Ägypten vor (mehr als) 100 Jahren
Eine Orientreise vom Jahre 1881
Teil 1 Nr. 0910/92, pp. 3032 Vor uns erheben sich die in die Mittagsdünste wie in einen hellgrauen Schleier gehüllten Pyramiden von Gizéh; es ist ein feierlicher Moment für einen Reisenden, der zum ersten Male das Wahrzeichen der vor Jahrtausenden blühenden Cultur des ewigen Pharaonenlandes, die unverwüstlichen Ecksteine der Weltgeschichte mit eigenen Augen erblickt. Südöstlich thürmen sich die tafelförmigen Wüstengebirge des Mokattam, darunter die Mauern der Citadelle und die hohen Minarets der Moschée Mehemet-Ali's empor. Zwischen alledem im Dämmer der Mittagshitze das Häusermeer der afrikanischen Weltstadt. Je mehr wir uns der alten vielgepriesenen Chalifenstadt nähern, desto üppiger erscheinen die Gärten neben der Bahn; Palmen- und Sikomoren-Wälder umgeben einzeln stehende Häuser, und endlich taucht die schöne dunkelgrüne Schubra-Allee vor uns auf. Noch einige Minuten und der Zug rollt in die Bahnhofhalle ein. Bezaubernd wirkt der erste Blick in das bunt bewegte Kairenser Leben. Durch eine kurze Gasse fahren wir zur Brücke und über den Canal, interessante Bilder boten sich dem Auge dar: Dichte Menschenmengen wogen auf und nieder; schwerbeladene Kameele, kleine Esel, lärmende Orientalen in färbigen Gewändern, halboffene Kaufläden und Kaffeehäuser, davor hockende Leute; Kinder wälzen sich im Staube herum, alles lärmt, stößt an, weicht nicht aus; erschreckte Fellachen-Weiber im blauen Hemde, Säuglinge oder Wasserkrüge auf dem Kopfe tragend, fliehen schreiend vor dem dahereilenden Wagen. Die Vorläufer bahnen durch Hiebe mit ihren Stöcken den Weg für die Equipagen. Rechts und links bemerke ich hübsche Häuser inmitten herrlicher Gärten. Nach einem kurzen Gabelfrühstück fuhren einige von uns auf die Jagd. Die Stadt mußte passirt werden, und so kamen wir abermals über den Canal und durch die europäischen Stadtteile mit ihren breiten Gassen, den hübschen Häusern und üppigen Gärten der reichen Leute vorbei; von weitem sahen wir den Eingang zu den arabischen Vierteln, und auf den Straßen unterhielt uns das wilde Durcheinander von europäischen Equipagen, eilenden Droschken, Reit- und Last-Eseln, Maulthieren, Kameelen, von Arm und Reich, Bettlern und bunten Morgenländern, echtem Islam neben halbeuropäischem Levantinerthum, und außer alledem der große Troß wahrer Abendländer, Touristen und ihresgleichen. An Kasr-en-Nil vorüber erreichten wir gar bald, über die Brücke fahrend, die Dämme und hohen Alleen, die sich gegenüber der Stadt zwischen all' den großen Gärten dahinziehen. Neben dem Schlosse Tussum-Pascha's erstrecken sich, umgeben von Canälen und halbbewässerten Aeckern, einige große Zuckerrohrfelder. [In einem] derselben beschlossen wir zu jagen. Die Schützen wurden allsogleich postirt, und die Hunde gelöst. Lange Zeit hindurch schienen die Dachseln keine Spur zu finden; endlich begann eine Jagd, lautes Gekläff näherte sich dem Rande des Feldes. Leider verließ der Wolf an einem Punkte sein Versteck, wo kein Schütze stand, und so giengen wir zu einem anderen, über einem breiten Canal liegenden Zuckerrohr. Die Hunde wurden abermals gelöst, doch gar bald brachen wir die Jagd ab, da wir während des Triebes die traurige Entdeckung machten, daß an der einen Seite des Feldes der Schnitt des Zuckerrohres begonnen hatte. Sehr viele Arbeiter, sehr arme wenig bekleidete Fellachen, darunter höchst merkwürdige Erscheinungen, arbeiteten da unter der Leitung eines in lange faltenreiche Gewänder gehüllten, mit Rhinoceroshaut-Peitsche bewehrten Aufsehers. Dieser brave Mann kam während der Jagd würdevoll auf mich zugeschritten, hielt eine lange Ansprache, von stolzen Handbewegungen begleitet, der ich mit vieler Mühe endlich entnehmen konnte, daß er wünsche, ich solle den Platz verlassen. Da der Ton seiner Stimme und die Bewegungen seiner Hand energischer zu werden begannen, rief ich Osman, den schwarzen Kawassen (Diener) des Baron Saurma herbei; als der biedere Orientale die reiche Livrée eines Consulats-Dieners sah, fiel die Stimme in milde, flehentlich bittende Töne herab, und eilig suchte er im dichten Zuckerrohr Schutz vor weiteren Drohungen. Wir giengen alle zu den Wägen zurück: der erste, ganz kurze Jagdversuch auf Raubthiere war mißglückt, dafür hatten wir einige kleinere Stücke erlegt. Wir fuhren nun zum ältesten Teil der Stadt, dem im Süden gelegenen Alt-Kairo. Die Brücke mußte abermals passirt werden, und dann uns nahe dem Nil neben einem viceköniglichen Schlosse rechts wendend, führte der Weg gar bald in das höchst interessante Labyrinth von Schutt, Ruinen, Schmutz und Trümmern. Der ärmste Theil der Bevölkerung wohnt da in elenden, halbverfallenen Häusern; zwischen Steinen und Sandhügeln endete die Fahrstraße, neben zwei hohen Palmen mußten wir aussteigen und den Weg zu Fuß fortsetzen. Von einem hohen Schutthaufen, dessen eine Seite zwischen Ruinen einer alten Mauer das letzte Haus der Stadt bildet, wo des Nachts nur Hyänen und Schakale mit den halbwilden Hunden in Gemeinschaft heulen, genossen wir eine herrliche Fernsicht. Die Sonne tauchte eben zwischen den buntesten Tönen, von Dunstkreisen umgeben, in der gelben libyschen Wüste unter, die Pyramiden, die hohen Zinnen und Minarets der Stadt, die Citadelle, sowie auch die ernsten Wände des Mokattam-Gebirges vergoldend. Es war ein Bild so reich und großartig an Farbeneffecten und so geschmückt durch landschaftlich und architektonisch schöne Momente, daß es schwer fiele, sich im Geiste etwas Herrlicheres auszumalen. Zwischen Schutt und Trümmern steht die jetzt schon unbenützte, ganz zur Ruine gewordene Moschée Kasr-el-Ain. In ihren alten Mauern hausen sehr viele Triel, jene merkwürdigen Sumpfvögel von nächtlicher Lebensweise; mit Einbruch der Nacht verlassen sie unter unaufhörlichem Pfeifen, einem Ton, den man allnächtlich in ganz Egypten vernimmt, ihre Verstecke und ziehen nach dem nahen Nil. Wir postirten uns längs der Wände der Moschée und erwarteten das Erscheinen dieser komischen Vögel. Als es zu dunkeln begann, verließen mehrere ihre Schlupfwinkel, doch so rasch, daß es nur gelang, einen derselben herunterzuschießen. Nun kletterten wir über Schutt und Trümmer, von dem Gekläff der aufgescheuchten Hunde verfolgt und von den aus ihren Höhlen hervorkriechenden Arabern neugierig angegafft, bis zu unseren Wägen. Die Heimfahrt gieng anfänglich nur sehr langsam von statten, denn das Gewirre von Ruinen Alt-Kairo's mußte bei voller Dunkelheit passirt werden; später folgten einige Gärten und endlich hatten wir die eleganten Stadtteile erreicht, in denen buntes Leben auf den gut erleuchteten Gassen wogte.
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Teil 2 Nr. 0304/93, pp. 7579 Am 20. in früher Stunde fuhren wir durch die Stadt nach den ältesten Theilen der arabischen Viertel,
um da in der koptischen Kirche der heiligen Messe beizuwohnen.
Das alte orientalische Viertel von Kairo gehört zu den effectvollsten, anregendsten, farbenprächtigsten Bildern, die eben nur der Orient bieten kann. Ein genaues Studium und viel Raum, eine specielle Arbeit würde es erfordern, diese Eindrücke richtig und ausführlich zu schildern, daher kann ich mich an dieser Stelle nur auf die Wiedergabe der Hauptmomente, die mich am meisten fesselten, beschränken. Zwischen Kaufläden, Bazaren, Kaffeehäusern, dem bunten Gewühl des arabischen Lebens, giengen wir hindurch, um unser nächstes Ziel, die alten, historisch auch interessanten Moschéen zu erreichen. Die Gassen sind eng, an manchen Stellen der Sonne wegen mit Strohmatten oder Teppichen überhängt. Die Häuser selbst aus grauem Lehm erbaut, mit den reizenden Erkern, den vergitterten Haremsfenstern und all' den Schnörkeln und Verzierungen der arabischen Baukunst, bieten den Anblick eines wilden Durcheinander; nichts ist symmetrisch, doch alles malerisch, auch der Verfall.
Zuerst betraten wir den Vorhof der großen schönen Moschée Gâma-el-Hâssanên, erbaut zu Ehren von Hâssan und Hussên, den Söhnen Ali's, des Schwiegersohnes des Propheten. Hussên war gefallen 680 nach Chr. Geb. in der Schlacht bei Kerbela; sein Kopf ist hier in der Moschée bestattet, daher werden daselbst alljährlich im Monate Rebi-el-fani, dem vierten des mohamedanischen Jahres, 14 Tage hindurch große Feste gefeiert. Nachdem wir Pantoffel angelegt hatten, führte uns ein
gastfreundlicher Derwisch in das große Gotteshaus, dessen Inneres
architektonisch schön eingerichtet und reich verziert ist. Auf kostbaren
Teppichen saßen viele Leute, der Kleidung nach wohlhabende Orientalen, im
Kreise herum und lasen halblaut aus alten Büchern die weisen Sätze des Chorâns;
inmitten der Gläubigen hockte ein besonders schriftkundiger Mann und erklärte
die wichtigsten Stellen; andere knieten oder lagen flach am Boden, ihre Gebete
verrichtend, mit dem Gesicht gegen Mekka gewendet.
Als wir die Moschée verließen, ritt eben ein alter Mann mit blendend weißem Bart, in herrliche orientalische Stoffe gehüllt, mit grünem Turban, als Zeichen der Abstammung vom Propheten, am Kopfe, zum Thor, stieg von seinem reich geschirrten Schimmelhengste herab, den er dem nachlaufenden Diener übergab, und schritt würdevoll in das Innere des Gotteshauses. Dieser vornehme Morgenländer war ein Bild, eine höchst interessante Studie, und die Weisen aus den üppigen Märchen hätte ich mir nie anders vorgestellt. Unser Weg führte uns nun nach der hochberühmten Moschée
Gâma-el-Azhar; sie ist so alt wie das heutige Kairo. Djôhar, der Feldherr des
fatimidischen Chalifen Muizz, begann den Bau.
Als Amr-ibn-el-Afi, der Feldherr des Chalifen Omar, 683 nach Chr. Geb. das Castell Babylon, an Stelle des jetzigen Alt-Kairo, erobert hatte und sich nun anschickte, gegen Alexandrien zu ziehen, hatte, wie die Sage meldet, auf dem von ihm während der Belagerung bewohnten Zelte eine Taube ihr Nest gebaut und zu brüten begonnen. Amr befahl das Zelt (arabisch Fostât) stehen zu lassen.
Er bezog es wieder, nachdem er Alexandrien bezwungen hatte, und gründete hier eine Stadt, die von dem Zelte den Namen empfieng. Amr selbst baute die nach ihm benannte Moschée und nachdem unter dem Chalifen Othmân arabische Stämme im Niltal angesiedelt wurden, wurde Fostât der Mittelpunkt der Regierung. Eine Gelehrtenschule bestand hier schon, als der Chalif Mâmûn 813833, der Sohn Harûn-al-Raschids, Egypten besuchte. Zu größerer Blüthe noch gelangte Fostât unter dem Statthalter Ahmed ibn Tulûn, der sich zum Sultan von Egypten aufwarf, und dessen baulustigen Nachfolgern. Aber kaum hundert Jahre später büßte Fostât seine Stellung als Residenz ein, als Djôhar, der Feldherr des fatimidischen Sultans Muizz, der in Maghreb (Tunis) zur Herrschaft gelangt war, 969 im Namen seines Gebieters Fostât eroberte und unweit der Stadt eine neue Residenz hatte erbauen lassen, in welche Muizz seinen Wohnsitz verlegte und welche er Masr-el-Kâhira nannte. Kairo wurde nun Hauptstadt des Fatimiden-Reiches und hob sich schnell. Muizz' Sohn und Nachfolger Aziz-Billâh gründete die Universität el-Azhar. Unter dessen Nachfolger Hâkim reichte die Stadt schon bis zum Bâb-en-Nasr und Bab-el-Futûh, den alten Thoren, die wir später besprechen werden. Nicht weniger Sorgfalt als die Fatimiden widmete der Stadt der Eyubide Salâheddin, der die Zitadelle anlegte und Kairo mit einer Mauer umgab. Von den Mameluken-Sultanen verschönerten Kalaûn, el-Aschref-Chalîl, Hassan, Barkûk, Kait-Bey und el-Ghûri die Stadt durch prachtvolle Bauten, während freilich die Bewohner durch die zügellose Herrschaft der habgierigen und räuberrischen Mameluken litten. Der Weiterentwicklung Kairo's machte aber 1517 der Osmanen-Sultan Selim I. ein jähes Ende. Nach vorangegangener Schlacht bei Heliopolis nahm er Kairo mit Sturm; der letzte Mameluken-Sultan, Tûmân-Bey, wurde am Bâb-es-Zuwêle am 15. April 1517 gehenkt. Kairo verschwindet nun aus der Geschichte, in die es erst wieder mit dem Feldzug Napoleon Bonaparte's eintritt. All' diese Reihenfolgen geschichtlicher Momente aus den Tagen des alten Islam schweben uns vor Augen beim Eintritt in die seit der Regierung des Chalifen Azîz-Billâh 975996 als Hochschule eingerichtete Moschée. Noch jetzt ist sie die berühmteste Universität des Orients. Der ganze zusammengehörende Gebäude-Complex ist sehr ausgedehnt, und Hallen, Säle und Säulen-Colonnaden reihen sich aneinander. Neben dem Hauptthore unterhielt ich mich in einem langen Vestibül mit dem Betrachten der echt orientalischen Barbiere. Am Boden hockend, halten sie die Köpfe ihrer Opfer zwischen den Knien und nun wird mit ätzender Seife eingerieben, hierauf geschabt und rasirt, bis der Schädel spiegelglatt ist; denn der wahre Mohamedaner trägt niemals Haupthaar, nur der ganz arme Landbewohner und der zügellose Beduine sind behaart; der Städter hält ein kahles Haupt für die größte Zierde. Mit eleganten Bewegungen arbeiten, scheeren und waschen die Haarkünstler des Orients und ein Duft von Rosenöhl und anderweitigen wohlriechenden Salben umgiebt die Stelle ihrer Thätigkeit. Von da gelangten wir an einer kleinen Neben-Moschée vorbei in den großen Hof, mit seinen Zisternen für die heiligen Waschungen; die umliegenden Säulengänge sind durch Holzwände und Gitter in Hallen getrennt, welche zur Aufbewahrung von Manuscripten dienen. Auf der östlichen Seite des Hofes befindet sich das kolossal große, von 380 Marmor-, Porphyr- und Granit-Säulen gestützte und mit wahllos zusammengeschleppten antiken Überresten geschmückte Sanctuarium der Moschée. Hier Gebetsnischen für die vier anerkannten Secten des Islam: Schafeīten, Malekiten, Hanefiten und Hambaliten, sind im Hintergrunde angebracht; zahllose färbige Lampen hängen von der Decke herab und ein buntes Seitengemach wird als das Grab des Heiligen Abd-er-Rahmân-Kichya gezeigt. Das Merkwürdigste aber sind die 10.000 Studenten aus allen Ländern des Islam, die sowohl das Sanctuarium, als auch die Hallen, Höfe und Vestibüle des großen Gebäudes füllen. In kleinen, aus Rohrgittern geflochtenen Hütten sitzen auf erhöhtem Posten die Lehrer; meist alte, oft bucklige Leute, in orientalischem Gewand, den Turban am Kopf, Brillen auf der Nase; die mit heiserer Stimme ihren Vortrag halten; alte verstaubte Chorâne, das Um und Auf der morgenländischen Wissenschaft, liegen vor ihnen und mit Hilfe eines langen Bambusstabes erhalten sie Disciplin und Aufmerksamkeit in den Reihen ihrer Schüler. Um jeden Lehrer herum hockt, liegt oder sitzt auf blanker Erde ein dichter Kreis Jünglinge; viele horchen, manche müssen repetiren; man kann sich vorstellen, wie lärmend es in dieser Hochschule, in diesem endlosen Hörsaal zugeht. Das Bild wirkt in der That verblüffend auf jeden Europäer, und schwerlich könnte man sich einen für uns fremdartigeren Anblick denken, als das Getriebe in der altberühmten Universität von Kairo. Nach kurzem Aufenthalt verließen wir den Raum. Nun kamen wir auf unseren nächsten Wanderungen noch an drei durch ihre hohen, schlanken Minarets und färbigen Bemalungen auffallenden Moschéen-Bauten vorüber. Die erste ist die Gâma Sultan Kalaûn aus dem Jahre 1287, die zweite Gâma Mohamed-en-Nâsir aus dem 13. Jahrhundert, und die dritte Gâma Barkûkîye aus dem 14. Jahrhundert stammend. Im Ganzen bieten diese Gebäude außer einigen geschichtlichen Reminiscenzen weniges Interesse. Desto bermerkenswerther ist das alte, von viereckigen Thürmen flankirte Siegesthor Bab-en-Nasr, dessen ehrwürdige graue Gesteine an die Tage des arabischen Mittelalters erinnern. Die Pforte durchschreitend, verfolgten wir einen Pfad, der uns neben einem alten mohamedanischen Friedhofe vorbei, zwischen Schutt- und Trümmerhaufen längs der dunklen Stadtmauer, zum bekannten Stadtthor Bab-el-Futûh führte. Beide erwähnten Thore, jenes des Sieges und dieses mit dem Beinamen der Eroberung, stammen aus derselben Zeit und wurden erbaut unter der Regierung des fatimidischen Chalifen Mustansir. Von nun an drangen wir wieder in die belebten Theile der arabischen Viertel ein, die volle, ungetheilte Aufmerksamkeit dem bunten Treiben im Innern der Bazaren-Stadt zuwendend.
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Teil 3 Nr. 0506/93, pp. 3741 Kairo's Bazare zu schildern, ihr Leben in richtigen Farben darzustellen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben, die eben nur einem schreibenden Wandersmanne zufallen können. Ich beschränke mich auf wenige; kurze Charakterzüge dieses farbenprächtigen Bildes. Die alte arabische Stadt wird durch eine von der Place Atab-el-Kadra beginnende und bis fast zu den Chalifen-Gräbern führende Straße, die sogenannte Muski, durchschnitten. Es ist dies die Hauptader des Kairenser echt orientalischen Lebens. Nicht sehr breit, unregelmäßig gebaut, ungepflastert, feucht und schmutzig durch die einfach ausgegossenen Abfälle, Tummelplatz zahlloser halbwilder Hunde, mit Matten überdeckt und von betäubendem Lärm erfüllt, bietet sie das wahre Bild der morgenländischen Großstadt. Alle möglichen orientalischen Völker der verschiedensten Hautfarbe, Männer mit Turban, im weiten bunten Gewand, Soldaten, Beduinen, Israeliten im alttestamentarischen Costüm, Türken, Kleinasiaten, Griechen, Miriditen, Levantiner und Armenier, Reiche und Arme, Fellachen im blauen Hemd, Bauernweiber, Säuglinge an der Brust, wohlhabende Frauen zu Esel von ihren Eunuchen gefolgt und gehütet, Reiter zu Kameel, Maulthiere mit Waaren beladen, dunkle Nubier, mohamedanische Processionen, feierliche Derwische, Geschäftsleute, verkrüppelte Bettler, Wasserträger mit dem Ziegenfellschlauch am Rücken, das alles wogt im wirren Durcheinander auf und nieder. Dazu wirkt betäubender Lärm auf das Ohr des Europäers. Das Brausen der Volksmenge mischt sich mit dem Jammern der Bettler, dem Gekreisch der Geschäftsleute, dem Klirren der Geldstücke, dem Klappern der Trinkschalen, den pomphaften Erklärungen der Hausierer und Kaffee-Verkäufer, dem Gebrüll der Kameele, dem Gekläff der Hunde, den warnenden Rufen der Eseltreiber und der den Wägen vorlaufenden Sâis. Immer bieten sich dem Fremden neue Bilder, und endlos herrscht dieses wilde Treiben vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein auf der langen Zeile der Muski. Rechts und links erstrecken sich nun die Bazare, mit dem Labyrinth von engen Gassen und Höfen; das Ganze in Form eines echten Trödelmarktes, dessen Interesse im Wesen der orientalischen Waaren, in der unverfälschten Bauart und besonders im Benehmen der Käufer und Verkäufer beruht. Der Bazar der christlichen Kaufleute Sûk-el-hemzaûwi, ferners jener der Gewürzhändler Sûk-el-Attârin, dann Sûk-el-Fahhâmi mit tunesischen und algerischen Waaren, bietet viel Anregendes. Das Quartier der Juweliere Ghôhargîye im Judenviertel, weiterhin Sûk-es-Saîgh, Bazar der Gold- und Silberschmiede und Sûk-en-Nahhâsîn der Kupferschmiede, wurden von uns gründlich durchstöbert. Schönen arabischen Schmuck, alte Waffen, Silber- und Goldarbeiten kaufte ich ein. Mit gekreuzten Beinen sitzen in weiten Gewändern, Schibuks rauchend und Kaffee schlürfend, die beturbanten Kaufleute in den offenen Buden. Der interessanteste aller Kairenser Bazare ist der Chân Chalil, ein eigenes Stadtviertel überdeckter Buden, schon aus den Zeiten des Mameluken-Sultans el-Aschrâf Salâheddîn-Chalîl stammend. Hier findet man das bunteste Treiben morgenländischen Lebens und die unverfälschten Waaren aller Art, alles orientalisch, auch Producte vom Sudân. Im Teppich-Bazar gieng ich in den Hof des Hauses eines reichen Kaufmannes. Mit würdevollem Benehmen entrollte der alte Handelsherr seine schönsten Stoffe, türkische und besonders persische Teppiche von hohem Werthe. Nach mehrstündigem Aufenthalte in den arabischen Stadttheilen drängten wir uns wieder durch das Menschengewühl der engen Gassen in die Muski zurück. So herrlich, farbenprächtig und malerisch das orientalische Leben, insbesondere dem an die schablonenhafte Monotonie Europa's gewöhnten Reisenden auch erscheinen mag, hat selbst dieses Paradies seine bösen Schattenseiten. Zu denselben rechne ich in erster Linie das viele Ungeziefer. Millionen von großen schwarzen Fliegen hausen innerhalb der Gassen. Schmutz und Krankheitsstoff tragen die Thiere in die Augen und darin kann eine Erklärung für die vielen blinden und mit Augenkrankheiten behafteten Menschen liegen. Überhaupt bekommt man Krüppel und Kranke, von Seuchen und Entartungen des Leibes geplagte Individuen im Orient zu Gesicht, von deren Möglichkeit der Europäer sich früher keine Vorstellung machen kann. In der Muski mietheten wir uns Reitesel, jene kleinen, mageren Thiere, die unter hohem arabischem Sattel nach Tausenden alle Straßen Kairo's tagtäglich durchlaufen und die Stelle der Fiaker einnehmen. In raschem Zotteltrab und abwechselnd Galopp, den unermüdlichen Eseltreiber zu Fuß hinterher, ritten wir die Muski der Länge nach hinab und durch die europäischen Stadttheile über den Canal el-Ismailîye nach der Schubra-Allee ins Schloß Kasr-en-Nusha zurück. Nach kurzem Aufenthalt fuhren wir zum Vicekönig, um ihm unseren ersten, noch nicht officiellen Besuch abzustatten. Das Palais, in dem der Khedive des Tages die Arbeitsstunden zubringt, liegt in den westlichen Theilen der modernen Stadt und ist ein großes, vollkommen europäisches, eigentlich stylloses Gebäude. Der Vicekönig empfieng uns auf das freundlichste; nach morgenländischer Sitte wurde aus reizenden türkischen Schalen vorzüglicher Kaffee getrunnken und dazu Schibuk geraucht. Der Besuch dauerte nicht lange und bald unternahmen wir die weite Fahrt durch europäische, dann auch echt arabische Stadttheile, nach der schon nahe von der Citadelle gelegenen Sultan Hassan-Moschée.
Es ist dies ein großes, sehr altes, leider schon verwahrlostes Gebäude; weitaus die schönste und im arabischen Styl am reinsten erbaute Moschée unter allen, die ich in Kairo gesehen habe. Das Grab des Sultans, die Wasch-Cisternen, die Gebetstellen und Säulenhallen, alles ist leider schon arg dem Verfall preisgegeben. Auf den Steinplatten werden die Blutspuren aus den Tagen des ersten Janitscharen-Massacres im Jahre 1351 gezeigt. Von da fuhren wir am kürzesten Wege nach Hause, um noch rasch ein Frühstück einzunehmen und hierauf in einem vierspännigen Wagen, von reitenden Postillionen gelenkt, die Fahrt zu den Pyramiden anzutreten. Unser Weg führte uns abermals durch die ganze europäische Stadt. Die reizenden, im Landhausstyl erbauten Gebäude, mit orientalischen Verzierungen geschmückt, das Gemenge von Morgen- und Abendland, die blühenden Gärten mit ihren duftenden Blumen und Sträuchen, den rauschenden Palmen, entzückten mich sehr, und erstaunt sah ich inmitten der Stadt unzählige Raubvögel, tausende der Schmarotzer-Milane fliegend oder auf den Dächern sitzend, Aasgeier, die niedrig über die Straßen zogen, hörte den Gesang der Vögel, das Rucksen der Palmtauben und sog mit Wonne die herrliche Luft des göttlichen Egypten ein, gedenkend der harten Plagen des europäischen Winters, denen ich für diesmal entronnen war. Bei den großen Gebäuden von Kasr-en-Nil kamen wir über den heiligen Strom und die Insel Gezîret-Bûlâk, fuhren neben einigen viceköniglichen Lustschlössern und herrlichen Gärten vorüber und erreichten gar bald den Damm, auf dem die von Allee-Bäumen eingesäumte Straße in gerader Richtung durch cultiviertes Land, zwischen Feldern und jetzt noch halbbewässerten Äckern, an einem arabischen Dorfe vorbei, zum Rande der Wüste führt. Nur mehr einige hundert Schritte weit rollt der Wagen über den gelben Sand der libyschen Wüste und wir halten am Fuße der Riesenbauten, der Jahrtausende alten Zeugen der Weltgeschichte. Ein eigenthümlicher Schauer übermannt jeden Wanderer, der zum ersten Mal in unmittelbarer Nähe jene Denkmäler einer längst vergangenen Zeit betrachtet und mit Händen Steine berühren kann, die einige Jahrhunderte noch vor den Tagen Abraham's, durch die Arbeitskraft und das Geschick von Menschen in derselben Stellung und Lage aufgethürmt wurden, in der sie sich heute noch befinden. Die Pyramiden von Gizéh beschreiben, hieße eine unzähligemal schon verfaßte Schilderung nachplappern. Sie gehören in das Bereich der Reisehandbücher, der abgetretensten Touristenwege, und die Grabmäler alter Dynastien der grauen Vorzeit sind herabgesunken zum Niveau eines Rigi, wo die blöden Namen der abendländischen Touristen ehrwürdige Steinplatten beschmutzen. Die Cheops-, Chefrên- und Menkerâ-Pyramiden, sowie der vom Wüstensand umspülte Leib der Sphinx wurden betrachtet, und hierauf die zweite Pyramide durch einige Araber bestiegen, damit die darauf hausenden Schakale herabkämen; wir waren leider schlecht postirt und so entkamen zwei Schakale, unbelästigt in die endlose, von Thälern und Wellen durchzogene Wüste eilend. Mehrere Schüsse wurden von unten nach den in halber Höhe außerordentlich flink zwischen den Steinen umherhüpfenden Thieren abgefeuert, doch erfolglos, da die Entfernung eine viel zu große war. Die Pyramiden machten auf mich, besonders wenn Menschen und Thiere auf denselben kletterten, den Eindruck eines künstlichen Hochgebirges und keineswegs jenen eines architektonischen Baudenkmales.
Die Sonne neigte sich, in herrlichen Beleuchtungen schwamm die schöne Landschaft, goldig erglänzten die greisen Steinmassen der Pyramiden und in röthliche Tinten waren die Nil-Landschaft, das Häusermeer von Kairo, die Citadelle und das hochragende Mokattam-Gebirge getaucht. Wir mußten heimwärts eilen; rasch fuhren wir denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. In der Schubra-Allee, dem Prater Kairo's, herrschte reges Leben. Reiter tummelten sich auf schönen arabischen Pferden herum und zwei dicht geschlossene Wagenreihen sah man auf und nieder fahren; es war großer Corso, so lebhaft und schön, wie ihn nur der Süden hervorzaubern kann und nicht wie ihn der Norden in Form von frierenden Droschkenfahrten an rauhen Maiabenden zu carikiren sucht. Man sah herrliche Equipagen, ganz nach europäischem Muster, nur die Diener mit dem Fez am Kopfe. Reiche Mohamedaner, Pascha's, Levantiner, die wohlhabenden Griechen und die übrige europäische Gesellschaft schöpften da in ihren Wägen die wonnevolle Abendluft. Am meisten interessierten uns die geschlossenen Equipagen, von abendländischen Kutschern gelenkt; doch daneben saßen an Stelle des Bedienten die schwarzen Eunuchen in halbeuropäischer Tracht. Im Innern der Wägen waren die Frauen hoher Würdenträger, der verschiedenen Pascha's, ja sogar Prinzessinen; alle trugen die morgenländische weite Tracht und durch den dünnen weißen Schleier glänzten herrliche schwarze Augen und schöne, feine Züge, wohlgeformte dunkle Augenbrauen und lange Wimpern hervor. Auch ärmere Leute in Droschken und zu Esel trieben sich da herum und ziemlich elegante Demimonde, sowohl im Pariser als noch mehr im Wiener und Pester Genre, machte die Gegend unsicher.
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Teil 4 Nr. 0910/93 pp. 813 Zu Hause angelangt, kleideten wir uns rasch um und fuhren nach dem Palais des Khedive, wo ein größeres Diner, zu dem auch die hohen Würdenträger und General-Consuln geladen waren, gegeben wurde. Wir lernten dort die Brüder des Khedive kennen. Das Haus des Vicekönigs ist ganz nach europäischem Muster gehalten und die Dienerschaft ist, jene Leute, die mit dem Kaffee und Schibuk beschäftigt sind, ausgenommen, vollkommen abendländisch. Nach dem Speisen fuhren wir mit dem Vicekönig zum großen inmitten der Stadt gelegenen Esbekîyé-Garten, wo die österreichisch-ungarische Colonie uns zu Ehren ein arabisches Fest arrangirt hatte. Lampions hiengen an Bäumen und Sträuchen, Feuerwerke wurden abgebrannt und unter Zelten producirten sich Sänger und Tänzerinnen, arabische Musikanten, Schlangenbändiger, Feuerfresser, Märchenerzähler, Neger, Nubier, Clowns, von der Nordküste Afrika's stammend, und türkische Schattenspiele und Wursteltheater mit orientalischem Anstrich wurden da aufgeführt; mit einem Worte eine Jahrmarktunterhaltung, mit all' den Künstlern dieser Art, an denen das Morgenland ja so reich ist. Leider hatte man die Thore des Gartens zu früh geöffnet und so strömte eine riesige Volksmenge herein, die jeden freien Verkehr unmöglich machte. Wir wären fast alle erdrückt worden und nur mit Hilfe einiger Talmatiner, die im vollen Costüm erschienen und um uns einen lebenden Wall bildeten, gelang es, das Thor und die draußen stehenden Wägen wieder zu erreichen. Bald waren wir zu Hause und nach einem gut ausgefüllten Tage that die Ruhe doppelt wohl. Am folgenden Morgen fuhren wir durch einen großen Theil der europäischen Stadt, nach dem auf der Südspitze der Insel Bulâk gelegenem Museum von Bulâk. Es ist dies die reichste und berühmteste Sammlung egyptischer Alterthümer, und im breiten, recht hübsch errichteten Gebäude befinden sich wahre Schätze aus der alten Pharaonenzeit. Ein Franzose ist Director, der Nachfolger des bekannten, erst vor Kurzem verstorbenen Mariette-Pascha. Der Bruder des großen Egyptologen Brugsch-Pascha hat deßgleichen einen Posten beim Museum und erklärte uns auf das interessanteste alle Theile der Sammlung. Das Museum von Bulâk zu schildern, erfordert einestheils große wissenschaftliche Kenntnisse und ist anderentheils in vielen fachmännischen Schriften schon Stück für Stück behandelt worden. Alles wurde von uns genau angesehen, in den Sälen sowohl als auch im kleinen Garten. Einige christliche Mumien, aus den ersten Zeiten des Christenthums stammend, durch die bunte, reich verzierte Kleidung und die schwarzen Gesichter an byzantinische Madonnen erinnernd, interessirten mich sehr, da ich vordem von ihrer Existenz keine Ahnung hatte. Nach ziemlich langem Aufenthalt verließen wir das Museum und fuhren nach Hause. Kaum hatten wir uns alle in volle Parade geworfen, als auch schon ein Pascha, der beim Khedive die Stelle eines Obersthofmeisters bekleidet, erschien, um uns zum officiellen Besuch abzuholen. In einem großen, arg vergoldeten Glaswagen mit Bockdecken, von sechs schönen englischen Pferden gezogen, mit Vorreitern und umgeben von Cavallerie, fuhren wir in Schritt feierlich, processionsartig den langen Weg bis zum Palais des Vicekönigs. Die Zusammenstellung der Equipage war eigenthümlich: auf einem sehr schönen, echt europäischen Galawagen als Wappen der Halbmond und Stern, Kutscher und Vorreiter in abendländischer reicher Livrée, mit dem Fez am Kopfe, und eröffnet wurde der Zug durch Sâis im vollen morgenländischen Costüm. Auf den Gassen standen viele Leute, die uns neugierig angafften; am Platze vor dem Palais leistete ein lichtblau adjustirtes, recht hübsches Garde-Infanterie-Regiment unter den Klängen unserer Volkshymne die Ehrenbezeugung, gefolgt von einem arabischen Ruf, den eine Companie nach der anderen beim Präsentiren brüllte. Der Vicekönig in der Parade-Uniform eines türkischen Pascha erwartete uns, umgeben von seinem Hofstaat. In einem großen Saale setzte sich alles im Kreise, längs der Wände auf kleinen Stühlen nieder; hierauf erschienen die langen, reich verzierten officiellen Schibuke und der Kaffee. Es ist dies eine nicht nur wohlschmeckende, sondern auch mit einer gewissen feierlichen Ähnlichkeit zur Friedenspfeife verbundenen Sitte. Nach dem Besuche wurde, abermals in den großen Wägen, der langsame Rückzug nach Kasr-en-Nusha angetreten. Gleich nach unserer Rückkehr kam der Khedive, um uns seine Visite abzustatten. Als er das Schloß verlassen hatte, empfiengen der Großherzog und ich die ganze österreichisch-ungarische Colonie, die General-Consuln und noch einige andere Herren, die uns zu sehen gewünscht hatten, unter ihnen auch den Erzbischof von Alexandrien, ein Franziskaner, aus Dalmatien gebürtig: eine schöne Erscheinung, mit langem Bart und edlen Gesichtszügen. Der arme Mann ist seither auf hoher See gestorben und im Meere zur ewigen Ruhe bestattet worden. Nach einigen officiellen Stunden war es uns gegönnt, die Parade-Uniformen mit Jagdkleidern zu tauschen und einem kurzen Frühstück folgte die Abfahrt zur Jagd nach Heliopolis. Baron Saurma begleitete uns ebenfalls, sein Bruder und Prinz Taxis waren schon nach den Jagdplätzen vorangeeilt. Anfänglich mußten einige Gassen der Stadt passirt werden, doch bald hörten die letzten Häuser in ruinenhafter Form am Rande der Wüste und des Culturlandes auf. Zur Linken sahen wir das große Schlachthaus, dessen Nähe durch viele Aasgeier gekennzeichnet war; zur Rechten genossen wir einen hübschen Blick auf Wüstenlandschaft und dahinter die hochragenden Wände des Mokattam-Gebirges. Windmühlen, alte halbverfallene Gräber und Ruinen bildeten die letzten Gebäude der Sand-Zone. Die Straße führt stets im üppigen Culturland, zwischen blühenden Gärten und hohen Alleen, doch nahe der Wüste. Die grünen Parks von Abbasîya und des Palais Taufik, mit ihren schattigen Baumreihen und früchtebeladenen Orangenhainen wurden durchfahren und nach halbstündiger Reise hatten wir den inmitten dichter Büsche und Gärten stehenden Marienbaum erreicht. Wir ließen anhalten, um die Sikomore, unter welcher die heilige Familie der Sage nach gerastet haben soll, von nahe zu betrachten. Es ist ein uralter, durch seine knorrigen Äste, die Breite des Stammes und die Dicke der Rinde sehr auffallender Baum, der die Mühe eines Besuches lohnt. In der Nähe dieses Platzes versuchten wir vergeblich ein kleines Zuckerrohrfeld mit den Hunden durchzujagen, desgleichen ein Fulfeld. Die Weiterfahrt auf hohen schmalen Dämmen, im großen vierspännigen Wagen war etwas halsbrecherisch, und nur langsam näherten wir uns unserem Ziele. Zu beiden Seiten des Weges erstreckte sich das grünende Culturland, von Canälen durchzogen, geschmückt durch Sikomoren und rauschende Palmenwälder; einige kleine graubraune, aus Lehm erbaute arabische Dörfer waren die einzigen menschlichen Behausungen. Allenthalben arbeiteten fleißige Fellachen auf den Feldern, Büffel zogen an den Brunnen und Kameele trugen Lasten, Kuhreiher folgten in dichten Schaaren dem pflügenden Landmanne und allerlei Vogelwelt erfreute das Auge des Jägers. In südöstlicher Richtung bemerkten wir stets die Wüste und die kahlen Gebirge. Nach einiger Zeit erschien der berühmte Obelisk von Heliopolis, umgeben von grünen Wiesen und Büschen, vor unseren Blicken. Hier an dieser hochclassischen Stelle will ich mich der Worte meines Freundes Brugsch-Pascha bedienen, die ich einem Briefe an mich, in dem der Egyptologe über Heliopolis spricht, verdanke:
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Teil 5 Nr. 0102/94, pp. 4149 Der Dampfer Feruz, den der Khedive uns in Siut zu unserer Verfügung stellte, lag dicht am Ufer und ein alter egyptischer Admiral, der ihn befehligte, erwartete die Reisegesellschaft bei der Landungsbrücke. Brugsch-Pascha, der berühmte Egyptologe, begleitete uns desgleichen auf der Nilreise und stand, sowie auch Herr Ráth, der orientkundige Consular-Eleve, dem wir während aller unserer Wanderungen im Morgenlande viel Dank schulden, am Verdeck der ziemlich großen, außerordentlich bequem eingerichteten und hübschen viceköniglichen Yacht. Die vielen Cabinen waren sehr wohnlich; mir wurde die letzte, ein großer Raum, angewiesen; oben befand sich am Verdeck ein geräumiger Speisesaal, in dem wir auch die Vormittags- und Arbeitsstunden zubrachten. Über demselben erhob sich eine Aussicht gewährende, mit Leinwandmatten überdeckte Plattform. In diesem reizenden Fahrzeug sollten wir eine Reihe herrlicher, unvergeßlicher Tage verleben; auf den gelben Fluthen des alten, weltgeschichtlichen Stromes durchschwammen wir nun jene Lande, auf denen der mystische Zauber einer Jahrtausende alten Cultur ruht; wo zwischen prächtigen Gegenden, hohen Gebirgen, majestätischen Wüsten und üppigen Gartenlandschaften, durchglüht von afrikanischer Sonne, im ewigen Sommer, die ältesten Denkmäler der Geschichte unverwüstlich ihre greisen Häupter erheben. Die Nilreise gehört unstreitig zu den schönsten, an historischen, landschaftlichen und ethnographischen Eindrücken reichsten Expeditionen, die eben nur unternommen werden können. Wenn die Pyramiden von Gizéh und die in der Nähe von Kairo gelegenen egyptischen Alterthümer schon entzücken und zur Forschung aneifern, so ist dies nur ein Vorgeschmack von den Schätzen, die uns Ober-Egypten bietet. In den weiten Tempelhallen, den geheimnisvollen Krypten und labyrinthartig verzweigten Felsengräbern sieht man erst in das Getriebe des Menschen- und Staatslebens eines von Jahrtausenden in wahrer Cultur und größter Macht erblühenden Volkes; dort sind die Wände im vollen Schmuck hieroglyphischer Schriften, die Aufschluß bieten über die Tage der Pharaonenherrschaft. Nachdem unsere Leute und das Gepäck auf dem Schiff angelangt waren, wurde mit Sonnenaufgang die Reise angetreten. Der Nil selbst behält fast allenthalben denselben Charakter; eine breite, gelbe Wassermasse schleppt sich durch das Land; flache Ufer mit langgestreckten Sandbänken und hohe, brüchige Gestade aus brauner, fruchtbarer Erde, mit Pump- und Wasserwerken versehen, folgen einander in ziemlich regelmäßiger Abwechslung. Die weißgrauen arabischen und die röthlichgelben libyschen Gebirge, beide hoch und schön geformt, den vollen ganz kahlen Wüstengebirgs-Charakter kennzeichnend, treten an manchen Stellen nahe an den Strom heran, um sich dann wieder, breite cultivirte Kessel bildend, zurückzuziehen; ein ebenfalls regelmäßiger Wechsel zwischen engen Passagen und breiten, nur in weiter Ferne von Bergen umgrenzten Ebenen zeigt sich in ganz Ober-Eygpten. Je nach der Entfernung der Hochgebirge und der Wüsten ändert sich die Breite des cultivirten Landes, das sich allenthalben längs der Ufer des Stromes, mit einem grünen Bande vergleichbar, dahinzieht. Palmenwälder in fast tropischer Fülle wechseln mit gelben Zuckerrohr-, grünen Bohnen- und wogenden Kornfeldern. Allenthalben ist das Land von Canälen und kleinen Rinnen durchschnitten, in die zur Zeit des sinkenden Wasserstandes unzählige Schöpfvorrichtungen der primitivsten Sorte das Wasser aus dem Strome hinaufbefördern. Ein Wahrzeichen des Nil sind das Tag und Nacht fortdauernde pfeifende Geächze der von Büffeln gezogenen Wasserwerke und die nackten braunen Fellachen, die staffelförmig an den brüchigen Ufern aufgestellt, das segenspendende Naß mit löffelartigen Instrumenten in die kleinen Rinnsale emporschöpfen. An Dörfern und Städten gleiten wir vorbei. Lichtgrüne Palmen, hochragende Minarets und breite Taubenthürme sind die Merkmale der aus Lehm erbauten erdfarbenen Ortschaften, in deren ruinenartiger Unordnung ein unleugbarer malerischer Reiz liegt. Unzählige Milane umfliegen die menschlichen Ansiedlungen; Hundegekläff, Gebrüll der Esel, Büffel und Kameele, Gekreisch der Araber, jammernde Töne der Wasserwerke, Staub, Schmutz und Unordnung sind die regelmäßigen Zugaben. Auf den Sandbänken stehen große Geier und weiße Aasgeier bei ausgeschwemmten Cadavern; Züge von Kranichen, Störchen, Löffel- und Fischreihern, Pelekane, Nilgänse und verschiedenartige Enten verleihen dem Bilde einen bewegten Charakter; an den brüchigen Ufern tummeln sich Spornkiebitze, Bachstelzen, Graufischer, Schwalben und das Heer der kleinen Wasserläufer umher.
An dem Orte Abu Tîg kommen wir vorbei; die Gebirge treten weiter zurück, Raum für eine wohlbebaute Ebene lassend, halb darauf ragt aber der hohe, von alten Steinbrüchen und Grüften durchhöhlte Berg "Gêbel-Schech Haûde" wieder bis an den Strom heran. Unser Dampfer muß halten; ein Boot schwankt herbei; ich frage, was dies bedeuten solle und erfahre zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß in den kahlen, wüsten Gebirgen, auf hoher Warte über dem Nil ein muslimischer Heiliger, ein sogenannter Schêch, hause und Anspruch hätte auf einen Tribut. Das Schiff, welches ihn nicht berücksichtigt, hat nach dem Glauben der Leute ziemlich sichere Aussicht, auf der Nilfahrt zu Grunde zu gehen; der Brave, der zahlt, wird aber begleitet von den frommen Gebeten des heiligen Bettlers. Nun erscheinen bald in ziemlich rascher Folge die Orte Tachta, Faubâs, Schidawîn und die reizend gelegene, große Stadt Sohâg mit ihren malerischen Häusern und Minarets. Ein schönes Bild folgt dem anderen, herrliche Gebirge mit scharfen Felswänden gleiten vorbei, um üppigen Palmenwäldern und bunten Städten Platz einzuräumen. In den Nachmittagsstunden kommen wir an der ansehnlichen, palmenreichen Stadt El-Achmîm vorüber, Abends taucht Girge, der große, reiche Ort, an einer scharfen Biegung des Nil auf dem hohen Ufer schön gelegen, vor unseren Blicken auf. Ein herrlicher Sonnenuntergang vergoldet die Landschaft. Alles, Berg, Fluß, Wald, Stadt und Feld, ist in eine Farbenpracht getaucht, von deren effectvoller Kraft man sich früher keine Vorstellung machen kann. Die berühmten Abendbeleuchtungen Kairo's sind matt im Vergleiche zu dem Licht, das die Sonne Ober-Egyptens auszugießen vermag; die Nähe des Wendekreises, der Grenze der Tropen, macht sich hier schon in allem und jedem fühlbar. An dem Landungsplatze von Girge, unter hohem staubigem Ufer legten wir an, um da die Nacht zu verbringen. Mit Tagesanbruch setzte sich der Dampfer in Bewegung und in den ersten Vormittagsstunden legten wir bei dem großen schönen Palmenwald des unansehnlichen, aus Lehmhütten erbauten Dorfes Beliane an. Augenblicklich wurde an's Land gegangen und, umrungen von Neugierigen, bestiegen wir kleine, schlecht gesattelte Esel und ritten durch Palmenhaine und Gärten neben dem Dorfe vorbei in die Ebene hinaus. Ein ziemlich breites Band außerordentlich gut cultivirten Landes erstreckt sich hier an beiden Ufern des Nil. Parallel mit dem Strome ist überall in Ober-Egypten das Bild durch die hochragenden, schön gezeichneten Gebirgsketten abgeschlossen. Zwischen Zuckerrohr, Bohnen- und Saatfeldern, kleinen Palmen- und Sikomoren-Gehölzen führte uns der Weg den libyschen Gebirgen zu. Auf den grünen Matten herrschte reges Leben; die fleißige Bevölkerung arbeitete, pflügte und bewachte große Heerden. Mit jedem Tage der Nilreise kann man die Beobachtung anstellen, wie die Hautfarbe der Leute dunkler und die Kleidung primitiver wird. Zum ersten Male sahen wir auch die schöne, buschige Dumpalme, einen echt innerafrikanischen Baum. Am scharf begrenzten Rande des Culturlandes, beim beginne der trostlosen öden Wüste liegt das düstere, schmutzige Dorf Arâbat-el-Madfûne inmitten eines kleinen Palmenwaldes; große Taubenthürme sind der Besitz der ärmlichen Bewohner und Tausende der halbwilden Feldtauben umschwirren die nächste Umgebung ihrer Behausungen. Wo in Egypten das Terrain sich über das Niveau des Nilthales erhebt und bei den Überschwemmungen die Fluthen des Stromes nicht mehr hingelangen können, dort beginnt augenblicklich die volle, vollkommen vegetationslose Wüstenlandschaft. Hier bei den letzten Häusern Arâbat-el-Madfûne's konnte man diese Wahrnehmung genau beobachten. Aus dem saftigen Grün afrikanischer Vegetation tritt man urplötzlich, ohne jedweden Übergang, in den blendend weißen Wüstensand.
Wenige hundert Schritte vom Dorf entfernt befindet sich zwischen Schutt und Steinen das hochinteressante Ruinenfeld von Abydus, dessen wohlerhaltene Denkmäler und an Malereien reiche Wände den Wanderer entzücken und erstaunen. Wie mit einem Schlage befindet man sich inmitten einer alten, längstverklungenen Zeit, deren schönste Andenken uns das herrliche sonnige, immer trockene Klima Ober-Egyptens unversehrt erhalten hat. Von den Zeiten der VI. Dynastie (um 3300 vor Chr. Geb.) ward eine dicht am Rande der Wüste gelegene Örtlichkeit, deren alter Name Abidu lautete, als die echte und hochheilige Begräbnisstätte des oberegyptischen Osiris angesehen. Daher die begreifliche Vorliebe der alten Egypter, gerade an dieser Stelle, im Sande der Wüste, ihre einstige letzte Wohnung zu finden. Zahlreiche Capellen von Privatpersonen und herrliche Todtentempel einzelner Könige des Landes erhoben sich hier über dem Boden der Wüste und luden die Besucher ein, fromme Gebete zu Ehren des guten Osiris, des Königs der Todten, und zur Erinnerung an die Verstorbenen herzusprechen. Zu den hervorragendsten Bauten, welche der Zahn der Zeit theilweise wenigstens verschont hat, gehören die Todtentempel der Könige Seti I. (um 1360) und seines Sohnes und Nachfolgers Ramses II. (1330 vor Chr. Geb.). Vor allem überrascht des erstgenannten Königs Bau durch die Schönheit der Darstellungen und hieroglyphischen Texte, welche die Wände und Säulen bedecken und der vollendetsten Periode der egyptischen Kunst angehören. Eine besondere Berühmtheit hat derselbe Tempel durch seine Königstafel erlangt, welche die Namen von 77 Pharaonen, vom ersten Mena (Menes der Griechen) an bis Ramses II. hin nacheinander aufführt und gegenwärtig die werthvollste Grundlage aller Untersuchungen auf dem Gebiete der altegyptischen Geschichtsforschungen geworden ist. Der zweite von Ramses gegründete Todtentempel liegt in nördlicher Richtung von dem vorigen. Weniger gut als jener erhalten, bieten dennoch seine Reste, aus feinkörnigem Kalkstein, Alabaster und Granitblöcken bestehend, auf ihren glatten Wänden zahlreiche, einst buntbemalte Darstellungen und Inschriften, welche für die Geschichte, die Geographie und die Mythologie der alten Egypter von bedeutendem Werthe sind. Eine Anzahl der in der Nekropolis von Abydus gefundenen Grabsteine haben bereits ihren Weg nach Wien gefunden. Hinter den Tempelbauten erheben sich einige hohe Schutt- und Trümmerhaufen; von denselben genießt man einen freien Überblick auf eine weite Wüstenebene, die sich vom Rande des Culturlandes bis zum Fuße der kahlen, durch schöne Contouren und hohe Felswände geschmückten Gebirge erstreckt. Diese Ebene begann ich nun zu durchstöbern und fand bei dieser Gelegenheit die Reste alter Mauern, halbverfallene Gräber und einige hundert Gänge vom Tempel entfernt ein wahres Todtenfeld. In den Tagen der römischen Imperatoren erlag daselbst eine Legion den Seuchen und Entbehrungen. Die Leiber der römischen Krieger liegen noch unverscharrt im wilden Durcheinander umher. Man kann von Leibern in der That sprechen, denn die afrikanische Sonne, der glühende Sand und die jedes Niderschlages entbehrende Luft haben die Cadaver erhalten und auf natürliche Weise mumifiziert; ich stieß auf Körper, Arme, einzelne Beine und Hände, an denen noch braunes, zusammengedörtes Fleisch hieng; ein grinsender Schädel, mit Kopfhaut und dunklen Fleischlappen an den Wangen, erregte insbesondere meine Aufmerksamkeit; einen anderen, der weniger ekelhaft war, nahm ich als Andenken mit. Man mußte buchstäblich zwischen Moder und Gerippen herumwaten. Es war ein echtes Wüstenbild; die blendend weiße Ebene, der Sand, der an den Fußsohlen glühte, die umherliegenden gebleichten Gebeine, die Hyänen- und Schakalfährten, die kreisenden kahlköpfigen Geier, und im Hintergrunde die hohen, vollkommen vegetationslosen Wände der Wüstengebirge; kein grüner Grashalm erfreute das Auge, nichts als grelle Reflexe der glühenden Sonne, weiße und gelbe Steinmassen und Sandöden, in scharfen Contouren sich abhebend vom tiefblauen Firmament. Eine unleugbare Poesie liegt in dieser eigentlich monotonen, aber großartigen Gegend. Wir kehrten zu den anderen Herren zurück und giengen mit ihnen nach dem Dorfe, wo wir einem blinden Bauer einen Besuch abstatteten. Der brave Mann ist einer der reichsten Hausbesitzer dieses Ortes und treibt nebenbei Handel mit altegyptischen Gegenständen, die er in ganz unerlaubter Weise in und um den Tempel ausgraben läßt. Unter Brugsch-Pascha's Leitung kauften wir einige bessere Objecte. Von Arâbat-el-Madfûne ritten wir durch das Culturland nach Beliâne zurück. Nachmittags langten wir am Dampfer an und konnten noch zwei Stunden hindurch bis zum Beginn der Dunkelheit die Fahrt stromaufwärts fortsetzen. Immer dieselben Landschaften glitten vorüber, ein herrlicher Abend erfreute uns und ein effectvoller Sonnenuntergang brachte außer glühenden Farbeneffecten noch Gelegenheit zu interessanten ethnographischen Studien. Mit dem Verschwinden der Sonne treiben die Fellachen ihre Kameele, Büffel, Esel, Ziegen und Schaf-Heerden zum letzten Mal zur Tränke; viel Volk eilt zu den Gestaden; Männer und Frauen nehmen da in urwüchsiger Weise ihre heiligen, vom Chorân vorgeschriebenen Waschungen vor, und die schlanken Wasserträgerinnen schöpfen in ihren Thonkrügen, die in Form und Wesen seit den Tagen der Pharaonen gleich geblieben sind, das frische Nilwasser für den Abendbedarf; die dünnen blauen Hemden, von den Fluthen des Stromes benetzt, schmiegen sich an den Körper und lassen schöne Gestalten erkennen; melancholisch blicken die großen schwarzen Augen in die kräuselnden Wellen und der leichtgeöffnete Mund summt schwermüthige Lieder; es sind dieselben Menschen, die wir an den Wänden der Tempel sahen und es dünkt uns, die alten Gräber hätten sich geöffnet, um das Volk der Pharaonen an die Gestade des heiligen Stromes zu senden. Bei einem kleinen Dorf legten wir an und brachten nach einem vergnügten Abend am Dampfer die Nacht zu.
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Teil 6 Nr. 0506/94, pp. 3640
Am 2. März wurde mit Tagesanbruch die Reise fortgesetzt. Die Vormittagsstunden verlebten wir am Verdeck, die schönen, doch wenig Abwechslung bietenden Landschaften betrachtend. Grüne Felder, Dum- und Dattelpalmenhaine, einzelne kleine Städte und die das Nilthal einsäumenden Hochgebirge glitten im ununterbrochenen Einerlei an uns vorüber. Auf den langgestreckten Sandbänken herrschte besonders an diesem Morgen viel reges Leben. Große Züge von Pelekanen, Reihern und Gänsen wurden beobachtet und mein Jäger behauptete mit aller Gewißheit, ein Krokodil gesehen zu haben. Um 12 Uhr kamen wir bei Keneh, einer ziemlich großen, aus graubraunen Lehmhäusern erbauten und durch hochragende Minarets geschmückten Stadt, an. Wir hielten an den brüchigen Gestaden des westlichen, gegenüberliegenden libyschen Ufers und giengen augenblicklich an's Land. Einige Esel wurden bestiegen und bei einem hübschen Palmenhain, neben den Häusern eines sehr ärmlich aussehenden Dorfes vorbei, in dessen Gärten zwischen Schmutz und Unrath die ekelhaften Aasgeier wie Hausthiere umhersaßen, gelangten wir gar bald in eine vollbebaute Ebene. Der Nil beschreibt hier eine Krümmung und tritt nahe an die libyschen Wüstengebirge heran; demzufolge ist das Band cultivierten Landes sehr schmal, und nach halbstündigem Ritt hatten wir den großen, berühmten Tempel von Dendera erreicht. Gleich den Ruinen von Abydus liegt auch er hart am Rande des Fruchtlandes, schon im Sande der Wüste. Ich kann nicht besser thun, als mich an dieser Stelle der Worte meines Freundes Brugsch zu bedienen:
Im Schein der Fackeln durchforschten wir alle Räume des großen Gebäudes, die engen Krypten, Stiegen und Gänge. Lange hielt ich mich in der weiten, dunklen säulengetragenen Halle auf. Die kolossalen grauen, unbemalten, doch im vollen Hieroglyphen-Schmuck prangenden Steinmassen erinnerten an längst verflossene Tage; man kann sich kein wohlerhalteneres Denkmal uralter Zeiten denken, als es der unheimlich schöne Tempel von Dendera in der That ist. Im Geiste sah man die Priester einer mächtigen Religion in ihren langen weißen Gewändern, mit geringelten schwarzen Bärten und hohen Mützen vorbeischweben, den allgewaltigen Gottheiten des alten Nilreiches Opfer darbringend. Vom flachen Tempeldach genossen wir eine herrliche Fernsicht auf das grüne Culturland und den Nil in einer Richtung, in der anderen hingegen nach einer langen Sandwüste und die dahinter sich aufthürmenden Gebirge. Es war ein ernstes düsteres Bild; die grauen Ruinen, die öde Wüste, die einsamen Felswände, nichts Grünes, selbst kein heiterer Sonnenblick erfreute das Auge. Der Farbenglanz des Himmels und die Pracht der Beleuchtungen fehlten an jenem Nachmittage. Alles lag in grauen Tönen und das Firmament war verfinstert, doch nicht durch Wolken, denn diese kennt Ober-Egypten nicht, sondern in Folge schwerer Dünste und Staubmassen, die mit drückend ermattender Luft in Verbindung, die ersten Anzeichen für den herannahenden Champsin, den gefürchteten Wüstensturm, waren. In den Abendstunden kehrten wir nach dem Schiffe zurück, auf dem in der nämlichen Station die Nacht zugebracht wurde. Früh Morgens setzte der Dampfer die Fahrt fort. Schwerer Champsinsturm sauste durch das Nilthal, die Sandwolken der Sahara, Nebeln gleich, um die Gebirge wickelnd. Die Sonne erschien wie eine röthliche Scheibe, unfähig ihren Strahlen durch die Staubfluthen Bahn zu brechen. Alles war mit Sand bedeckt, selbst in die verschlossenen Schiffs-Cabinen drang er ein, die Menschen arg belästigend. Eine erschlaffende, schwere Luft erfüllte die sonst so herrliche Landschaft und erstaunt beobachteten wir die für uns noch neue Naturerscheinung. An einigen Ortschaften, darunter die Städte Kuft und Kus, kamen wir vorüber, der Typus der Gegend blieb immer derselbe, nur traten die Gebirge stetig weiter zurück, um der schon in der Geschichte des Alterthums wegen Reichthum und Cultur gepriesenen Ebene von Theben Platz zu machen. Um 12 Uhr legten wir am Landungsplatz der ziemlich großen Stadt Luxor an. Ausser uns waren noch ein Postdampfer und mehrere Dahabîyén europäischer Reisenden anwesend. Das moderne Luxor, ein echt arabischer, aus Lehm erbauter Ort, steht inmitten und theils angelehnt an Ruinen altegyptischer Denkmäler. Zu beiden Seiten des Nil ist das Land weithin (am libyschen Ufer sogar bis innerhalb der Gebirge) mit den Überresten des "hundertthorigen Theben", der größten Weltstadt des ältesten Alterthums, bedeckt. Gleich nach unserer Ankunft giengen wir an's Land, erklommen die steile, sandige Uferböschung und mietheten am Platze vor dem kleinen Luxor-Hôtel mehrere Reitesel. Bald hatten wir das freie Land erreicht und zwischen Palmenwäldern und wohlbebauten Feldern trabten wir auf einem Damme lustig vorwärts. Schon von weitem wurden die hochragenden Thore, Säulen und Mauern der berühmten Ruinen von Karnak sichtbar, die sich inmitten des Culturlandes neben einem üppigen Palmenwald erheben. Der Baum des Südens, das Wahrzeichen der afrikanischen Vegetation, bot in Verbindung mit den hochclassischen, blendend weißen Denkmälern die nur die Phantasie des so gebildeten morgenländischen Alterthums zu schaffen im Stande war, ein eigenthümlich effectvolles Bild dar. Ein kleines Dorf und eine junge Baumanpflanzung befinden sich vor dem Eingang zu den Ruinen. Folgen wir den Worten Brugsch-Pascha's, der uns in geistreicher Weise durch die großartigen Ueberreste längst verklungener Zeiten führt:
Nachdem wir die weiten Räume, den Wald von Ruinen und Säulen, sowie die Schutthaufen der großen Tempelanlagen durchstöbert hatten, kehrten wir alle auf demselben Wege nach Luxor zurück und setzten dann die Besichtigung der innerhalb der Stadt liegenden Ruinen fort. Abermals werde ich Brugsch an meiner Stelle sprechen lassen:
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Teil 7 Nr. 1112/94, pp. 4853 Für die Nachmittagsstunden hatten wir den ersten Ausflug zu den Denkmälern des westlichen Ufers projectirt, mußten aber des noch stetig wachsenden Champsin-Sturmes wegen die Pläne ändern und beschlossen, am folgenden Tage die Weiterreise anzutreten und die Westseite Thebens für die Rückkehr von den Katarakten aufzusparen. Am 5. begann mit Sonnenaufgang die Weiterfahrt. Dem Rathe einiger Europäer in Luxor folgend, beschlossen wir, bei dem nahen, durch seine Zuckerfabrik und seine großen Zuckerfelder berühmten Dorfe Erment zu halten. Erment spielte schon im Alterthume eine Rolle. Griechisch Hermonthis, altegyptisch Anmonth, auf dem westlichen Ufer des Nil gelegen, in südlicher Richtung von Theben, hatte auch diese Stadt mit ihren, dem Gotte Month geweihten Tempeln den Ruf einer hochheiligen Culturstätte. Nach dem politischen Niedergange der alten Reichshauptstadt Theben ward sie zur Metropolis der Thebais erhoben und bildete den eigentlichen Sitz der griechisch-römischen Behörden für diesen Theil Ober-Egyptens. Die an dem Ufer von Erment gefundenen Bruchstücke einer Stele aus schwarzem Granit befinden sich jetzt in den kaiserlichen Sammlungen in Wien. Die Übersetzung Brugsch-Pascha's der schwarzen Granittafel von Erment, aus den Zeiten König Amenophis II. (circa 1560 vor Chr. Geb., eine Doublette derselben Inschrift im Tempel von Amada in Nubien) lautet folgendermaßen:
Diesen schönen, interessanten Text fand Brugsch, und es wurde beschlossen, den schwarzen Granit auf der Rückreise von Assuan in Erment abzuholen. Nach kurzem Aufenthalt setzten wir die Reise fort. Bald gelangten wir an eine Stelle, wo der Nil ein starkes Knie bildet, von hier an treten die Gebirge beiderseits immer näher heran, bis sie bei Gebelên in schroffen Wänden zum Strome herabsinken; besonders schön sind die malerisch geformten Schluchten, Felsen und Steinhalden des öden und hohen Gebel-Nisse-Gebirges, des arabischen Ufers. Wir waren eben auf Verdeck, die prachtvolle Landschaft genießend, als ich einen auf einer Sandbank liegenden todten Büffel, umgeben von Geiern, sah. Mit dem Fernglase entdeckte ich, daß außer dem weißköpfigen auch der ganz große blauköpfige Ohrengeier, ein echt innerafrikanisches Thier, anwesend sei. Unter einem kahlen, durch ein altes Schêch-Grab gekrönten Berg kamen wir vorbei: bald darauf traten die Höhenzüge wieder weiter zurück, allmählig der ziemlich breiten und wohlbebauten Ebene von Esne Raum gewährend. Mit Sonnenuntergang erreichte das Schiff die große, durch Palmenhaine, üppige Gärten und schattige Alleen gezierte Stadt Esne. Am Landungsplatz wurde angelegt und vom Verdeck genossen wir das hübsche Bild des buntbewegten morgenländischen Lebens, das sich am Ufer bei Ankunft des Dampfbootes entspann. Der Abend war kühl und erfrischend nach der Hitze des Tages, denn dem Champsin folgte glühend heißes, in der That afrikanisches Wetter. Nach dem Speisen giengen vor an's Land, wo ein Mudîr (Gouverneur) uns auf das freundlichste empfieng. Zu Esel ritten wir längs des Randes der Stadt zu dem nahegelegenen berühmten Tempel. Esne, altegyptisch Seni, von den Griechen wegen der Verehrung des daselbst heiligen Latus-Fisches "Latopolis" genannt, besaß eine Zahl von Heiligthümem, die dem widderköpfigen Gotte Chnum (dem Baumeister) geweiht waren und von denen wir nur noch die tief im modernen Stadtboden steckende Vorhalle eines der größeren [sahen, der] als letzter Rest bis auf unsere Zeit erhalten geblieben ist. Ein altegyptischer Festkalender, auf der Basis des alexandrinischen Jahres, und die astronomischen Deckenbilder verleihen auch diesem Werke aus der römischen Kaiserzeit einen besonderen Werth. Im Scheine sehr vieler Fackeln nahm sich die schöne, wenn auch einer, im Vergleiche zu den anderen Denkmälern, jungen Epoche angehörende Tempelhalle sehr gut aus und lange blieben wir in dem düsteren grauen Raume, das interessante Bild genießend. Am Rückwege folgte die Reisegesellschaft einer Einladung des freundlichen Mudîr und im ebenerdigen, nichts weniger als reichlich eingerichteten Gouvernements-Gebäude saßen wir alle gar bald auf großen Divan's, gemüthlich rauchend und Kaffee trinkend. Nach kurzem Aufenthalt verabschiedeten wir uns vom Mudîr und giengen auf den Dampfer zurück. Am 6. März wurde in sehr früher Stunde die Reise begonnen und gar bald war die Thalenge von El-Kab, jene schöne Gegend, wo die beiderseitigen Hochgebirge in wildromantischen Formen an den Strom herantreten, erreicht. Nach dieser schmalen Passage lassen die libyschen Wüstengebiete, sich zurückziehend, freien Raum für die ziemlich breite und gut cultivirte Ebene von Edfu, während die arabischen Höhenzüge von nun an ununterbrochen bis nahe zum Nil reichen. Auch ändert sich der Charakter der Berge; an Stelle der schön geformten hohen Gebirgsmassen tritt ein wild zerklüftetes Sandsteingebirge, dessen niedrige Kuppen und Spitzen die absonderlichsten Gestaltungen annehmen. Vormittags langte der Dampfer bei Edfu an; über einige Felder ritten wir allsogleich zum naheliegenden ärmlichen Dorfe; durch schmutzige enge Gassen gelangten wir an den jenseitigen Rand des Ortes, wo zwischen Schutt- und Trümmerhaufen der besterhaltene Tempel Ober-Egyptens, eines der schönsten Baudenkmäler aller Zeiten, steht. Augenblicklich begannen wir unter Brugsch-Pascha's Anleitung die Besichtigung der Räume.
Edfu, altegyptisch Debu oder Edbu, griechisch "Apollinopolis", die Große. Der Tempel von Edfu gilt mit Recht als eines der größten und umfangreichsten Heiligthümer, das sich aus dem Alterthum bis auf die Neuzeit in wunderbarer Erhaltung bewahrt hat. Die ganze Anlage des Tempels, nach dem oben beschriebenen Grundplane ausgeführt, bietet somit dem modernen Beschauer das wahrheitsgetreueste Bild eines Tempelbaues in altegyptischer Zeit dar. Das gewaltige Heiligthum war dem Lichtgott Horus, dem egyptischen Apollo geweiht, den die Inschriften genauer als die oberegyptische Form des Sonnengottes bezeichnen. Sperberköpfig dargestellt, erscheint der Gott zugleich als Sieger über die Finsterniß, besonders symbolisirt durch das Bild eines ungeschlachten Nilpferdes. Die an der inneren Wand der westlichen Umfassungsmauer abgebildeten Kämpfe dieses Lichtgottes gegen Finsterniß und Bosheit im moralischen Sinne, erinnern in ihrer Reihenfolge an die bekannten zwölf Arbeiten des Herkules der griechischen Göttersage. Die Reichhaltigkeit der Darstellungen und Inschriften, welche alle Flächen der steinernen Wände und Säulen dieses Tempels bedecken, übertrifft an Umfang des Inhaltes sämmtliche Denkmäler Egyptens. Unerschöpflich zu nennen ist die Ausführlichkeit der darin niedergelegten Aufschlüsse über Geschichte, Geographie, Völkerkunde, Astronomie, Kalenderwesen, über die Baukunst und Vermessung, über die Form des Tempeldienstes u.s.w., ganz abgesehen von der Fülle mythologischer Überlieferungen, welche den Stoff zu dickbändigen Werken liefern würden. Die Länge des Tempels an der Umfassungsmauer beträgt 433 Fuß 6 Zoll, die Breite eines jeden Thurmflügels 100 Fuß 6 Zoll, die Höhe eines jeden 103 Fuß. Der Hof mit seinem von 32 Säulen getragenen Peristyl ist malerisch und von imposanter Wirkung. Die sich in der Richtung der Axe von Süd nach Nord anschließenden Säle folgen in vorgeschriebener Reihe nacheinander bis zum Allerheiligsten hin, in welchem noch heute die aus den Zeiten des letzten einheimischen Pharao herrührende Stein-Capelle der Gottheit steht. Zum Schlusse die Bemerkung, daß nach den Aussagen der Inschriften der ganze Bau in den Zeiten der Ptolemäer-Könige vom Jahre 237 bis 142 vor Chr. Geb. nach altem Muster ausgeführt, daher erst nach Verlauf von 95 Jahren vollendet worden sei. Nachdem wir alle Theile des Tempels gesehen hatten, giengen wir auf das flache Dach und genossen von da einen schönen Oberblick nach dem Nil, der grünen Ebene, einer unweit vom Tempel beginnenden weiten Wüstenfläche und den dahinter sich aufbauenden, pyramidenartigen Sandsteingebirgen. Da die Zeit zur Reise drängte, ritten wir nun, denselben Weg einschlagend, nach dem Landungsplatze zurück. Wenige Minuten später dampfte unser Schiff stromaufwärts weiter. Die Gegend blieb im Großen und Ganzen ziemlich gleich. Die östlichen arabischen Gebirge, hier niedrig, weißlichgrau und wild zerklüftet, treten allenthalben bis nahe an den Strom heran, gar keinen oder nur einen ganz schmalen Streif cultivirten Landes lassend. Die westlichen libyschen, ebenfalls niedrigen, gelblich gefärbten, abenteuerlich geformten Gebirge nähern sich südlich Efdu's stetig mehr dem Nil; das grüne Land wird nun auch an diesem Ufer immer schmäler und bietet das Bild einer zwar üppigen, aber verwahrlosten Vegetation dar. Städte fehlen vollkommen und selbst die wenigen elenden Dörfer werden nur sehr sporadisch. Große Züge Störche ziehen über dem Nilthal nordwärts, Raubvögel kreisen in den Lüften und an den Felsen, und das Wassergeflügel des Stromes belebt die hier ziemlich vereinzelten Sandbänke. In den Nachmittagsstunden erfreut die herrliche Felsenge von Gebel-Selsele mit ihren von beiden Seiten herantretenden Sandsteingebirgen den Wanderer, der vom Verdeck des Schiffes aus die malerischen, aber düster ernsten Wüstengebiete betrachtet. Abends mit Sonnenuntergang erreichten wir die Nordspitze einer großen, vegetationsreichen Insel. Im östlichen Arme des Stromes fahrend, gewahrten wir gar bald den kleinen, aber reizend gelegenen Tempel von Kum-Ombu. Auf hohen, steilen, an den Hängen mit Pflanzenwuchs bedeckten Uferwänden, thront das Denkmal des Alterthums, weithin sichtbar, öde und verlassen, ohne Stadt oder menschliche Ansiedelung in der Nähe, zwischen dem Strom und der Wüste eingeengt. Das Wüstengebiet reicht hier in Form eines Hochplateaux bis an den Rand der hohen Uferböschung; eigentliche Gebirge fehlen dieser Gegend vollkommen. Da die Nacht hereinbrach, legten wir unter dem Tempel an. Unvergeßlich schön bleibt die Erinnerung an die Mondnacht in Kum-Ombu, d.i. "der Hügel von Ombu", hieroglyphisch Nubi, d.i. "die Goldstadt", griechisch Ombos oder Ombi genannt, mit den äußerst pittoresken Überresten eines halb versandeten Tempels, die Metropolis des späteren, Ombites genannten Gaues. Stadt und Tempel waren den übrigen Egyptern verhaßt, da hierselbst Set, der altegyptische Typhon, in einer seiner Hauptformen verehrt ward. Das dieser Gottheit geweihte Thier, das Krokodil, findet sich aus diesem Grunde mehrfach in den Bildwerken dargestellt und in den Inschriften genannt.
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Teil 8 Nr. 0102/95, pp. 4953 Mit Sonnenaufgang verließen wir das schöne Kum-Ombu, die Reise nach Assuan fortsetzend. Herrliche Gegenden fesselten uns auf das Verdeck; niedere, aber schön geformte Gebirge traten an den beiden Ufern bis nahe an den Strom heran, an manchen Stellen gar keinen oder nur sehr unbedeutenden Raum für Culturlandschaften lassend. Hie und da erfreuten üppige Palmenhaine und dichte Gebüsche das Auge und dahinter erhoben sich Bergmassen mit Felsblöcken, Schutthaufen und Steinformationen der eigenthümlichsten Art. Je mehr man sich Assuan nähert, desto absonderlicher, von den früheren Nillandschaften verschiedenartiger gestaltet sich die Gegend und desto seltener erscheinen Städte und Dörfer vor den Blicken des Wanderers. Gegen 11 Uhr war es, als die Landschaft einen immer wilderen Charakter annahm, der Nil schien vor uns wie durch Gebirgsmassen abgeschlossen. Steinblöcke, Felsplatten und Schutt grenzen bis an den Strom, der sich stetig mehr verengt, die Gebirge des rechten Ufers verflachen sich und weichen einer öden, mit Steinblöcken übersäten Ebene, aus der nur hie und da zackige Kegel emporragen. Am linken Ufer erhebt sich ein ziemlich hoher Berg, dessen Fuß bis an die Fluthen des Nil reicht; seine Spitze ist gekrönt durch ein altes Gebäude, doch schon aus muslimischer Zeit. Bald tauchen Palmen, einige grüne Gärten und in ihrer Mitte die Zinnen der zwischen den Strom und die Wüste eng eingeklemmten, kleinen, aber malerischen Stadt Assuan auf. Der Strom theilt sich in zwei Arme; die durch ihre tropische Vegetation bekannte Insel Elephantine lacht uns entgegen; ein tückischer Kranz schwarzer Granitriffe umgiebt das reizende Eiland; allenthalben tauchen scharfe Felsenkanten, die ersten Vorzeichen der nahen Katarakte, aus den Fluthen empor. Wild zerklüftetes Gestein, Wüste und Einöde, großartig und voll glühender Farbeffecte; dazwischen der rauschende Strom, herrliche Felsenformationen, die echt muslimische Stadt; Islam und innerafrikanisches Völkergemisch nebeneinander, altegyptische Baudenkmäler und die herrliche Insel mit tropischem Pflanzenwuchs, das alles erscheint in einem Moment vor unseren Augen; wie geblendet bewundern wir das schöne Bild, die südlichste Station dieser Reise, die Nähe des Wendekreises, die Grenze der Tropen. Langsam nur konnte das Schiff zwischen den schwierigen Stellen hindurchgleiten, um nach einigen Minuten unter der hohen staubigen Uferböschung anzulegen. Ein Postdampfer, sowie auch mehrere Dahabîyén waren anwesend. Kaum angelangt, verließen wir auch schon unser Schiff, um die Stadt gründlich zu betrachten. Es ist dies unstreitig einer der interessantesten Orte der ganzen Nilreise; den Gebäuden und Stadtbewohnern nach echt arabisch. Mohamedanisch ist die Religion des Staates und der Stadt, ob auch des Landes allenthalben, muß ich bezweifeln. Die Häuser, aus Lehm gebaut, tragen den vollen Typus aller Nilstädte; die Gassen sind eng und unrein, nur die dem Strome naheliegenden weisen höhere Gebäude und den recht sehenswürdigen Bazar auf; die weiteren Viertel bestehen aus elenden Erdhütten und allerlei unregelmäßigem Winkelwerk; an der Ostseite umgiebt eine an manchen Punkten schon verfallene Mauer die Stadt, daran schließt sich ein weites Gebiet muslimischer Friedhöfe, das an anderer Stelle gründlich besprochen werden wird. Unser erster Gang galt dem Bazar. Eine lange Gasse ist zu beiden Seiten dicht angefüllt von Buden und mit Brettern der Sonne wegen überdeckt. Die Händler in den Läden sind Araber, in ihren langen Gewändern, den Turban am Kopfe. Wir haben die Grenze des Orients erreicht, wo derselbe nur noch in Form des Handelstandes zur Vermittlung der innerafrikanischen Waaren nilabwärts besteht und gedeiht. Die echt morgenländischen Producte, wie wir sie in der Muski Kairo's fanden, sie sind hier nicht mehr zu sehen. Die Rohproducte der Tropen liegen in den engen Buden aufgestapelt: weiße und graue Straußenfedern, Gehörne und Felle vieler Antilopen- und Gazellen-Gattungen, Panther- und Raubthierdecken verschiedener Art, Eier, Früchte tropischer Pflanzen, Gummi, Gewürze, afrikanische Waffen, Stöcke für Kameeltreiber, primitiver Schmuck, Kleidungsstücke für nubische Damen, d.h. eine Schnur, an der einige, der Fliegen halber mit fürchterlich stinkenden Salben eingefettete Fäden hängen, Strohhüte für die wilden Stämme und desgleichen Tand aller Art. Ueber den Thüren vieler Häuser sah ich aufgenagelte ausgestopfte junge Krokodile und vor den Thüren saßen zahme Affen; ich kaufte mir einen, der uns viel Vergnügen bereitete, leider aber schon in Kairo starb. Nach einiger Zeit kehrten wir mit Einkäufen und hochinteressanten Beobachtungen reich beladen auf den Dampfer zurück. Während des Frühstückes kreisten die hier in Unmassen hausenden Milane beständig über dem Schiff, die in's Wasser geschleuderten Brotstücke gierig fangend. Kaum war die Mahlzeit zu Ende, als wir auch wieder aufbrachen, um einen Ausflug nach den aus den Tagen des Alterthums her berühmten Steinbrüchen zu unternehmen. Die Stadt war rasch durchschritten und bei den letzten Hütten nahm uns die eigentliche Wüste mit ihrem weißen Sande und glühenden Reflexe auf. Ein breites, doch in seiner Sohle sehr unebenes, von niedrigen, mit Schêch-Gräbern geschmückten Hügeln begrenztes Thal, ist vom Beginn bei Assuan bis beiläufig eine halbe Stunde landeinwärts mit einer wahren Gräberstadt bedeckt. Gleich den Chalifen-Gräbern stehen auch hier einige Windmühlen auf niedrigen Sandhügeln, doch sind die weiteren Bauten mit jenen Kairo's nicht vergleichbar, ärmliche Grabsteine und halbverfallende Schêch-Gräber mit schlichten Kuppeln müssen die herrlichen Grab-Moschéen ersetzen; dafür bietet die Todtenstätte Assuan's viel großartigere landschaftliche Reize als jene unter der Zitadelle; die einschließenden kahlen Hügel und die weite Steinwüste mit den abenteuerlichen Felsformationen, den prächtigen Farbeneffecten, durchbrannt von den Strahlen der innerafrikanischen Sonne, trugen einen ganz eigenthümlichen Charakter an sich. Am nördlichen Rande des breiten Thales ritten wir bei glühender Hitze durch das unordentliche Gewirre der Todtenstadt, nach einiger Zeit wurden die Gräber immer seltener und die letzten Spuren menschlicher Thätigkeit verschwanden allmälig. Kein Grashalm erfreut hier das Auge, nichts als blanker Stein, Sand und Staub; dabei ist die Wüste uneben und ein Hügel folgt dem anderen. Eigenthümlich geformte Granitblöcke zeigten die Nähe des Steinbruches an; bald erschien eine Felswand und unter derselben mit Schutt theilweise überdeckt der noch liegende Obelisk. Ueber ihn, sowie Assuan im Allgemeinen will ich an dieser Stelle einige Worte meines Freundes Brugsch anführen:
Seit den Tagen der Pharaonen ruhen diese großen Steinbrüche, und die aufgerissenen Felswände und losgesprengten Blöcke geben stummes Zeugniß von der längst verschwundenen Cultur, die in diesen Gebieten vor Jahrtausenden herrschte. Derselbe Weg, auf dem wir gekommen waren, wurde nun wieder zur Heimkehr eingeschlagen. Bei der Gräberstadt trennte sich die Reisegesellschaft; ein Theil ritt nach Hause, während Hoyos und ich den nahe Assuan's das Thal begrenzenden, ziemlich hohen, steinigen und vollkommen kahlen Hügel erklommen. Auf der Spitze steht ein altes Schêch-Grab, mit rundem, gewölbtem Gebäude. Das düstere Grabgebäude verlassend, genossen wir nun mit Ruhe die herrliche Aussicht; in nördlicher Richtung, gerade unter uns, das enge, von Gebirgen eingeschlossene Nilthal, der durch die wild zerklüfteten Katarakte sich durchdrängende Strom, hinter uns die tropische Insel Elephantine, das malerisch gelegene Assuan, die grausige Todtenstadt, und um alles herum das endlose Gemenge von Gebirgen, Thälern, Ebenen und Plateaux, öde und kahl, Stein und Sand, echte Wüste; doch in den grellsten Reflexen zitternd, von den glühenden Sonnenstrahlen beleckt, blendend weiß, nur hie und da unterbrochen von röthlichgelben Felsen und schwarzem Granit, darüber der ewig blaue Himmel, wolkenlos, kristallklar. Bald hatten wir wieder Assuan erreicht. Abermals thue ich gut daran, Brugsch-Pascha an meiner Stelle über die Insel Elephantine sprechen zu lassen:
Am 8. März um 7 Uhr Früh brachen wir alle auf; die meisten bestiegen Esel, nur Hoyos und Pausinger wollten den Ritt hoch zu Kameel unternehmen. Assuan umreitend, gelangten wir auf kürzerer Linie durch die Gräberstadt in die Wüste; Thäler, Hügel, Sand, Fels und Schluchten folgten einander in angenehmer Abwechslung. Eine schmale Schlucht führte uns in das enge, von zackigen, bunten, durch schwarze Granitblöcke gezierten Bergen eingeschlossene Nilthal; wie mit einem Schlage genossen wir ein herrliches Bild; düster ernste Steinmassen, der rasch durch die Enge brausende Strom, die grüne Insel Phylae mit ihren hochragenden Tempelruinen, und in südlicher Richtung das sich stetig erweiternde Thal, mit einem Band vegetationsreichen Landes an den Gestaden des Nil, das alles entrollte sich in einem Momente vor unseren Augen. Wir waren in Nubien.
An dunklen Felsen und schwermüthigen Sikomoren und Dumpalmen vorbei, gelangten wir zu einer kleinen Ebene, an deren Gestaden Boote lagen. Zum ersten Male genießt man da in unmittelbarer Nähe den entzückend schönen, unvergeßlichen Anblick. Das liebliche Eiland Phylae zeigt sich rings umgeben von felsigen Massen, die in dunkler Färbung aus den Wässern emporsteigen. Ein großes, hohes Boot, von vielen singenden Nubiern im Tacte gerudert, trug uns der Insel zu. Das eigenthümliche Fahrzeug hätte, was die alterthümliche Form betrifft, ganz gut aus den Tagen der Cleopatra stammen können; ein Zelt mit rothen Vorhängen sollte gegen die Sonne schützen und weiche Ruhebetten erhöhten noch das komische Aussehen dieser Nil-Fregatte. Nach wenigen Minuten hatten wir das steil abfallende Gestade der Insel erreicht und eilten über den dicht bebuschten Hang zum herrlichen Tempel empor. Die Tempelanlagen dieser heiligen, von den alten Egyptern "Pilak" genannten Insel sind verhältnismäßig jungen Datums, denn erst unter den Ptolemäern und Römern sind sie nach älteren Vorbildern aufgeführt worden. Die mit praktischem Verständniß angelegten steinernen Quai's der Insel bekunden die höchste Technik für den Wasserbau, der besonders in der Region der Wasserfälle bei der reißenden Strömung nicht ohne Schwierigkeiten durchzuführen war. Wenn auch in kleinerem Maßstabe ausgeführt, gewährt die Gesammtheit der alten Heiligthümer der Insel mit ihren Colonnaden und hypäthralen Bauten, mitten unter den Trümmern eingestürzter Häuser zwischen Palmen und saftig grünen Gebüschen, einen unbeschreiblich malerischen Eindruck. Die hellen Flächen der Tempelwandseiten heben sich in der Umgebung tiefdunkler Felsmassen an den gegenüberliegenden Uferseiten des Stromes in wunderbarer Lichtfärbung ab; darüber wölbt der blaue südliche Himmel seinen Dom, dessen Abglanz die ganze Landschaft belebt. Alles ist Licht in dieser einsamen, halb versunkenen Welt der Vorzeit. Die Schutzpatronin Nubiens, die Göttin Isis, hatte den Ruf
einer besonderen Heiligkeit an dieser Stätte. Egypter und Nubier opferten auf
ihren Altären und verehrten sie mit gleichem Andacht. Die bunt bemalten Wände
und Säulen ihrer Tempel rufen auch heute noch den Eindruck eines heiteren
Cultus wach, der in Licht und Farbe selbst äußerlich zum Ausdruck gelangte.
Nachdem wir alle Theile des Tempels durchgestöbert hatten, giengen wir über die vielen Reste alter Mauern durch Schutt und Trümmer nah der äußersten Südspitze der Insel. Unter einer altegyptischen Plattform fällt ein grauer Felsen stufenweise zum Strome ab, dichte, üppige Gebüsche und hohes Gras umgeben das dunkle Gestein. Mit wehmütigen Gefühlen kletterte ich bis zum letzten, jäh abstürzenden Rand und blickte hinaus auf den heiligen Nil, das sich erweiternde Thal und die Gefilde Nubiens. Ein großer Abschnitt der Reise war erreicht; wir waren an unserem südlichsten Ziele angelangt. Der Wendekreis, die Grenze Nubiens, der Tropen, und des Nachts am Firmament die höchsten Sterne des berühmten südlichen Kreuzes, sie hatten uns gelockt, verführerisch an sich gezogen, doch ihnen folgen konnten wir nicht. Wieder nordwärts hieß es und in trüber Stimmung kletterten wir zum Tempel der Isis empor.
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Teil 9 Nr. 0304/95, pp. 5562 In dem kleinen sogenannten Kiosk, einem aus dem Alterthum stammenden Tempelpavillon, noch ganz wohlerhalten, auf hoher Ufermauer, mit vorliegender Terrasse, über dem rauschenden Strome sich stolz erhebend, verzehrten wir ein mitgenommenes Frühstück. Aus den Thoren der von Säulen getragenden Halle genießt man eine Fernsicht, die einzig schön und malerisch ist. Eine unbeschreibliche Poesie liegt in dieser Einöde und der inmitten derselben zwischen den Fluthen des heiligen Stromes sich erhebenden üppig grünenden Insel, mit ihren herrlichen Denkmälern aus einer längst verklungenden Zeit. Phylae ist ein Reisebild, das sich unvergeßlich für immer in das Gedächtniß als ein Glanzpunkt einprägt. Vom Tempel stiegen wir an das Ufer hinab und im alterthümlichen Boote fuhren wir stromabwärts den Katarakten zu. Lange noch sahen wir das felsige Eiland, die schwarzen Granitfelsen, die blühenden Pflanzen und den hochragenden Tempel. Schwermüthige Weisen summten die braunen Ruderer, und ihre Lieder paßten zur großartig schönen Landschaft. Vor dem eigentlichen Beginn der Katarakten, wo der Strom sich in Arme theilt, legten wir an und giengen am felsigen Ufer bis zu einem über das ganze wilde Durcheinander von Stein und Wasser Aussicht gewährenden Punkt. Die Katarakten sind keine Wasserfälle, sondern Stromschnellen; durch die Tausende von Felseninselchen aus schwarzen, glänzenden Klippen und Riffen, die auf mehr als ein Kilometer Länge das Bett des Stromes durchsetzen, sucht sich dieser schäumend und brausend seinen Weg. Es ist unstreitig ein großartiges Bild, dessen eigenthümlicher Reiz besonders erhöht wird durch die auffallende schwarze Farbe und Formation der Felsenriffe und Kanten, die aus dem weißen Gischt der Fluthen hervorragen. Interessant ist es auch, den sonst so trägen, verschlammten Nil für ein kurzes Stück in einen wilden Gebirgsstrom verwandelt zu sehen. Im Boote ließen wir uns nun ein kurzes Stück stromaufwärts rudern, bestiegen dann die bereitgehaltenen Esel und ritten am selben Wege, den wir des Morgens gekommen waren, nach Assuan zurück. Am 9. um 7 Uhr Früh verließ der Dampfer Assuan, jene herrliche, so durch und durch innerafrikanische und ethnographisch hochinteressante Stadt. Zwischen den uns nun schon wohlbekannten Gegenden glitten wir stromabwärts mit großer Schnelligkeit hindurch. Des Abends erst nach Sonnenuntergang wurde am östlichen Ufer bei El-Kab angelegt. Ein schmales Band cultivirten Landes trennt an dieser Stelle den Strom vom Rande einer nicht allzubreiten Wüstenebene, hinter der sich erst die herrlichen Hochgebirge aufthürmen. Pausinger und ich wanderten, von einem Fellachen geleitet, durch das cultivirte Land, neben einem Dorfe vorbei, in die Wüste hinaus. In verschwommenden Contouren sahen wir die Ruinen der altegyptischen Stadt Nechebt, von den Griechen Eileithyia genannt; vor allem ragt die mächtige, aus ungebrannten Ziegeln erbaute Ringmauer empor, Zeugnis gebend, daß dieser Punkt im Alterthum als bedeutende Festung galt. Ferner befinden sich hier am Rande der Gebirge Felsengräber, ein Felsentempel von Ptolemäos Euergetes angelegt, und weiters ein kleines Heiligthum von Amenhotep III. der Göttin Nechebt geweiht. Die Wüste ist in dieser Gegend stark natronhältig und mit jedem Schritt rauscht die durchbrochende Kruste. Am 10. Früh stand die Sonne schon lange am Himmel, als ich erwachte, und wir fuhren seit einer Stunde bereits stromabwärts. In Erment, das in den Nachmittagsstunden erreicht wurde, mußten wir uns durch kurze Zeit aufhalten, um den berühmten Granit auf Bord bringen zu lassen. Bald wurde die Reise fortgesetzt und mit Sonnenuntergang langten wir wieder in Luxor an. Am anderen Morgen in früher Stunde ließen wir uns alle an das libysche, gegenüberliegende Ufer rudern, um den langen und so überaus interessanten Ausflug nach den Königsgräbern zu unternehmen. Auf Eseln ritten wir anfänglich durch eine wohlbekannte Ebene; in den Feldern arbeiteten fleißige Fellachen und neben den vereinzelten Lehmhütten saßen Aasgeier in großer Menge; Kameele, langohrige Ziegen, Büffel, Esel und Schafe weideten auf den gelblichen Hutweiden. An einigen Dümpeln mit noch von den Tagen der Ueberschwemmung zurückgebliebenen Wasser und durch einen seichten, stark versandeten Nilarm führte der Weg bis zu einem kleinen, sehr ärmlichen Dorfe; die letzten Palmen und Büsche wichen dem trostlosen Wüstensande; der Fuß der sich hoch aufthürmenden Gebirge war somit erreicht; ein schmales, von schroffen Lehnen und Wänden eingeengtes Thal eröffnete sich vor uns; in der Sohle führt der Reitweg nach den Königsgräbern, den auch die Herren einschlugen. Der Großherzog und ich beschlossen, mit einem kleinen Umweg durch das Gebirge ebenfalls dahin zu kommen. Geführt von einem Araber überkletterten wir einige Sand- und Schutthügel, um hinter denselben den eigentlichen Aufstieg zu beginnen. Durch Steinplatten und Geröll neben Felswänden vorbei schlängelt sich ein schmaler Pfad empor. Rechts und links erblickten wir unzählige Gräber und Grabeshöhlen. Die unteren Abhänge längs des gesammten Gebirgszuges westlich des alten Theben sind durchhöhlt mit altersgrauen Begräbnisstätten. Aus einer dieser Vertiefungen sprang bei unserer Annäherung ein Wolf heraus und entfloh an der steilen Lehne empor.
Nun versuchten wir auf verschiedenen Wegen den Gebirgsrücken zu überklettern. Der Kamm war bald erstiegen und eine herrliche Fernsicht erschloß sich hinab in das grünende Nilthal auf den großen Strom, die Stadt Luxor, die Ruinen von Karnak und die gegenüberliegenden arabischen Berge; vor uns begann ein Hochplateaux, ein wildes Gemenge von Kuppen, Spitzen, Schluchten und Thälern, Felswänden, Sand- und Geröllhalden, Steinplatten und Kalkblöcken; alles in blendend weißer und gelblicher Farbe, ohne jegliche Spur einer Vegetation, in den schärfsten Reflexen schillernd, von den Strahlen der afrikanischen Sonne durchsengt. Man kann sich ein trostloseres, aber zugleich großartigeres Bild echten Wüstengebirges kaum ausdenken. Im Sande fand ich die Spuren von Hyänen, Wölfen und Schakalen und unzählige Baue verschiedener Raubthiere; Geier saßen in den Ritzen schattenbildender Felswände und die Segler umschwirrten die öden Zinnen. Einem schmalen Weg folgend, stiegen wir über nicht ganz bequeme Stellen in das Hauptthal hinab, wo bei schon früher verabredeter Stelle die Reitesel warteten; nun ritten wir durch die trostlose, von blendend weißen Bergen eng begrenzte Schlucht nach den Königsgräbern von Biban-el-Moluk. Wo in einer Sackgasse von steil anfallenden Lehnen und Wänden Thal und Pfad enden, eröffnet sich der schwarze Schlund, der hinabführt in die Grüfte der ältesten Dynastien. Mit Fackeln bewaffnet drangen wir ein, in jene Reliquien einer längst verklungenen Zeit. Brugsch-Pascha verdanke ich viele werthvolle Notizen, jene Stelle betreffend, und so will ich ihn nun sprechen lassen:
In einer ehedem sorgfältig verschlossenen Kammer im Grabe Seti's I. (um 1350 vor Chr. Geb.) sahen wir das Bildniß einer Kuh, der sogenannten Himmelskuh; neben demselben befindet sich eine lange hieroglyphische Inschrift von hoher Bedeutung, die Vernichtung des Menschengeschlechtes und die neu sich aufbauende Weltordnung betreffend, und die Schlüssel zum richtigen Verständniß der altegyptischen Theogonie bietend. Die Übersetzung des geheimnisvollen Textes lautet folgendermaßen:
Hochinteressant sind der mystische Zug, der durch die Glaubenssätze der vor Jahrtausenden herrschenden Religion läuft, und die farbenprächtige Darstellungsgabe, welche diese Lehre zu einem Cultus des Südens und vor allem des Orients stempelt.
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Teil 10 Nr. 0506/95, pp. 2729 Nachdem wir alle Räume der so überaus merkwürdigen Königsgräber genau angesehen hatten, wurde vor dem Eingang ein frugales Frühstück verzehrt. Der kurzen Rast folgte ein mühsamer Stieg auf schmalem Pfad über das Gebirge nach Medinet-Habu; abermals kamen wir durch das trostlose Wüstengestein, an dem nun die Mittagssonne mit sengender Kraft leckte. Einige jäh abfallende Felsenwände mußten durchklettert werden und erst nach langem Marsch erreichten wir den Kamm und bald darauf die Zone der Felsengräber; über Schutt- und Trümmerhaufen, neben halb verfallenen Häusern, doch schon aus muslimischer Zeit, gelangten wir in das Culturland, wo bei einer etwas schattenspendenden Mauer die Reitthiere warteten. Ein längerer Weg als des Morgens führte uns an den, in der That imposanten und jede Erwartung übertreffenden Memnons-Kolossen vorbei, nach dem Ufer des Nil. In einem Boote erreichten wir Nachmittags den Dampfer, wo augenblicklich gespeist wurde. Am 12. Früh ritten wir alle den nämlichen Weg wie Tags zuvor nach Medinet-Habu; große Züge Störche standen auf den Sandbänken und an den Wasserdümpeln, sowie auch Becassinen und Strandläufer, auf die ich vom Rücken meines Esels herab Jagd machte. Nach einstündigem Ritt erreichten wir das Dorf Medinet-Habu. Wir begannen gleich die Besichtigung des nahe vom Dorfe gelegenen, wundervoll schönen Ramesseums, des noch wohlerhaltenen Todtentempels. Ich thue gut daran, einige Notizen, die Denkmäler dieses Theiles von Theben betreffend, die ich meinem Freunde Brugsch verdanke, im vollen Wortlaute anzuführen:
Wir waren zu Ende mit den Besichtigungen der vielgepriesenen Todtenstadt und ritten durch die Ebene zurück zu unserem Dampfer. Nun hieß es Abschied nehmen vom schönen Luxor, den herrlichen Resten des hundertthorigen Theben und von der thebanischen Ebene, die in heiße Mittagsdünste gehüllt, von den hochragenden bläulichen Gebirgen umsäumt, ein wundervolles Bild als letzten Gruß darbot. Der Nachmittag wurde zur Reise benützt; angenehme Stunden brachten wir am Verdeck zu, eine kühle Brise zog über den ruhigen Strom und schöne Landschaften entrollten sich vor unseren Blicken. Um 6 Uhr Nachmittags langten wir in Keneh an, wo wir diesmal nicht am westlichen Ufer von Dendera, sondern am östlichen bei der modernen Stadt landeten. Die Abendstunden benützten wir, um die nächste Umgebung zu durchstreifen. Hoyos und ich ritten durch die hier breite und üppig bebaute Ebene, folgten dann dem Laufe eines Canales. An einer seichten Stelle, den Wasserlauf durchreitend, kehrten wir gegen die Stadt zurück, an deren Rande neben blühenden Gärten ein Palmenwald seine stolzen Kronen erhebt. Diese schützende Deckung suchten des Abends Milane, Falken, Gleit-Aare, Kolkraben, Krähen, Nachtreiher und allerhand Kleingeflügel zum Schlafplatze aus. Als nach einem glühenden, farbenprächtigen Sonnenuntergang die Dämmerung begann, ritten wir auf einem Damme in die ziemlich große Stadt hinein. Reges Leben herrschte in den engen, von Lehmhäusern begrenzten Gassen, deren architektonische Verzierungen und hochragende Minarets die Bedeutung des Ortes kennzeichneten. Ein glücklicher Zufall führte uns durch dichtes Menschengewühl in den recht hübschen, mit Strohmatten überdeckten und ziemlich gut erleuchteten Basar, dessen geschäftige Handelsleute uns lärmend umgaben. Der langen Zeile der Buden folgend, entkamen wir dem Staub, Dunst und Gestank, der besonders Abends in den Städten herrscht und eilten zu unserem Dampfer zurück.
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Teil 11 Nr. 1112/95, pp. 5760 Am 13. wurde bei herrlichem Wetter die Reise fortgesetzt. Von Sonnenaufgang bis Mittag unaufhaltsam stromabwärts fahrend, gelangten wir unter den am Ost-Ufer knapp an den Strom herantretenden Gebirgen von Gebel Tuk vorbei. Die Gegend gefiel uns, und so beschlossen wir, um etwas Bewegung zu machen, am brüchigen Gestade anlegen zu lassen. Kein Dorf, kein Haus steht in der Nähe; nichts als wild zerklüftetes Felsengebirge, nur durch eine höchstens hundert Gänge breite Wiese vom Strome getrennt. Gegen 2 Uhr langte der Dampfer bei der großen und hübsch gelegenen Stadt Sohag an. Allsogleich wurde an's Land gegangen, um die nächste Umgebung zu durchstöbern. Der Großherzog und ich bogen um die letzten Häuser der Stadt neben der Kaserne der nur unbedeutenden Garnison ein und jagten an einigen Wassertümpeln auf allerlei Flugwild. Die vielen Zuseher und zur Tränke geführten Büffel und Kameelheerden vertrieben uns von da, und dem Damm des berühmten Joseph-Canals folgend, gelangten wir zwischen einzeln stehenden Lehmhütten, blühenden Gärten und Feldern zu einem aus hohen Tamarisken, Sikomoren und Palmen gemischten Walde. Dieser aus echt afrikanischen Bäumen zusammengesetzte Wald bot viel Reiz und nur ungern verließen wir den duftenden, üppig grünen Platz, dessen überwuchernde Vegetation an die phantasiereichen Märchen von "Tausend und einer Nacht" mahnte. Dem Damme folgend, erreichten wir gar bald die Stadt und durch mehrere enge, sehr belebte Gassen gelangten wir zu unserem Dampfer zurück. Der liebenswürdige Mudîr Ali Pascha hatte mir seinen blendend weißen großen Esel, Abu-Gebel genannt, von reinster arabischer Zucht geliehen und als ich während des Rittes mit den vorzüglichen Gängen des Thieres sehr zufrieden war, schenkte er mir das in der That auffallende Exemplar. Nun mußte für den Esel am Verdeck des Dampfers ein Platz gerichtet werden und bald darauf hielt er auf unserem beweglichen Hause seinen Einzug. Des nächsten Morgens in sehr früher Stunde wurde die Weiterreise angetreten. In einem Zuge fuhr der Dampfer seine letzte Station bis Siut, wo wir Mittags eintrafen. Vom Landungsplatze führt eine Allee zur Stadt; der stattlichste und bedeutendste Ort oberhalb Kairo, Sitz eines Mudîrs und durch großen Handel und schöne Bauart ausgezeichnet. Zwar sind auch hier die Häuser aus braunem Lehm, doch höher und mit reicheren arabischen Ornamenten versehen, als in den anderen südlicheren Nilstädten. Schlanke Minarets und zierlich gebaute Stadtthore fallen uns auf; schattenspendende Sikomoren-Alleen und üppige Gärten umgeben Siut in der Richtung gegen den Strom. Wir ritten durch einige schmale Straßen und der Länge nach zwischen all' den Buden des sehr sehenswerthen Bazars hinweg, den der hier mündende Caravanenweg aus Dâr Fôr mit Straußenfedern und Elfenbein reich versieht; auch bilden die rothen und schwarzen Thonarbeiten Siut's eine Spezialität. Was mich am meisten interessirte, war das besonders rege Leben, welches in diesem Bazar herrschte; neben den echten handeltreibenden Fellachen sah man Bewohner des Nilthals, aus verschiedenen Gauen Egyptens in wechselvollen Farben- und Costümbildern. Quer durch die Stadt gelangten wir vom anderen Rande derselben über einen Damm und den bekannten Josephs-Canal nach dem Fuße der steilabfallenden Wüstengebirge. Bei Siut treten die Berge näher an den Strom und es verengt sich für eine kurze Strecke die ober- und unterhalb von hier schon breite Ebene des Culturlandes. Auf einem schmalen Pfade kletterten wir steil empor, um die in halber Bergeshöhe zwischen Felsen und Geröll befindlichen Höhlen und Grabkapellen anzusehen. Schon in den Tagen des Alterthums hatte dieser Ort eine gewisse Bedeutung. Ossiut, die größte und ansehnlichste Stadt Ober-Egyptens, führt ihre heutige Bezeichnung nach dem alten Namen Siaut, eine schakalsköpfige Gottheit (Anubis) hatte hier einst ihre Tempel und Altäre. Sämmtliche Thiere vom Hundegeschlecht waren ihr geweiht, vor allem der Wolf, daher die griechische Benennung der Stadt Lykopolis, "die Wolfsstadt". In den Höhlen des hinter Ossiut liegenden Gebirges, das einen Vorsprung der libyschen Gebirgskette bildet, werden noch heute die wohl einbalsamirten Körper der erwähnten Thierclasse aufgefunden, in dichter Nähe berühmter Grabkapellen, welche aus den Zeiten der XIII. Dynastie herrühren (um 2200 vor Chr. Geb.) und vornehmen Hofbeamten der erwähnten Epoche angehörten. In einen dieser ziemlich großen, in Felsen gehauenen Räume giengen wir hinein, fanden aber im Innern, die eigenthümliche Form ausgenommen, nichts des Sehenswerthen. Die Reisegesellschaft theilte sich nun; einige der Herren streiften jagend gegen die Stadt hinab, während ich durch eine schmale Schlucht bis auf den Kamm des Gebirges kletterte, von wo aus sich eine schöne Fernsicht über die Stadt, das grüne Nilthal, die gegenüberliegenden arabischen Gebirge und hinter mir auf das röthlichgelbe Wüstenplateau der libyschen Berge erschloß. Auf einem anderen Pfade durch schlechte Felswände, Platten und Geröllhalden, neben vielen Grabhöhlen und alten Gerippen vorbei, stieg ich in's Thal hinab und kam zum mohamedanischen Friedhofe. Westlich von Siut erstreckt sich die auffallend große und durch sehenswerthe Grabbauten geschmückte muslimische Todtenstadt, mit einem Ende in das Culturland zwischen blühende Gärten, mit dem anderen in die öde Wüste reichend. Zu Fuß gieng ich nun in die Stadt zurück und schlenderte in den entlegeneren Vierteln auf den Straßen herum, das Volksleben beobachtend. Durch die schöneren Stadttheile kehrte ich in den Nachmittagsstunden zum Speisen auf den Dampfer zurück. Wir nahmen herzlichen Abschied vom guten braunen Admiral und dem braven Schiff, das uns während unvergeßlich schöner Tage als Wohnung gedient hatte und giengen zum nahen Bahnhof. Bald brauste der Zug von Siut weg, dem Norden zu; süßer Schlaf bemächtigte sich nach kurzer Fahrt der Reisegesellschaft. Ich erwachte erst, als am 15. Früh die Sonne in die Waggons hereinblickte und wir schon im kleinen, arg verwahrlosten Bahnhof von Bedraschên standen. Im schmutzigen Wartsaal wurde ein Frühstück verzehrt und darauf zu Esel der Ritt nach Memphis unternommen. Zwischen sumpfigen Dümpeln, wohlbebauten Feldern und großen Palmenwäldern führt der Weg bis zu dem kleinen, im üppigen Grün afrikanischer Vegetation verborgen liegenden Dorfe Mitrahenne. Von Memphis aus ritten wir aus dem Culturland hinauf in die große libysche Wüste, an den Pyramiden von Sakkara und dem Mariette-Haus vorbei, zu den Apis-Gräbern. Die Landschaft hat hier schon vollkommen denselben Charakter wie bei den Pyramiden von Gizéh, die man auch, sowohl wie Kairo, die Citadelle und das staffelförmig aufsteigende Mokattam-Gebirge in nicht allzuweiter Ferne sieht. Mit Fackeln bewaffnet, drangen wir in das unterirdische Labyrinth der endlosen, mit trockener schwerer Luft erfüllten Gänge der Apis-Gräber ein.
Im kleinen, nahe den Apis-Gräbern gelegenen Wohnhaus des vor Kurzem erst verstorbenen berühmten Egyptologen Mariette, das dieser sich zum Zwecke seiner Studien hatte erbauen lassen, nahmen wir ein frugales Frühstück ein und giengen sodann zur eigenthümlichen niederen Stufen-Pyramide, besuchten dann auch noch die anderen Pyramiden dieser Gegend und die neueröffnete kleine Pyramide Königs Pepi I. Nach Brugsch-Pascha waren wir die ersten Europäer, welche diese Pyramide betraten. Nachdem wir in die Pyramide des Königs Pepi I. mit einiger Mühe und Schwierigkeit hineingeklettert waren, verließen wir die Wüste und ihre alten Denkmäler und ritten in das Culturland zurück. Nach einer ziemlich langen Expedition voll der herrlichsten Eindrücke trafen wir wieder in der schönen Chalifenstadt ein.
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