Familie und Recht
    Inhalt:
    Recht aktuell: Über Ägyptens Familien- und Eherecht
    Die binationale Ehe im deutschen und ägyptischen Recht
    Familienrecht im heutigen Ägypten
    Das elterliche Sorgerecht in Ägypten
    Erbrecht in Ägypten
    Kinder von Ägypterinnen: Ausländer in ihrer Heimat
    Information vor Entscheidung
    In Güte behalten oder mit Gut entlassen
    Ägypterinnen erhalten das Recht, ohne Zustimmung ihrer Männer zu reisen
    2001 – Ein Schritt näher zur Verwirklichung der Frauenrechte?
    Über Grenzen und Chancen des ägyptischen Ehevertrages für binationale Ehen

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Das elterliche Sorgerecht in Ägypten
von Christian Ule

Papyrus-Logo Nr. 3—4/94, pp. 15—17

Immer häufiger schließen Deutsche mit moslemischen Ägyptern den Bund fürs Leben. Mit der Eheschließung haben sich die Ehepartner, je nach Wohnort, zwei völlig unterschiedlichen Rechtssystemen unterworfen, die, neben der Eheschließung und Ehescheidung, auch das elterliche Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, zum Teil unterschiedlich regeln. Im folgenden soll auf das islamische Sorgerecht der Eltern während der Ehe und nach der Scheidung in Ägypten eingegangen werden, um eine bei vielen deutschen Ehepartnern vorhandene Unsicherheit zu beseitigen.

Elterliches Sorgerecht

Das Sorgerecht hat seine rechtliche Grundlage im hanefitischen Personenstandsgesetz. Danach umfaßt das elterliche Sorgerecht die von der Mutter ausgeübte hadanah, sowie die allein vom Vater ausgeübte wilaya.

Hadanah

Die hadanah ist eine tatsächliche Personensorge und gewährt der Mutter keine gesetzliche Vertretung der Kinder, denn die gesetzliche Vertretung steht nur dem Vater oder den männlichen Verwandten väterlicherseits zu. Sie umfaßt das leibliche Wohl und Gedeihen der Kinder, ihre Verpflegung, Bekleidung und Gesundheit, darüber hinaus auch die Erziehung sowie die Bestimmung der seinen Interessen entsprechenden Ausbildung. Die hadanah steht der Mutter des Kindes während der Ehe und nach der Trennung zu, bei Fehlen der Mutter den weiblichen Verwandten des Kindes. Dabei gehen die weiblichen Verwandten mütterlicherseits denen väterlicherseits vor. Die Mutter übt die hadanah ab der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres für Jungen und des zwölften Lebensjahres für Mädchen aus. In diesem Alter hat der Vater des Kindes das Recht, es für sich zu beanspruchen und zu sich zu nehmen. Der Richter kann jedoch nach dieser Zeit das Verbleiben des Knaben bis zum Alter von 15 Jahren und bei Mädchen bis zu deren Verheiratung bei der Sorgeperson (hadina) bestimmen, wenn das Wohl des Minderjährigen dies erfordert. Andererseits kann bei Pflichtverletzungen die hadanah der hadina entzogen werden.

Leben die Eltern getrennt, so hat der Elternteil, dem das Sorgerecht nicht zusteht, ein Recht darauf, das minderjährige Kind zu sehen und zu besuchen. An Stelle der Eltern können dies auch die Großeltern tun. Haben die Eltern bei der Ehescheidung eine Besuchsregelung nicht übereinstimmend vereinbart, so bestimmt der Richter den Ort. Dabei achtet er darauf, daß Orte gewählt werden, die dem Kind psychisch nicht schaden, wie z.B. Moscheen, Klubs, Parks oder Wohnungen von Verwandten und Freunden.

Weigert sich derjenige, der das Sorgerecht ausübt, ohne Grund, das Urteil zu erfüllen, kann das Urteil zwar nicht unter Zwang vollstreckt werden, aber der Richter spricht eine Mahnung aus. Weigert jener sich dann weiter, kann der Richter durch ein rechtskräftiges Urteil die hadanah vorläufig demjenigen übertragen, dem das Recht der hadanah an nächster Stelle zusteht und die Dauer der Übertragung bestimmen.

Neben der Mutter steht die hadanah auch der sogenannten maharim unter den Frauen zu, wobei die Verwandtschaft mütterlicherseits derjenigen väterlicherseits vorgeht. Maharim sind "verbotene", nicht heiratbare Frauen; sie stehen zu dem Kind in einem die Ehe ausschließenden (bluts-)verwandtschaftlichen Verhältnis.

Endgültig verliert die hadine, mag es die Mutter oder eine Verwandte sein, das ihr zugesprochene bzw. zustehende Sorgerecht, wenn sie einen Mann heiratet, der nicht mit dem Kind in einem ehelichen Verwandtschaftsgrade steht, mag die Ehe vollzogen sein oder nicht.

Wilaya

Von der tatsächlichen Personensorge zu trennen ist die wilaya, die väterliche Gewalt. Die wilaya ist das Personensorgerecht, welches alle persönlichen Angelegenheiten der Kinder umfaßt. Sie steht dem Vater des Kindes zu, bzw. dem Großvater und den männlichen Verwandten väterlicherseits. Der wali (die Person, die die wilaya ausübt), ist der gesetzliche Vertreter des Kindes. Er schließt alle Rechtsgeschäfte des Kindes ab, bis es geschäftsfähig wird, d.h. der Vater ist allein berechtigt, für das Kind z.B. Ausreiseanträge zu stellen, Pässe zu beantragen, Kaufverträge – und sogar für seine Kinder, soweit sie nicht volljährig sind – einen Ehevertrag abzuschließen. Dieses Recht steht dem wali zu ab der Geburt des Kindes und dauert bis zur Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres für Jungen und für Mädchen bis zur Heirat und wird auch während der hadanah der Mutter ausgeübt. Mit Ablauf der hadanah-Zeit übernimmt der wali allein die volle tatsächliche Personensorge (hadanah) über das Kind. Da die tatsächliche Personensorge die Fürsorge, Ernährung und Aufsicht umfaßt, ist er auch verpflichtet, das Kind nach Ablauf der hadanah-Zeit zu sich zu nehmen und ihm einen Wohnsitz bei sich zu gewähren.

Wasiya

Die gesetzliche Vormundschaft über das Vermögen der Minderjährigen steht seinem Vater zu, sollte dieser nicht mehr leben, dem Großvater väterlicherseits, es sei denn, der Vater hat im Falle seines Todes einen testamentarischen Vormund bestellt.

Das Vermögenssorgerecht umfaßt den Schutz und die Verwaltung des Kindesvermögens und auch die Vertretung des Kindes bei Rechtsgeschäften in vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Es dauert bis zur Volljährigkeit des Kindes (21 Jahre).

Unterhalt

Der Vater hat dem Minderjährigen Unterhalt (nafaqah) zu gewähren, wenn der Minderjährige kein Vermögen hat und für die Erziehung seiner Kinder zu sorgen.

Die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Kinder besteht solange, bis die Tochter heiratet oder ausreichend Unterhalt selbst verdient und bis der Sohn das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat und über genügend Einkommen verfügt. Will der Sohn entsprechend seinen Fähigkeiten einem Studium nachgehen, oder hat er sonst keine Verdienstmöglichkeit, so obliegt der Unterhalt weiterhin dem Vater.

Er ist grundsätzlich verpflichtet, seinen Kindern standesgemäßen Unterhalt und eine standesgemäße Wohnung zu gewähren. Spricht er die Scheidung aus, so hat er neben seinen Kindern auch der nährenden geschiedenen Frau eine angemessene und unabhängige Wohnung zu gewähren.

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Leserbrief zum Beitrag "Elterliches Sorgerecht – Hadanah"
von Margarete Hablas
Papyrus-Logo Nr. 5—6/94, p. 83

Dieser interessante Artikel trifft eigentlich nur für Ägypterinnen zu. Es sei denn, die Ausländerin hat die Religion des Kindes und bleibt nach Trennung vom Ehemann in Ägypten wohnen. Wie aber soll sie im Lande bleiben, wenn der Vater nur für den Unterhalt des Kindes verantwortlich ist, und die Aufenthaltsgenehmigung der ausländischen Mutter von der Unterschrift des Vaters abhängt.

Im Sterbefall des Vaters ist es etwas anders. Sie kann wohnen bleiben, aber um die Kinder zu erziehen, muß sie unbedingt die Religion der Kinder haben.

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Erbrecht in Ägypten
von Christian Ule

Papyrus-Logo Nr. 3—4/94, pp. 17—19

Der folgende Aufsatz soll die Grundzüge des ägyptischen Erbrechtes wiedergeben. Wegen der Vielfalt der Fallkonzeptionen und der sich darüber hinaus ergebenden Fragen sollte im Einzelfall ein ägyptischer Rechtsanwalt aufgesucht werden.

1. Grundlage

Die Erbfolge in Ägypten richtet sich stets nach dem Heimatrecht des Erblassers. Damit ist ägyptisches Erbrecht dann anwendbar, wenn der/die Verstorbene ägyptische(r) Staatsangehörige(r) war. Umgekehrt gilt deutsches Erbrecht, wenn der/die Verstorbene deutscher(r) Staatsangehörige(r) war. Verstirbt z.B. der ägyptische Ehemann einer deutschen Frau, richtet sich die Erbfolge nach ägyptischem Erbrecht.

Ist erst einmal ägyptisches Erbrecht anwendbar, so spielt die Nationalität der Erben, im Gegensatz zur Religion, keine Rolle. Nur der Erbe, der die gleiche Religionszugehörigkeit wie der Erblasser hat, ist erbberechtigt; d.h. die nicht-muslimische Ehefrau, gleich ob Deutsche oder Ägypterin, hat gegenüber ihrem muslimischen ägyptischen Ehemann keine gesetzlichen Erbansprüche, genauso wie der muslimische Ehemann seine nicht-muslimische Ehefrau nicht beerben kann. Auf die ehelichen Kinder trifft dies nicht zu, da sie der Religion des Vaters folgen.

Demnach hat die deutsche Ehefrau, die zum Islam übergetreten ist, gegenüber ihrem verstorbenen muslimischen Ehemann einen gesetzlichen Erbanspruch. Hat die deutsche Ehefrau, die Christin ist, einen ägyptischen Christen (z.B. Kopten) geheiratet, so hat auch sie gesetzliche Erbansprüche.

2. Gesetzliche Erbfolge

Das ägyptische Erbrecht wurde auf der Grundlage des islamischen (hanefitischen) Rechts durch Gesetz Nr. 77/1943 kodifiziert und gilt für alle Ägypter aller Konfessionen. Danach erbt der überlebende Ehegatte, unter der Voraussetzung der Religionsgleichheit, stets einen feststehenden Bruchteil des Nachlasses (Fard-Erben). Den Restnachlaß erbt der nach den Abkömmlingen nächste Blutsverwandte des Erblassers (A'eb-Erben), oder – falls keine Fard-Erben vorhanden sind – den gesamten Nachlaß.

Einen feststehenden Bruchteil erhalten unter anderem von den 12 möglichen Fard-Erben der Ehemann, die Ehefrau, die Tochter und der Sohn des Erblassers. So sieht das ägyptische Erbrecht vor, daß der Ehemann die Hälfte des Vermögens der Frau erbt, wenn keine Kinder, jedoch nur ein Viertel des Vermögens der Frau, wenn Kinder vorhanden sind. Die Ehefrau erbt ein Viertel des Vermögens des Ehemannes, wenn keine Kinder vorhanden sind. Wenn Kinder vorhanden sind, erbt sie nur ein Achtel des Vermögens. Zwei oder mehrere Frauen erben gemeinsam ein Viertel bzw. ein Achtel; diesen Bruchteil müssen sie dann wiederum untereinander aufteilen.

Die Ehegatten beerben sich gegenseitig in Höhe ihres Gesamtvermögens, wenn keinerlei andere Erbberechtigte in auf- oder absteigender Linie vorhanden sind.

Um sich gegenseitig zu beerben, müssen stets zwei Bedingungen erfüllt sein:

  • der Ehevertrag muß wirksam sein und
  • die Ehe muß de facto noch bestehen. Die überlebende Ehefrau erbt auch, wenn sie widerruflich verstoßen war und der Mann während der Wartezeit (idda) verstorben ist.

Bei den Kindern unterscheidet das ägyptische Erbrecht zwischen Jungen und Mädchen. Jungen erben den doppelten Anteil der Mädchen. Eine Tochter kann höchstens die Hälfte des Vermögens des Erblassers erben, wenn kein Sohn vorhanden ist. Hat der Erblasser zwei oder mehrere Töchter und keinen Sohn, erben die Töchter gemeinsam zwei Drittel des Vermögens. Ist ein Sohn oder sind mehrere Söhne vorhanden, erben die Töchter einen gemeinsamen Restnachlaß, der aus der Hälfte des Erbteils des Sohnes besteht, nach Abzug des Bruchteils anderer Bruchteilerben.

Hinterläßt der Erblasser Schulden, sind diese zunächst aus der Erbmasse zu befriedigen. Das verbleibende Vermögen ist sodann entsprechend den gesetzlichen Erbanteilen aufzuteilen.

Ausländer/innen sollten stets beachten, daß sie 1andwirtschaftlichen Besitz nicht erben können. Das Agrarland fällt dem Staat zu, wenn keine anderen Erben vorhanden sind. Der nichtägyptische Erbe wird mit einem siebzigfachen Jahressteuersatz entschädigt.

Hat der ägyptische Ehemann Grundstücke im Ausland, die sein Eigentum sind, so gilt auch für dieses Vermögen eine Quotierung nach dem ägyptischen Erbrecht. Dies bedeutet, daß die Bruchteile der Erben die gleichen sind, wie wenn sich das Grundstück in Ägypten befinden würde.

In Hinblick auf die komplizierten ägyptischen Regelungen sollten die Erben eines ägyptischen Staatsangehörigen beim zuständigen ägyptischen Nachlaßrichter einen Erbschein beantragen, um auf der Grundlage dieses Erbscheines, falls notwendig, einen deutschen Erbschein zu beantragen.

3. Testamentarische Erbfolge

Deutschen Staatsbürgern, die mit einem Ägypter verheiratet sind, ist oft nicht bewußt, daß man auch in Ägypten ein Testament erstellen kann. Das ägyptische Erbrecht beschränkt den Anteil des frei zu verfügenden Nachlasses jedoch auf nur ein Drittel des gesamten Vermögens. Die übrigen zwei Drittel unterfallen weiterhin der gesetzlichen Erbfolge. Den Inhalt kann der Erblasser frei bestimmen. Er kann einen oder mehrere gesetzliche Erben und sogar einen Dritten, der von der Erbfolge ausgeschlossen ist, als Erben einsetzen. Abweichend vom Grundsatz der Religionsgleichheit kann bei der testamentarischen Erbfolge ein Muslim sogar ein Testament zugunsten seiner nicht-muslimischen Ehefrau errichten. Allerdings kann der Testator seinen Letzten Willen jederzeit ändern.

Bei der Errichtung des Testaments sind die Formvorschriften des Staates einzuhalten, in dem der Erblasser seinen Letzten Willen niederlegt. In Ägypten ist ein eigenhändig unterschriebenes Testament ohne Mithilfe eines Notars gültig, vorausgesetzt, daß es vollständig und eigenständig geschrieben ist und vom Erblasser mit Datum und seiner Unterschrift versehen ist. Zu beachten ist, daß weder Radierungen noch Überschreibungen gestattet sind.

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Kinder von Ägypterinnen: Ausländer in ihrer Heimat
aus: "Akher Saat" von Thana Rustum
in Auszügen übersetzt von Christina Baade

Papyrus-Logo Nr. 3—4/94, pp. 33—35

Das jetzige Nationalitätengesetz verstößt gegen die Verfassung und muß geändert werden.
In Ägypten leben Ägypter als Fremde in ihrer Heimat, sie haben keine ägyptische Staatsangehörigkeit und werden von den offiziellen Stellen als Ausländer behandelt: es sind die ca. 200.000 Kinder von Ägypterinnen, die kein Recht auf die ägyptische Staatsangehörigkeit haben.

Eine Ägypterin heiratete einen Ausländer, der schon lange im Land lebte. Sie beschlossen, in Ägypten zu leben und bekamen 2 Söhne. Nachdem ihr Mann bei einem Autounfall umgekommen war, wurde die Mutter mit einem schwerwiegenden Problem konfrontiert: ihre Söhne, in Ägypten geboren und aufgewachsen, sind Ausländer ohne jegliche ägyptische Bürgerrechte. Sie werden als Ausländer behandelt. Die Mutter hat große Probleme, die hohen Kosten für ihren Lebensunterhalt und die Schulbildung aufzubringen. Mit Tränen in den Augen sagt sie: "Welches Verbrechen habe ich begangen, um so behandelt zu werden? Meine Söhne haben keine andere Heimat außer Ägypten. Sie haben die Heimat ihres Vaters nie gesehen und Ägypten nie verlassen."

So beginnt der schwierige Weg vieler Ägypterinnen, die einen Ausländer geheiratet haben. Sie bekommen Kinder; vielleicht hat die Ehe Bestand, vielleicht endet sie, sei es durch Scheidung, Tod oder Verlassenwerden durch den Ehemann. Die Frau befindet sich in keiner beneidenswerten Lage. Die Kinder haben die Staatsangehörigkeit des Vaters. Staatliche Schulen nehmen sie nicht auf, sie müssen die hohen Studiengebühren für Ausländer zahlen, sie brauchen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis.

Der Fall Nagwa Ibrahim

Sie sagt: "Dieses Thema berührt mich und macht mich irre. Meine Kinder haben ihren Vater nie gesehen und kennen ihn nicht. Sie sind in Ägypten geboren, aufgewachsen und leben hier. Ich habe Ihnen die Liebe zu Ägypten vermittelt. Mein Sohn ist ein Teil von mir, ich habe ihn erzogen und unterrichtet, aber er kann ohne Einwilligung der Behörden nicht bei mir leben. Das seltsame ist, daß mein Sohn nach 5jährigem Aufenthalt in den USA, wo er studiert, die amerikanische Staatsangehörigkeit bekommen hat und sie an mich weitergeben kann. Ich aber, als ägyptische Mutter, kann meinem Sohn nicht die Staatsangehörigkeit weitergeben."

Staatenlose Kinder

Erregt und sichtlich betroffen erzählt Samia Mohamed: "Ich bin ratlos und bestürzt. Ich habe keinen Fehler begangen, ich bin gesetzlich verheiratet. Ich lebe in Ägypten und habe meine 3 Kinder hier bekommen. Vor meiner Eheschließung bin ich zur Mugamma am Tahrirplatz gegangen und erhielt dort eine Information, die besagte, daß jedes Kind einer Ägypterin, die mit einem Ausländer verheiratet ist, das Recht auf die Erlangung der ägyptischen Staatsangehörigkeit hat, wenn es 18 Jahre alt wird. Als ich geheiratet habe, wußte ich nicht, was alles auf mich wartet. Jetzt sind meine drei Kinder staatenlos und die Botschaft des Landes ihres Vaters weigert sich, ihnen die Staatsangehörigkeit zu geben, da sie dort nicht registriert und in Ägypten geboren sind. Mein Land weigert sich, ihnen meine Staatsangehörigkeit zu geben, da ich einen Ausländer geheiratet habe."

Die Hoffnung: Ein Gesetzesentwurf

In diesem Dilemma ist ein Hoffnungsschimmer zu sehen: Das Parlamentsmitglied Mamduh Al-Gauhari hat dem Parlament einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsieht, daß die ägyptische Staatsangehörigkeit auch Kindern ägyptischer Mütter gewährt wird. In einem Gespräch sagte er: "Ich habe diesen Änderungsentwurf eingebracht, nachdem ich selbst gesehen habe, worunter die Mütter zu leiden haben. Ich erinnere mich an eine Frau, die versuchte, sich vor das Auto eines verantwortlichen Beamten zu werfen, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken."

"Das Gesetz, das wir vorschlagen, sieht vor, daß die ägyptische Staatsangehörigkeit auch Kindern von Ägypterinnen, die mit Ausländern verheiratet sind, gewährt wird, wenn die Mutter oder im Fall ihres Todes der Vormund dieses beantragt. Die Staatsangehörigkeit wird dem Kind nach 5jährigem Aufenthalt in Ägypten gewährt."

Wir haben diesen Gesetzesentwurf Frau Dr. Fauziya Abdel Sitar, der Präsidentin des Gesetzesausschuß vorgelegt. Sie begrüßt den Entwurf und sagte: "Die Änderung des Gesetzes ist notwendig, besonders in Hinblick auf die Ehen von Ägypterinnen mit Ausländern. Ist die Ehe von kurzer Dauer ist, stirbt der Mann oder verläßt sie, ist die Gesetzesänderung in diesen Fällen notwendig im Interesse der Mutter, die mit den Kindern in Ägypten lebt. Ein solches Kind kennt keine andere Heimat außer Ägypten und sollte die Staatsangehörigkeit bekommen".
"Ich bin jedoch der Überzeugung, daß der neue Entwurf bestimmte Auflagen zur Erlangung der Staatsangehörigkeit enthalten sollte:

  • Das Kind ist in Ägypten geboren oder lebt seit mindestens 10 Jahren hier.
  • Die Mutter ist geschieden, verwitwet oder wurde verlassen.

Die gegenwärtige Situation fordert von uns, daß wir diesen Entwurf unterstützen, denn das jetzige Gesetz erkennt jemanden als Ägypter an, der eine ägyptische Mutter hat und dessen Vater unbekannt ist. Es ist nicht akzeptabel, daß derzeit die Stellung eines unehelichen Kindes besser ist als die eines ehelichen Kindes einer Mutter, die mit einem Ausländer verheiratet ist. Wenn das Gesetz mit bestimmten Auflagen geändert wird, wird es zweifellos in Kraft gesetzt. Ich werde diesen Vorschlag unterstützen."

Das geltende Gesetz verstößt gegen die Verfassung

Wir unterbreiteten diese Angelegenheit Frau Dr. Leila Takla, Parlamentsmitglied und Expertin auf diesem Gebiet, die bereits drei Vorschläge zur Änderung eingebracht hat. Sie sagt: "Diese Angelegenheit ist sehr wichtig und hat soziale, juristische, menschliche und politische Dimensionen. Die Verfassung stellt Mann und Frau in Art. 40 gleich. Das Nationalitätengesetz verstößt gegen die Verfassung, denn das Kind eines ägyptischen Vaters erhält die Staatsangehörigkeit ohne Auflagen, selbst wenn es im Ausland geboren ist und sein Leben lang dort lebt. Dem Kind einer ägyptischen Mutter dagegen wird dieses Recht verwehrt, es ist Ausländer und muß seine Aufenthaltserlaubnis ständig erneuern. Verlängert es seinen Aufenthalt zu spät, kann es aus seiner Heimat ausgewiesen werden. Unter dem jetzigen Gesetz ist es besser, daß die Kinder den ausländischen Vater nicht kennen, als daß sie ehelich geboren werden."

Der Standpunkt der Sharia

Zuletzt wollten wir auch noch den Standpunkt der Sharia zu diesem Problem kennenlernen. Dr. Mohamed Salim Al-Alwa sagt: "Im islamischen Recht gibt es keine Grundlage dafür, daß den Kindern von Ägyptern die Staatsangehörigkeit gewährt, den Kindern von Ägypterinnen dieses Recht aber verwehrt wird. Rechtlich und logisch gibt es keinen Grund zu sagen, daß Kinder von Ägypterinnen weniger nationalbewußt sind als Kinder von Ägyptern, die mit einer Ausländerin verheiratet sind. Das Kind aus einer solchen Ehe bekommt die Staatsangehörigkeit ohne Probleme."

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Leserbrief zum Beitrag "Kinder von Ägypterinnen: Ausländer in ihrer Heimat"
von Margarete Hablas
Papyrus-Logo Nr. 5—6/94, pp. 83—84

"Das jetzige Nationalitätengesetz verstößt gegen die Verfassung und muß geändert werden." "Kinder von Ägypterinnen sind Ausländer in ihrer Heimat."

Dieser Satz ist irreführend und erweckt Unzufriedenheit. Besser wäre: "die Kinder sind Ausländer in der Heimat ihrer Mutter". So war es vor nicht allzu langer Zeit auch in Deutschland. Das Baby einer deutschen Mutter mit ausländischem Vater war bei der Geburt schon Ausländer und benötigte zur Erlangung einer Geburtsurkunde den Eintrag bei der Botschaft des Vaters.

Die deutsche Mutter hätte damals ihre Kinder auch nicht ohne die Erlaubnis des Vaters mit ins Ausland nehmen können. Man wußte es nicht anders und hat sich danach gerichtet. Dann wurde in Deutschland das Staatsangehörigkeitsgesetz im Zuge der Gleichberechtigung der Frau geändert. Seitdem erhalten die Kinder deutscher Mütter bei der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit.

Ob sich dies hier durchsetzen wird, ist fraglich. Denn die ägyptische Frau gibt ihre Gleichberechtigung bei Schließung eines Ehevertrages vollkommen auf. Trotzdem wäre es interessant, diesen Gedanken weiter zu verfolgen.

Überzeugender Grund für die Forderung der ägyptischen Staatsangehörigkeit ist das Fehlen des Vaters. Tatsache ist aber, daß keiner ägyptischen Mutter die "Wilaya" zusteht. Mit anderen Worten, keine Frau hat hier ein tatsächliches Recht über ihre Kinder.

Wer käme dann für die Wilaya bei Kindern von Nichtägyptern in Frage? Ein männliches Mitglied aus der Familie des Vaters ist nicht da, denn dann gäbe es die Probleme nicht. Der Staat? (Wohl kaum). Ein männliches Mitglied der Familie der Frau? (Schwerlich, die haben mit ihren eigenen Kindern genug Verantwortung). Es bleibt die Frau. Diese hätte nun mehr Rechte als ihre Mitbürgerinnen, welche Ägypter geheiratet haben.

Vielleicht würden dann alle Frauen um Gleichstellung (Wilaya) kämpfen und der erste Schritt zur Gleichberechtigung wäre getan...

(Siehe hierzu auch den Abschnitt "Das Nationalitäten-Gesetz" im Beitrag "2001 – Ein Schritt näher zur Verwirklichung der Frauenrechte?" –Anm. KFN.)

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Information vor Entscheidung
von Margot El Sharkawy

Papyrus-Logo Nr. 3—4/94, p. 37

Haben auch Sie einen ausländischen Partner für die Ehe gewählt und glauben mit Bestimmtheit, den Anforderungen einer solchen Verbindung gewachsen zu sein? Gefüllte Aktenschränke in Botschaften enthalten dramatische Schicksale von Menschen, die in Selbstüberschätzung, voller Abenteuerlust und ohne vorherige Information binationale Ehen eingingen, die wegen Mangel an Wissen und Toleranz von Anbeginn zum Scheitern verurteilt waren. Viele dieser Tragödien hätten sich vermeiden lassen, wenn die Partner sich vor der Eheschließung über die Lebensgewohnheiten und Traditionen im Heimatland des gewählten Ehepartners ausreichend informiert hätten. Oft werden solche Schritte aus Unkenntnis der vorhandenen Informationsmöglichkeiten unterlassen. Darum soll hier auf die IAF (Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen e.V.) hingewiesen werden, die ihren Hauptsitz in Frankfurt/M. hat. Dieser Verein unterhält Kontakte zu 131 Nationen und ist in fast allen deutschen Großstädten durch Kontaktstellen erreichbar. Er gibt Antwort auf alle anfallenden Fragen und erteilt ausführliche Informationen über folgende Themen.

  • familienrechtliche Fragen im In- und Ausland
  • Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis im In- und Ausland
  • Eheverträge und Eheschließungsfragen
  • interkulturelles Zusammenleben
  • mehrsprachige Kindererziehung
  • Schutz vor Kindesmitnahme durch einen Elternteil
  • Auswanderung
  • Ausländerfeindlichkeit und Rassismus
  • Frauenfeindlichkeit und Sexismus

Außerdem bietet die IAF ganz einfach Kontakt zu Gleichgesinnten, die außer Kommunikation auch ihre eigene Lage verbessern wollen.
Also zögern Sie nicht – wenden Sie sich mit Ihren Fragen an die:

I.A.F
60327 Frankfurt/M.
Mainzer Landstr. 147
Tel. 069/737 898 und 732 638
Dort wird man ihnen auch, gegebenenfalls, eine ihrem Wohnort nahe liegende Kontaktstelle nennen.

Als Anmerkung gibt Ihnen das KFN hierzu eine weitere, aktuelle Adresse:
Verband bi-nationaler Familien und Partnerschaften
Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen e.V.

Ludolfusstraße 2—4
60487 Frankfurt a.M.
Tel.: 069 / 713 75 60
Fax: 069 / 707 50 92
Internet: www.verband-binationaler.de

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"In Güte behalten oder mit Gut entlassen"
Das revidierte Personenstandsrecht und sein islamischer Hintergrund

von Dr. Nahed el-Dib

Papyrus-Logo Nr. 5—6/2000, pp. 33—35

Quran und Sunna sind die Hauptquellen für die Gesetzgebung in Ägypten. Zum größten Teil herrscht Konsens über die Auslegung der Texte; doch ab und zu kommt es zu verbesserungsbedürftigen Interpretationen einiger Artikel der bürgerlichen Gesetze. Ein wichtiger Bereich, der immer wieder mit neuen, der Zeit entsprungenen Problemen konfrontiert wird, ist die Sozialgesetzregelung Qanun al ahwal al Šahsiya. Demzufolge bemühen sich die zuständigen Institutionen, den gerichtlichen Angelegenheiten in diesem Bereich einen möglichst einfachen administrativen Verlauf zu geben. Nach langen Debatten im Parlament wurde Ende 1999 das modifizierte neue Personenstandsrecht verabschiedet. Drei Themen des Sozialgesetzes haben sich als brisant herausgestellt:

  1. Al-Hul': das Sich-Loskaufen (indem die Frau dem Mann ihre Hochzeitsgabe, die er für sie gezahlt hat, zurückgibt).
  2. Die Ausreiseerlaubnis einer Frau, die nur mit Genehmigung des Ehemannes erteilt wird.
  3. Die Eheschließung nach weltlichem Rechtsanspruch zawağ 'urfi (gilt als nicht offizieller und der Öffentlichkeit nicht bekannt gegebener Heiratsvertrag).

Alle drei Punkte stehen mit der Stellung des Mannes in enger Beziehung. Das Wort Qiwama spielt dabei eine wichtige Rolle. Vers 34 der 4. Sure im Koran An-Nisa ("Die Frauen") lautet: "Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Vermögen hingeben."

Über das Thema Qiwama (Überlegenheit des Mannes) verfasste Dr. Zeinab Radwan, Dekanin der Fakultät für Arabistik der islamischen Philosophie, eine Studie mit dem Titel "Die Frau aus dem Blickwinkel des Islam". Sie stützt sich dabei auf Quran und Sunna und versucht daraus Beweise aufzuführen, die die Qiwama des Mannes nicht als absolut verstehen. Betrachtet man das Wort Qiwama etymologisch, so stellt man fest, dass dieses eine Intensivierungsform des Wortes Yaqum ist – ein Dauerzustand der Fürsorge und Behutsamkeit, die eine Person einer anderen erweisen muss.

Hier soll hervorgehoben werden, dass der Mann im Islam seine Überlegenheit der Frau gegenüber nicht einzig und allein seinem männlichen Wesen zu verdanken hat. Ihm sind bestimmte Pflichten vorgeschrieben. Erfüllt er diese, so kann er auch von seinen Rechten Gebrauch machen, dann steht ihm im Austausch ein Mehr an Geld und Gut und seine Überlegenheit zu. Ansonsten kann auch die Frau einem Mann überlegen sein, denn im Islam sind Mann und Frau vor Gott gleich. "Er ist es, der euch aus einer einzigen Seele erschuf" (7/189), oder auch: "Diejenigen aber, die handeln, wie es recht ist – sei es Mann oder Frau – und dabei gläubig sind, werden ins Paradies eingehen und nicht im geringsten Unrecht erleiden" (4/123).

In diesem Zusammenhang braucht man nur an die positive Darstellung von Maria zu denken, die als einzige weibliche Gestalt im Koran mit Namen genannt ist. Ihr wurde sogar eine Sure im Koran (Sure 19: Mariam) gewidmet.

Al-Hul': Sich-Loskaufen

Die rege Diskussion über das "Sich-Loskaufen der Frau" hat in Ägypten Furore gemacht und stieß auf vehementen Widerstand seitens des ägyptischen Mannes. Es scheint, dass er sich gekränkt fühlt, wenn ihn seine Frau nicht mehr als Ehemann akzeptiert, ja sogar bereit ist, sich um jeden Preis von ihm zu trennen. Als sich aber religiöse Institutionen (Al-Azhar-Gelehrte, Awkaf-Minister, Islamwissenschaftler, Juristen etc.) auf Beweise aus der Zeit des Propheten Mohamed berufen haben, gewann die Diskussion eine neue Dimension.

Damals, zum ersten Mal in der islamischen Geschichte, trug eine Frau (Gamila bint Salul) dem Propheten ihre Angelegenheit vor; sie wollte sich von ihrem Mann (Thabet ibn Qeis) trennen. Ohne auf Einzelheiten des Ehelebens einzugehen und ohne irgendwelche Mängel seitens ihres Mannes zu nennen, fühlte sie sich nicht imstande, die Ehe weiter zu führen. Der Prophet zeigte Verständnis und verlangte von ihr, dem Ehemann die Hochzeitsgabe zurückzugeben, wozu sie auch bereit war.

Wie rege im Parlament über al-Hul' debattiert wurde, zeigen die 54 Meldungen der Mitglieder zu diesem Thema und die hohe Zahl der Anwesenden, wie es vorher kaum der Fall war.

Im Gegensatz zur Scheidung, über die einzig und allein der Mann zu entscheiden das Recht hat, gibt der Islam der Frau das gleiche Recht, wenn es um die Trennung vom Mann geht. Der Gesetzgeber stützt sich auf folgenden Vers im Koran: "Und es ist euch nicht erlaubt, irgendetwas von dem zurückzunehmen, was ihr ihnen (als Brautgabe) gegeben habt, es sei denn, beide (Mann und Frau) befürchten, die Schranken Allahs nicht einhalten zu können. Und wenn ihr befürchtet, dass sie die Schranken Allahs nicht einhalten könne, dann liegt kein Vergehen für sie beide in dem, was sie hingibt, um sich damit loszukaufen" (2/228).

Die Intention des Gesetzgebers ist, dass das Leben einer moslimischen Familie nicht von übereilten emotionalen Entscheidungen abhängig gemacht werden soll. Demzufolge erläutert Herr Mohamed Fathi Naguib, der stellvertretende Justizminister, die zum Loskauf notwendigen Schritte: wenn die Frau sich loskaufen will, dauert es mindestens sechs Monate, bis die endgültige juristische Entscheidung getroffen wird. Dies soll ein angemessener Zeitraum sein, in dem der Richter Versöhnungsversuche unternehmen kann. Somit ist al-Hul' keineswegs ein neuer Trend der Emanzipationsbewegung, sondern ein Recht der Frau, das ihr der Islam erteilt und das aber bis zur heutigen Zeit nicht richtig angewendet worden ist. Es ist die arabische Gesellschaft, die die Frau immer noch als Bürgerin zweiter Klasse betrachtet. Erwähnenswert ist, dass das Wort al-Hul' der Hochsprache in der Alltagssprache mit al-Hal' (Ablegen, Ausrenken, Entfernen) verwechselt wird.

Ausreiseerlaubnis

Eine moslimische Frau braucht die Zustimmung ihres Mannes, um ausreisen zu können. Es mag vielen unverständlich, ja unbegreiflich sein, dass dies zu Beginn des neuen Jahrtausends noch der Fall ist. Trotzdem wurde diese Regelung nicht vollkommen abgeschafft, weil sie auf islamischen Vorschriften basiert. Das überarbeitete Personenstandsrecht enthält eine Modifizierung hinsichtlich des zeitlichen Aspektes: weigert sich der Mann, seiner Frau die Ausreiseerlaubnis zu erteilen, aus Gründen, die die Frau nicht akzeptiert, oder nutzt er dies als Mittel der Erpressung, so kann die Frau die Erlaubnis vor einem Richter beantragen und unmittelbar erhalten; ein Richterspruch erfolgt wiederum nach spätestens 6 Monaten.

Zawağ 'urfi: der nicht offizielle Heiratsvertrag

Die in letzter Zeit weit verbreitete Form der Heirat 'urfi basiert auf den gesellschaftlichen und materiellen Bedingungen für die Paare in der heutigen Zeit. Die meisten dieser Heiratsverträge werden (heimlich) zwischen zwei Personen geschlossen, ohne dies anderen mitzuteilen. Beide unterschreiben, dass sie die Ehe mit dem anderen geschlossen haben; daraus entstehen aber weder gegenseitige Verpflichtungen noch Rechte. Juristisch ist eine Scheidung nicht möglich, da der Heiratsvertrag auch nicht dokumentiert ist. Auch die Kinder aus dieser Ehe haben keinerlei Rechte, insbesondere kein Erbrecht. Das neue modifizierte Sozialgesetz versucht diese Mängel durch eine juristisch fundierte Vorgehensweise zu beheben.

Abschließend sollte man versuchen, die Beziehung zwischen Mann und Frau im Islam ins rechte Licht zu rücken. Der Islam als Religion unterscheidet nicht zwischen Mann und Frau: "Wahrlich, vor Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste ist." (49/12). Die Mängel und Probleme sind auf Menschen und deren Verständnis der Religion zurückzuführen. Man sollte auch versuchen, nach dem Koran-Vers zu handeln: "Und zu Seinen (Gottes) Zeichen gehört es, dass Er auch von euch selber Gattinnen erschuf, auf dass ihr ihnen beiwohnt, und Er hat zwischen euch Liebe und Barmherzigkeit gesetzt" (30/20). Wie viele Probleme könnten vermieden werden, wenn zwischen Mann und Frau Liebe und Barmherzigkeit im wahren Sinne beider Begriffe herrschen würden?

Quellen:
    • Al-Quran Al-Karim und seine ungefähre Bedeutung in deutscher Sprache, Islamische Bibliothek Köln, 1994 (Die Zahlen in Klammern geben die Nummer der Sure, dann den Vers an).
    • "Al-Ahram" vom 25.01.2000, S. 3.
    • "Al-Ahram" vom 12.02.2000, S. 16.
    • "Al-Mussawar", Heft 3928, vom 21.01.2000, S. 64 ff.

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Leserbrief zum Artikel "In Güte behalten oder mit Gut entlassen"
von Dr. Aida Seif El Dawla
Papyrus-Logo Nr. 9—10/2000, pp. 54—55

Liebe Redaktion,
nachdem ich den Artikel "In Güte behalten oder mit Gut entlassen" in Papyrus 5—6/2000 gelesen habe, möchte ich zu einigen der dort gemachten Aussagen Stellung beziehen.

Zunächst möchte ich meine Übereinstimmung mit der Autorin zum Ausdruck bringen, wenn sie feststellt, dass die Scheidungsregelung Al-Hul' keineswegs ein neuer Trend der Emanzipationsbewegung ist, denn ich sehe die Neuregelung des Personenstandsrechts nicht als emanzipatorisch an. Wenn das modifizierte Personenstandsrecht etwas beweist, dann ist es die Tatsache, dass Heirat in Ägypten ein wirtschaftlicher Akt ist, bei dem Frauen am Tag der Heirat gekauft werden und sich anschließend wieder freikaufen müssen, wenn sie sich aus der Ehe lösen wollen. Die Autorin benutzt zu Recht den Begriff "sich loskaufen", den man aus den Zeiten der Sklaverei kennt und der im Gegensatz zu der Überschrift ihres Artikels steht.

Es ist falsch zu behaupten, dass die Neuregelung von Al-Hul' den Frauen ein Recht zurückgibt, das ihnen der Islam gewährt. Die Neuregelung von Al-Hul' wird vielmehr als unbefriedigende Lösung für Situationen angeboten, in denen Frauen wesentlich mehr Rechte haben sollten, als ihnen das Gesetz zugesteht. Das Konzept von Al-Hul' beruht auf der Geschichte von Gamila bint Saul und kann danach angewendet werden, wenn die Frau eine gefühlsmäßige oder sexuelle Abneigung gegen ihren Mann entwickelt, die das weitere Zusammenleben aus ihrer Sicht unmöglich macht.

In Situationen, wo die Frau von ihrem Mann misshandelt, verlassen, geschlagen oder ohne Geld zurückgelassen wird, kann Al-Hul' nicht angewandt werden. Aber dieses sind meistens die Fälle, wenn die Frau zum Gericht geht und die Scheidung verlangt. Jede normale Logik würde den Frauen das Recht zugestehen, in solchen Fällen ihre Rechte und die Scheidung zu bekommen, ohne dass sie die Hochzeitsgabe zurückzahlen muss. Ich denke, dass es heuchlerisch ist, eine solche Situation als fortschrittlich darzustellen, wenn Frauen in dieser Lage vorgeben müssen, ihren Mann nicht mehr zu lieben, um ihr Recht auf Scheidung zu bekommen.

Die den Neuregelungen zu Grunde liegende Annahme, dass Frauen ihre Hochzeitsgabe als Geschenk ansehen, das sie Jahre später wieder zurückgeben können, entbehrt jeder Realität. Jeder weiß, dass die Hochzeitsgabe dazu dient, den gemeinsamen Haushalt aufzubauen und eben kein persönliches Geschenk ist. Von Frauen zu verlangen, die Gabe Jahre später im Tausch für eine Scheidung zurückzuzahlen, bedeutet für viele, dass sie sich verschulden müssen. Dabei wird noch nicht einmal berücksichtigt, dass die für das Geld gekauften Sachen sich mit der Zeit verschleißen oder verbrauchen und ihren ursprünglichen Wert verlieren.

Der Abschnitt, in dem die Beziehungen zwischen Mann und Frau diskutiert werden, stellt ein Bild des Islam dar, nach dem die Beziehung durch Geld und Gut geregelt wird. "Wenn der Mann seine Pflichten erfüllt, stehen ihn im Austausch ein Mehr an Geld und Gut und seine Überlegenheit zu." Was ist aber mit den Frauen, die ihre Pflichten erfüllen – und noch mehr? 25% aller Haushalte in Ägypten werden von alleinverdienenden Frauen unterhalten. In vielen anderen Fällen tragen beide Partner gemeinsam zum Unterhalt bei. In Scheidungsverfahren wird das nicht berücksichtigt. Scheidung wird immer nur als das alleinige Recht des Mannes angesehen, ob er zum Unterhalt beiträgt oder nicht. Warum soll die Frau dann auch in Fällen, wo sie Alleinverdienerin ist, ihre Hochzeitsgabe zurückgeben müssen?

Im Artikel wird für die Begründung der 6-monatigen "Versöhnungsfrist" auch die abgenutzte Vorstellung der hysterischen und emotionalen Frau benutzt, die impulsive Entscheidungen trifft und vor ihrem eigenem Ich beschützt werden muss. Wenn diese Vorstellung von einem Mann geäußert wird, ist sie provokativ. Wenn eine Frau sie äußert, ist es schockierend. Man fragt sich: wer sind diese schwachen, gefühlsbetonten und unreifen Frauen, die die Begründung für jede frauenbezogene Gesetzgebung darstellen? Dieses Bild der Frau stimmt nicht mit der Realität überein, in der viele Frauen hart im Haushalt und außerhalb ihres Haushalts arbeiten, um einen Unterhalt zu sichern, der angesichts der niedrigen Löhne selten über der Armutsgrenze liegt. Die Frauen, die allein einem Haushalt vorstehen (25%, siehe oben), bestehen bestimmt nicht aus Frauen, die sich in einer impulsiven und gefühlsbetonten Entscheidung von ihrem Mann getrennt haben. Es sind vielmehr Frauen, die von ihren Männern verlassen wurden, deren Männer behindert sind oder deren Männer sie im Stich gelassen haben.

In ihrer Diskussion der muslimischen ägyptischen Familie übersieht die Autorin völlig, dass Männer nach wie vor das absolute und unumstrittene Recht haben, sich von ihren Frauen jederzeit zu trennen, ohne ihre Zustimmung, in Abwesenheit und häufig sogar ohne ihr Wissen. Dieses sehr einseitige Recht wurde niemals in Frage gestellt. Ich möchte die Autorin daran erinnern, dass es einem Mann nach dem Islam erlaubt ist, bis zu vier Frauen zu haben. Es ist ihm ebenfalls gestattet, sich von jeder seiner Frauen bis zu drei Mal scheiden zu lassen, und es ist ihm erlaubt, seine Entscheidung zweimal zu widerrufen innerhalb von drei Monaten nach der Scheidung, und alles ohne Zustimmung der Frau. Damit also hat der Mann das Recht zu insgesamt 12 Heiraten in kurzer Abfolge. Dieses war sicher nicht die Absicht des Islam, noch entspricht es seinem Geist. Aber in der Praxis wird er manchmal so angewandt, und weil die Anwendung von Gesetzen durch Menschen geschieht, ist die Anwendung von Bedeutung und nicht der "Geist" religiöser Vorschriften.

Zum Schluss möchte ich feststellen, dass die ägyptische Verfassung zwar auf der islamischen Rechtssprechung beruht, aber islamische Rechtssprechung wird nur angewandt in Gesetzen über die Familie, d.h., wenn die Beziehungen zwischen Männern und Frauen und ihren Kindern geregelt werden. In jedem anderen Aspekt der Gesetzgebung ist die Quelle nicht das islamische Recht, sondern das französische Recht. Darüber hinaus ist festzustellen, dass selbst dort, wo islamisches Recht angewandt wird, dieses selektiv gemacht wird, basierend auf den Interessen der Männer und auf nichts anderem. Ein Beispiel sind die Gesetze gegen Ehebruch und Prostitution. Sie diskriminieren Frauen, ohne dass es dafür eine Grundlage im Islam oder in irgendeiner anderen Religion gibt.

Ich glaube, dass die Würde von Partnern in einer Beziehung nur dann gewährleistet werden kann, wenn beide freiwillig diese Beziehung eingehen und auch wieder beenden können, ohne Zwang, Verurteilung oder Diskriminierung. Heirat sollte keine Ausnahme sein. Beide Partner sollten das gleiche Recht haben, zu heiraten und sich scheiden zu lassen im Rahmen eines zivilrechtlichen Vorgangs, unabhängig von ihrer Religion. Dieses sollte besonders in einem Land wie Ägypten so sein, weil Kopten hier einen wichtigen Teil der Bevölkerung darstellen. Es sollte dann den islamischen und koptischen Geistlichen überlassen bleiben, die entsprechenden religiösen Texte zu interpretieren und nicht Sache des von Männern beherrschten Parlaments. Wir Frauen sollten nicht in die Lage versetzt werden, unsere Würde an die Interpretation religiöser Texte anpassen zu müssen.

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Ägypterinnen erhalten das Recht,
ohne Zustimmung ihrer Männer zu reisen –
Zur aktuellen Politik für (und gegen) Frauen

von Bettina Knauth

Papyrus-Logo Nr. 1—2/2001, p. 26

Verfassungsgericht in Kairo untersagt dem Innenministerium, Frauen die Ausstellung eines Reisepasses zu verweigern

Mona, 25 Jahre alt, verheiratet, wohnhaft in Kairo, möchte ihre Schwester besuchen, die in Dubai verheiratet ist. Doch an der Passkontrolle am Flughafen in Kairo endet ihre Reise, bevor sie begonnen hat: ihr wird die Ausreise verweigert. Monas Ehemann hatte ihren Namen auf eine Art "schwarzer Liste" des Innenministeriums setzen lassen und ihr so Reiseverbot erteilt.

Monas Fall ist frei erfunden. Dennoch gibt es nicht wenige Fälle, in denen Frauen an der Ausreise aus Ägypten gehindert wurden, weil ihre Ehemänner ein Reiseverbot über sie verhängt oder die Ausstellung ihres Reisepasses verhindert hatten. Damit soll jetzt Schluss sein: Das Verfassungsgericht in Kairo verfügte im November des vergangenen Jahres, das Innenministerium habe nicht das Recht, Frauen das Reisen zu verbieten. Alle Ägypter und Ägypterinnen hätten Anrecht auf einen Reisepass. Jede andere Regelung widerspreche dem in der Verfassung verankerten Recht auf persönliche Bewegungsfreiheit. Auch das Recht zu reisen sei ein Bestandteil der öffentlichen Freiheiten. Der Innenminister besitze nicht die Autorität, dieses Recht auszulegen oder gar einzuschränken.

Das Gericht erklärte damit den Artikel 21 des ministeriellen Dekrets 63 von 1959 für ungültig, nach dem eine Ehefrau ohne Erlaubnis ihres Mannes das Reisen nicht erlaubt war. Dieses Dekret war 1996 in einem weiteren Dekret dahin gehend erweitert worden, dass ein Ehemann erst seine Zustimmung geben musste, bevor seiner Frau ein Reisepass ausgestellt werden konnte. Wenn der Ehemann sich damit einverstanden erklärte, seiner Frau einen Pass ausstellen zu lassen, so nahm man an, dann werde er ihr damit auch das Reisen erlauben. Damit musste sie nicht extra für jede Reise eine Genehmigung einholen.

Für die Ägypterinnen bedeutet die Entscheidung des obersten Gerichts ein Stück mehr Bewegungsfreiheit; Frauenrechtlerinnen feierten sie als wegweisend. "Alle Frauen sollten stolz auf die Entscheidung des Gerichts sein, weil sie niemals annulliert werden kann", betonte Fawziya Abdel-Sattar, Juraprofessorin in Kairo. "Und es ist im Sinne der ägyptischen Verfassung, dass Männer und Frauen gleiche Rechten und Pflichten haben."

Dennoch haben ägyptische Ehemänner noch immer die Möglichkeit, ihre Frauen am Reisen zu hindern: Sie müssen dazu vor Gericht ein entsprechendes Gesuch einreichen, über das dann der Richter entscheidet. Die Neuregelung gelte zudem nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung, gibt Wolfgang Köhler in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu bedenken: "In den wohlhabenden Kreisen (...) herrschen liberalere, an westlichen Vorbildern orientierte Vorstellungen (...). In den wohlhabenden Familien, für die Auslandsreisen erschwinglich sind, erhalten die Töchter oft noch vor ihrer Eheschließung Reisepässe. Diese schon in jungen Jahren welterfahrenen Töchter würden (...) kaum einen Mann heiraten, der ihre Reisen von seiner Erlaubnis abhängig mache."

Quellen:
    • "Flying free at last", in: "Al Ahram" vom 9.—15. November 2000
    • "Mehr Freiheit für Ägypterinnen", in: "FAZ" vom 11. November 2000

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2001 – Ein Schritt näher zur Verwirklichung der Frauenrechte?
Zur aktuellen Politik für (und gegen) Frauen

von Ingrid Handwerker und Nadra Zaki

Papyrus-Logo Nr. 9—10/2001, pp. 22—26

Im Mittelpunkt der Berichterstattung Ägyptens und des europäischen Auslandes tauchen in den letzten Monaten vor allem zwei Themen auf, wenn es um die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in Ägypten geht: das Scheidungs- und Familienrecht, geregelt im vor kurzem revidierten Personenstandsrecht (Personal Status Law) und das Reiserecht für Frauen. Die Diskussionen um die Gleichberechtigung, um Rückschritte und Fortschritte auf dem Weg dahin, enthalten aber mehr als diese Reizthemen. Neben Sensationsberichten oder beharrlichen Standpunkterklärungen der konservativen Politiker oder religiösen Führer hat auch die ebenso beharrliche und geduldige Aufklärungsarbeit und politische Kleinarbeit der Frauen ihren Stellenwert. Die in den NROs (Nicht-Regierungs-Organisationen) engagierten Frauen, Programme der politischen Stiftungen oder von Entwicklungsorganisationen, Teile der Presse und Teile der ägyptischen Regierung selbst bemühen sich verstärkt und konzentriert seit einigen Jahren um die rechtliche Gleichstellung der Frauen.

Die Gründung des National Council for Women

Als Zeichen des Engagements und der Verpflichtung des ägyptischen Staates für die Verbesserung des Status der Frau in der Gesellschaft wurde im Frühjahr 2000 durch einen präsidialen Erlass der National Council for Women (NCW), der Nationale Frauenrat, gegründet. Der Frauenrat besteht aus 30 einflussreichen Persönlichkeiten aus Staat und Gesellschaft und wird von der in kultur- und gesellschaftspolitischen Angelegenheiten sehr engagierten Gattin des Staatspräsidenten, Suzanne Mubarak, geführt, die das neue Organ in ihrer Einführungsrede als "Schirmorganisation für alle ägyptischen Frauen" sehen wollte. Der Frauenrat möchte die Rolle der Frau im gesamtgesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Entwicklungsprozess fördern; die Notwendigkeit und die Wichtigkeit der Partizipation der Frauen für die Gesamtentwicklung Ägyptens wird auf jeden Fall verbal eindeutig betont und die Kluft zwischen Theorie und Praxis nicht verkannt. Der NCW arbeitet in 12 ständigen Komitees, die mit je einem Spezialgebiet betraut sind.

Seine vorrangige Aufgabe ist es, die Frauenpolitik in den verschiedenen Ministerien zu koordinieren und als Lobbying-Institution auf Regierungsebene für die Durchsetzung der notwendigen frauenpolitischen Reformen zu sorgen sowie einen nationalen Plan zur Frauenförderung auszuarbeiten. Im April dieses Jahres hat der NCW seinen ersten Bericht vorgelegt, der sowohl die statistischen Veränderungen der letzten drei Jahrzehnte, die weibliche Bevölkerung betreffend, erfasst, als auch eine Bewertung der Gesamtsituation der Frauen vornimmt. Insbesondere im Bereich der gesundheitlichen Versorgung und im Bildungsbereich haben sich im letzten Jahre eindeutige Verbesserungen für die Frauen ergeben.

In das Aufgabengebiet des Frauenrates eingeschlossen ist die Überprüfung von Gesetzen auf den Aspekt der rechtlichen Gleichstellung hin, die von der ägyptischen Verfassung garantiert ist; insbesondere sollen ihm alle Gesetze und Erlasse, in denen es um Frauenangelegenheiten geht, vor deren Ratifizierung zur Ansicht vorgelegt werden. Ihm wird in dieser Hinsicht eine beratende Funktion zugestanden und seine Empfehlungen sollen berücksichtigt werden. Gerade dieser Punkt gab im Frühsommer dieses Jahres Anlass zu heftigem Protest, da dem NCW der Gesetzentwurf zum Reise- und Passrecht (s.u.) nicht vorgelegt worden war.

Auch die Koordination der Zusammenarbeit von Nicht-Regierungsorganisationen und Regierung fällt in seinen Aufgabenbereich und er wird Ägypten auf den internationalen Konferenzen repräsentieren.

Bisher hat sich der NCW vor allem für die Mobilisierung von Kandidatinnen für die Wahlen zum Shura Council – einem beratenden Organ für Regierung und Parlament in politischen Fragen – sowie für die Parlamentswahlen im vergangenen Jahr eingesetzt. 120 Frauen haben sich um ein Abgeordnetenmandat beworben, mehr als erwartet, viele davon als Unabhängige, die fünf Sitze erringen konnten. Dem neuen Parlament gehören nun 11 Frauen an (das sind 2,5 Prozent aller Abgeordneten), etwas mehr als in der vorhergehenden Legislaturperiode.

Das Nationalitäten-Gesetz 

Diskutiert wurden in den letzten beiden Jahren immer wieder das Nationalitäten-Gesetz (Law 26/1975), das massive Benachteiligungen für binationale Ehen – hier angesprochen die von ägyptischen Frauen mit einem Partner anderer Nationalität geschlossenen – aufrecht erhält. Trotz zahlreicher Klagen vor den Verwaltungsgerichten wurde noch keiner der Fälle vor das Verfassungsgericht gebracht. 1999 wurden administrative Neuregelungen für gemischte Ehen erlassen, die aber nicht die grundsätzlichen Probleme berühren. Im Frühsommer 2001 wurde das Nationalitäten-Gesetz im Parlament zwar diskutiert, aber ohne Veränderungswillen auf unbestimmte Zeit wieder zur Seite gelegt.

Der Artikel 2 des Gesetzes legt die Staatsbürgerschaft für die Kinder dieser Ehen fest, die nur über den ägyptischen Mann auf die Kinder übertragen werden kann. Frauen verfügen über dieses Recht, wenn der Vater des Kindes unbekannt oder staatenlos ist. Änderungsvorschläge beinhalten, dass das Kind die ägyptische Staatsbürgerschaft erhält, wenn der ausländische Ehemann der Frau verstorben ist oder sie verlassen hat, bis dahin, dass die Mutter ihre Staatsbürgerschaft dem Kind generell und ohne Einschränkungen vermitteln kann. Vorerst bleiben die betroffenen Frauen und ihre Kinder weiterhin mit den oft existenziellen Konsequenzen des Nationalitäten-Gesetzes behaftet. Diese treffen besonders hart alleinerziehende und materiell nicht gut gestellte Frauen.

Nicht-ägyptischen Staatsbürgern bleibt der Zugang zur (fast) kostenfreien Schulbildung verwehrt, sie müssen Schulgebühren bezahlen, die oft das sechsfache der normalen Gebühren betragen. Privatschulen, die eine höhere Bildung vermitteln, werden dadurch für die meisten Eltern unerschwinglich. Die Kinder, deren Eltern diese Hürde überwinden konnten, können nicht beliebig jedes Fach studieren; Medizin, das Ingenieurwesen oder die Polizeiakademie stehen ihnen nicht offen. Außerhalb des Bildungsbereiches sind ihnen Grenzen bezüglich der freien Berufswahl gesetzt, sie erhalten z.B. keine Arbeitsgenehmigung für den öffentlichen Dienst. Aufenthaltsgenehmigungen müssen jährlich bis maximal alle fünf Jahre verlängert werden, zudem wird diese mit Erreichen des 18. Lebensjahres oft entzogen. Sicherheitsbedenken stehen gegen die Aufnahme in das ägyptische Militär.

Der NCW führt eine Kampagne zur Neufassung des Nationalitäten-Gesetzes an, zudem war es auch ein thematischer Schwerpunkt des CEDAW-Forums (s.u.), in dem sich im vergangenen Jahr Ägyptens Potential für die Frauenrechte formiert hat.

Familienrecht und Ehevertragsrecht 

Das Jahr 2000 brachte die lang diskutierte Reform des (bürgerlichen) Familienrechtes, das so genannte "Personal Status Law" (PSL), das vor allem scheidungsrechtliche Fragen verbessern sollte. Frauenrechtsexpertinnen sehen im Ergebnis jedoch weniger eine revolutionäre Änderung als vielmehr "das Flicken der Lücken in Gesetz und Gerichtsverfahren, die bisher existierten".

Daneben wurde das Ehevertragsrecht diskutiert und revidiert. In Ägypten werden alle Personenstands- und Familienrechtsangelegenheiten in Anlehnung an das islamische Recht, die Scharia'a, festgelegt. Die Ausarbeitung eines neuen allgemein gültigen Ehevertrages, der ebenfalls mit der Scharia'a konform sein muss, gibt den Ehepartnern die Möglichkeit, gemeinsam verabredete Bedingungen vertraglich festzulegen. Frauen können nun die nach der Eheschließung oft auftretenden Streitpunkte wie Fortsetzung der Ausbildung der Ehefrau, Ausübung der Berufstätigkeit nach der Heirat, Reisen ins Ausland und das Recht auf Scheidung durch die Frau selbst als bindende Konditionen in den Ehevertrag aufnehmen. Dabei hat die Scharia'a den Frauen schon immer das Recht der von ihr gewünschten Scheidung ohne den Verlust ihrer finanziellen Rechte eingeräumt ("Al Isma"). Jedoch muss der zukünftige Ehemann der Frau dieses Recht, im Ehevertrag festgehalten, ausdrücklich zugestehen. Andererseits haben Männer weiterhin das Recht, die Scheidung ohne Angabe eines Grundes auszusprechen.

Bisher verfügen nur etwa 50.000 Frauen über diese nach neuem Recht abgeschlossenen Heiratsverträge. Gesellschaftlicher Druck, die Angst vor dem Alleinbleiben, die Furcht, als misstrauisch zu gelten, oder ganz einfach reine Verliebtheit hindern die Frauen daran, ihre eigenen vernünftigen Bedingungen in den Ehevertrag aufzunehmen.

Ein weiteres reales Hindernis stellt die negative Einstellung des ma'zouns, des islamischen Standesbeamten, gegenüber jeder Art von Ehebedingungen dar. Der ma'zoun stützt sich auf die – umstrittene – Interpretation der Scharia'a, wonach eine Frau ihrem Mann unbedingt Folge leisten muss. Diese Haltung entspringt der traditionellen Vorherrschaft des Mannes in der ägyptischen Gesellschaft, die sich einer effektiven Änderung des Status der Frau mit aller Kraft widersetzt. Jährlich reichen 1,5 Millionen Frauen Scheidungsklagen ein, eine Belastung für die Gerichte, die die Regierung reduzieren will. Folglich "entdeckte" die Regierung eine Auslegung des Korans, "die der Frau das Recht zur Scheidung ohne die Notwendigkeit einer Zustimmung des Ehemannes gewährt, unter der Bedingung des Verzichtes auf Teile ihrer finanziellen Rechte, woraufhin sie umgehend geschieden wird".

Das neue Gesetz, das jetzt vom Parlament verabschiedet wurde, gibt der Frau das Recht auf Scheidung nur im Fall eines völligen Verzichts auf ihre finanziellen Rechte ("Al Khol"). Das Urteil wird 60 Tage nach dem Einreichen der Klage gefällt.

Einige Frauenrechtsexpertinnen weisen darauf hin, dass diese legislativen Änderungen nur den Frauen zugute kommen, die durch ein eigenes Einkommen wirtschaftlich unabhängig vom Mann sind. Andere scheidungswillige Frauen stehen vor der Alternative, in der Ehe zu verharren oder mit "Nichts" zu gehen. Außerdem lasten sie dem Parlament an, die Haltung der ägyptischen Frauen nicht zu verstehen und zu akzeptieren, die eine Scheidung (nur) aus dem Grund verlangen, weil ein Zusammenleben mit dem Ehemann nicht mehr tragbar ist. Immer wieder wird auch die Ansicht vertreten, dass sich Interpretationen der Scharia'a heute von deren ursprünglichen Schutzfunktionen für die Frauen abgekehrt haben; Vorschriften würden nicht im Sinne der Frauen, sondern durch entsprechende Auslegung gegen sie verwendet.
(Siehe den Beitrag: "In Güte behalten oder mit Gut entlassen" sowie den Leserbrief hierzu –Anm. KFN.)

Pass- und Reiserecht 

Noch in PAPYRUS 1—2/2001 (siehe Beitrag "Ägypterinnen erhalten das Recht, ohne Zustimmung ihrer Männer zu reisen" –Anm. KFN) haben wir einen Beitrag veröffentlicht, der Bezug auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtes vom November 2000 nahm, dass das verfassungsmäßig garantierte Recht der persönlichen Bewegungsfreiheit für ägyptische Bürger nicht in Einklang steht mit der Tatsache, dass verheiratete Frauen auf die Zustimmung des Ehemannes angewiesen sind, wenn sie dieses Recht für Reisen ins Ausland in Anspruch nehmen wollen. Tangiert wurde damit der Artikel 21 des ministeriellen Dekrets 63 aus dem Jahre 1959, der die Genehmigung des Mannes für solche Reisen fordert. Erweitert wurde es 1996 dahingehend, dass die Zustimmung des Mannes bereits zur Ausstellung eines Reisepasses – der dann mit einem Vermerk versehen wird – erforderlich wurde.

Die anfangs euphorische Stimmung unter den Frauenrechtlerinnen wurde bald gedämpft, weil deutlich wurde, dass es mit dem Vorstoß auf der gesetzlichen Ebene weniger um eine inhaltliche Revision ging, als um ein administratives Problem.

Das 1996-er Dekret wurde vom damaligen Innenministerium erlassen; dieses wurde im November 2000 vom Obersten Verfassungsgericht mit der Begründung annulliert, dass nicht das Innenministerium über die rechtliche Autorität verfügt, das Reiserecht der Frau einzuschränken, ihm obliege nur die Einschränkung der Reisefreiheit aus Sicherheitsgründen. Die angefochtene Verfassungsmäßigkeit liegt also darin, dass nicht ein Erlass des Innenministeriums das Recht verweigern kann, sondern dass dies nur ein Gesetz kann. Ein diesbezüglicher Gesetzentwurf, der Anfang des Jahres 2001 verworfen wurde, erhält dem Mann nämlich auch weiterhin das Recht, die Reiseeinschränkung für seine Ehefrau auszusprechen.

Den Frauen bleibt der Weg, bei einer Verweigerung des Reiserechtes den Urgent Matters Court anzurufen, der in einem Schnellverfahren innerhalb von 24 Stunden darüber entscheiden soll. Der Entwurf wird noch vor dem Shura Council debattiert, das letzte Wort hat das Parlament noch lange nicht gesprochen.

Die Bemühungen der Frauenrechtlerinnen gehen nun vorerst aber dahin zu verhindern, dass der alte Erlass in ein Gesetz umgewandelt wird, denn ein Gesetz ist letztlich schwieriger zu revidieren als ein Dekret.

Das CEDAW-Forum

Menschenrechtskonventionen, wie die UN-Konvention zur Eliminierung der Diskriminierung von Frauen (CEDAW), werden in Parlamentsdebatten völlig ignoriert. Solche Konventionen fordern z.B. ein einheitliches religionsunabhängiges Ehegesetz. Die CEDAW-Konvention wurde von der ägyptischen Regierung im Jahre 1980 ratifiziert. In regelmäßigen Abständen muss Ägypten einen Rechenschaftsbericht vorlegen, der den Stand der nationalen Bemühungen im Bereich Frauenrechte dokumentiert.

Der große frauenpolitische Gesprächskreis der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Ägypten beschäftigt sich seit zwei Jahren mit all diesen Fragen. Bei diesem handelt es sich um eine Initiative der Friedrich-Ebert-Stiftung Kairo, die zusammen mit einer Gruppe von engagierten NRO-Mitgliedern, die im Bereich von Frauen- und Menschenrechten tätig sind, durchgeführt wird. Dieses Forum hat zur Aufgabe, Regierung, Parlament und Medien über die Bestimmungen der UN-Konvention zu informieren und auf diese Weise die Bedingungen für die Übernahme der UN-Vereinbarungen in die nationale Gesetzgebung zu verbessern. Ausdrücklich wichtig ist dem Forum nicht die Entwicklung von theoretischen Entwürfen, sondern das Ausgehen von den Erfahrungen der Frauen selbst ("grass root level").

In insgesamt 11 Sitzungen – die mit thematischen Schwerpunkten jeweils von einer Arbeitsgruppe vorbereitet wurden – brachte das CEDAW-Forum in Kairo Regierungs-, Nichtregierungs- sowie Medienfachleute zusammen, um geschlechtsbezogene Fragen im Hinblick auf Gesetzgebung, politisches Umfeld, Gesundheit, Bildung, wirtschaftliche, soziale und politische Angelegenheiten grundsätzlich zu diskutieren. An den Debatten nahmen 80 NROs teil, denen die Möglichkeit gegeben wurde, die verschiedenen Meinungen und Standpunkte kennen zu lernen. Ein weiteres Ziel des Forums bestand im Erlernen und Einüben von Diskussionstechniken und der Entwicklung einer demokratischen Dialogführung, gehören diese Fähigkeiten in der gesellschaftlichen und politischen Arbeit in Ägypten noch nicht überall zum alltäglichen Werkzeug.

Diese erste Folge von Arbeitstreffen wurde im Mai 2000 mit einer Tagung abgeschlossen. Als wichtig für die dem Forum nun anschließende Arbeit wird vor allem erachtet, die Bemühungen um den Dialog mit dem Klerus und dem neugewählten Parlament fortzusetzen. Die Religionsgemeinschaften entsandten gar keine Vertreter in die Arbeitsgemeinschaft, Abgeordnete des Parlaments waren in geringer Anzahl repräsentiert; vor allem war von diesen noch wenig Verständnis und Bewusstsein für die Problematik zu spüren. Dies soll in geplanten Workshops und Diskussionsrunden verbessert werden. Auch Journalisten sollen verstärkt in das Gespräch miteinbezogen werden, zumal als großes Defizit beklagt wird, dass die Medien die Rolle der Frau im Allgemeinen sehr konservativ und klischeehaft abbilden. Fortgesetzt werden soll ebenso die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Nationalen Frauenrates und den Frauen, die sich in bürgerlichen Initiativen engagieren.

Reiserecht, Arbeits- und Sozialgesetzgebung und das Nationalitäten-Gesetz bleiben für die nächste Zukunft vorrangige Themen auf der Agenda der FES. Die zentralen Inhalte des Forums und bisherigen Ergebnisse sind dokumentiert und liegen als allgemein zugängliche Publikation vor.

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Das Schlimmste war der Ehevertrag...
Über Grenzen und Chancen des ägyptischen Ehevertrages für binationale Ehen

von Baraka Maatwk

Papyrus-Logo Nr. 9—10/2001, pp. 27—30

"Als wir uns kennen lernten, waren wir beide nicht mehr ganz so jung, standen mit beiden Beinen im Berufsleben und wussten eigentlich ziemlich genau, was wir wollten und was wir nicht wollten in einer Beziehung, trotz aller Verliebtheit. Es war ganz klar, dass wir einen Ehevertrag aufsetzen würden. Allerdings waren wir in keiner Weise darauf vorbereitet, was das bedeutet. Da ging es plötzlich ans 'Eingemachte'. Die juristischen Ausdrücke und die möglichen Konsequenzen riefen Ängste, Verletzungen, angekratzte Ehrgefühle hervor, so dass alles ins Wanken geriet. Es war noch einmal ein Prüfstein für die Eheabsichten, aber einer, der schwer im Magen lag."

Dies ist der Kommentar zum Beginn einer binationalen Ehe, die dann trotz dieser Hindernisse eingegangen wurde. Die Problematik ist jedoch noch viel tiefschichtiger. Auf der einen Seite befindet sich das Paar in einer bewegenden emotionalen Phase ihrer meist noch jungen Beziehung. Das Umfeld, wie Freunde, Bekannte und Verwandte, trägt mit gut gemeinten Ratschlägen oder unbedachten Äußerungen zu einer emotionalen Berg- und Talfahrt bei. Oft versuchen die Paare, die Beziehung durch längere gegenseitige Besuche aufzubauen, dies ist natürlich über die große Distanz zwischen beiden Herkunftsländern erschwert. Die Entscheidung zur Eheschließung muss aber sehr frühzeitig getroffen werden, da es in Ägypten soziale und religiöse Überzeugungen, in Deutschland die Ausländerpolitik mit ihren Visa- und Aufenthaltsbestimmungen sind, die ein Zusammenleben auf Probe erschweren.
Beginnt man gerade erst persönlich zu begreifen, was es heißt, eine binationale Beziehung einzugehen, müssen konkret nun zwei, scheinbar nur aus Gegensätzen bestehende Kulturen, zwei sich anscheinend widersprechende Rechtssysteme und die Bedingungen für einen eventuellen zukünftigen Konfliktfall zwischen zwei Menschen in der Formulierung eines Ehevertrages zusammengefügt werden.

In Ägypten muss ein Ehevertrag zum Zeitpunkt der Eheschließung vorliegen! Er kann nicht später nachgereicht werden, sondern er muss mit der Eheschließung gemeinsam registriert werden. In Deutschland kann ein Ehevertrag zu jedem späteren Zeitpunkt formuliert werden, auch wenn das in der Realität nicht unbedingt einfacher ist. Wie aber soll das alles nun, schwarz auf weiß, in juristisch korrekter Weise in Form eines Ehevertrages zu Papier gebracht werden? Ein Ding der Unmöglichkeit? Das unromantische und bewusste Augenmerk auf die existenziell wichtigsten Merkmale und Möglichkeiten des ägyptischen Ehevertragsrechtes zu lenken, kann vor einem bösen Erwachen am Ende einer Ehe auf dieser Ebene schützen.

Eigentumsverhältnisse

Eheliche Rechtsgrundlage ist die Gütertrennung, also nicht die in Deutschland übliche Zugewinngemeinschaft. D.h. jeder bleibt im Besitz seines in die Ehe eingebrachten Eigentums, der Partner hat kein Verfügungsrecht über das Eigentum des anderen. Wichtig ist, dass ein schriftlicher Nachweis über das persönliche Eigentum erbracht werden kann. Das bedeutet praktisch, dass man Rechnungen auf den eigenen Namen ausstellen lässt und Hausratslisten vor der Ehe aufstellt; Nachweise dieser Art werden auch bei der Erbverteilung (s.u.) relevant. Oft fallen für Ausländer, die Eigentum, z.B. eine Eigentumswohnung, erwerben wollen, hohe Steuern oder umständliche und aufwändige Behördengänge an. Diese sollten jedoch zur eigenen wirtschaftlichen Absicherung nicht gescheut werden (s.u. Erbrecht, Wohnung).
Im Ehevertrag kann ein Zugewinnanspruch festgelegt werden. Die eine Partei kann an dem erwirtschafteten Vermögen der anderen beteiligt werden.

Versorgungsausgleich und Altersvorsorge

Wenn es auch einen Rentenanspruch gibt, der im Todesfall auf die Ehefrau übergeht, so sind jedoch Versorgungsausgleich und Altersvorsorge, wie sie in Deutschland geregelt sind, in Ägypten eigentlich nicht vorhanden. Die sogenannte "Morgengabe" (s.u.) ist auch aus diesem Grund eine mögliche vergleichbare Absicherung. In einem Ehevertrag kann eine private Versicherung vereinbart werden.

Erbanspruch

Die Verteilung des Erbgutes ist gesetzlich geregelt, wobei über ein Drittel des Vermögens ein Testament gemacht werden kann. Dies ist für eine christliche Ehefrau die einzige Möglichkeit am Erbe des Mannes beteiligt zu werden, da sie ansonsten nicht erbberechtigt ist. Nur die zum Islam konvertierte Ehefrau besitzt einen Erbanspruch.
Anders ist es bei der Heirat mit einem christlichen Ägypter, da dann dessen religiöses Recht gilt; die christliche Ehefrau ist in der Regel erbberechtigt.
Ausländer können kein Agrarland erben. Dieses würde dem Staat zufallen, wobei jedoch eine Entschädigung vom Umfang des 70fachen Jahressteuersatzes gezahlt wird. (Entnommen aus: Merkblatt Nr. 87 des Bundesverwaltungsamtes für Ägypten von 1985.)
Wegen der Erbberechtigung des Ehemannes am Vermögen der Frau, sowohl in Ägypten als auch in Deutschland, sollte unbedingt ein Rechtsanwalt konsultiert werden, der sich mit internationalem Privatrecht auskennt. Ansonsten könnte es unangenehme Überraschungen für Verwandte des deutschen Ehepartners in Deutschland geben, die sich plötzlich mit Personen, die sie unter Umständen kaum kennen, auseinander setzen müssen. Ebenso hat es böse Überraschungen bei Hinterbliebenen gegeben, die nicht wussten, dass die ägyptische Familie des Ehemannes am Erbe des Hausrates beteiligt ist.
Im Ehevertrag kann keine gesonderte Abmachung in Bezug auf den Erbanspruch getroffen werden.

Scheidungsrecht

Die Möglichkeit der Auflösung der Ehe liegt normalerweise einseitig beim Mann, d.h. er kann ohne Angabe von Gründen und ohne Anwesenheit der Frau die Scheidung vornehmen, während die Frau vor Gericht gehen muss und dort Gründe für ihren Scheidungswunsch vorzubringen und zu beweisen hat. Dies ist als Verfahren sehr zeitaufwändig – Prozesse können sich über Jahre hinziehen – und mit hohen Kosten verbunden sein.
Im Ehevertrag können Bedingungen ausgehandelt werden, die jedoch mit dem ägyptischen Recht in Einklang stehen müssen. So könnte sich die Frau z.B. für den Fall einer Zweitheirat des Mannes das Recht zur Scheidung ausbedingen, ohne jedoch auf ihre nachehelichen Versorgungsansprüche verzichten oder die geleisteten Morgengaben zurückgeben zu müssen, wie das bei dem neuen Scheidungsrecht der Frau ("Al-Khol") der Fall ist. Das grundsätzliche Recht auf Polygamie kann dem Ehemann in keinem Ehevertrag abgesprochen werden, da es gegen das Gesetz verstoßen würde.

Kinder

Ist der Vater Moslem, muss sich die christliche Ehefrau einverstanden erklären, dass die Kinder islamisch erzogen werden. Dies ist ein nicht beeinflussbarer Teil der Eheschließung.
Die Reisefreiheit der Kinder unterliegt der Verantwortung des Vaters, d.h. die Kinder können ohne die Erlaubnis des Vaters nicht ausreisen – dies auch nicht mit deutschen Pässen.
Das Sorgerecht nach einer Scheidung wird in einen mütterlichen Teil, der die tatsächliche Personenfürsorge umfasst, und einen väterlichen Teil, der die gesetzliche Vertretung wahrnimmt, unterteilt. Der Mutter obliegt die Pflege der Kinder, während dem Vater die Vermögensverwaltung, die Schulauswahl und das Aufenthaltbestimmungsrecht zufallen und er für den Unterhalt der Kinder aufkommen muss. Dies gilt bis zum 10. Lebensjahr für Jungen und bis zum 12. für Mädchen, was jedoch durch Gerichtsbeschluss verlängert werden kann.
Bei einem Zerwürfnis über das Besuchsrecht sieht die gesetzliche Regelung ein wöchentliches Treffen in einem Park oder auf der Polizeistation vor, wobei die andere Partei sich in einigem Abstand aufhalten darf.
Ist die Mutter Christin, können ihr die Kinder bei einer Scheidung oder auch beim Todesfall des Vaters durch ein von der Verwandtschaft angestrengtes Gerichtsverfahren entzogen werden und es bliebe lediglich ein Besuchsrecht für sie bestehen.
Die mütterliche Personenfürsorge kann auch auf die Großmutter übertragen werden, vorausgesetzt, dass diese Muslime ist und in Ägypten lebt. Dies gilt für den Fall der Wiederverheiratung oder auch bei Todesfall der Mutter.
Diese gesetzlichen Regelungen können auch im Ehevertrag nicht außer Kraft gesetzt werden! Jedoch können Vereinbarungen (z.B. über den Verbleib der Kinder bei der Mutter, die Reisefreiheit, die zwar verbotene, aber immer noch praktizierte Beschneidung von Mädchen) für den Todesfall getroffen werden, um zumindest den Wunsch des Verstorbenen der Familie gegenüber auszudrücken. Ob dies jedoch vor Gericht im Konfliktfall mit der Familie des Vaters durchzusetzen wäre, liegt im Ermessen des Richters; es liegen bisher noch keine Erfahrungsberichte von Betroffenen vor.

Eheliche Wohnung

Der Mann hat während der Ehe das Recht, den Aufenthaltsort der Familie zu bestimmen. Wichtig wird im Scheidungsfall die Unterscheidung, ob die Familie eine Eigentums- oder Mietwohnung bewohnt. In der Mietwohnung bleibt den Kindern das Wohnrecht erhalten. Im Streitfall steht der Frau das Wohnrecht in der Mietwohnung nicht mehr zu, wenn sie keine (mit dem Mann gemeinsamen) Kinder hat, die Personenfürsorge über die Kinder abgelaufen oder gar nicht zugesprochen worden ist oder die Kinder volljährig sind.
Dagegen kann der Mann die Frau (einschließlich der ihrer Personenfürsorge angehörenden Kinder) zwingen, aus der Eigentumswohnung auszuziehen, wenn er eine Wohnung gleichen Standards – und dies ist ein sehr dehnbarer Begriff! – zur Verfügung stellen kann.
Eine Ausländerin kann so schnell auf der Straße stehen. Auch darauf lässt sich vorweg in einem Ehevertrag kein Einfluss nehmen.
Diese Tatsache verdeutlicht, wie wichtig der folgende Punkt der "Morgengabe" ist.

Die Morgengabe

Die Morgengabe ist ein Geschenk (Moakhar al-sadak) des Mannes an die Frau, sie gehört der islamischen Heirat als Recht der Frau an und wird meistens in Form von Geld gegeben. Sie zu erklären oder das Wort zu übersetzen, ohne dass es bei einer Europäerin das Gefühl des verletzten Stolzes hervorruft ("Ich lass' mich doch nicht kaufen!"), ist schwierig. Mit verletztem Stolz zu reagieren ist hier jedoch völlig fehl am Platz.
Wie bereits beschrieben, können sich die Eigentumsverhältnisse, das Erbrecht und die Wohnverhältnisse (nicht selten wohnt die Frau bei der Familie des Mannes!) sehr zum Nachteil für die ausländische Ehefrau auswirken, so dass die Morgengabe, in ägyptischen Ehen selbstverständlich, ihren Teil zur Absicherung der Frau beiträgt.
Die Morgengabe kann für christliche Ehefrauen, die nicht erbberechtigt sind, vor der Verteilung der Erbmasse als Eigentum beansprucht werden, da sie im juristischen Sinne eine Schuldverpflichtung des Mannes an die Frau darstellt.
Aus diesem Grund sollte die Morgengabe im Ehevertrag trotz hoher Gebühren (zurzeit 2% der Höhe des Wertes) für den Eintrag festgehalten werden. Viele Ausländerinnen einigen sich deshalb nach Absprache auf einen symbolischen Wert, das können u.U. 50 Piaster sein, um sie zu vermeiden. Es gibt aber auch rechtliche Möglichkeiten, die Gebühren zu umgehen.
Je nachdem in welcher Form die Morgengabe gewählt wird (Geld, Schmuck oder Eigentumswohnung) kann die Zahlung der Gabe aufgeteilt werden. Bei einer Geldvereinbarung wird eine Teilzahlung oft bei der Heirat geleistet, während die Restzahlung bei Todesfall des Mannes oder einer Scheidung erfolgt.
Ist die Frau die Scheidungswillige, wird oft als Kompromiss vorgeschlagen, dass der Mann den Rest der Morgengabe nicht mehr zahlen muss, wenn er in die Scheidung einwilligt.
Je nach den Einkommensverhältnissen des Mannes ist der Kauf einer Eigentumswohnung auf den Namen der Frau sicherlich immer noch die beste Absicherung für eine Ausländerin, besonders wenn Kinder geplant sind. Morgengabe kann aber auch die Erstattung der Rückreisekosten im Falle einer Scheidung sein.
Der Gestaltung der Morgengabe sind viele Möglichkeiten gegeben und sie sollte auf jeden Fall gut durchdacht und in Anspruch genommen werden.

Befugnisse der Ehefrau

Unter diesem Punkt können verschiedene Vollmachten (notwendig sind "unwiderrufliche" Vollmachten) an die Frau erteilt werden:

  • Über die Reisefreiheit, sowohl im Land als auch in das Ausland, sowie dafür, sich alle hierzu notwendigen Unterlagen (Pässe) zu beschaffen. Dies steht ihr zwar zurzeit als Ausländerin sowieso zu, doch käme es zu einer Gesetzesänderung, könnte diese Vollmacht nützlich sein. Auch wenn die ausländische Ehefrau die ägyptische Staatsbürgerschaft annehmen würde, ist es sinnvoll, über die Vollmacht zu verfügen.
  • Über die Berufsausübung, einschließlich eventuell notwendiger Zusatzausbildungen, Umschulungen oder mit der Arbeit verbundene Ortswechsel.
  • Über das Besuchsrecht für Besuch von Verwandtschaft aus dem Ausland, da der Mann das Recht hat zu bestimmen, wer das Haus betreten darf. Im Konfliktfall, z.B. bei der anstehenden Scheidung, ist es denkbar, dass wegen einer nicht vorhandenen Vollmacht die Frau nicht einmal ihre eigenen Eltern empfangen dürfte.
"Binde zuerst dein Kamel an und dann vertraue auf Gott" (arabisches Sprichwort)

Rechtliche Absicherungsmöglichkeiten der ausländischen Frau in Bezug auf Scheidung, auf Vermögensverhältnisse, Berufsausübung und Erbberechtigung sind also durchaus durch die Formulierung eines Ehevertrages gegeben, und damit sind schon einmal wichtige Grundlagen für die wirtschaftliche Existenz geschaffen, wenn die Ehe geschieden wird oder wenn der Mann stirbt. Der Ehevertrag muss auf jeden Fall mit der Eheschließung vorgelegt werden und die Eheschließung sollte auch nicht ohne englisch- oder deutschsprachigen Rechtsbeistand erfolgen.
Nicht zu lösen durch einen Ehevertrag ist dagegen die Problematik der binationalen Kinder, die z.B. bei der Bestimmung über den Aufenthalt oder das Sorgerecht entsteht; die Angst vor Kindesentführung hängt nicht erst seit dem letzten Vorkommnis in Luxor wie ein Damoklesschwert über den Eltern. Auch Armut lässt sich durch einen Ehevertrag nicht ausschließen. Frauen, die schon jahrzehntelang hier gelebt haben, aber nicht die Möglichkeit hatten, vorzusorgen, leben oft nah an der Armutsgrenze.
Hier sind rechts- und grenzübergreifende Lösungen gefordert, die bis jetzt von allen beteiligten Regierungen noch nicht geboten, aber von den Betroffenen immer mehr eingefordert werden.

Außerdem liegen vom Binationalen Austauschzentrum Kairo ausgearbeitete Vorlagen für mögliche Eheverträge vor.

Punkt Punkt Punkt

 

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