele hatten. Einige islamische Regelungen, wie das Zugeständnis an den Mann, vier Frauen heiraten zu können, sind Ausnahmebestimmungen und als solche nicht religiös, sondern sozial bedingt. Immer wird in Ägypten darauf hingewiesen, daß nach islamischem Recht von keiner Unterdrückung der Frau die Rede sein kann, erst die jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Umstände haben dazu geführt. So wurden die Frauen nach der türkisch-osmanischen Eroberung Ägyptens zu Beginn des 16. Jahrhunderts ihrer Rechte für verlustig erklärt und waren damit bis in die neueste Zeit von allen gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen.

Religiöse und literarisch-soziale Erneuerungsbewegungen am Ende des 19. Jahrhunderts bereiteten den Boden für ein neues Selbstverständnis der Frau in Ägypten vor.

Im Jahr 1899 erschien das Buch "Die Befreiung der Frau" von Qassim Amin, wodurch die Diskussion der Frauenfrage in der ganzen islamischen Welt eröffnet wurde. Er forderte dazu auf, Mädchen dieselbe Erziehung zukommen zu lassen wie den Jungen und ermutigte Frauen, berufstätig zu sein. Schließlich drängte er die Frauen, den türkischen Schleier abzulegen, der Gesicht und Körper völlig bedeckt, und den islamischen "higab" zu übernehmen, der Händen und Füßen Freiheit gibt und das Gesicht freiläßt. Das Buch wurde vielfach angegriffen, worauf Qassim Amin 1901 mit einem weiteren Buch antwortete –"Die neue Frau".

1910 fand in Kopenhagen die erste internationale Frauenkonferenz statt. Dabei wurde beschlossen, den 8. März in Hinkunft weltweit als Tag der Frau zu begehen. Von dieser Konferenz ging ein starker Einfluß auf die ägyptische Frauenbewegung aus.

In der Revolution des Jahres 1919 spielten Frauen eine große Rolle. Die nationale Begeisterung der ägyptischen Frau äußerte sich in der ersten Frauendemonstration in Ägypten (am 16. März 1919), die gegen die Engländer gerichtet war.

Als Führerin der ägyptischen Frauenbewegung etablierte sich Hoda Shaarawi, die zusammen mit Ceza Nabarawi, Amina Said, Nabaweya Mousa u.a. zur Bekämpfung des Imperialismus und gleichzeitig zur Emanzipation der Frau aufrief. Unter der Führung von Hoda Shaarawi schlossen sich die Demonstrantinnen der Wafd-Partei an. Allerdings bahnten sich ab 1922 Auseinandersetzungen zwischen Hoda und Saad Zaghlul, dem Führer der Wafd-Partei, über die Vorrechte Englands in Ägypten an, was bis hin zum Austritt der Frauenbewegung aus der Partei 1924 eskalierte.

Vier Jahre später wurde am Jahrestag dieser Demonstration (am 16. März 1923) die "Ägyptische Frauenvereinigung" (Ittihad an-nisa al-arabi) mit Hoda Shaarawi als erster Vorsitzender gegründet. Sie hatte zuvor in einem spektakulären Akt (indem sie nach der Rückkehr von einem Frauenkongreß in Europa bei der Ankunft in Alexandrien ihren Schleier demonstrativ ins Meer warf) für die Abschaffung des Schleierzwanges in Ägypten plädiert und repräsentierte in der Folge die ägyptische Frauenbewegung bei internationalen Konferenzen im Ausland. Bekannt ist ihr Auftritt bei der Konferenz der Weltfrauenliga 1926 in Genf.

Ab 1925 erschien in Ägypten die Frauenzeitschrift "Al-Misriya" ("Die Ägypterin"). Herausgeberin war Ceza Nabarawi (1897—1985), die im Zusammenhang mit der Revolution 1919 die Anhebung des Heiratsmindestalters für Mädchen auf 16 Jahre vorgeschlagen hatte, und die später, so wie Hoda Shaarawi, zur stellvertretenden Präsidentin der Weltfrauenliga gewählt wurde. Auch die Zeitschrift "El-Amal" ("Die Hoffnung"), geleitet von Monira Thabet, beschäftigte sich ab 1925 mit dem Problem der Frauenrechte.

Die Schleierfrage prägte in den 20er und 30er Jahren die Auseinandersetzungen der Frauenbewegungen in Ägypten und den angrenzenden Ländern.

1927 fanden großangelegte Demonstrationen in den Straßen Kairos gegen den Schleier statt. 1928 wurde in Beirut das Buch der jungen Drusin Nazira Samadin "Verschleierung und Entschleierung" herausgegeben.

1932 forderte der ägyptische Politiker Muhammad Raschid Reda in einem "Aufruf an das zarte Geschlecht" eine moderate Rückkehr zum Schleier, dem sich 1936 die Azhar-Universität anschloß. Bei dem Großteil der Frauen aus der ägyptischen Ober- und Mittelschicht zeigten derartige Appelle jedoch keine Wirkung. Immer mehr setzte sich innerhalb der Frauenbewegung die Meinung durch, daß der Schleier als Institution nicht islamisch sei und folglich auch nicht von religiösen Stellen vorgeschrieben werden könne.

Im Jahre 1929 wurden erstmals in Ägypten Frauen zum Universitätsstudium zugelassen, und zwar an den Fakultäten für Medizin, Jura, Natur- und Geisteswissenschaften an der ehemaligen König-Fuad-Universität (der heutigen Kairo-Universität).

Zu den ersten Akademikerinnen zählte Soheir El Kalamawi (geb. 1911), eine bekannte Schriftstellerin und Inhaberin mehrerer politischer Mandate, die lange Zeit auch den Vorsitz der nach der ägyptischen Unabhängigkeit gegründeten Dachorganisation der Frauenvereinigungen in den Staaten der Arabischen Liga führte.

Naima El Ayyubi war die erste ägyptische Rechtsanwältin. Sie absolvierte 1933 und setzte sich sehr für die Verbesserung der sozialen Stellung der Frau ein. Auf sie geht der Vorschlag zur Bildung eines eigenen Ministeriums für soziale Angelegenheiten zurück; sie machte sich auch als erste Gedanken über die Einführung einer staatlichen Familienplanung sowie die Möglichkeit der Auswanderung ägyptischer Familien in wenig besiedelte Gebiete im Sudan.

1945 wurden Mädchen auch an der Technischen Hochschule als Studenten akzeptiert. Interessanterweise hatten sich hier vor allem die europäischen Professoren gegen die Aufnahme von Studentinnen ausgesprochen.

Die erste ägyptische Ingenieurin war Amina El Hefny (1926—1984), die als Tochter einer Deutschen in Berlin geboren wurde und später zahlreiche Funktionen in der ägyptischen Frauenbewegung und der Frauenföderation der Arabischen Liga ausübte.

Die Bildungsmöglichkeiten der Frau wurden 1948 unter dem damaligen Kulturminister Taha Hussein denjenigen des Mannes formell gleichgestellt. Seit diesem Jahr gibt es die allgemeine Schulpflicht in Ägypten und die kostenlose Schulbildung auf allen Bildungsebenen.

In der Folge entstanden einige Fakultäten für Mädchen, nämlich die Mädchenfakultät an der Ain-Shams-Universität und die Mädchenfakultät an der islamischen Azhar-Universität. An den übrigen Fakultäten erfolgt der Unterricht gemeinsam, männliche und weibliche Studenten sind einander in Rechten und Pflichten gleichgestellt.

Das Aufnahmesystem für die ägyptischen Hochschulen wird von einer zentralen Verteilungsstelle vorgenommen, wobei es keinerlei geschlechtsspezifische Bevorzugung geben darf. Der Verteilerschlüssel richtet sich nach der Qualität des Abiturzeugnisses und nach geographischen Gesichtspunkten.

Die Statistik beweist den Fortschritt der Frau auf der höchsten Bildungsebene. Von 17 Studentinnen im Studienjahr 1929/30 stieg die Zahl der weiblichen Studierenden an den ägyptischen Universitäten auf 183.000 im Studienjahr 1982/83. Das entspricht einem Verhältnis von 34% der Gesamtstudentenzahl. Zur Zeit sind rund 28% der Magisteriumsaspiranten und 27% der Doktoratsanwärter weiblichen Geschlechts.

An den ägyptischen Universitäten gibt es keinerlei Arbeitsbeschränkung für weibliche Akademiker. So besteht etwa der Lehrkörper der Kairo-Universität zu 30% aus Akademikerinnen. An manchen Fakultäten ist dieser Prozentsatz noch höher; an der naturwissenschaftlichen Fakultät sind ca. 35% der Unterrichtenden Frauen.

Auch die Bezahlung an den Universitäten ist leistungsorientiert; die effektiv geleistete Arbeit wird honoriert, nicht das Geschlecht des oder der Bediensteten.

Nach diesem Ausflug ins ägyptische Bildungswesen kommen wir nun wieder zurück zu den Bestrebungen der ägyptischen Frau nach Emanzipation und politischer Freiheit.

Der zweite Weltkrieg führte zu einem gesteigerten Demokratiebedürfnis in der ägyptischen Gesellschaft. Da im Wahlgesetz von 1935 das Wahlrecht für Frauen nicht vorgesehen war, wurde die Einführung dieses Wahlrechts immer vehementer gefordert. Am 19. Februar 1951 kam es zur größten Demonstration ägyptischer Frauen vor dem Gebäude der Volksversammlung und zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Eine entscheidende Änderung brachte die Revolution vom 23. Juli 1952, wodurch nicht nur das ägyptische Volk seine nationale Unabhängigkeit erlangte, sondern wo endlich auch den Frauen das Recht der freien Meinungsäußerung und der politischen Betätigung zugebilligt wurde. In den Revolutionsbestimmungen wurde die wichtige Rolle der Frau für die moderne Gesellschaft und Demokratie gewürdigt und ihre Gleichstellung vor dem Gesetz für die nächste Zeit in Aussieht gestellt.

Im Rahmen der Konstitution des Jahres 1956 erhielt dann die ägyptische Frau das allgemeine Wahlrecht zugesprochen. In der Folge erhielt sie durch das Gesetz 56/73 auch das passive Wahlrecht und damit das Recht zur eigenen politischen Betätigung. Damit war die ägyptische Frau dem Mann formell gleichgestellt, was sich im gleichen Wahlalter von 18 Jahren für beide Geschlechter zeigt. 18 Jahre war zugleich das Mindestalter für die Teilnahme an Volksbefragungen.

Ein weiterer Vorstoß für die Stellung der Frau in Ägypten wurde durch die sogenannte "Verbesserungsrevolution" (tawrat at-tashih) vom 15. Mai 1971 erzielt, als innerhalb der Arabischen Sozialistischem Union eine unabhängige Frauenkörperschaft ins Leben gerufen wurde. Zweck dieses Frauenkomitees, das später in ähnlicher Form von der gegenwärtigen Regierungspartei, der Nationaldemokratischen Partei Ägyptens übernommen wurde, ist es, die ägyptische Frau in den verschiedenen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen besser vertreten und mit den dazu notwendigen Bildungsvoraussetzungen versehen zu können.

Wenn man bedenkt, daß die Diskriminierung der Frau auf internationaler Ebene erst im November 1967 von den Vereinten Nationen verurteilt wurde – dieser Verurteilung ging übrigens ein entsprechender Antrag Ägyptens voraus – dann kann die ägyptische Frau mit den bisher erreichten Errungenschaften auf dem Weg nach Anerkennung, Würde und Freiheit durchaus zufrieden sein.

Denn die Frau, das wird in Ägypten stets unterstrichen, ist hauptverantwortlich für die Familie und damit, in weiterem Sinne, auch für die Gesellschaft.

Literatur:
    • Salma Galal. Emanzipationsversuche der ägyptischen Frau. Verlag Frauenpolitik, Münster 1977

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Die Frau in der heutigen ägyptischen Gesellschaft
von Siegrid el-Gabbas

Papyrus-Logo Nr. 5—6/86, pp. 8—10

Über die "Ägypterin" zu schreiben, bringt mich ein wenig in Verlegenheit. Zwar lebe ich seit vielen Jahren in Kairo – auch mit Ägypterinnen zusammen – aber trotzdem ist es unheimlich schwierig für mich, sie richtig einzuordnen. In einer Gesellschaft, wo die Geschlechtszugehörigkeit so weitgehend alles bestimmt und für die meisten der auftretenden Probleme verantwortlich ist, ist es nicht einfach, die vielgesichtige ägyptische Frau darzustellen.

Da begegnet man der mürrischen Marktfrau, welche durch ihre Verkäufe ihre Kinder ernährt; da ist die unterwürfige Ehefrau, welche auf indirekte Art bei ihrem Gatten erreicht, ihre Wünsche erfüllt zu bekommen; da gibt es die "soweit emanzipierte" Geschäftsfrau, daß man frierend ins Staunen gerät; da ist die Haushaltshilfe, die so auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist, daß man meinen könnte, alle Geschichten von sich aufopfernder Dädas (Kinderfrauen) seien erfunden; nicht zu vergessen die distanzierte Ärztin oder die "vornehmen" Frauen, welche sich nur auf Französisch unterhalten. Diese Reihe könnte man beliebig fortsetzen, aber wie bekommt man sie auf einen Nenner?

Nach islamischer Vorstellung ist der angemessene Platz der Frau im Hause, wo sie ihre Rolle als für die Familie verantwortliche Hausfrau und Mutter erfüllt. Andererseits fordert der Islam das Erwerben von Wissen für jeden Muslim, ob Mann oder Frau. Danach richten sich die Bildungsgesetze, welche Schulpflicht für alle, Jungen und Mädchen, festsetzen. Die Ausbildungsmöglichkeiten sind theoretisch für alle gleich, auch wenn man hierzu feststellen muß, daß eine höhere Bildung meistens ein Privileg der Städterin ist, nur selten finden Mädchen vom Lande die Möglichkeit des Zugangs zur Universität. Der Anteil der Studentinnen liegt bei 46,7%. Nach dem Universitätsabschluß haben Frauen genau das gleiche Anrecht wie ihre männlichen Kollegen, von der Regierung angestellt zu werden. Überall begegnen einem Frauen in hohen Positionen, und man kann sagen, daß Frauen im Berufsleben die gleichen Rechte wie die Männer haben. Hieraus darf man aber nicht schließen, daß dies auf allen Gebieten der Fall ist. Im Privatleben ist es ganz anders. Da ist die Frau nach wie vor abhängig, die Tochter vom Vater, die Frau von ihrem Ehemann. Das geht so weit, daß eine Frau theoretisch zwar Ministerin sein kann, doch praktisch ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes nicht ins Ausland reisen kann. (Siehe hierzu aber den Beitrag "Ägypterinnen erhalten das Recht, ohne Zustimmung ihrer Männer zu reisen" –Anm. KFN.)

Für die Beschäftigung der Frauen außerhalb des Hauses ist die Einwilligung des Ehemannes erforderlich. Meistens wird Frauen nur dann erlaubt einen Job aufzunehmen, wenn es die ökonomische Situation in der Familie notwendig macht. Eine Berufsausübung führt nicht unbedingt zur "Befreiung", sondern hat meistens eine doppelte Belastung der Frau zur Folge. Kochen, Saubermachen und Erziehung der Kinder bleiben weiterhin Aufgaben der Frau, welche sie nicht vernachlässigen darf. Der daraus entstehende Rollenkonflikt kann nur abgebaut werden, wenn auch die patriarchalische Familienstruktur geändert wird.

Trotz grundsätzlicher sozialer Umwälzungen, Industrialisierung und Modernisierung durch Landflucht und Verstädterung halten die meisten Männer am traditionellen Rollenbild der Frau fest. Dabei darf man nicht den Fehler machen, die Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft ausschließlich auf den Islam zurückzuführen. Die untergeordnete Stellung der Frau ist nicht das Ergebnis der ursprünglichen Glaubenslehre des Islam, sie ist vielmehr das Resultat jahrhundertlanger Stagnation. Die "nachkoranische" theologische Ausformung der Religion richtete sich mehr nach vorislamischen, patriarchalischen Strukturen. Die Grundideen des Islam waren zur Zeit seiner Entstehung durchaus fortschrittlich und verbesserten die Stellung der Frau auf vielen Gebieten.

Das Festhalten am traditionellen Frauenbild ist verantwortlich für die meisten Probleme in der arabischen Gesellschaft. Eine Gleichberechtigung wird verneint, daraus resultiert eine starke Trennung der Geschlechter. Eine Freundschaft oder eine Kameradschaft zwischen Mann und Frau kann dadurch nicht entstehen, so etwas gibt es nicht. Ein freies Gespräch zwischen einer Frau und einem ihr unbekannten Mann ist unmöglich. So kommt es, daß sich die Frauen zusammenfinden. Auf Festen setzen sie sich normalerweise zusammen, sondern sich von den Männern ab. Das bedeutet aber nicht, daß man nicht lustig sein kann; die Frauen und Mädchen untereinander sind gesellig und singen und tanzen, lachen und scherzen, so daß mancher Mann gern in diesem Kreise sitzen würde, weg von den politischen Themen seiner Männerrunde.

Die Frauen selber grenzen sich von den Männern ab, untereinander haben sie kaum Geheimnisse, ganz gleich welcher Art. Aber auch innerhalb dieser Frauengruppen gibt es eine Hierarchie. Es sind die älteren Frauen, die darauf achten, daß Sitte und Anstand nicht verletzt werden. Sie wahren die Familientraditionen, sie suchen die zukünftigen Ehepartner, sie bestehen häufig auf der Beschneidung des Mädchens, welche im Gegensatz zur Beschneidung des Jungen nicht mit einem Fest geehrt wird, sondern heimlich vollzogen wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach bezeichnet die Exzision den Zeitpunkt, zu dem die Rollentrennung zwischen Jungen und Mädchen vorgenommen wird, jedenfalls wird im Bewußtsein des Mädchens diese Wirkung eindeutig herbeigeführt. Zwar ist die Beschneidung seit April 1958 in Ägypten verboten, unter Androhung hoher Geldstrafen und Gefängnis, aber wie weit dieses Verbot beachtet wird, besonders in den traditionellen ländlichen Gebieten, läßt sich kaum nachweisen. Aus Gesprächen mit Frauen erhält man aber die Bestätigung, daß dies von vielen als eine Notwendigkeit akzeptiert wird.

Durch die Rollenverteilung und starke Trennung der Männer von den Frauen kommt es, daß sich die älteren Frauen für die jüngeren verantwortlich fühlen, und manche Mutter wird bei der Eheschließung ihrer Tochter – beim Nachweis der Virginität – befreit aufatmen, denn nun ist sie der Verantwortung enthoben.

Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß es einem Moslem erlaubt ist, vier Frauen zu heiraten. Es soll jetzt nicht darauf eingegangen werden, warum diese Regelung und mit welchen Einschränkungen sie gemacht worden ist. Mich interessiert viel mehr, warum eine Frau eine zweite akzeptiert, oder warum eine Frau einwilligt die Zweite zu werden.

Die Scheidungsgesetze bestimmen, daß die Kinder ab einem bestimmten Alter dem Vater zugesprochen werden. Die Stellung einer geschiedenen Frau ist in der ägyptischen Gesellschaft nicht einfach; kommen dazu noch wirtschaftliche Schwierigkeiten, so kann eine Frau ohne Hilfe ihrer Familie nicht existieren. Da wägt man ab, ob man nicht lieber eine zweite Frau duldet, oder ob man sein bisheriges Leben aufgibt, samt Wohnung, Kindern und sozialer Sicherheit.

Viele Zweitfrauen sind wesentlich jünger als ihre Ehemänner. Es ist offensichtlich, daß sie durch ihre Heirat sich einen sozialen Aufstieg versprechen, wirtschaftliche Verbesserung oder ein leichteres Fortkommen im Beruf. Stellt man sich noch einmal die Situation der alleinstehenden Frau vor, so kann man mitfühlen, daß eine geschiedene oder verwitwete Frau es vorzieht, lieber die zweite zu sein, als ohne "männlichen Schutz" dazustehen, denn die Ehe bietet in der islamischen Gesellschaft nach wie vor den größten sozialen Schutz für die Frau.

Solange die meisten Männer am traditionellen Rollenbild der Frau festhalten, werden die meisten Frauen versuchen, ihr Selbstverständnis in diesem männlichen Frauenideal zu finden. Man kann von einer Frau daher nicht erwarten, daß sie sich emanzipiert, wenn sie ständig darum bemüht sein muß, ihrem Manne zu gefallen. So kommt man zu dem klischeehaften Bild der Ägypterin, deren einziges Interesse es ist, attraktiv und weiblich zu erscheinen, allerdings nur für den eigenen Mann. Daraus läßt sich auch die Rückkehr zum Schleier (Bedecken der Haare) erklären, den ich mehr als ein Symbol der Tugendhaftigkeit ansehe, und nicht unbedingt als ein Symbol ausgeprägter Religiosität. Man kann ihn auch als Modeerscheinung betrachten. Verfolgt man die eleganten Modeschauen in den großen Hotels oder im Fernsehen, so muß man als Frau zustimmen, daß man im langen Kleid und kunstvoll um den Kopf geschlungenen Tüchern doch ein ganz anderes Auftreten hat, als im Minirock oder lässiger langer Hose.

Die Ägypterin ist sich allgemein ihrer Rechte durchaus bewußt, die Gleichberechtigung der Frau ist in der Verfassung verankert. Doch diese formale Gleichstellung findet sich nicht in dem für die Frau so wichtigen Privat- und Familienrecht. (Siehe hierzu vor allem die Beiträge in der Rubrik Familie und Recht –Anm. KFN.)

Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich freiwillig zu unterwerfen und ihre eigenen Wünsche zu unterdrücken. Geprägt durch Erziehung und Vorbilder in der Familie, haben für die ägyptische Frau, freiwillig oder erzwungen, Mann und Kinder eine Vorrangstellung, was bis zur Selbstaufopferung führen kann.

Und es ist nicht so sehr der Islam, der eine stärkere Selbständigkeit der Frauen verhindert, als vielmehr die ökonomische Situation, in der der einzelne außerhalb des Familienverbandes kaum überleben kann.

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Berufstätige Frauen in Ägypten
von Barbara Hatour-Satow

Papyrus-Logo Nr. 5—6/86, pp. 14—15

Veränderungen für Frauen der Mittelklasse

In dem kürzlich erschienenen Buch "Women and the Family in the Middle East" von 1985 (Hrsg. Elizabeth Warnock Fernea) beschreibt die Ägypterin Safia K.Mohsen (S. 56—71) die Situation der berufstätigen Frauen in Ägypten. Wir fassen die wichtigsten Aussagen dieses interessanten Artikels hier kurz zusammen:

Kurz nach der Revolution wurden von Abdel Nasser die allgemeine Schulpflicht, Koedukationsschulen und Schulgeldfreiheit für staatliche Schulen eingeführt. Doch wer es sich finanziell leisten konnte, schickte seine Töchter auf ausländische Schulen, während die Jungen meist arabische Schulen und Universitäten besuchten; letztere versprachen ihren Absolventen damals bessere Arbeitschancen; während man vor allem den Mädchen den Kontakt mit den "niederen" Schichten in diesen Schulen und Universitäten zu ersparen versuchte.

Sadats Politik der offenen Tür, der starke Kontakt mit dem Ausland und die ausländischen Investitionen in Ägypten eröffneten diesen Frauen der oberen Mittelklasse aufgrund ihrer Sprachkenntnisse, die sie auf den Auslandsschulen gewonnen hatten, und aufgrund von Beziehungen phantastische Verdienstmöglichkeiten, z.B. als Geschäftsfrauen oder als Sekretärinnen, die das Vielfache eines Professors verdienen konnten. Neue Importe, Verdienste aus selbständiger Arbeit oder Arbeit in den arabischen Ölstaaten führten zu neuen Ansprüchen. Konsumverhalten wurde wichtiger als familiäre Herkunft, vor allem auf dem Heiratsmarkt. Um dem Konsumdruck und den steigenden Preisen begegnen zu können, wurden immer mehr Frauen berufstätig.

Doch nicht alle Frauen hatten das Kapital, sich selbständig zu machen oder die Beziehungen, bei einer ausländischen Firma unterzukommen. Neben der Schicht verwestlichter, erfolgreicher und sehr selbstbewußt auftretender Frauen, begann ein Heer von Frauen, schlechtbezahlte Regierungsstellen anzunehmen. Sie sitzen nun ihre Zeit auf hoffnungslos überbesetzten Posten ab, wo sie weder Ehrgeiz entwickeln noch Selbstbewußtsein gewinnen können. Zudem haben sie – anders als die oben erwähnten "Erfolgreichen" – nur selten Personal. Im Gegensatz zu früher, als Hauspersonal noch zahlreich und billig war, müssen viele ägyptische mittelständische Frauen heute, wenn sie außer Haus arbeiten, auch zu Hause mehr arbeiten.

Da mit dem Abnehmen der Heiratsvermittlungen (aufgrund von Herkunft) das Äußere zum wichtigsten Auslöser für die Partnerwahl wurde, gingen einige Frauen illegale Wege, wie Prostitution oder Diebstahl, um mit den "Erfolgreichen" konkurrieren zu können.

Andere Frauen wiederum versuchen, sich durch Verschleierung dem Wettrennen der Erscheinung zu entziehen. Zudem ermöglicht ihnen die Verhüllung in ihren Augen einen entsexualisierten und partnerschaftlichen Kontakt mit den Arbeitskollegen, sowie den Respekt von seiten der Männer.

Safia K.Mohsen spricht den berufstätigen, ägyptischen Frauen zwar eine gewisse Anpassungsfähigkeit an veränderte ökonomische Bedingungen zu, meint aber, daß hinter den veränderten Rollen die alten traditionellen Werte, besonders im häuslichen Bereich, weiterbestehen.

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Situation und Stellung der Ägypterin heute
von Siegrid el-Gabbas

Papyrus-Logo Nr. 3/89, pp. 6—8

Eigentlich gibt es sie gar nicht, "die Ägypterin", denn ihre Situation ist vielschichtig, trotz kultureller und religiöser Gemeinsamkeiten. Die oftmals sehr großen Gegensätze entstehen durch unterschiedliche Schichtzugehörigkeit und wirtschaftliche Verhältnisse, vorhandene Ausbildungsmöglichkeiten und deren Nutzung und dazu die nicht zu übersehenden Extreme der Stadt-, Land- und Beduinenfrauen, sowie der alten und neuen Generation.

Zwar werden die Wertvorstellungen der Gesellschaft durch den Islam geprägt, aber die vorhandenen Differenzierungen können auch nicht durch die Religion geglättet werden.

Um die Jahrhundertwende arbeiteten die Bäuerinnen zwar mit auf den Feldern, um ihren Anteil an der Großfamilie zu leisten, aber andere öffentliche Tätigkeiten waren ihnen nicht erlaubt. Beduinenfrauen konnten sich innerhalb ihres Stammes unverschleiert bewegen, und Sie durften auch an öffentlichen Ereignissen und Zeremonien teilhaben, aber ihre Meinung in der Öffentlichkeit kundzutun war ihnen untersagt. Die städtischen Frauen waren ebenfalls vom öffentlichen Leben ausgeschlossen; auch wenn sie verschleiert waren – und somit versteckt – durften Frauen in der Stadt nicht mit Männern arbeiten. Eine Arbeit außerhalb des Hauses galt als unehrenhaft. Dazu kam, daß fast alle Frauen Analphabeten waren, außer einer handvoll privilegierter Stadtfrauen, die zwar Französisch und Englisch lesen konnten, aber seltener Arabisch. Strenge soziale Vorschriften begrenzten das Leben aller Frauen und erlaubten kaum einer, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Zwar durften sie eigenen Besitz haben, in der Praxis konnten sie diesen nur sehr selten selbst verwalten.

Die erste öffentliche Grundschule für Mädchen wurde zwar schon 1873 gegründet, aber es dauerte bis 1921, bis die erste Oberschule für Mädchen ihre Tore öffnete. Mädchenschulen gab es zunächst nur in städtischen Gebieten, die meisten davon selbstverständlich in Kairo. Erst sehr viel später entstanden Mädchenschulen auf dem Lande. 1929 wurden erstmals Frauen zum Universitätsstudium an der König-Fuad-Universität, der heutigen Kairo-Universität, zugelassen. Der Wandel ging zwar langsam, aber er war nicht zu übersehen. Die allgemeine Schulpflicht für Mädchen und Jungen in Ägypten besteht seit 1923, allerdings ist die Zahl der vorzeitigen Schulabgänge bei den Mädchen sehr hoch.

Der öffentliche Beruf, in dem Ägypterinnen tätig wurden, war der Lehrberuf, da die Geschlechtertrennung der islamischen Gesellschaft mit der Errichtung des Mädchenschulwesens weibliche Lehrkräfte dringend erforderte. Heute ist jede dritte Lehrkraft eine Frau.

Heutzutage finden wir Frauen nahezu in allen Berufen. Ausgeschlossen ist sie allerdings bis heute vom Richteramt, vom Amt einer Staatsanwältin in Strafprozessen und von den geistlichen Ämtern des Islam. Allerdings beschloß das ägyptische Ministerium für religiöse Stiftungen im Jahre 1965, Frauen als Prediger vor Frauen einzusetzen.

Im Jahre 1956 erhielt die Ägypterin das aktive und passive Wahlrecht, sowie 1964 die in der Verfassung verankerte Garantie der gesellschaftlichen Gleichberechtigung. Da aber das Familien- und Erbrecht auf der Scharia basiert, so ist die Frau auch heute noch dem Manne gegenüber stark benachteiligt. (Siehe hierzu vor allem die Beiträge in der Rubrik Familie und Recht –Anm. KFN.)

Was bestimmt heute das Leben der Ägypterin? Die Einstellung zur Arbeit der Frauen hat sich geändert, da es für die meisten Familien unmöglich ist, ohne den finanziellen Beitrag der Frau zu existieren. Das Ideal ist nach wie vor die nicht arbeitende Hausfrau und Mutter, und so bleibt es der Frau überlassen, beide Ansprüche gleichermaßen zu erfüllen. Die allmählich zunehmende Berufstätigkeit der Frau aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten und der niedrigen Gehälter wird von vielen Männern befürwortet. Dies hat zur Folge, daß die arbeitende Frau langsam eine positive Rolle in der Gesellschaft zugewiesen bekommt. Die materiell unabhängige Frau wird mit mehr Respekt behandelt, außerdem steuert sie erheblich zum Familienunterhalt bei oder ermöglicht einen höheren Lebensstandard.

Die "open-door-Politik" unter Sadat, die den Privatsektor und ausländische Investoren förderte, gab vielen Frauen der oberen Mittelschicht die Gelegenheit, lukrative Jobs zu bekommen, da sie vorwiegend ausländische Schulen besucht hatten und mehrere Sprachen beherrschten. Obgleich die meisten dieser Anstellungen Büroarbeit bedeutete, so war die Bezahlung wesentlich höher als in Regierungsstellen. Einige folgten der neuen Nachfrage nach westlichen Konsumgütern und eröffneten Boutiquen, kleine Hotels und Pensionen oder investierten ihr Kapital in Wohnungen, die sie an Ausländer vermieteten. Meistens haben es diese Frauen nicht nötig, zu arbeiten. Es bedeutet zwar eine Erhöhung des Lebensstandards, aber oft werden die Extragewinne für teure Kleider, Schmuck und Luxusgüter ausgegeben. Sie können es sich auch leisten, gute Hausangestellte zu haben, so daß ihre Berufstätigkeit nicht durch Pflichten und Verantwortung gegenüber der Familie belastet wird. Diese Gruppe hat insofern eine Bedeutung, da sie sich an europäischen Normen orientiert. Sie kleidet sich nach der letzten Mode, hört die neuesten Hits und Schlager Und raucht auch in der Öffentlichkeit. Freundschaften zwischen Männern und Frauen sind nicht verwerflich und Liebesheiraten werden bevorzugt.

Die neuen wirtschaftlichen Anforderungen verlangen heute auch von der Frau der unteren Mittelschicht, sich eine Arbeit zu suchen, aber auch, um aus der Isolation und Langeweile der engen Wohnung zu entfliehen. Die meisten Männer dieser Schicht achten bei der Brautwahl darauf, daß ihre Zukünftige einen guten Beruf hat, denn ein Mitverdienst – zumindest bis die Kinder kommen – ist willkommen.

Da die Frau der unteren Mittelschicht nicht die Möglichkeit hat, sich um lukrative Stellen in der Privatwirtschaft zu bewerben, nehmen die meisten von ihnen eine Beschäftigung im öffentlichen Sektor an, vorzugsweise in Regierungsämtern. So finden wir sie in den überfüllten Büros der Bürokratie mit wenig Arbeit. Ein strenges Dienstaltersystem erstickt jeden Ansatz des Wettbewerbs. Da kaum Leistungsdruck besteht, bietet sich auch kein Anreiz, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Es entsteht so ein negatives Bild der arbeitenden Frau, die den größten Teil ihrer Arbeitszeit damit verbringt, Tee zu trinken, zu schwatzen und zu stricken oder den Bürodiener in die "Gamaeya" zu schicken, um subventionierte Lebensmittel zu erstehen. Man schließt daraus, daß die Frauen ihren Beruf nicht ernst nehmen, und das bringt viele Direktoren dazu, bei der Einstellung Männer zu bevorzugen. Die Frau der unteren Mittelschicht kann sich auch keine Haushaltshilfe halten, und da der ägyptische Ehemann nur selten bereit ist, seinen Anteil an der Hausarbeit zu leisten, trägt sie die Doppellast der berufstätigen Frau und der Pflichten als Hausfrau und Mutter. Für einfache Frauen ist es oft lebenswichtig, sich ein Einkommen zu verschaffen. Da sie meistens eine unvollkommene Schulbildung haben, ja oft Analphabeten sind, finden sie Tätigkeiten als Arbeiterin in Fabriken, als Haushaltshilfen u.ä. oder sie versuchen, durch Heimarbeit oder Handel mit oft selbst produzierten Artikeln ihr Einkommen zu erhöhen. Für sie ist wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht nur ein Schutz für sie und ihre Kinder, sondern auch ein Wall gegen die ständige Drohung der Scheidung, die sie mittellos machen würde.

In allen Schichten finden wir aber auch die Frau, die ihre Ausbildung und Karriere ernst nimmt, die erfolgreich im Beruf ist, sei es auf dem Gebiet der Wissenschaft, Wirtschaft oder Erziehung.

Allen Frauen ist eines gemeinsam, ganz gleich, welchen Beruf und welche Ausbildung sie haben: es ist für sie unmöglich, sich nicht zu verheiraten. Eine alleinstehende Frau, die nie verheiratet war, wird von der Gesellschaft nicht akzeptiert und mit Mißtrauen betrachtet. So bleibt der Mittelpunkt ihres Lebens die Familie. Bis zur Heirat das Elternhaus und dann der Umzug in das Haus des Mannes, der über ihr Leben mitentscheidet. So muß er auch die Einwilligung zur Berufstätigkeit geben, denn die wenigsten denken daran, sich bei der Aufsetzung des Ehevertrages das Recht auf eigene Berufstätigkeit zusichern zu lassen.

So dürfen die Frauen zwar wählen, haben Anspruch auf eine Schulbildung etc., aber es ist noch immer nicht ihr Recht, über ihr eigenes privates Leben selbst zu bestimmen.

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Lexikon: Ägyptens Frauen im Spiegel der Statistik –
Sozialer Status 2. Klasse

von Dieter Biallas

Papyrus-Logo Nr. 3/89, pp. 3—5

Die Chancen sind schlechter geworden für Ägyptens Männer in den letzten 100 Jahren. Der Statistik nach konnten 993 von ihnen im Jahre 1892 noch aus 1000 Frauen eine Partnerin auswählen, also jedenfalls mindestens sieben mehr als eine Frau heiraten. Im Jahre 1986 durften die Frauen wählerischer sein als die Männer: Für je tausend von ihnen gab es 1047 männliche Ägypter. Dabei haben die Stadtfrauen Heimvorteile: Für sie ist das Verhältnis 1000 : 1057, für die Schwestern auf dem Lande nur 1000 : 1039. Die Erklärung liegt natürlich in dem sozialen Phänomen, daß ein Teil Männer zum Broterwerb vom Lande in die Stadt oder gar ins Ausland abwandert. Deutliche Ausnahmen von diesem Muster zeigt die Statistik nur in zwei Fällen an: im Red Sea Governorate gibt es 122 Männer auf je 100 Frauen, im Süd-Sinai deren sogar 158. Beides sind Gebiete mit Badetourismus, und mag man lange darüber rätseln, welche der beiden Feststellungen Ursache ist und welche Wirkung. Vielleicht sind sie aber auch nicht "korreliert", wie die Statistiker sagen.

Anderes soziales Verhalten, als wir es von daheim gewohnt sind, spiegelt sich auch in den Zahlen der verheirateten Personen. Der Zensus 1986 führt da 8,4 Mill. verheiratete Männer und 8,7 Mill. verheiratete Frauen auf, geschiedene und verwitwete extra. Wenn man unterstellt, daß mindestens soviel Männer Ausländerinnen heiraten wie Frauen Ausländer, so folgt daraus, daß mehr als 300.000 Frauen ihren Mann mit einer Geschlechtsgenossin teilen müssen, doch liefert dies nur eine sehr grobe Schätzung. Interessant ist, daß unter der städtischen Bevölkerung die Zahl der verheirateten Männer und Frauen etwa gleich hoch ist: die Tabellen nennen 3.795.621 für die einen und 3.795.234 für die anderen. Wer leichtfertig im Umgang mit Statistiken ist, könnte daraus sogar schließen, daß unter den Stadtfrauen 387 mit mehr als einem Mann verheiratet sind – natürlich ein Trugschluß. Traditionelles Verhalten überwiegt auf dem Lande: dort sind ca. 4,6 Mill. Männer verheiratet und 4,9 Mill. Frauen.

Deutlichen Aufschluß über eine andere soziale Erscheinung in Ägypten gibt die Anzahl der Verwitweten und geschiedenen Personen:

Gesamtzahl Stadt Land
m w m w m w
258.014 1.885.562 134.508 763.112 123.506 1.122.450

Selbst wenn man unterstellt, daß wegen des wohl oft hohen Altersunterschiedes bei Eheleuten es erheblich mehr weibliche überlebende Partner gibt als männliche, so lassen die angegebenen Zahlen den Schluß zu, daß geschiedene Männer wesentlich häufiger wieder heiraten als Frauen und daß dies auf dem Lande noch deutlicher ausgeprägt ist als in der Stadt. "Hagestolze" dagegen sind unter den Männern verbreiteter als "späte Mädchen" unter den Frauen: unter der Rubrik "niemals verheiratet" stehen ca. 4,1 Mill. Männer und 2,7 Mill. Frauen.

Die Statistik liefert also hier keine Überraschungen. Soweit sie überhaupt Schlußfolgerungen über soziale Muster zuläßt, bestätigt sie die landläufigen Auffassungen, daß die Gesellschaft den Frauen erheblich weniger Möglichkeiten zugesteht als den Männern.

Ähnliche Ergebnisse findet man, wenn man auf die Erziehung und Ausbildung blickt:

Population in 1986, 10 Years and over by educational status and sex
(Source: Preliminary results of 1986 population and housing census.)  
Educational status Male Female Total
Total Persons 18.006.253 16.767.142 34.773.395
Illiterate 6.803.169 10.357.455 17.160.624
Read and write 5.478.677 3.014.269 8.492.946
Qualifications less than college 4.672.528 2.925.882 7.598.410
Graduated and above 1.051.879 469.536 1.521.415
 
Percent Distribution Male Female Total
Total Persons 100,0 100,0 100,0
Illiterate 37,8 61,8 49,3
Read and write 30,4 18,0 24,4
Qualifications less than college 25,9 17,5 21,9
Graduated and above 5,8 2,8 4,4

Aufschlußreich ist hier der Quotient Männer : Frauen bei den verschiedenen Rubriken der Statistik:

Analphabetentum Schreiben + Lesen einfache Schule höhere Schule
0,6 1,6 1,5 2

Bezieht man weiterführende Ausbildungsstätten aus anderen Tabellen ein, so ergibt sich folgendes Bild:

Agricultural Sec. Schools Training Colleges Universitäten (Studentenzahl)
5,2 (zusammen 2,1) 0,9 2,1

Die Interpretation zeigt zunächst, daß die Zahl der Analphabeten bei den Frauen um mehr als die Hälfte höher ist als bei den Männern und daß bei den Grundkenntnissen die Frauen um die Hälfte hinter den Männern zurückliegen. Bei allen weiterführenden Bildungsstätten bis hin zu den Universitäten gibt es doppelt so viele männliche wie weibliche Auszubildende. Die Zahlen bei den Agricultural Sec. Schools und Training Colleges lehren darüber hinaus, daß es eine deutlich geschlechtsspezifische Wahl der Ausbildungsinstitutionen gibt. Zählt man für beide jedoch die absoluten Zahlen zusammen, so bleibt der Quotient 2 im beschriebenen Rahmen.

Die Statistik der Beschäftigten weist aus, daß von den Beschäftigten etwa 46,9% in Städten leben und der Rest auf dem Lande, von den männlichen Beschäftigten sind 44,2% Städter und von den weiblichen 69,5% Städterinnen. Offenbar wird also Berufstätigkeit für Frauen in urbanen Siedlungsgebieten eher akzeptiert als in ländlichen – wiederum kein überraschendes Ergebnis. Erstaunlich dagegen ist, daß die absolute Zahl der weiblichen Beschäftigten in Städten bei den Frauen (8,7 Mill.) nahezu doppelt so hoch sein soll wie bei den Männern (4,6 Mill.). Sie liegt umgekehrt jedoch auf dem Lande bei den Männern mit 5,8 Mill. erheblich höher als bei denn Frauen mit 3,8 Mill. Die Zahl der männlichen Unbeschäftigten in den Städten ist mit 5,6 Mill. um eine Million größer als die der weiblichen und hat auf dem Lande mit etwa 6 Mill. mehr als 2 Mill. Vorsprung vor der weiblichen (3,9 Mill.).

Es ist zu vermuten, daß eine beträchtliche Anzahl der Frauen, die in der Landwirtschaft arbeiten, sich selbst als unbeschäftigt bezeichnen. Überhaupt zeigt der Teil zur Beschäftigung im Zensus 1986 einige Ungereimtheiten und ist deshalb mit besonderer Zurückhaltung zu bewerten. Aber selbst bei der gebotenen Vorsicht gegenüber Statistiken bieten die angegebenen Zahlen aus dem Zensus 1986 einige wichtige Konturen für das Bild der Frau in Ägypten. Sie bestätigen im wesentlichen, was uns aus Berichten und eigenen Beobachtungen geläufig ist: die sozialen Indikatoren verweisen den weiblichen Bevölkerungsanteil in den Status einer Minderheit, obwohl er die Hälfte der Landeskinder ausmacht. Doch dieses Schicksal erfahren Kleopatras Geschlechtsgenossinnen in allen Teilen der Welt, vielleicht nicht ganz so deutlich und unverhohlen.

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"nichts hat sich geändert"
Interview mit Dr. Mona Abusenna über Frauen und soziale Entwicklung,
geführt von Barbara Hatour-Satow

Papyrus-Logo Nr. 3/89, pp. 17—19

Dr. Mona Abusenna ist Professorin für Anglistik und Vergleichende Literaturwissenschaften an der Ain-Shams-Universität Kairo. Sie ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen über Kultur und Literatur.
F.: Frauen und soziale Entwicklung, wo sehen Sie die Notwendigkeit zur Entwicklung?
A.: Entwicklung muß in den größeren Zusammenhang zivilisatorischer Entwicklung gestellt werden. Hier bedeutet Entwicklung Heraustreten aus Rückständigkeit. Dabei ist das Haupthindernis, dem wir begegnen, nicht wirtschaftlicher, sondern kultureller Art. Es ist das Wertesystem, das die gesellschaftlichen Verhältnisse regelt, die Rolle der Frau bestimmt und in der arabischen Welt im wesentlichen auf religiösem Glauben basiert, der die Frauen in erster Hinsicht einbettet in die Familie und als Gebärende sieht.
F.: Heißt das, daß Sie im Islam das Haupthindernis für die soziale Entwicklung sehen?
A.: Ja, natürlich, denn Islam deckt hier nicht nur einen Aspekt des Lebens ab, sondern er bestimmt das ganze Leben. Die ägyptische Gesellschaft ist keine säkulare Gesellschaft, sie hat nicht den Prozeß der Säkularisierung vollzogen, die die entscheidende Voraussetzung für die Modernisierung, für den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft ist.
F.: Wenn Säkularisierung die Voraussetzung für Entwicklung ist, wie kann sie erreicht werden?
A.: Ich meine bei Säkularisierung nicht die gemeinhin verstandene Trennung von Religion und Staat, sie ist erst das Resultat. Wirkliche Säkularisierung bedeutet kritische Auseinandersetzung mit den heiligen Schriften, was Luther getan hat und hier nicht stattgefunden hat.
F.: Wo sehen Sie die Möglichkeit einer Reinterpretation des Islam?
A.: Männer wie Ibn Rushd *), der im Mittelalter für einen kritischen rationalen Glauben plädiert hat oder in den 20er Jahren Taha Hussein, Ali Abu Razek u.a. Doch ihre Kritik wurde von den religiösen Führern erstickt. Heute gibt es nur eine kritische Frau in der arabischen Welt, Fatma Mernissi aus Marokko. Ihr Buch ist "Women in the Muslim unconsciousness".
Der heute vorherrschende traditionalistische Trend der Fundamentalisten glaubt nicht an Interpretation, sondern an die wörtliche Anwendung des Textes.
Die Verantwortung der Intellektuellen heute ist es – und das sagte auch Präsident Mubarak kürzlich –, eine arabische Bewegung der Aufklärung in Gang zu setzen, die die Vorherrschaft der Vernunft zum Ziel hat.
Auch die Supermächte haben die Gefahr, die der Fundamentalismus darstellt – der übrigens ein weltweiter Trend ist – erkannt. Hier gibt es eine Basis für die Zusammenarbeit zwischen der o.g. Bewegung der Intellektuellen und den Großmächten.
F.: Wie kann diese Zusammenarbeit konkret aussehen?
A.: Vorrangig ist die Ausbildung. Geht nicht in die Dörfer und macht Projekte, sondern formt das Bewußtsein. Heute ist es an der Zeit, bei der Entwicklung der Bildungsprogramme mitzuarbeiten, denn wir haben heute einen Bildungsminister (Dr. Ahmed Fathi Sorour), der sich persönlich engagiert für eine radikale Entwicklung des Bildungssystems und der sich bewußt ist, daß diese Entwicklung der Gegenpol des Fundamentalismus ist. Kreativität im Gegensatz zu Traditionalismus. Hier könnten die Deutschen ihre Erfahrung einbringen, z.B. wie die Ideale der Aufklärung, kritisches Denken in das Erziehungswesen einbezogen werden können.
F.: Wo sehen Sie weitere Schwerpunkte neben dem Erziehungswesen?
A.: In den Massenmedien. Hier müssen Frauen lernen, die Initiative zu ergreifen und sollten aufgeklärte Menschen an verantwortungsvoller Ste1le sitzen. Es sollte ein wöchentliches intellektuelles Programm für Frauen geben, z.B. über Frauen in der Geschichte.
F.: Wie sollte praktische Hilfe für Frauen aussehen?
A.: Ich finde, die Projekte für einkommensschaffende Maßnahmen, die während des Seminars vorgestellt wurden, sprechen die Frauen auf rein pragmatische, primitive Weise an. "Ich gebe Dir Geld, und wenn Du das und das machst, kannst Du mehr Geld verdienen." Ihre menschliche Fähigkeit, produktiv zu sein, wird über die unmenschliche Seite des Geldes angesprochen. Wenn ich etwas nur lerne, um damit Geld zu verdienen, höre ich damit auf, wenn ich das Geld anderweitig bekommen kann. Der Wert der Arbeit an sich muß erkannt werden, sonst rennt jeder hinter dem Geld her, wie es heute der Fall ist, ohne dafür arbeiten zu wollen. Denken Sie an die protestantische Ethik, Arbeit hatte ihre religiöse, moralische Grundlage.
F.: Seit den 20er Jahren besteht in Ägypten allgemeine Schulpflicht und können Frauen studieren. Heute stellen sie über 30% der Studierenden. Bildung und ökonomische Notwendigkeit haben viele Ägypterinnen berufstätig werden lassen. Sehen Sie nicht trotz fehlender Aufklärung eine soziale Entwicklung?
A.: Vor 20 Jahren begannen Frauen, aus dem Haus zu gehen und heute bleiben sie wieder zu Hause. Nach mehr als 20—25 Jahren gehen Frauen zurück in ihre Häuser, weil sie sie mit der Mentalität einer Hausfrau verlassen hatten. Für sie war es eine Last, aus dem Haus zu gehen und nicht eine Frage der Selbstverwirklichung oder des Wahrnehmens einer sozialen Verantwortung. Sie hatten den Eindruck, ausgebeutet zu werden, weil sie immer noch in und außer Haus als Dienerinnen angesehen wurden – nichts hat sich geändert.
Anmerkung 
    • Ibn Rushd ist bei uns bekannter unter dem Namen Averrois, geb. 1126 in Cordoba, gest. 1198 in Marrakesch. Er war ein einflußreicher Religionsphilosoph, der islamische Traditionen und griechisches Gedankengut vereinte. (Encyclopaedia Britannica).
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Leserbrief zum Beitrag: "Frauen und soziale Entwicklung"
von T. El-Hefny
Papyrus-Logo Nr. 5—6/89, pp. 112

Unter allen Aufsätzen über die ägyptische Frau, die sowohl statistisch als auch nur berichtend von Ihrer Entwicklung handeln, stößt man verwundert auf die Überschrift "nichts hat sich geändert". Allgemein und mit konkreten Belegen auf die Veränderungen im allgemeinen sozialen Leben, besonders aber im Leben der Frau, aufzumerken, ist für alle, die in den letzten Jahrzehnten hier in Ägypten gelebt haben, so augenfällig, daß es keiner Erklärungen bedarf, und es ist nicht nötig, darauf näher einzugehen (besonders nicht auf die vielfach leeren Phrasen).

Doch scheint mir die Begründung, daß der Islam die Schuld trägt an den sozialen Rückständen im Leben der Frau, nicht angebracht. Die islamischen Gesetze sind im Koran enthalten, dem Heiligen Buch, das Gottes Wort ist, sie müssen befolgt werden. Ist das so schwierig, daß sie säkularisiert werden müssen? Gewiß stehen die vorgeschriebenen Sitten in starkem Gegensatz zu dem jetzigen sehr freien Leben in Europa, aber ist das unser Ziel?

Richtig ist es, wie unser Präsident gesagt hat, die Worte mit Vernunft zu betrachten – "die Vorherrschaft der Vernunft zum Ziel zu (haben)" – und demnach auch auszulegen. Und das ist es, was Luther getan hat. Er hat keineswegs die Heilige Schrift angegriffen, im Gegenteil, er war überzeugt von ihrer Richtigkeit, aber nicht davon, wie die Kirche sie auslegte und zu ihrem Vorteil nutzte. Luther stand im Kampf gegen die Kirche und nicht gegen die Bibel. Er hatte erkannt, daß das Papsttum die Worte der Heiligen Schrift so auslegte, daß sie ihm mehr Macht, mehr Luxus und eine stärkere Herrschaft gaben. In seinem großen Werk, der in 13 Jahren vollzogenen Bibelübersetzung, hat er nicht den Inhalt, also auch Gebote und Lehren, geändert (oder säkularisiert), sondern eine Sprache gewählt, die dem Volk verständlich ist. Aus der bedeutendsten seiner drei großen Schriften "An den christlichen Adel deutscher Nation" geht punktweise hervor, was Luther hier nicht säkularisiert, sondern als falsch ausgelegt erkennt.

Es gibt auch hier in Ägypten genug weise Scheikhs, Ulemas, die den Koran der Zeit passend verständlich machen und es keinem erschweren, in seinen Gesetzen zu leben. Das ist doch gerade das Große am Koran, daß er für die Ewigkeit und für alle gesandt worden ist. Kleinkrämerei gibt es in allen Religionen, also Menschen, die nach den Buchstaben leben und diesem noch eigenes hinzufügen in der Überzeugung ihres Ausgewähltseins.

Nicht verständlich ist mir der Schluß dieses Artikels: Daß Frauen wieder in ihr Hausfrauendasein zurückdrängen, ist doch ein Trend, der sich auch in Europa wieder zeigt und auf Erfahrungen beruht. In vielen Ehen zieht es der Mann vor, daß sich die Frau dem Haus und den Kindern widmet, wenn sein Verdienst ausreicht. Daß daneben auch viele Frauen ihren Beruf gern und mit Interesse ausüben, ist wohl in der Überhand. Ausbeuten? Eine selbstbewußte Frau bezieht dies nicht auf sich!

Was mich bei den Besprechungen über das Frauenproblem stört, ist der ständige Vergleich mit Europa, und zwar der im negativen Sinne. Es wird dauernd von Rückständigkeit gesprochen. Nun, jedes Land entwickelt sich im Rahmen seiner geschichtlichen Vorgänge und entsprechend seiner Eigenart. Gut, vergleichen wir: Anfang dieses Jahrhunderts war es in Deutschland z.B. absolut nicht üblich, daß junge Mädchen, selbst aus höheren Kreisen, studierten oder gar beruflich tätig waren. Die jungen Mädchen wurden in ein "Höheres Töchterpensionat" gesteckt, wo sie in Haushaltsarbeiten, aber auch Kunst, etwas Literatur und Nadelarbeit ausgebildet wurden, um gute Ehefrauen zu werden. Daneben bildete sich eine Art Gruppe von Frauen, die männliche Rechte haben wollten. Eine solche Frau legte die Eitelkeit des weiblichen Geschlechts ab, kämmte sich die Haare streng nach hinten und machte einen Knoten daraus, trug lange "Latschen", flache Schuhe, lange weite Röcke und dergleichen. Man nannte eine solche Frau einen "Blaustrumpf" und machte sich lustig über sie. Gewiß gab es damals weibliche Berufe, wie Krankenschwester, Näherin, Verkäuferin in Haushaltsläden, Köchinnen usw., aber in die Wissenschaft wurden Frauen noch nicht aufgenommen. Weiter als bis zur Lehrerin für Mädchenschulen war der Berufsweg nicht gesteckt.

Hier in Ägypten hat sich das viel einfacher und unbeschwerter eingebürgert, daß junge Mädchen studieren, auch die aus religiösen Kreisen. Auch Ehemänner haben sich mit dieser "neuen" Frau hier vielfach leichter zurechtgefunden als in der BRD.

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Die Frau von heute in Ägypten

Wir sind nicht länger autorisiert, diesen Artikel wiederzugeben.

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Frauen auf dem Lande (1)
von Barbara Hatour-Satow

Papyrus-Logo Nr. 3/84, pp. 12—13

Den sechsmonatigen Familien-Studien der Engländerin Elisabeth Taylor in Dahschur, in Form intensiver Gespräche mit den Dorffrauen über ihr Familienleben, denen drei Monate Interviews vorausgingen, sollen hier drei Lebensgeschichten entnommen werden. Sie mögen der Veranschaulichung der Lage der Ägypterin auf dem Lande dienen:

Om Abdallah: ist um die 45 Jahre alt. Ihre Mutter stirbt, als sie noch klein ist. Vor Beginn der Pubertät wird sie mit einem 40-jährigen Mann verheiratet und bringt bald ihr erstes Kind zur Welt. Sie fürchtet ihren Mann, der so alt ist wie ihr Vater, aber der Altersunterschied gibt ihr auch größere ökonomische Sicherheit und verringert die Angst, wegen einer jüngeren Frau verlassen zu werden. Nach der Hochzeit ist es Brauch, daß die Frau zur Familie des Mannes zieht – so auch Om Abdallah – wo sie von der Schwiegermutter als billiges Dienstmädchen benutzt und im Hause gehalten wird. Om Abdallah leidet unter starkem Heimweh, obwohl ihr Vater und Geschwister im selben Dorf wohnen. Aber jung verheiratet wird jeder Besuch der eigenen Eltern oder der Besuch der Frau bei ihrer Familie als Zeichen gesehen, daß die Frau in ihrer neuen Familie nicht glücklich ist. Ihre und die Lage der meisten ägyptischen Frauen verbessert sich mit zunehmenden Alter. Als Frau mittleren Alters – ihr Mann ist bereits ein Greis – wird Om Abdallah mächtig: sie setzt durch, daß ihre Töchter – sie hat vier überlebende Kinder – nicht vor 18 Jahren heiraten, was allgemein als spät angesehen wird.

Nabila: ist ungefähr 35 Jahre alt. Sie heiratet mit 13 Jahren. Auch sie wird von ihrer Schwiegermutter schlecht behandelt. Aber sie hat die Möglichkeit, mit ihrer Familie in Verbindung zu stehen, da das Stück Land, auf dem sie arbeitet, an das ihres Vaters anschließt. Sie will sich scheiden lassen, findet die Unterstützung ihres Vaters und erreicht die Scheidung. Nabila geht mit ihrem Kind zurück zu ihrem Vater und widersteht 2½ Jahre dem Druck, wieder zu heiraten. Doch dann gibt sie nach, heiratet wieder und macht dasselbe durch wie in ihrer ersten Ehe: wieder wird sie als billige Arbeitskraft mißbraucht. Aber Nabila setzt durch, wovon jede verheiratete Frau auf dem Lande träumt: sie zieht mit ihrem Mann weg von seiner Familie in ein eigenes Ziegelsteinhaus. Nabila ist diese "Befreiung" nur durch den Beistand ihres Vaters gelungen.

Fatma: ist etwa 30 Jahre alt, verwitwet, hat drei Kinder und arbeitet als Landarbeiterin. Im Gegensatz zu den jung verheirateten Frauen, die isoliert und an das Haus gefesselt sind, genießt Fatma volle Bewegungsfreiheit. Sie hat viele Freundinnen, meist geschiedene und verwitwete Frauen, die sie besuchen und mit denen sie die Organisation der Kinderversorgung für den nächsten Tag regelt und darüber spricht, wie man mit dem wenigen zur Verfügung stehenden Geld zurecht kommt oder auch, wie man es schafft, unverheiratet zu bleiben! Sie haben zwar Heiratsangebote, wollen aber keine Dienerinnen mehr sein und wollen ihre Kinder nicht verlieren, worauf die neuen Ehemänner oft bestehen. Ihre Kinder sind ihre Sicherheit fürs Alter und sie wollen, daß sie eine gute Schulbildung bekommen, Jungen wie Mädchen. Auch wenn die Töchter später nicht arbeiten werden, wird man sie doch besser behandeln, wenn sie eine Schulbildung haben.

Orientalinnen

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Frauen auf dem Lande (2)
von Prof. Dr. Aliaa Shoukry-Gawhary
(Leiterin der soziologischen Abteilung Girls College / Ain-Shams-Universität)

Papyrus-Logo Nr. 5—6/86, pp. 11—13

In den "Caractères et Anecdotes" berichtet Cahamfort (1740—1794), nicht ohne zu betonen, daß es sich um eine Tatsache handele, daß eines Tages die Tochter des Königs, als sie mit ihrer "bonne" spielte, zu dieser sagte: "Wie, auch sie haben fünf Finger genau wie ich?" Und dann habe sie ihre eigenen Finger genau nachgezählt, um dessen auch ganz sicher zu sein. In seinem Aufsatz "Ist eine konservative philosophische Anthropologie möglich?" schreibt Eliso Vivas 1968: "Heutzutage pflegen Universitätslehrer das Dogma des kulturellen Relativismus ihren Studenten gegenüber, als ob es sich dabei um eine ebenso unumstößliche Tatsache handele, wie jene, daß die mexikanischen Indianer genauso viele Zehen an jedem Fuß haben wie die Gringos, die sie zuletzt zählten."

Die konservative Kritik am kulturellen Relativismus wird durch meine dreijährige Feldforschung über die ländliche Frauenarbeit ermöglicht, die beweist, daß es nicht nur Unterschiede zwischen einzelnen Ländern oder zwischen Stadt- und Dorfbevölkerung gibt, sondern daß es innerhalb der dörf1ichen Struktur drei Gruppen von unterschiedlichen Aktivitäten gibt.

Man kann grundsätzlich die Frauen auf dem Lande in drei Gruppen einteilen:

  1. Frauen aus den alten und großen Familien, die viel Landbesitz haben, aber denen es nicht erlaubt ist, auf dem Lande zu arbeiten.
  2. Mitglieder von Familien, die wenig Land haben und über keine zusätzlichen Einkommen verfügen.
  3. Frauen, deren Familien kein Land besitzen, die deshalb auf Gelderwerb angewiesen sind und dadurch eine gewisse Unabhängigkeit und Selbständigkeit haben. Ihr Auftreten ist freier und selbstsicherer, denn ihnen werden keine traditionellen Zwänge auferlegt.

In diesem Aufsatz möchte ich über die zweite Gruppe schreiben. Sie gehören zur unteren Mittelschicht und sind den ländlichen Traditionen unterworfen. Schon von früher Kindheit an müssen sie auf den Feldern mithelfen Eine Schulbildung und die daraus folgende Berufsausbildung, welche zur Unabhängigkeit führen könnte, ist ihnen verwehrt.

Sie selber bezeichnen sich als nicht berufstätig, obwohl sie die Gruppe darstellen, welche von Kindheit an am meisten arbeiten. Sie können sich nicht das bequeme Leben der Frauen aus reicheren Familien leisten (Gruppe 1), noch können sie sich ihre Arbeit wie die Mitglieder der Gruppe 3 selbst aussuchen und bekommen für ihre vielfachen Tätigkeiten kein Entgelt. Sie bezeichnen sich selbst als Hausfrauen und sind stolz darauf.

Diese Haltung der Landbevölkerung und insbesondere der Frauen selber – welche sich als nicht berufstätig bezeichnen – erklärt die "falsche" Statistik von 1976, die angibt, daß nur 1,6% der Dorffrauen berufstätig sind.

In unserer Untersuchung, welche von ILO (International Labour Office) finanziert wurde, hatte ich zusammen mit einer Gruppe von Mitarbeitern die Möglichkeit, über drei Jahre eigene Beobachtungen in drei Dörfern im Fayoum anzustellen. Der Beobachter sah sich selber als Mitglied der Gruppe an, ohne an ihrer Tätigkeit teilzunehmen. Die Aktivitäten des einzelnen wurden vom Beobachter nach einem vorher aufgestellten System kategoriert.

Diese Beobachtungsanordnung hat sich in vielen Hinsichten als besonders hilfreich herausgestellt, so konnte man die Zeiteinteilung der Landfrau genau aufzeichnen. Daraus ergab sich, daß eine Arbeitszeit von täglich 16—19 Stunden für die Frau anfällt, welche sich in einem vorangehenden Interview stolz als NUR-Hausfrau bezeichnet hat.

Ihre Tätigkeit fängt morgens um 5:00 Uhr an und endet nicht vor 21:00 Uhr abends. Es gibt Arbeiten, welche täglich anfallen, andere – wie z.B. Kochen und Brot backen – nur einmal wöchentlich. Der Arbeitsaufwand ist auch abhängig von der Struktur der Familie. So müssen zum Beispiel in der "extended family" oder Drei-Generationen-Familie, wenn es dort nur eine Frau gibt, alle männlichen Verwandten von ihr bedient werden.

Eine Landfrau ist zuständig für die Feldarbeit, das Kleinvieh, Besorgung des Brennmaterials (Sammeln von Holzabfällen oder Herstellung aus Stroh und Kuhfladen, welche hauptsächlich von alten Frauen gesammelt werden), 2x täglich Wasser holen, Waschen des Geschirrs und der Wäsche am Bach, alles ohne Hilfsmittel, nur mit Sand. Bei der letztgenannten Tätigkeit finden sich die Frauen in der Gruppe zusammen, wobei sie sich unterhalten und scherzen können.

Ausschließliche Frauenarbeit ist Kochen und Kinderpflege. Da das Heiratsalter sehr niedrig ist und sie fast jedes Jahr ein Kind bekommen, kann eine 25-jährige Frau theoretisch bereits 10 Kinder haben. Die Säuglingssterblichkeit ist aber sehr hoch, da keine Zeit für Kinderpflege übrigbleibt. Überhaupt konnte beobachtet werden, daß manche Tätigkeiten zur gleichen Zeit ausgeführt werden (Kind stillen und Gemüse putzen).

Hat die Landfrau etwas Geld gespart, so wird sie sich eine Kuh anschaffen, wodurch ihre Arbeitspalette noch vergrößert wird: Vieh versorgen, 2x täglich melken, Stall reinigen, Produktion von Butter und Käse. Sie wird immer versuchen, mehr Land und mehr Vieh anzuschaffen, ohne die Folgen einer größeren Arbeitsbelastung zu beachten.

Eine Hilfe kann die Frau erst bekommen, wenn ihre Töchter größer werden – allerdings muß sie sie bald an die Familie des Ehemannes abgeben – oder wenn ihr Sohn eine junge Schwiegertochter ins Haus bringt, die ihr einen Teil der Arbeit abnehmen kann. Die Männer arbeiten durchschnittlich weniger als die Frauen. Sie machen die Feldarbeit, wobei ihnen die Frauen "nur" helfen, aber in Wirklichkeit den Großteil der Arbeit ausführen. Sie arbeitet mit dem Mann auf dem Feld, er arbeitet aber nicht mit ihr im Haushalt. Sie geht auf den Markt, verkauft und tauscht, damit sie die Sachen, die sie in ihrem Haushalt braucht, bekommt. Der Mann geht höchstens zum Viehmarkt. Die Frau und ihre Töchter müssen den Mann, seine Söhne und die Verwandten des Mannes, wenn sie zu Besuch kommen, bedienen.

Wir haben beobachtet, daß die Frau keine Zeit hat, sich zu pflegen oder sich auszuruhen, wegen der vielfältigen Arbeit. Trotzdem gibt es keinen Rollenkonflikt im europäischen Sinne, weil die ganze Familie auf die Arbeit ausgerichtet ist. Fallen Hausarbeit und Feldarbeit gleichzeitig an, so hat die Feldarbeit immer Vorrang. Die Großfamilie ("household") ist als Produktionseinheit anzusehen, dadurch ergibt sich, daß die produktive Feldarbeit immer an erster Stelle steht. Sieht man die vielen verschiedenen Arbeiten, die von einer Frau auf dem Lande ausgeführt werden, so kann man die Bäuerin verstehen, welche sagte: "Hätte Allah uns mit zehn Händen erschaffen, so wäre es besser!" Obwohl sie zu Anfang der Untersuchung sagte: "Ich arbeite nicht, ich helfe nur manchmal meinem Mann!"

Orientalin

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Die ägyptischen Bäuerinnen werden vom Staat vergessen
aus: "Al-Wafd" vom 13.3.1995
von Hanan Osman und Nadia Sobhi, übersetzt von Christina Baade

Papyrus-Logo Nr. 11—12/95, pp. 65—67

Auf dem Lande: Bildung nur für die Söhne – und für die Töchter 20 Ziegen

Die Frau auf dem Lande ist ein Wesen, das ißt und trinkt und dann im Alter von 10 Jahren verheiratet wird. Ja, in diesem zarten Alter wird das Kind verheiratet, um im Kindesalter Mutter zu werden: In diesem Alter soll der zarte Kindeskörper schon die Lasten des Mutterwerdens tragen mit all seinen Konsequenzen für die Gesundheit und den langfristigen Folgen wie Anämie, Blut- und Geschlechtskrankheiten.

So besteht das Leben eines Mädchens auf dem Lande aus einer Reihe von Strapazen und Leiden. Es wurde gezeugt, ohne innerhalb der Familie erwünscht zu sein. Die Kleine arbeitet im Haus ihres Vaters oder auf dem Feld, dann wechselt sie ins Haus ihres Mannes, wo sie ebenfalls arbeitet, ohne Rechte oder Vertrag, der ihre Menschlichkeit schützt. Die Diskriminierung der Frauen auf dem Land beginnt mit dem Moment ihrer Geburt. In der ländlichen Welt herrscht die Auffassung vor, daß ein Mädchen nur eine Last für die Familie bedeutet und sie außerdem keine Rolle bei dem Fortbestand der Familie spielt. Deswegen werden ihr viele Rechte vorenthalten!

Die Statistiken bestätigen dies: Während die Analphabetenquote der ägyptischen Frauen insgesamt 67% beträgt, erreicht sie auf dem Land 90%. Landesweit leiden ca. 60% der ägyptischen Frauen unter Blutarmut und Anämie; auf dem Lande sind dies jedoch 95% der Frauen. Der Hauptgrund hierfür ist die schlechte Ernährung der Mädchen und die Bevorzugung der Jungen in den Bauernfamilien beim Essen. Ein weiterer Faktor ist das frühe Verheiraten der Mädchen. Diese Sitte hat gefährliche körperliche Folgen für sie, da sie die Beschwerden von Schwangerschaft und Geburt in einem Alter ertragen müssen, in dem der Körper diesen noch nicht gewachsen ist. Als Folge werden körperlich schwache Kinder geboren und die Sterblichkeit unter den Müttern steigt an. Wenn sie überleben, leiden sie ihr Leben lang unter ernsthaften Erkrankungen, die oft einen frühen Tod zur Folge haben.

Eine Studie über das gesellschaftliche Ansehen und dessen Auswirkungen auf die Einstellung der Eltern zur Ausbildung von Mädchen auf dem Land, die vom Zentrum für Sozial- und Kriminalforschung durchgeführt wurde, kam zu folgenden Ergebnissen:
"Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage und dem niedrigen Lebensstandard auf dem Lande und aus Angst vor Liebesbeziehungen sehen sich die Eltern auf dem Lande gezwungen, die Ausbildung der Mädchen zu verkürzen, ganz auf sie zu verzichten oder sie so früh wie möglich zu verheiraten.
91% der für die Studie befragten Personen zieht es vor, Mädchen in hausfraulichen Tätigkeiten zu unterrichten und 61,5% waren der Meinung, daß Jungen besser lernen können als Mädchen."

Um nicht lange auf Berichten, Studien und Forschungen herumzureiten, reiste "Al-Wafd" durch mehrere Dörfer, um die Realität zu prüfen.

Im Dorf Abul-Ghit in Qalubiya während der Kartoffelernte: Auf den Feldern sind große Gruppen von Frauen und Mädchen damit beschäftigt, Kartoffeln einzusammeln, und auch eine Gruppe von Männern ist auf den Feldern. Anfangs weigerten sich die Frauen, auf unsere Fragen zu antworten. Doch dann begann ein Gespräch: Auf unsere Frage, ob sie zur Schule gegangen seien, sagten sie: "Nein". Dazu erklärte dann Tamam Sayyid Ahmed, der auch auf den Feldern arbeitet: "Für die Mädchen gibt es keine Ausbildungsmöglichkeiten; wir versuchen, die Jungen in die Schule zu schicken – aber die Mädchen – nein. Denn ein Mädchen heiratet und arbeitet dann sowieso für ihren Mann."

Dasjenige unter den Mädchen, das am meisten gebildet schien, ist in der 6. Grundschulklasse. Dazu erklärte Tamam: "Wenn ein Mädchen zur Schule geht, scheitert es sowieso. Deshalb ist es besser, wenn es zu Hause bleibt und auf einen Bräutigam wartet. Ich selbst habe meine Töchter im Alter von 16 und 14 verheiratet. Wir können schon die Schule für die Jungen kaum bezahlen, woher sollen wir dann den Schulbesuch der Mädchen finanzieren."

Nagah Ali Abdel-Ghani, 14 Jahre alt, sagt: "Ich bin nicht zur Schule gegangen, damit meine Brüder gehen können." Nagah ist verlobt und wird in Kürze heiraten. Sie erzählt weiter: "Bei uns im Dorf gilt ein Mädchen mit 20, das noch unverheiratet ist, als alte Jungfer, für die der Zug abgefahren ist." Nagahs Bräutigam hat mittlere Schulbildung.

Seltsamerweise teilten uns die Mädchen, die nicht mit uns sprechen wollten, mit, daß ihr Tageslohn für die Feldarbeit LE 5 beträgt und sie 1 Stunde täglich Pause haben. Auf meine Frage an den Aufseher, wer das Geld bekomme, sagte er, daß den Frauen ihr Lohn persönlich ausgezahlt würde. Damit verdient eine Tagelöhnerin mit LE 150 mehr als eine Regierungsangestellte.

Im Dorf Arab El-Din im Bezirk Qanatir Al-Khairiya trafen wir mit mehreren Frauen zusammen. Als wir erklärten, daß wir von der Zeitung "Al-Wafd" kämen, erwartete uns eine große Überraschung. Die Frauen kannten weder die Zeitung, noch die Al-Wafd, sondern nur Radio und Fernsehen. Um Mohamed, Mutter von einem Sohn und zwei Töchtern sagt: "Das Problem mit der Ausbildung besteht darin, daß die Schule zu weit entfernt vom Dorf und der lange Schulweg für die Kinder zu anstrengend ist. Die weiterführende Schule wurde erst vor 1 Jahr gebaut." Um Mohamed erklärt, daß sie ihre Töchter zur Schule schicken und ihnen die Möglichkeiten bieten möchte, die sie selbst nicht hatte.

Amal Abdallah 18 Jahre, ist verheiratet und hat 2 Kinder im Alter von 3½ und 2½ Jahren und ist mit dem 3. Kind schwanger. Sie sagt, sie hoffe, daß ihre Töchter zur Schule gehen können und sie ihnen die beste Kleidung kaufen könne. Doch sei die wirtschaftliche Lage so schlecht, daß sie diese Träume wohl nicht werde verwirklichen können, besonders, da die Schule in der Nähe eine Privatschule sei, wo die Schulgebühren LE 500 betrügen!

Wenn den Frauen auf dem Land die meisten Rechte verwehrt bleiben, kann die städtische Gemeinschaft schwer geschädigt werden. Das ägyptische Dorf ist Produzent vieler Nahrungsmittel und Konsument zahlreicher Produkte des modernen Lebens. Was wir in den Häusern auf dem Lande gesehen haben, ist der Beweis hierfür. Auch wenn die Häuser noch immer aus zerbrechlichen Lehmziegeln erbaut werden, so gibt es drinnen doch Strom, TV, Waschmaschinen und Kassettenrekorder. Und es scheint, daß das Wissen der Frauen nur aus dem Fernsehen stammt. Ein Beispiel hierfür ist das Programm für Familienplanung. Um Mustafa sagt, daß sie die Empfehlungen aus dem Fernsehen befolge. Als sie ein Zentrum für Familienplanung im Dorf sah, ist sie hingegangen. Auf meine Frage, wieviele Kinder sie habe, antwortete sie "nur 7!".

Familienleben

Auch wenn es lächerlich scheint, so ist diese Situation in Wahrheit doch eher tragisch und bedauerlich. Die Frauen auf dem Land leben noch weit entfernt von der Regierungsfürsorge und den staatlichen Programmen, so als ob es in Ägypten nur die Frauen in Kairo, Giza und Alexandria gäbe.

Noch immer bestimmen Sitten und Gebräuche das ländliche Leben in Ägypten. Und noch immer ist das Verbleiben in diesen Gebräuchen, die oftmals Unwissenheit bedeuten und unzeitgemäß sind, der Grund für die Rückständigkeit der Menschen auf dem Land, worunter die Frauen am meisten zu leiden haben.

Noch immer ist die Verheiratung der Mädchen die größte Sorge der Bauernfamilien. Das Gespräch der Frauen dreht sich größtenteils nur um die Hochzeit der Mädchen und ihre Aussteuer, zu einem Grad, daß sie beginnen, die Aussteuer sofort nach der Geburt eines Mädchens anzusammeln, damit sie vollständig ist, sobald es das heiratsfähige Alter erreicht hat, was oft schon 10 Jahre ist.

Um Mohamed aus dem Dorf Arab El-Murra sagt: "Ich habe zwei Töchter und einen Sohn. Die älteste ist 14, der Sohn 13 und die Kleinste ist 9." Sie zeigt auf die Kleine und sagt: "Hier, eine süße Braut, die bald heiraten kann!" Um Mohamed steht jedoch vor folgendem Problem: Ihr Mann ist gestorben und so akzeptiert niemand ihre Töchter als Ehefrauen, da sie nur wenig Geld hat und so nur eine geringe Aussteuer beibringen kann. Deswegen war sie gezwungen, ihren einzigen Sohn aus der Schule zu nehmen und ihn in eine Drechslerwerkstatt zu geben, damit er bei der Unterstützung der Schwestern hilft.

Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage wird noch immer ein teures "Shabka" (Brautschmuck) gefordert, bestehend aus 4 Armreifen, 1 Kette mit Anhänger, Uhr, Ring, Ohrringen und 2 Eheringen. Der Wert eines solchen Brautschmuckes erreicht mit Leichtigkeit 5.000 LE.

Eine Studie von UNICEF über Mutterschaft, Kindheit und Krankheiten kam zu dem Ergebnis, daß die meisten Frauen auf dem Land von Blutarmut und Anämie betroffen sind. Auch Erkrankungen an den Geschlechtsorganen und Geburtswegen wie Absenkung der Gebärmutter und Unfruchtbarkeit treten häufiger auf. Grund dafür ist in vielen Fällen das Schweigen der Frauen zu Beginn einer Krankheit, aus Angst darüber zu sprechen. Auch die Sitten und Gebräuche bestimmen, daß Gespräche über diese Themen "aib " sind und so werden viele Krankheiten zu spät behandelt.

Hagga Um Said erzählt, daß sie im Alter von 7 Jahren verheiratet wurde und ihren Bräutigam bis zur Hochzeitsnacht nicht zu sehen bekam. Sie erkrankte, wußte aber nicht warum. Es ist klar, daß sie eine starke Hämorrhagie hatte. Damals gab es keine Erklärungen dafür und es wurde ihr gesagt, daß sie die Leiden ertragen müsse.

Die gelbliche Gesichtsfarbe vieler Bäuerinnen und die Anzeichen von Magerkeit und Schwäche sind der beste Beweis für die gesundheitliche Katastrophe.

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Ein ägyptisches Portrait: Sabah
von Siegrid el-Gabbas

Papyrus-Logo Nr. 2/86, pp. 44—45

Sie war, glaube ich, 14 Jahre alt, als sie das erste Mal zu uns kam, zusammen mit ihrer Mutter, welche mir im Haushalt half.

Sie war schlank und zartgliedrig, ziemlich hellhäutig und hatte ein sehr freundliches Wesen. Sie gefiel mir sofort, und ich hatte das Gefühl, daß auch sie sich bei uns wohl fühlte. Sie ging noch zur Schule und wollte Abitur machen und studieren. In den Ferien half sie ihrer Mutter, unser Haus sauber zu halten und verdiente sich so das nötige Geld für ihre Schulbücher und einige Nachhilfestunden, die – wie sie erklärte – sein mußten, denn die Lehrer verlangten dies.

Sie hatte eine gute Auffassungsgabe und lernte schnell, sich der deutschen Art anzupassen. Daß sie bald eine gute Freundin meiner Kinder wurde, versteht sich von selbst, denn so viele neue Spiele und interessante Geschichten, besonders von Geistern, kannte kaum jemand. Bald kam sie regelmäßig und übernachtete auch mal bei uns, so daß wir unsere Kinder in guter Obhut wußten, wollten wir einmal ausgehen.

Sabah war zielstrebig und fleißig, und so freuten wir uns denn alle mit ihr, als sie wirklich ihr Abitur bestand und einen Platz zum Lehrerstudium an der Universität erhielt. Sie konnte stolz sein auf ihr Zeugnis, wenn man betrachtet, unter welchen Umständen sie hatte lernen und studieren müssen.

Ihr Vater starb, als sie drei Jahre alt war und hinterließ seine Familie völlig mittellos. Ihre Mutter mußte sieben Kinder ernähren und groß ziehen. Die Söhne erlernten bald ein Handwerk, die älteste Tochter heiratete, so war sie, Sabah, der ganze Stolz ihrer Mutter, sie wenigstens sollte zur Universität gehen.

Das bedeutete aber, daß sie in dem einen Zimmer, in dem die ganze Familie lebte, in dem gekocht, gewaschen, gegessen, geschlafen und nicht selten gestritten wurde, lernen mußte. Ihre Bücher und Hefte hob sie sorgsam in einem Karton auf, ihre Augen wurden sehr strapaziert, da dies Zimmer nur durch eine einzige Glühbirne erhellt wurde. Aber sie hatte ihr Ziel fest vor Augen und ließ sich auch nicht von ihren Brüdern beeinflussen, die, sei es aus Neid, Eifersucht oder eigener Unzufriedenheit, ihre Launen an ihr ausließen. Sie wusch deren Hemden, kochte ihnen das Essen und bediente sie, wenn sie es verlangten – nicht selten wurde sie mit Schlägen bedacht, wenn sie einen abgegangenen Knopf übersehen hatte.

Auf meine Frage, warum sie sich dies alles gefallen ließe, meinte sie gleichmütig, daß ihr doch nichts anderes übrig bliebe, was könne sie schon machen, sie sei abhängig von ihren Brüdern. Denn diese könnten ihr den Schul- oder Universitätsbesuch verweigern und sie dazu zwingen, im Hause zu bleiben. Daß ihre Brüder jähzornig und gewalttätig sein könnten, merkte man ab und zu an den blauen Flecken, die sie mir zeigte.

Obwohl Sabah nun Studentin war, nahm sie Anteil am Leben ihrer "Gasse", in der sie mit vielen anderen Menschen wohnte. Dies bedeutet auch, daß sie sich den dortigen Normen unterwerfen mußte. Reichlich nervös wurde sie, als sie ihrem 21. Geburtstag zustrebte, denn so langsam mußte sie ans Heiraten denken. Eine Heirat muß sein, auch wenn man eine Ausbildung hat, die es einem ermöglicht, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie hatte sich auch schon einen Mann ausgesucht und zitterte nicht wenig vor Angst, daß ihre Brüder die Zustimmung zur Heirat verweigern könnten. Da dieser Mann von Beruf nur Schneider war und sie voraussichtlich ein Diplom vorweisen würde, war die Möglichkeit einer Zurückweisung nicht ausgeschlossen. Sabah aber fühlte sich von diesem Mann stark angezogen, von seinem ruhigen Wesen und seiner freundlichen Art. Die Mütter waren seit langen Jahren befreundet und waren mit dieser Verbindung einverstanden. Trotzdem gab es einige harte Kämpfe zwischen dem Bewerber und den Brüdern und viele Tränen von Sabah. Da aber die Brüder nicht in der Lage waren, ihrer Schwester eine entsprechende Aussteuer zukommen zu lassen, willigten sie endlich ein – unter großen finanziellen Belastungen des Bräutigams.

Nun, Sabah hat ihr Abschlußexamen gemacht und wartet auf eine Anstellung im staatlichen Schuldienst. Sie hat den Mann geheiratet, den sie sich ausgesucht hat und erwartet jetzt – wie kann es anders sein – ihr erstes Kind.

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Fingerzeig Zum 2. Teil von "Frauen in Ägypten"

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