Frauen in Ägypten
Die Rückkehr des Schleiers
Nr. 56/86, pp. 2325 Die Schriftstellerin Iqbal Baraka, die als Journalistin für "Sabah El-Kheir" regelmäßig schreibt, verfaßte für die Weltfrauenkonferenz 1985 in Nairobi eine Untersuchung mit dem Titel: "Veilling as a Contemporary Phenomenon in Egypt", in dem sie einen Zusammenhang zwischen der politischen Entwicklung und diesem Phänomen herstellt und von dem wir hier Auszüge übersetzen. Die Rückkehr des Schleiers, der das Haupt der ägyptischen moslemischen Frau bedeckt, begann etwa ab 1964. Darin stimmt die Mehrzahl der Forscher überein, die sich in den letzten Jahren mit diesem Phänomen beschäftigt haben. Eine Untersuchung einer Gruppe von Soziologen, unterstützt vom "National Centre for Social and Criminal Research" vom Dezember 1982 schloß u.a. mit folgenden Hinweisen:
In den 70er Jahren stieg die Zahl der Verschleierten erstaunlich, vor allem unter den Studentinnen. Der Schleier war Teil der muslimischen Bekleidung während all der Jahrhunderte, aber während des ersten Viertels des 20. Jahrhunderts begann er allmählich zu verschwinden, bis ihn nach der Revolution von 1952 fast alle Frauen entfernten. (Zur Geschichte der ägyptischen Frauenbewegung siehe auch den Beitrag "Frauenbewegung und Frauenemanzipation".) Das Arbeitsgesetz von 1959 beschloß völlige Gleichheit zwischen Mann und Frau (...), Frauen erwiesen sich als genauso kompetent wie Männer und erfolgreich in den neuen Arbeitsbereichen. In den 60er Jahren war dies kein Diskussionspunkt mehr, sondern feststehende Tatsache. 1967 erlitt Ägypten eine militärische Niederlage durch Israel. Das gesamte Volk wurde davon erschüttert. Man begann, nach den Ursachen der Niederlage zu suchen. Eine Ursache glaubte man im Mangel an Glauben zu finden, in der Abwesenheit islamischer Werte und Ethik, im Ärger Gottes darüber. Neue islamische Gruppen entstanden (...), u.a. die Jihad-Organisation (...). In den 70er Jahren wurde offensichtlich, daß der Rückschlag von 1967 nicht nur die strategische und wirtschaftliche Lage Ägyptens erschüttert hatte, sondern auch den ideologischen Standpunkt. Die Religion war immer tief verwurzelt im ägyptischen Volkscharakter, seit der Zeit der Pharaonen waren die Ägypter empfänglich für das Überirdische. Und in Zeiten von Not und Niederlage kommt es immer wieder zu einem Wiedererwachen religiöser Aspekte und Symbole. So versammelten sich Muslime und Christen jede Nacht um eine Kirche in Zeyton, um das Erscheinen der Jungfrau Maria zu beobachten. Diese Art von Wunder gab ihnen den Glauben an das Übernatürliche zurück und jene Sicherheit, die sie in dieser Zeit so verzweifelt benötigten Dann kam Sadat. Er erkannte den religiösen Trend (...) und präsentierte sich selbst als gläubiger Moslem. Er gab das Motto "Wissenschaft und Glauben" aus (...), brachte den Namen "Misr" (Ägypten) wieder zurück. Um den wachsenden Strom linker Kritik und Enttäuschung zu bekämpfen, ermutigte er die religiösen Gruppen an den Universitäten. Linke wurden angeklagt, Atheisten zu sein (...). Mit der "Infitah", der "open-door-Politik" kamen zusammen mit den westlichen Gütern auch westliche Ansichten, Lebensformen und Werte nach Ägypten (...). Unter dem Schirm dieser Politik und aufgrund eines fehlenden Wirtschaftsplanes konnte durch Bestechung u.a. auf einfachem Weg Reichtum angehäuft werden. Viele Leute kamen mit dem neuen System nicht zurecht, in der Mehrzahl junge Leute, die keine Zukunft sahen. Die Löhne in den neuen Investmentfirmen waren sehr hoch, während die beim Staat und im öffentlichen Sektor weiterhin sehr gering blieben (...). Inzwischen wuchs das Gefühl der Depression, demokratische Forderungen wurden erhoben, aber nicht in die Tat umgesetzt, Wahlen waren Betrug, die politischen Parteien schwach und die meisten Politiker wurden der Korruption verdächtigt. Sadat versprach Freiheit und Luxus nach dem Sieg von 1973, aber ein angenehmes Leben wurde Wirklichkeit nur für eine kleine Schicht. Die Menschen waren hin- und hergerissen zwischen den neuen westlichen Werten und ihrer islamisch-orientalischen Ethik. Der einzige Ausweg war, eine andere Welt innerhalb dieser korrupten Welt zu erschaffen, basierend auf islamischen Werten. "Al-Higab", der Schleier, hat in dieser Welt eine eigene Bedeutung: den Schleier zu tragen bedeutet, der Welt die islamische Identität aufzuzeigen, sich selbst von den anderen zu unterscheiden (...). Wissenschaftler haben den Unterschied zwischen dem Al-Higab der Vergangenheit und der Gegenwart festgestellt. In der Vergangenheit wurden die Frauen gezwungen, den Schleier zu tragen. Er war Symbol für die weibliche Unterwerfung, die Segregation und trug in sich die Bedeutung, daß die Frauen minderwertiger als die Männer seien, unfähig, Verantwortung zu tragen. Heute verschleiern sich die Frauen hier freiwillig, manchmal sogar gegen den Willen der Eltern. Sie sind gebildet, manche sogar sog. Karrierefrauen (...). Bei der Untersuchung an der AUC gaben die Mädchen sehr unterschiedliche Motive für das Schleiertragen an:
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Nein... ich werde den Schleier nicht ablegen
Nr. 3/88, pp. 6364 Eine schöne, attraktive, junge Ägypterin verlobte sich mit einem jungen,
gut verdienenden Ingenieur. Geld war kein Problem, eine Wohnung für das
künftige Paar war vorhanden, und ein Auto hatte er auch. Sie verstanden sich
bestens und ihre Familien waren glücklich über die Verbindung.
Betrübt wandte sich die Mutter der Entlobten an die Schreiberin und fragte diese: "Warum war er gegen die 'Verschleierung' seiner schönen Verlobten? Es war zu erwarten, daß er sich darüber, daß sie ihre Schönheit nur einzig ihm zeigt, freuen würde." Die Mutter erklärte, daß er gesagt habe, er sei stolz auf ihre Schönheit und froh, daß er eine reizvolle Verlobte habe, deren Schönheit alle sehen sollten. ...Sie könne sich auch ohne 'Schleier' 'bewahren' und so sehe sie aus wie eine 50-Jährige, während er mit einer 20-jährigen Verlobten gesehen werden möchte. Hierzu fiel der um Rat gefragten May Shahin folgende Geschichte als Trost
ein:
May Shahin tröstete diese "anständige Frau" und sagte ihr, daß ihr Mann zu ihr, seiner Lebensgefährtin zurückkehren werde, auch wenn sie verschleiert sei, da er bald von dem "unbedeckten Fleisch" genug haben werde. Nach wenigen Monaten benachrichtigte die Frau May Shahin, daß ihr Mann reumütig zurückgekehrt und jetzt liebenswürdiger als zuvor und stolz auf seine verschleierte Frau sei und "so sage ich der schönen Braut", endet May Shahin ihren Artikel, "nimm deinen Schleier nicht ab. Der Bräutigam wird zurückkehren und sich freuen über das Kopftuch und das lange Kleid."
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Der Schleier ein soziales Phänomen
Nr. 1112/91, p. 57 Auf dem Titelblatt einer Zeitschrift war kürzlich das Gesicht einer Frau abgebildet, die einen schwarzen Schleier trug, so dass nur ihre Augen sichtbar waren. Darunter stand zu lesen: Blickpunkt Islam. Dieses Titelbild illustriert sehr gut die gängigen Klischees, die bei uns über den Islam und besonders über die Frauen im Islam vorhanden sind. Ein ähnliches Bild ziert den Einband des Buches von Betty Mahmoody, «Nicht ohne meine Tochter». Schon allein wegen seiner großen Verbreitung wird es wohl kaum jemanden geben, der dieses Bild nicht kennt. (Siehe hierzu die Buchbesprechung Betty Mahmoudy "Nicht ohne meine Tochter" von Baraka Abou-Zeid Anm. KFN.) Durch solche Bilder wird die Vorstellung zementiert, der Islam verlange von den Frauen, sich zu verschleiern. Aber das entspricht nicht der Realität, denn nicht immer haben die Frauen in der islamischen Welt den Schleier getragen. Auch wenn er eng mit der islamischen Kultur verbunden ist, gibt es doch keine durch die Religion begründete Vorschrift für Frauen, sich zu verschleiern. Diese Bestimmung ist vielmehr gesellschaftlich bedingt und steht in direktem Zusammenhang zur Stellung der Frau in der Gesellschaft.
Zur Zeit Mohammeds beispielsweise konnten sich die Frauen völlig frei bewegen und auch jederzeit unverschleiert das Haus verlassen. Im Koran steht nirgends, dass sich Frauen verhüllen sollen. Es heisst lediglich, sie sollen sich beim Verlassen des Hauses etwas von ihrem Gewand über den Kopf ziehen, damit man sie als ehrbare Frauen erkennt und sie nicht belästigt werden. Erst später wurde das Tragen des Schleiers üblich. Mit der Ausbreitung des Islam kamen die Araber in Kontakt mit der byzantinischen und persischen Kultur, wo die Frauen der städtischen Oberschicht verschleiert und zurückgezogen im Haus lebten. Durch den Wandel der islamischen Gesellschaft von der nomadischen in eine städtische wurden auch die Frauen zunehmend als Besitz angesehen, den man vor fremdem Zugriff schützen musste. Es wurde von den Frauen erwartet, dass sie im Haus blieben und nur verschleiert in der Öffentlichkeit erschienen. Doch diese Lebensweise, die wir als so typisch islamisch ansehen, wurde auch damals nur von den Frauen der Oberschicht in den Städten praktiziert. Die einfachen Frauen trugen keinen Schleier.
Der Bereich des Hauses, in dem die Frauen vor anderen Männern «sicher» waren, wird auf arabisch «harim» genannt, ein Begriff, den wir als Harem kennen. Für mehr als tausend Jahre, vom achten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, lebten die Frauen in dieser Zurückgezogenheit, bis die Gesellschaft, beeinflusst von den europäischen Ideen der Emanzipation, wieder Frauen in der Öffentlichkeit akzeptierte. Eine wichtige Rolle spielte dabei ein Buch, das der ägyptische Jurist Qasim Amin 1899 schrieb. Es trug den Titel: «Die Befreiung der Frau». Qasim Amin kam zu dem Schluss, dass es im islamischen Gesetz keinerlei Grundlagen gibt, die das Tragen des Schleiers rechtfertigen. Das Buch löste eine lebhafte Diskussion aus und trug viel dazu bei, das Thema Frauenemanzipation öffentlich zu machen. Grosse Verbesserungen für die Frauen kamen nach dem Ersten Weltkrieg. In mehreren islamischen Ländern entstanden Frauenbewegungen.
Bezeichnenderweise waren es die islamischen Männer selbst, die ihre Frauen entschleierten, doch anfangs folgten sie ihren Aufforderungen nur zögernd. Ende des 19. Jahrhunderts legten in Ägypten die ersten Frauen, unterstützt vom Wohlwollen des Khediven Ismail, ihren Schleier ab. Vor allem aber war es Mustafa Kemal Atatürk, der 1923 aus der Türkei einen laizistischen Staat gemacht hatte und der die Türkinnen ermutigte, ihren Schleier abzulegen und aus dem Harem herauszutreten. 1935 erhielten die Perserinnen vom damaligen Schah das Recht, den Tschador abzulegen. Der marokkanische König Mohammed V. folgte diesem Beispiel im Jahr 1947. Immer war westlicher Einfluss der Auslöser für diese Entschleierung der Frauen, galt doch der Westen als fortschrittliches Vorbild. So ist es auch kein Wunder, dass jetzt im Zuge der Abgrenzung vom Westen und dem Wunsch, dem westlichen Einfluss eigene kulturelle Werte entgegenzusetzen, die Frauen wieder vermehrt zum Schleier greifen.
So wird der Schleier zum Symbol für die gesellschaftliche Situation der Frau und zum Gradmesser für das Ausmass ihrer Freiheit. Doch der Schleier kann auch ein Mittel des Widerstands sein, wie beispielsweise 1978/79 bei den Demonstrationen gegen den Schah, wo die Frauen den Tschador bewusst als politisches Protestmittel einsetzten. Auch zur Aufhebung sozialer Gegensätze eignet er sich, denn sowohl teure als auch ärmliche Kleidung verschwindet unter dem grossen Stofftuch. Besonders Frauen aus sozialen Unterschichten, vor allem in Nordafrika, nutzen diesen Vorteil. Aber auch wenn wir immer wieder Bilder von verschleierten Frauen sehen, dürfen wir uns dadurch nicht täuschen lassen, denn ein Grosstei1 der Frauen bewegt sich weiterhin unverschleiert in der Öffentlichkeit. Allerdings könnte sich dies durch das Anwachsen des islamischen Fundamentalismus ändern, wenn die Männer auf dem Argument bestehen, das Tragen des Schleiers sei islamisch. In diesem Fall hilft ein Blick in die Geschichte, wie es derzeit viele Musliminnen tun. Gebildete Frauen, wie beispielsweise die marokkanische Soziologin Fatma Mernissi tragen mit dazu bei, das von den Männern überlieferte falsche Bild im Interesse der Frauen zu korrigieren. Die Autorin hat Islamwissenschaft und Geschichte studiert und mit Promotion abgeschlossen. Zurzeit lebt sie als freie Journalistin in Zürich. In deutscher Sprache sind von Fatma Mernissi u.a. folgende Titel erschienen:
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Leserbrief: Denkwürdiges aus dem Leben einer deutschen Muslime
Nr. 1112/91, pp. 9496 erst seit einem halben jahr bin ich in ägypten, und wie es ein neues land so
mit sich bringt, gibt es eine menge dinge zu sehen, zu erfahren und natürlich
auch zu lernen.
bei einem treffen, das regelmäßig von ca. 10 deutschen frauen und 1 mann abgehalten wird, erschien ich mit kopftuch, für mich in deutschland wie hier selbstverständlich und unproblematisch. ich bemerkte nichts von der unruhe, die ich damit auslöste. nachdem ich dann aber auch noch die käse- und leberwurstbrote ablehnte, wieder ohne mir etwas dabei zu denken, denn ich war einfach satt, fragte mich die Gastgeberin, "ob ich denn nie etwas bei anderen leuten esse". ich konnte kaum meine eigene verwirrung begreifen, da platzte die Gastgeberin mit dem eigentlichen grund ihrer unruhe heraus: "ja, wissen sie, ich muß das einfach mal so fragen. ich bin etwas schockiert, wenn sie so dasitzen, weil wir hier ein freier kreis sind, und ich weiß ja nicht, ob dies dann der richtige kreis ist." sie sprach das Wort "kopftuch" nicht aus, sondern machte nur die passende handbewegung. ich war dermaßen schockiert, daß ich nicht mal mitbekam, daß alle diese bemerkung hörten (das erfuhr ich erst später). meine antwort war klein und stammelnd: "ich bin doch gerade erst angekommen." den rest des abends war ich mundtot, wollte eigentlich gehen, blieb aber wie gelähmt sitzen. doch das ist noch nicht das ende. 4 wochen später kam ein anruf mit der bitte, daß ich nicht mehr kommen sollte. das wäre nach vielen Telefonaten und einem extra anberaumten treffen ein gemeinsamer beschluß der gruppe. so, da stand ich nun mit meinem erlebnis und mußte mir die frage stellen,
was sollte das eigentlich und was habe ich damit zu tun?
als begründung für meinen ausschluß wurde angebracht, daß man jegliche "demonstration einer religion" ablehne. ist es jedoch unter diesem aspekt dann angebracht, das treffen mit telefonnummer versehen im mitteilungsblatt der kirche, welches "begegnung" heißt, als anscheinend öffentlich darzustellen? und wäre das gleiche passiert, wenn ich eine kette mit einem kreuz getragen hätte? wohl kaum. es geht also um den islam. es wurde von der angst vor dem aufkommenden fundamentalismus in diesem land gesprochen, und der golfkrieg hätte sein übriges dazu beigetragen. nun, wenn ich in einem schwarzen tschador, der nur die augen freiläßt, erschienen wäre, hätte ich vielleicht noch verständnis aufbringen können. aber bei meinem kleinen einfach gebundenem tuch ist der bezug zum fundamentalismus sehr weit hergeholt. zumal ich dazu hose und jeanshemd trug, was ja, und das sollte man dann schon wissen, von den fundamentalisten verboten wird. und ich lehne es ganz entschieden ab, in diese schublade gesteckt zu werden. ebenso entschieden lehne ich es ab, daß aus dem kopftuch ein politikum gemacht wird, und wo ich kann, will ich mich dem entziehen. für mich ist das tragen des kopftuches eine anordnung von allah, im koran festgehalten. ich habe mit dem tragen für meine eigene innere entwicklung sehr wertvolle erfahrungen gemacht und empfinde es in keinster weise als äußeres zeichen der unterdrückung. vor allem ist es für mich etwas, was sich zwischen ihm (allah) und mir abspielt, wenn ich entscheide, ob ich kopftuch trage oder nicht oder auflasse oder abnehme. es stimmt natürlich, daß es teilweise schwierig ist, sich der politischen präsenz zu entziehen. doch unterstützt man sie noch, z.b. durch so einen ausschluß, muß man mit begriffen wie z.b. fundamentalismus sehr sensibel umgehen, besonders da anscheinend immer noch so viel unwissenheit über den islam herrscht, und bücher wie "nicht ohne meine tochter" und "flucht aus dem iran" das weltbild des islam nur weiter verzerren. ich bin mir sehr wohl im klaren darüber, daß es zwischen der reinen lehre des islam und dem, was unter dem namen islam läuft, differenzen gibt, doch tut das dem grundgedanken des islam keinen abbruch. das christentum weist eine ähnliche Geschichte auf. in mir bleibt eine tiefe betroffenheit zurück, denn es sind so viele fragen
offen, deren beantwortung man mir versagt hat.
ich frage mich, wo da unsere deutsche kultur und vor allem, wo das "selbstbewußtsein der freien europäischen frau" bleibt, wenn die innere aufruhr der gefühle so groß ist, daß nicht mal abgewartet werden kann, ob ich überhaupt ein zweites mal komme. ein kompliment muß ich dennoch machen. der überbringer des beschlusses hat es in einer art und weise vorgebracht, die mir respekt abnötigt. es war eine klare sachliche mitteilung, die aber noch genügend raum für ein persönliches gespräch ließ. lag es daran, daß es ein mann war? ist es doch wahr, daß die männer es eher schaffen, mit der vernunft zu gehen und sich nicht gleich von gefühlen überwältigen lassen? ich, mit meinen erst 29 Lebensjahren, empfinde mich als relativ jungen menschen, der noch mit all seinen idealen einer "besseren welt" durchs leben geht. ich bin bereit, realitäten anzuerkennen, aber ich hoffe, ich werde nie bereit sein, den inneren kampf mit mir selber aufzugeben, um geistig und innerlich offen zu bleiben und so an der möglichkeit einer "besseren welt" mitgestalten zu können. das leben ist ein ständiges sich wandeln. gerade das ausland, das fremde, das andere, gibt doch Gelegenheit, das eigene zu vergleichen, zu prüfen, zu modifizieren. heutzutage ist es für muslime schwer, und für uns deutsche muslime im besonderen maße, positive aspekte des islam darstellen zu können, denn man findet kaum ein sprachrohr dafür. während bücher, wie die oben genannten, reißenden absatz finden. ich kann nur hoffen, daß es mir gelingt, menschen zum nachdenken vor ihrem urteilen und handeln anzuregen. nichts anderes liegt in meiner absicht. ein seelenfrieden, der keiner ist, kann nicht bewahrt werden, und schon gar nicht auf kosten von idealen.
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Verschleierung im Islam Rückschritt oder gar Fortschritt?
Nr. 1112/97, pp. 3334 "So eine intelligente, gebildete Frau und trägt ein Kopftuch?"
Zuallererst möchte ich klarstellen, daß viele Moslems ihren Glauben, den Islam nur unzulänglich kennen und ihn mehr oder weniger von Familie und Umgebung übernommen haben. Dies führt dazu, daß er durch Traditionen und Bräuche verfälscht wird, was sein unterschiedliches Erscheinungsbild in den verschiedenen arabischen, "islamischen" Ländern beweist. Im Gegensatz dazu stehen mehrere Koranverse, in denen ganz eindeutig darauf hingewiesen wird, die Religion nicht zu übernehmen, sondern sie sich selbst zu erarbeiten, zu hinterfragen, so z.B. 2. Sure des Koran Vers 170. Des weiteren werden zwei wichtige Leitsprüche im Koran leider ganz vergessen. Diese wären:
Dies sei nur kurz vorangestellt, aber nun zum eigentlichen Thema. Der Koran empfiehlt der Frau die Verschleierung aus zwei Gründen. Mit Verschleierung ist gemeint:
Da der Ausdruck "Verschleierung" einen etwas negativen Beigeschmack hat, bevorzuge ich die Formulierung "islamisch gekleidete" Frau. Der 1. Grund für diese Bekleidung ist der Schutz der Frau vor Anmache, Vergewaltigung u.ä. Denn eine "aufreizend" (ein sehr dehnbarer Begriff) gekleidete Frau bringt wohl mehr Männer auf unerwünschte Gedanken als eine islamisch gekleidete Frau. In ganz Europa scheint die sogenannte sexuelle Freiheit nicht weniger, sondern mehr Vergewaltigungsfälle produziert zu haben, da sich hier scheinbar das Problem der sexuellen Übersensibilisierung eingeschlichen hat. Nun zum 2. Grund. Es ist wohl nicht von der Hand zu weisen, daß eine hübsche, den Schönheitsidealen unserer Gesellschaft entsprechende Frau die Bewunderung vieler genießt. Wohingegen eine nicht als "schöne Eva" geborene Frau viel Mühsal, Geld und Streß investieren muß, um in der Öffentlichkeit als Frau bestehen zu können und nicht abwertend als "halbes Mannsbild" denunziert zu werden. Dabei wird völlig übersehen, daß das Kompliment "so eine interessante Frau" viel mehr wiegen müßte. Wenn man jedoch Bilder von Zeitschriften in der westlichen Öffentlichkeit betrachtet, egal mit welchem Inhalt, sei es politisch, sportlich, Motorrad- oder Autozeitschriften, so wird immer nur mit dem idealen Frauenkörper geworben oder besser ausgedrückt, die Frau wird mittels ihres Körpers vermarktet! Genau dies soll durch die islamische Kleidung umgangen werden. In der Öffentlichkeit soll die Frau als Mensch betrachtet werden. Ihre Persönlichkeit, ihr Charakter, ihre Umgangsweise und last not least ihr Wissen sollen genauso wie beim Mann ihr Bild bestimmen. Im Islam hat die Frau genau wie der Mann das Recht, bzw. die Pflicht, sich auszubilden, wenn möglich zu studieren. In ihrem Privatleben, sprich in ihrer Familie, braucht die Frau diese Kleidung natürlich nicht, da sie hier längst als Mensch anerkannt ist und deshalb ihr Frausein voll ausleben und das an- bzw. ausziehen kann, was ihr gefällt. Nun stellt sich für mich als Frau die Frage, welchen Sinn es wohl haben mag, Werte wie z.B. zeitgemäße, ideale, oft utopische Körpermaße anzustreben. Sollten nicht erreichbare Ideale, wie Charakterstärke, ausgewogene Persönlichkeit usw., also Werte, die für die Gesellschaft wichtig wären, in den Vordergrund gestellt werden? Dies geht für uns mit Hilfe der islamischen Kleidung, weil das weibliche Geschlecht nun einmal von Gott mit bestimmten Reizen erschaffen wurde, die je nach Gesellschaftsbild unterschiedlich bewertet werden. Zu Omas Zeiten waren rundliche, wohlgenährte Frauen hoch im Kurs, heute würde man sie als viel zu dick bezeichnen. Als islamisch gekleidete Frau entziehe ich mich diesen veränderlichen Modeidealen, um von ihnen unbeeinflußt im öffentlichen Leben beurteilt zu werden. Ich glaube somit nicht, daß die Verschleierung das Überbleibsel einer veralteten Gesellschaftsform ist. Viehmehr ist sie ein wichtiger Ansatz, um aus dieser hohlen, körperbetonten Gesellschaftsform herauszukommen und wieder zu Werten zu finden, die uns vorwärts bringen.
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"Nach der Operation bist du hübscher"
Nr. 12/92, p. 63 Kairo im Juni. "Noch heute werden mehr als 90 Prozent aller Mädchen der ländlichen Bevölkerung beschnitten." Mit dieser Tatsache schockierte Mahmoud Karim, ein bekannter Gynäkologe und Professor an der Ain-Shams-Universität in Kairo, seinen kleinen Zuhörerkreis bei einer Diskussionsrunde an der Amerikanischen Universität zum Thema "Weibliche Beschneidung in Ägypten". Die seit Jahrtausenden bestehende Tradition wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen, einfach totgeschwiegen und gleichzeitig unvermindert fortgeführt. "Das Tabu ist Tradition", sagt Karim, der sich seit 30 Jahren bemüht, diese "sexuelle Gewaltanwendung" abzuschaffen, allerdings bislang wenig erfolgreich. Die Gründe für die Beibehaltung der im Westen und in einigen aufgeklärten Kreisen in Ägypten für barbarisch gehaltenen Prozedur sind vielfältig. Mit dem Einverständnis religiöser Kreise werden sie vorgebracht von Müttern, die ihre Töchter beschneiden lassen, den beschnittenen Mädchen selbst, sowie von "Dayas", den traditionellen Geburtshelferinnen und sogar von einigen Ärzten. Die Männer verhalten sich eher neutral, da dies eine "Frauenangelegenheit" ist. Wenn sie dagegen sind, werden Väter manchmal von den weiblichen Mitgliedern der Verwandtschaft überstimmt. "Meine Tante und ein Arzt erklärten mir damals, daß die Beschneidung notwendig für meine Zukunft sei und meine Heirat garantieren würde", berichtete die heute 34 Jahre alte Mona einer Sozialarbeiterin. Es sei wichtig, "rein" zu sein. Karmilia wurde mit falschen Versprechungen zur Beschneidung überredet: "Nach der Operation wirst du größer, hübscher, und deine Haut wird heil und sauber", sagte ihre Mutter. Die Ansicht, daß eine unbeschnittene Frau männlich sei, einen ungezügelten Geschlechtstrieb habe und zur Untreue neige, ist weit verbreitet. Viele Hebammen behaupten, die abgeschnittenen Teile seien häßlich und der Ehemann bleibe unbefriedigt. Die Dayas sind an einer Abschaffung der Beschneidung nicht interessiert, da sie daran verdienen. Der Ursprung der Tradition liegt weit vor Beginn des Islam und des Christentums. Es wird vermutet, daß ihr alte afrikanische Pubertätsriten zugrunde liegen oder daß pharaonische Gebräuche sich im übrigen Afrika verbreitet haben. Obwohl die weibliche Beschneidung nicht islamischen Ursprungs ist, wird sie als "Sunna" (Tradition) gebilligt. Der Großmufti in Kairo, die oberste Gerichtsbarkeit des Islam, befürwortete sie im Jahre 1950 in einem religiösen Edikt wegen der "Wirkung": Nach gängiger Auffassung wird das Sexualbegehren der Frauen dadurch auf das "wünschenswerte" Maß hingeleitet. Beschneidungen dürfen nach dem heute gültigen Gesetz nur von Ärzten vorgenommen werden, die so genannte sudanesische Beschneidung ist verboten. Nach Ergebnissen einer ausführlichen Studie, die Soziologen und Wissenschaftler vor drei Jahren geleitet haben, werden auf dem Lande 85% der kleinen Mädchen, Christen wie Muslime, zur Beschneidung zur Hebamme oder zu einem Friseur gebracht und nicht zu einem Arzt. Mediziner fürchten, daß unhygienische Bedienungen bei der Beschneidung Infektionen begünstigen. Mawaheb El Mouelhy ist eine Gynäkologin der "Egyptian Familiy Planning Association", der einzigen Organisation in Ägypten, die ein Aufklärungsprogramm zum Thema weibliche Beschneidung betreibt. Sie hat eigene Patientinnen, die beschnitten worden sind, befragt, wie sie zu der Erfahrung ihrer Kindheit stünden und ob sie ihre Töchter auch beschneiden ließen. Nach den Ergebnissen von El Mouelhys Umfrage werden mehr als 60% der Befragten ihre Kinder dieser Operation unterziehen und nur 9% werden dies auf keinen Fall tun: "Es dient keinem Zweck", sagten die Frauen der Minderheit. Etwas mehr als zwanzig Prozent konnten sich noch nicht entscheiden. Die Ärztin sagte, daß die Sozialarbeit sich auf diese Gruppe konzentriere. Man müsse beharrlich auf sie einwirken und sie mit Tatsachen überzeugen. Es könne auch nicht gegen den Willen Gottes sein, so zu bleiben, wie Gott den Menschen geschaffen habe. Mit dieser Einsicht "schließen sich dann vielleicht mehr Frauen der Neun-Prozent-Gruppe an", hofft El Mouelhy. Im Vergleich zur weiten Verbreitung der Tradition wird das Thema in der Öffentlichkeit verschwiegen. Im Jahre 1951 wurde darüber kurz in einem medizinischen Monatsmagazin diskutiert, danach 1959 im Gesundheitsministerium. In den siebziger Jahren haben einige Wissenschaftler vereinzelte Studien auf dem Lande geleitet. Obwohl die "Egyptian Familiy Planning Association" im Jahr 1980 ein Seminar über weibliche Beschneidung organisierte, fand die erste ausführliche wissenschaftliche Konferenz zu diesem Thema vor drei Jahren statt. Die Medien waren dazu eingeladen. Die meisten Journalisten kamen auch, aber das Ergebnis wurde am folgenden Tag in der Presse nicht erwähnt. Hoffnung für Gegner der Beschneidung rief ein Bericht in der halbamtlichen Zeitung "Al Ahram" hervor, in dem der vor kurzem verstorbene und respektierte Journalist Salah Al Galal Beschneidungen bei Frauen als schädlich beschrieb. Wie seinerzeit bei der Einführung einer Kampagne für Familienplanung geht es darum, daß die Regierung zunächst religiöse Gruppen und vor allem die geistigen Führer an der Al-Azhar-Universität, dem wichtigsten theologischen Zentrum der islamischen Welt, von der Sinnlosigkeit und Schädlichkeit dieser Praxis überzeugt. Erst danach kann ein von den Medien unterstütztes Aufklärungsprogramm beginnen. Dieser Meinung sind zumindest die Gegner der Beschneidung.
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Das Verbot der Mädchenbeschneidung
Nr. 34/98, pp. 4344 Im Oktober 1994 flimmerte eine aufrüttelnde Szene über die Fernsehschirme in
Ägypten und weltweit: Drei Frauen halten ein neunjähriges nacktes Mädchen auf
einem niedrigen Hocker fest. Eine der Frauen verschränkt ihre Arme fest über
der Brust des Kindes, die beiden anderen drücken mit Gewalt die Oberschenkel
auseinander, um die Vulva zu öffnen, soweit es geht. Die Arme des Mädchens
sind hinter ihrem Rücken zusammengebunden.
Was da vor dreieinhalb Jahren im amerikanischen Nachrichtenkanal CNN gezeigt
wurde, war noch nicht einmal die schlimmste Form der Mädchenbeschneidung, denn
es kann noch rabiater zugehen, bei der "pharaonischen" bzw.
"sudanesischen" Beschneidung.
Kurz bevor die Szene in einem Vorort von Kairo aufgezeichnet und anschließend
von CNN übertragen wurde, hatte sich der damalige ägyptische
Gesundheitsminister Ali Abdel-Fattah gebrüstet, solche Genitalverstümmelungen
würde es in seinem Land schon lange nicht mehr geben.
Immer wieder wird die Beschneidung als typisch islamisches Phänomen verurteilt. Doch das ist falsch. Weder in Saudi-Arabien, noch im Irak oder im streng religiösen Iran wird dieses Martyrium praktiziert, es ist eine Tradition, die im Niltal zu finden ist. Der Großmufti von Ägypten, Sheikh Tantawi, betonte, dieser Brauch werde im Koran nirgends erwähnt. Nicht einmal der Prophet selbst habe seinen vier Töchtern eine Beschneidung zugemutet. Bei den koptischen Christen ist der Prozentsatz der beschnittenen Frauen genau so hoch wie bei den Moslems. Die Männer in der heutigen islamischen und christlichen Gesellschaft Ägyptens halten sich meistens bequem aus der Affäre heraus. "Beschneidung ist Frauensache", lautet ihr kurzer Reflex. "Das eigentliche Problem ist mangelnde Aufklärung unter den wirklich Betroffenen", sagt die ägyptische Frauenrechtlerin Marie Assaad. "In den Dörfern müssen wir anfangen, den Frauen zu erklären, daß es falsch ist, was sie tun. Junge Mütter, die selbst noch dem Ritual unterworfen waren, müssen voller Stolz verkünden können, daß ihren Töchtern ein ähnliches Schicksal erspart bleibt. Erst im Dezember letzten Jahres verblutete wieder ein Mädchen während der Beschneidung", fügt Frau Assaad resignierend hinzu. "Die gesundheitlichen Probleme sind enorm", sagt der Frauenarzt Sherif Hamsa. "Am schlimmsten ist natürlich die 'sudanesische' Beschneidung, bei der die großen Schamlippen zusammengenäht werden. Manche Frauen können kaum noch Wasser lassen", berichtet er aus seiner Praxis. "Spätestens, wenn sie ein Kind gebären wollen, meist aber schon vor dem Geschlechtsverkehr, kommen die Frauen zu mir und bitten darum, daß ich ihnen die Schamlippen wieder auftrenne. Den meisten kann ich helfen, aber bei vielen ist die sexuelle Erregbarkeit unwiederbringlich abhanden gekommen." Am letzten Sonntag des alten Jahres wurde in Ägypten die Beschneidung wieder einmal gesetzlich verboten. Bis zu drei Jahre Gefängnis drohen bei einem Verstoß gegen die Vorschrift Ärzte, die das Gesetz nicht beachten, müssen ihre Praxis schließen. Schon einmal, im Sommer 1996, war vom neuen Gesundheitsminister Ismail Sallam ein solcher Beschluß erlassen worden, aber im vergangenen Juni setzte sich der fundamentalistische Sheikh Yussef al-Badri durch und ließ den Erlaß von einem Verwaltungsgericht annullieren. Auch diesmal läuft der Streit wieder auf einen Konflikt zwischen fanatischen
Religionsvertretern und aufgeklärten Richtern hinaus.
"Daß dieser Quatsch nicht stimmt, läßt sich ja noch leicht widerlegen", erzürnt sich Marie Assaad, "aber machen Sie mal den Leuten auf dem Land klar, daß eine Beschneidung keineswegs die Keuschheit und Jungfräulichkeit schützt. Und man muß auch an folgendes denken: Das Verbot bringt wieder ein paar Leute um ihre Einnahmequelle." Für weniger als 10 ägyptische Pfund (umgerechnet knapp 6 Mark) findet auch in den ärmsten Regionen keine Beschneidung mehr statt. "Können Sie sich vorstellen, was eine Person verdient, die täglich 30 Beschneidungen durchführt?", rechnet Marie Assaad vor. "So absurd es klingt, diese Menschen brauchen einen neuen Job. Wir haben keine Zeit zu verschenken. Die Opfer sind die Frauen. CNN hätte auch das Gesicht des Mädchens filmen können. Der Schnitt in die Seele der Mädchen ist auf Dauer gesehen noch viel tiefer als der zwischen den Beinen."
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Aufklärung tut Not
Nr. 56/2002, pp. 4243 Der jüngsten Ausgabe des "Social Science and Medicine Journal" zufolge ist die Zahl der Beschneidungen von Mädchen und Frauen in Ägypten in den letzten fünf Jahren zurückgegangen. Mitarbeiter des Bevölkerungsrats (Population Council) in Kairo und New York bestätigten, dass sich die Einstellung gegenüber weiblicher Beschneidung verändert hat, stehen doch immer mehr Frauen die Notwendigkeit diese Praxis in Frage. "Selbst die Haltung beschnittener Mädchen ist nicht mehr eindeutig", stellten die Autoren dieses Berichts fest. 14 Prozent der beschnittenen Mädchen empfanden den Eingriff als unnötig, während sich 28 Prozent unschlüssig waren. Nach dem Demografischen Gesundheitsbericht von USAID für Ägypten für das Jahr 2000 unterstützen 75 Prozent der verheirateten Frauen weibliche Beschneidung, also immerhin sieben Prozent weniger als 1995, als es noch 82 Prozent waren. Bei den 11- bis 19-Jährigen reduzierte sich die Anzahl derjenigen, die beschnitten wurden, gegenüber 1995 um 15 Prozent, als noch 83 Prozent sich diesem Eingriff unterziehen mussten. Gleichzeitig verringerte sich der Anteil der Frauen, die angaben, auch ihre Töchter beschneiden lassen zu wollen, von 87 Prozent im Jahr 1995 auf 81 Prozent im Jahr 2000. Ein weiteres Ergebnis dieser Untersuchung war, dass trotz der hohen Zahl von Beschneidungen in Ägypten es immerhin zehn Prozent weniger sind als in der Generation der Mütter. Eine bedeutende Rolle spielt dabei der Bildungsstand der Mütter. Nur 60 Prozent der Mädchen, deren Mütter eine Berufsausbildung genossen hatten, waren beschnitten, gegenüber etwa 100 Prozent derjenigen mit Müttern ohne Schulbildung. Im Vergleich dazu waren nur 30 Prozent der Töchter von Müttern, die eine weiterführende Schule besucht hatten, genital verstümmelt worden. In städtischen Zentren war die Zahl der beschnittenen Mädchen geringer als auf dem Land; ebenso unter denen, die eine Schule besucht hatten. Wenn auch die Zahl weiblicher Beschneidungen nach wie vor extrem hoch ist, spricht doch die abnehmende Tendenz für die Effizienz nicht-staatlicher Organisationen. Dr. Tawida Hamed Khalil, Mitglied der "Female Genital Mutilation" (FGM)-Taskforce in Maadi, einer Gruppe, die sich gegen Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen einsetzt, bestätigte den Rückgang weiblicher Beschneidungen in Ägypten und führte ihn vor allem auf die Arbeit der nicht-staatlichen Organisationen in Ägypten zurück. Die FGM- Taskforce ist eine interdisziplinäre Interessengruppe, die dem Nationalen Komitee für Bevölkerung und Entwicklung beratend und unterstützend zur Seite steht. "Viele feministisch orientierte Organisationen wie diese klären Frauen über die Gründe weiblicher Beschneidung und ihren soziologischen Hintergrund auf", sagte Frau Dr. Khalil. Darüber hinaus veranstalten staatliche Kliniken sowie der Nationale Frauenrat Seminare, in denen Frauen über die biologischen Funktionen weiblicher Fortpflanzungsorgane aufgeklärt werden. "Je besser Frauen über ihren Körper und die kulturell bedingten Gründe für weibliche Beschneidung Bescheid wissen, desto weniger sind sie zu diesem Eingriff bereit", erklärte Frau Khalil. Ironischerweise betrachten Jungen und Männer weibliche Beschneidung nach wie vor als notwendig und sinnvoll. Der jüngste Bericht lässt kein Umdenken erkennen, weshalb die Aufklärung von Männern bezüglich der kulturellen und patriarchalischen Einstellung gegenüber weiblicher Beschneidung dringend erforderlich ist. Bei der Beschneidung oder auch Genitalverstümmelung unterscheidet man zwischen der Klitoridektomie, bei der die Klitoris teilweise oder ganz entfernt wird, und der Infibulation, die die Klitoridektomie beinhaltet sowie die Entfernung der inneren und äußeren Schamlippen und bei der anschließend die Vulva zugenäht wird. In der Regel wird dieser Eingriff bei Mädchen im Alter von vier bis acht Jahren durchgeführt, gelegentlich aber auch kurz nach der Geburt oder irgendwann vor oder während der ersten Schwangerschaft. Klitoridektomien und Infibulationen haben in Ägypten eine lange Tradition, sowohl bei Muslimen als auch bei koptischen Christen, wobei Infibulationen vor allem im Süden des Landes vorgenommen werden. 1997 legte ein Bericht des amerikanischen Innenministeriums dar, dass 97 Prozent aller ägyptischen Frauen sich entweder der einen oder anderen Form von Beschneidung unterziehen mussten. Weibliche Beschneidung hat ihren Ursprung in Afrika und wird dort auch weiterhin kulturell bedingt praktiziert; irrtümlicherweise wird sie u.a. in Ägypten als vom Islam vorgeschriebene Prozedur angesehen. In anderen muslimischen Ländern wie dem Iran, Jordanien, dem Libanon, Syrien und der Türkei wird weibliche Beschneidung nicht praktiziert. In folgenden afrikanischen Staaten wurde diese Praxis inzwischen verboten: Kenia, Senegal, Burkina Faso, Dschibuti, der Zentralafrikanischen Republik, Ghana, Guinea und Togo. In Ägypten erließ Gesundheitsminister Ismail Sallam im Juni 1996 ein Dekret, das die Beschneidung von Mädchen und Frauen verbot. Diese Verfügung wurde vom Verwaltungsgericht Kairo bestätigt. Im Juni 1997 strengten acht muslimische Gelehrte und Ärzte einen Prozess gegen Sallam an, um das Gesetz von 1996 für nichtig erklären zu lassen. Die Gruppe argumentierte, ein Verbot der Beschneidung von Mädchen und Frauen überschreite die Amtsgewalt der Regierung und verstoße gegen die gesetzlich verbürgten Rechte der Ärzteschaft. Während der gerichtlichen Auseinandersetzung billigte Muhammad Sayyed Tantawi, Scheich von Al-Azhar, das Dekret des Ministers und gab damit den Weg frei für die Abschaffung weiblicher Genitalverstümmelung. Im Dezember 1997 wandte sich die Regierung an das Oberste Verwaltungsgericht von Ägypten, das bestätigte, dass der Islam keine Klitoridektomien fordert und dass "weibliche Beschneidung den Geboten der islamischen Scharia zufolge nicht der Entscheidung des Einzelnen vorbehalten ist". Somit unterliegt weibliche Beschneidung (wieder) ägyptischem Recht und ist auch dann verboten, wenn sie auf Wunsch der Eltern durchgeführt werden soll.
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