Religion: Christliche Klöster
    Inhalt:
    Vom Felsspalt zur Klostermauer – Klöster in Ägypten
    Wadi Natrun – Ausflug ins Paradies
    Das griechische Kloster der heiligen Katherina im Sinai
    Die Ikonensammlung im Katharinenkloster
    Der brennende Busch im Katharinenkloster beim Mosesberg
    Das Mysterium des brennenden Busches
    Koptische Klöster am Roten Meer

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Koptische Klöster am Roten Meer
von Anni Giesmann
in 6 Teilen

Teil 1 Papyrus-Logo Nr. 10/89, pp. 56—62

Der folgende Bericht ist ein Nachdruck einer früheren Veröffentlichung in der deutsch-arabischen Kulturzeitschrift Armant (1974, Heft 12; Herausgeber: Helmut Birkenfeld, damals vom Goethe-Institut in Kairo). Im PAPYRUS erscheint er – mit nur geringfügigen Änderungen – in sechs Folgen, deren letzte ein neuer Nachsatz ist:

1. Lage und frühe Geschichte
2. Jüngere Vergangenheit: Zufahrten, Einrichtungen, Gebräuche
3. Kirchen, Fresken, Insassen (insbesondere des Antonius-Klosters)
4. Paule-Kloster: Atmosphäre, Gnitzen, Gräber, Überquerung zum Antonius-Kloster
5. Erste Besuche nach längerer Pause
6. Nachsatz: Veränderungen in den letzten zwei Jahrzehnten (1967—1989)

 

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Lage und frühe Geschichte der Koptischen Klöster am Roten Meer (Anm. 1) 

Zwei noch bis heute bewohnte Klöster aus frühchristlicher Zeit – im Westen fast vergessen – stehen in der kahlen, östlichen Gebirgswüste Ägyptens weitab vom besiedelten Niltal, nicht allzu weit von der unbewohnten Küste des nördlichen Meerbusens von Suez (Karte). Es sind: das Kloster des Hl. Antonius (Dêr Amba Antoniûs – Anm. 2) am Rande des weit offenen Wâdi 'Áraba, eines breiten Trockentals, das das Galâla-Plateau in einen nördlichen und südlichen Gebirgsstock spaltet, und etwas südlich davon das Kloster des Paule von Theben (Dêr Amba Bûla – Anm. 3) in einem versteckten Felsenkessel. Die beiden Klöster liegen in der Luftlinie nur etwa 25 Kilometer voneinander entfernt, am Fuße entgegengesetzter Steilabbrüche des südlichen Galâla-Massivs, doch bildet das zerklüftete Hochland aus geschichtetem Kalkstein, das eine Höhe von 1.000 m übersteigt, ein nicht zu unterschätzendes Hindernis. Bei beiden Klöstern entspringen mehrere relativ reichlich und ganzjährig fließende Quellen frischen Wassers aus dem Fels, die ihre Gründung ermöglichten und ihren Fortbestand über anderthalb Jahrtausende sicherten. Zwar gibt es in der entfernteren Umgebung auch andere strömende Gewässer, Sickerquellen oder Brunnen, insbesondere im Wâdi 'Áraba, doch sind diese unergiebiger und salzhaltiger. Immerhin ermöglichen sie den Beduinen und ihren Tieren ein Nomadenleben. Diese Gegend der östlichen Wüste war im Altertum Teil der Thebaïs.

Die Klöster reichen in Ihrem Ursprung ins 4. Jahrhundert zurück. Das Antonius-Kloster, das unter der Herrschaft des Julian Apostata (361—363), kurz nach dem Ableben des angesehenen Wüstenheiligen ca. A.D. 360 gegründet wurde, ist das älteste, noch heute bestehende Kloster des Christentums. Die Errichtung des Pauleklosters um die Grabstätte des Eremiten ist zwar nicht genau belegt, reicht aber zweifelsohne in die nämliche Zeit zurück (man schätzt um 400 – Anm. 4).

Der Hl. Antonius (241—356), der große Asket und Kirchenvater, wurde, wie uns St. Athanasius, Bischof von Alexandrien, in seiner "Vita Antonii" berichtet, in Coma, einem Ort ungefähr 75 km südlich von Kairo, heute Qimân-el-'Arûs, als Sohn wohlhabender Eltern geboren. Diese verlor er früh. Als junger Mann pflegte er mit regem Interesse an religiösen Zusammenkünften teilzunehmen. Die Erzählung vom reichen Jüngling (Matth. 19,21), den Jesus um der Vollkommenheit willen hieß, seine Güter an die Armen zu verschenken, um ihm allein nachzufolgen, beeindruckte ihn so tief, daß er, sich seiner Besitztümer entledigend, am Rande des Städtchens Pispir, dem heutigen Dörflein Dêr-el-Maimûn, als Asket niederließ, wo er auch ungefähr 50 Jahre bleiben sollte. Im Jahre 311 finden wir ihn in Alexandrien, wo er nicht nur den Märtyrern der diokletianischen Christenverfolgungen Trost und Zuspruch spendete, sondern sogar selbst das Märtyrertum anstrebte. Kurz danach zog er sich, da ihm in Pispir die Mönchsgemeinde und der Zulauf zu groß geworden war, ins Wâdi 'Áraba – drei Tagesreisen oder ungefähr 120 km vom Niltal entfernt – am Fuße des Berges "Clysma" (arab. Qalsûm) vor dem Getümmel der Welt zurück. Dort flocht er aus Palmenblättern Körbchen, die er bei den vorbeiziehenden Nomaden gegen Nahrung eintauschte. Bald indessen war er abermals umgeben von Scharen von Besuchern, Bewunderern und Nachahmern, die ihre Hütten um das Quellgebiet errichteten und dort etwas Gemüse und Obst anbauten. Da zog er sich in eine Höhle am Berghang, ungefähr 300 m über und 2 km südöstlich von den Quellen, zurück, die bis an sein Lebensende sein endgültiger Wohnsitz bleiben sollte. Verpflegt wurde er von seinen Anhängern.

 
Lageplan der Klöster
Karte der östlichen ägyptischen Bergwüste südlich von Suez

Das soll nicht heißen, daß er den Ort niemals verließ. So kehrte er in Abständen nach Pispir zurück, wo er der inzwischen zum Zentrum des monastischen Lebens angewachsenen zönobitischen Gemeinschaft mit Rat und Tat beistand. Auch weitere Besuche in Alexandrien sind belegt, denn er unterstützte Athanasius aktiv im ersten großen Lehrstreit der Kirche, dem arianischen Streit. Beide verwarfen kategorisch die Lehre des Arius, auch ein Alexandriner, derzufolge Christus eine Sonderschöpfung darstellte, weder ganz göttlich noch ganz Mensch, sondern zwischen Gott und Mensch. Diese Lehre wurde im Konzil zu Nicaea, sowie in darauffolgenden Konzilen verworfen und nur von den Germanen noch einige Jahrhunderte lang anerkannt.

Als Antonius im Alter von 105 Jahren starb, ließ er sich von zwei Mönchen an unbekannter Stelle begraben, denn er wollte keinen Toten- und Reliquienkult.

Bei seinem Tode galt Antonius – ein Analphabet – als Vater, Begründer und Organisator des christlichen Monastizismus, und wurde zum Vorbild für die einzeln oder in Verbänden lebenden Asketen (Anachoreten bzw. Zönobiten). Man schätzt, daß zu jenen Zeiten etwa eine halbe Million Asketen in den Wildnissen Ägyptens lebten, davon 370.000 allein im Fayûm, während heute in den zahlreichen Klöstern Ägyptens nur acht übrig geblieben sind (eines im Fayûm) mit insgesamt etwa 300 Mönchen. Doch damals, teils noch zu Lebzeiten Antonius', wurden in den anschließenden Ländern der Levante, bis nach Mesopotamien und Äthiopien, von Diszipeln des Antonius ein Kloster ums andere gegründet. Bald wurde auch im Abendlande, insbesondere in Irland, vornehmlich durch die Schrift des Athanasius, das Leben und Wirken des Hl. Antonius bekannt, das für die Entwicklung des europäischen Monastizismus richtunggebend werden sollte und auch einen nachhaltigen Einfluß auf das Denken der römischen Kirche ausüben sollte.

Die im 4. Jahrhundert in Ägypten zu so erstaunlicher Blüte gelangte christliche Weltflucht und Askese hatte zweifellos ihre Wurzeln in vorchristlichen Ideologien. Verschiedene Sekten mit ähnlichen Bestrebungen gab es z.B. im Judentum (Nazariter, Rehabiter, Chasidim, Essenen). Als Bindeglied zwischen den Essenen und frühen Christen könnte Johannes der Täufer angesehen werden, von dem man sagt, daß er in der Wüste von Heuschrecken und wildem Honig lebte. Doch auch unabhängig davon gab es in Ägypten vorchristliche Klausnergemeinden, die sich der Meditation, dem Gebet und der philosophischen Betrachtung und Diskussion ergaben, wie z.B. unter den Ptolemäern die "Katakoi" beim Serapeum in Memphis, oder im 1. Jahrhundert die Gymnosophen bei Theben oder die Therapeutae in der Nähe von Alexandrien. Christliche Asketengemeinschaften kennt man vom Ende des dritten Jahrhunderts an.

Traditionsgemäß genießt zwar Antonius den Ruf, sich als erster (312) in der Tiefe der Wüste – d.h. nicht bloß an deren Rande – angesiedelt zu haben. Doch kann man berechtigt fragen, wie viele andere fromme Männer schon vor ihm, in Stille und unerkannt, ihr Leben in tiefster Weltabgeschiedenheit auslebten. Ein solcher früher, von dem wir Kunde haben, ist Paule. Dem Sagen nach hielt Antonius große Stücke auf den alten Paule, den er über das Galâla-Plateau hinweg zu besuchen pflegte. Daß der legendäre und umstrittene Paule tatsächlich existierte und schon 30 Jahre vor Antonius im Südgalâla hauste, bezeugt mit Nachdruck Bischof Palladius. Seine Informanten waren Gefährten des Antonius, die den 115jährigen Paule im Jahre 343 in seiner Steinhöhle bestatteten. Der Legende nach verscharrten zwei Löwen seinen Leichnam. Ursprünglich war aber nicht Panthera Leo, der Löwe, gemeint, sondern eine Großkatze, Panthera pardus, ein Leopard, der damals noch häufig vorkam. Paule war in die Wüste gegangen, weil seine schöne Gattin ihm untreu war. Vom Hl. Hieronymus wissen wir, daß Paule 228 in Alexandrien zur Welt kam, wo er in seiner Jugend die Christenverfolgungen des Decius und des Valerian miterlebte.

Es ist schwer, sich vorzustellen, wie ein Bewohner des Niltales überhaupt an die entlegenen Orte der östlichen Einöden gelangen konnte, auch wenn wir wissen, daß die Wüste der südlichen Thebaïs zu Zeiten der Ptolemäer und Römer nicht ganz so verlassen war, wie in späteren Jahrhunderten. Im Süden gab es damals befestigte Handelsstraßen, Häfen, Steinbrüche mit Garnisonen und Straflager – also eine Möglichkeit der Durchdringung. Während der nächsten Jahrtausende wäre es einem Menschen aus dem Niltal schwerlich gelungen, auch nur einen der wenigen Wasserplätze zu Fuß zu erreichen, ohne vorher zu verdursten. Und wie hätte er dann sein Leben gefristet? Denn die heutige Besiedlung der Küsten ist sehr rezent, und es wird nicht jeder wie Paule (oder Elias) täglich von einem Raben mit einem Laib Brot beliefert. Es wird wohl freundliche Nomadenstämme gegeben haben, außer den mörderischen Blemmyern, diesem Schrecken der römischen Anlagen, einem hamitischen Stamm, der periodisch aus dem Süden einfiel. Ihre heutigen friedlichen Nachfolger sind, im Süden die Bégas, Abábde und Bisharîn. Nach Tregenza (Anm. 5) befinden sich bei einem noch heute sehr ergiebigen Wasserbecken im Granitstock des Gebel Qattâr südlich des "Mons Porphyrites" die Überreste einer Kirche. Mons Porphyrites ist der heutige Gebel Dochân (Rauch-umwölkt), einer der höchsten Gipfel (2.100 m) der Bergketten aus kristallinem Ergußgestein, die hier die Küste Ägyptens begleiten. Hier wurde zu Römerzeiten von Staatsgefangenen unter militärischer Aufsicht der in Rom äußerst beliebte Porphyr in ungeheuren Mengen gebrochen. Es ist ein harter leberfarbener Stein mit größeren weißen Einsprengungen, die man für Luxusbauten, Kunstgegenstände, Badewannen und dergleichen verwendete. Aus den Regierungsdaten des damaligen Bezirkshauptmannes errechnet, muß diese Kirche vor dem Jahre 339 erbaut worden sein. Daraus läßt sich schließen, daß es in dieser südlichen und noch abgelegeneren Gegend (Anm. 6) gleichzeitig mit Antonius Asketen gegeben haben muß. In welcher Weise ein solcher Wüsteneremit in eben dieser südlichen Gegend gegen Ende des 4. Jahrhunderts lebte, schildert uns Palladius (Anm. 7) in den Worten eines gewissen Poseidonius, mit dem er später in Palästina zusammen war: "Ich lebte ein Jahr lang in der Gegend des Porphyrites. Das ganze Jahr hindurch sah ich keinen Menschen. Weder hörte ich Stimmen, noch kostete ich Brot. Ich ernährte mich von kleinen Datteln und von Pflanzen, die dort wild wachsen. Einmal, als es an diesen mangelte, verließ ich meine Höhle, mit der Absicht, in die bewohnte Welt zurückzukehren. Als ich schon einen ganzen Tag unterwegs war, bemerkte ich einen Reitersmann, der einen Helm auf dem Kopfe trug und wie ein Soldat aussah. Da eilte ich in meine Höhle zurück."

Dattelpalmen gibt es zwar immer noch in der östlichen Wüste an den wenigen Orten mit genügend Grundwasser, doch kann man sich nicht bedienen; heute gehören sie bestimmten Stämmen oder Familien, die ihre Rechte geltend machen. Von welchen wilden Pflanzen aber sich ein Mensch in diesen Gegenden ernähren könnte, bleibt rätselhaft. Die wildwachsenden, meist ganz holzigen und dornigen, oft bitteren, hocharomatischen oder gar medizinalen Kräuter und Stauden eignen sich höchstens als karge Weide. Auch die heutigen Nomaden können nur vom Ertrag ihrer Tiere, nicht aber von den Pflanzen selbst leben. Angebaut wird nicht mehr als ein winziger Flecken Tabak oder ein paar Melonen.

In den darauffolgenden Jahrhunderten sollte dem Christentum in Ägypten sowie auch den Klöstern eine bewegte Geschichte bevorstehen. Schon in frühen vorislamischen Zeiten spiegeln sich die Spannungen und Intrigen innerhalb der Kirche in der Geschichte der Wüstenklöster wieder: bald befinden sie sich in Händen der "Griechen" (bzw. Byzantiner, Chalzedonier, Orthodoxen oder auch Melchiter, wie die griechischen Katholiken hießen), bald in den Händen der "Ägypter" (d.h. der Jakobiter, der Kopten). Die letzteren, die zäh an der monophysitischen Lehre festgehalten hatten, spalteten sich früh von der übrigen Christenheit ab, die sich nach dem Konzil zu Chalzedon (448) für eine Kompromißlösung zwischen der Mono- und Diphysitischen Lehre entschied, indem sie deren widersprüchliche Auffassungen als gleichzeitig nebeneinander bestehend anerkannte. Nämlich: einerseits die innigste und untrennbare Verbindung der göttlichen und menschlichen Natur Christi in einer Person, andererseits das gesonderte und unvermischte Leben seiner beiden Naturen.

Mit der Eroberung durch die Araber im 7. Jahrhundert gesellten sich noch äußere Bedrohungen zu den fortbestehenden inneren. Zuweilen waren die Beziehungen zum Islam erfreulich; so standen die ersten Kaliphen auf ausgezeichnetem Fuß mit den Äbten der Klöster. Zu anderen Zeiten kam es zu grausamen Christenverfolgungen, so zu Beginn des 11. Jahrhunderts unter El-Hâkim, als über 3.000 Kirchen zwischen den Jahren 1000 und 1017 zerstört wurden und viele Christen in die Wüste flohen. Danach plünderten die Überbleibsel der türkischen Armeen des Nasr-ed-Dûla die Klöster der Thebaïs und töteten viele Mönche. Doch waren die Wirren im 11. Jahrhundert allgemein, und Ägypten lag hundert Jahre darnieder, heimgesucht von Krieg, Erdbeben, Hungersnot und Pestilenz. Im 12. Jahrhundert, wie auch im 14., finden wir die beiden Klöster der Thebaïs, sowie auch die der Scetis (Wâdi-en-Natrûn, das Natrontal westlich vom Nildelta) wieder fest in koptischen Händen, während jenseits des Roten Meeres das Katharinenkloster im Sinai in griechisch-orthodoxen Händen verblieb.

Daß das Christentum in Ägypten die Stürme dieser finsteren Zeiten überhaupt überdauern konnte, dürfte weitgehend auf die abgelegenen Wüstenklöster zurückzuführen sein, Hochburgen, die immer wieder die geistliche Führerschaft lieferten, und zwar nicht nur die Patriarchen für Ägypten, sondern auch das Oberhaupt der Äthiopischen Kirche.

Zu den Aufzeichnungen der arabischen Geschichtsschreiber und denen der Kirche selbst gesellen sich vom 14. Jahrhundert an auch die Berichte von europäischen Pilgern, die das heilige Land über Ägypten besuchten und die beiden Klöster wiederentdeckten. Die vorhandenen Berichte sind nur spärlich und betreffen vorwiegend das Antoniuskloster, doch weisen die über das Paulekloster auf eine parallele Geschichte hin. Zum Beispiel wissen wir vom Antoniuskloster, daß Beduinen, wahrscheinlich Bedienstete des Klosters, sich am Ende des 15. Jahrhunderts des Klosters bemächtigten und alle Mönche töteten. Sie benutzten die alte Kirche des Hl. Antonius als Küche, wobei sie einen Großteil der Bibliothek verfeuerten und die Fresken verrußten. Jahrelang lag das Kloster verödet. Dann hören wir, daß im 16. Jahrhundert Amba Ghabrial, Abt des Dâr-es-Suriân (Kloster der Syrer) im Wâdi-en-Natrûn zur Instandsetzung des Antoniusklosters 20 Mönche entsandte, sowie zehn zum Wiederaufbau des Pauleklosters.

Im 17. Jahrhundert unterhielten die Franziskaner gute Beziehungen zur koptischen Kirche. Des öfteren weilten Franziskaner im Antoniuskloster, um schnell arabisch zu lernen, eine Sprache, die sie im Hl. Lande brauchten. Diese Franziskaner durften auch in den koptischen Kirchen des Landes predigen. Die Beziehungen dauern bis in die heutige Zeit an. Während der folgenden Jahrhunderte riß der dünne Faden ausländischer Besucher nie mehr vollständig ab, stieg sogar in jüngerer Zeit merklich an, so daß gegen Mitte des 20. Jahrhunderts die so wesentliche Isolation des Klosters geradezu gefährdet schien. Als nämlich in den dreißiger Jahren die bisher unpassierbaren Felsnasen des Nord-Galâla-Massivs hinter 'Ain Suchna, denen Kamelkarawanen bisher im Wasser ausweichen mußten, gesprengt wurden und dadurch der Küste entlang eine befahrbare Piste geschaffen wurde, rückten die Klöster für motorisierte Ausflügler in greifbare Nähe, und die Zahl der Besucher wuchs von etwa drei im Jahrhundert zu mehreren Hunderten jährlich.

Anmerkungen:
    • Anm. 1 
      Die Bezeichnung Kopte für den christlichen "Aegypter" stammt aus dem griechischen "Aigyptos" (Arabisch: Qibti).
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    • Anm. 2 
      "Kloster unseres Vaters Antonius"; Dêr = Kloster; Amba = koptisch: Vater.
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    • Anm. 3 
      In den alten koptischen Schriften niemals "Paulus" (arab. Bûlos), sondern immer "Bûla", ein Name, den ich aus Gründen der Differenzierung als "Paule" verdeutscht habe.
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    • Anm. 4 
      Der historische Teil des Berichts stützt sich in Einzelheiten auf die Zusammentragung von Otto Meinardus: "Monks and Monasteries of the Egyptian Deserts", Kairo 1961.
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    • Anm. 5 
      Tregenza, L.A., "The Red Sea Mountains of Egypt", Oxford Univ. Press, 1955.
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    • Anm. 6 
      Ungefähr auf der Breite von Ghardaqa (Hurghada).
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    • Anm. 7 
      Palladius, "The Paradise or Garden of the Holy Fathers...", translated by E.A.W.Budge, London 1907.
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Teil 2 Papyrus-Logo Nr. 11/89, pp. 65—70

Jüngere Vergangenheit, Zufahrten, Einrichtungen, Gebräuche

In den Jahren zwischen 1932 und 1967, einer Zeitspanne von 35 Jahren, besuchte die Verfasserin die Klöster mindestens siebenmal, sowohl vom Nildelta aus wie von der Küste her. Viele dieser Besuche (und noch mehr andere Expeditionen machte sie) gemeinsam mit Anna Escher, einer Alexandriner Schweizerin, einer unermüdlichen Reisenden in entlegene Gegenden der Welt, Bergsteigerin und guten Fotografin. Die Fotos in diesem Bericht sind von ihr. Nach 1967 sperrte Gamâl 'Abdel Nasser die Wüsten Ägyptens aus militärischen Gründen. Die Erfahrungen der Verfasserin sind hier und in den weiteren Folgen dieser Serie zusammengefaßt.

Alte Karawanenwege führen vom Nil, etwa in der Höhe von Beni Suêf, über Bir 'Araiyida ins Wâdi (sprich Uâdi) 'Áraba. Durch Kamelkarawanen, die drei bis vier Tage unterwegs waren, wurden die Klöster bis ins 20. Jahrhundert einmal des Monats von ihren Ländereien und Dependenzen bei Bûsch (120 km südlich von Kairo) versorgt. Das Antoniuskloster, sei jeher bedeutend reicher als das Paulekloster, besaß bis zur Landreform von 1960 1.600 Feddan reichstes Ackerland, wovon 52 auf den Vater des Antonius zurückgehen. Das Paulekloster besaß nur 650 Feddan, meist karges Wüstengrenzland. Nun sind beide auf 200 Feddan beschränkt. Heute werden die Klöster mit Lastautos beliefert. Das Paulekloster über Suez, das Antoniuskloster immer noch über die alte Spur, deren nördlicher Ast in den zwanziger Jahren von der Survey of Egypt, der kartographischen Landvermessung ausgefahren wurde. Dieser Weg zweigt bei den Kureimatpumpen in der Nähe des Dorfes Burumbul vom Nildelta ab (siehe Karte in Folge 1, PAPYRUS 10/89) und trifft den südlichen Ast in der Nähe von Bir 'Araiyida. Die Ausfahrt auf dieser Spur, in den dreißiger Jahren noch leicht zu finden, bereitete in den fünfziger Jahren bereits einige Schwierigkeiten. Da gab es ein Gewirr von in sich selbst zurückkehrenden Schleifen oder von in Sandgruben und Steinbrüchen blind endenden Pisten, und weit und breit keine Seele, die man hätte fragen können. Nur mit Mühe fand sich ein alter Mann, der imstande und bereit war, den richtigen Weg zu weisen. Wenig später bemerkten wir am Wegrand eine Gestalt in dunklem Überwurf hocken, regungslos, mit angezogenen Beinen und etwas gesenktem Haupt. Es war ein Toter, vielleicht schon zu Lebzeiten ausgedörrt. Wie braunes Leder, wer weiß wie lange schon gestorben, doch von Tieren unberührt und von seinem Stamm anscheinend noch nicht vermißt und gefunden.

Der Fahrweg mit aufgeworfenen Rändern, dem wir nun folgten, war offensichtlich im 2. Weltkrieg von den britischen Truppen gewalzt worden und in seinem östlichen Teil noch recht gut erhalten. Im oberen Wâdi 'Áraba hielt sich dieser Weg etwas südlicher vom eigentlichen Talboden als der alte. Er war von trockenen Wasserrillen, die durchquert werden mußten, und sandigen Senken häufig unterbrochen. Im unteren Wâdi führte er an einer winzigen "Oase" vorbei, d.h. an einigen spärlich und vereinzelt aus dem Sande ragenden Palmenblättern und einem satten Schilfbüschel, das aus einem Brackwasserloch sproß. Vom Weg aus blieb das Kloster durch Hügelketten versteckt. Man mußte ziemlich weit gegen Osten fahren, bevor man spitzkehrt machen konnte und sich in einem der nordöstlich verlaufenden Abflußbetten, und nicht quer gegen sie alle, dem südlichen Berg nähern konnte.

Seit jedoch die Küstenstraße allmählich fahrbar gemacht und infolge des Ausbaus der Ölfelder von Ras Ghârib von den Ölgesellschaften mehrmals geölt, verbreitert und makadamisiert wurde, war die Zufahrt von Suez aus weitaus bequemer und wurde allgemein benutzt. Wohlverstanden, damals nicht ohne Sondererlaubnis der Grenzbehörden, die wegen Haschisch-Schmuggels die Küsten Ägyptens scharf bewachten und keinen allgemeinen Zutritt gewährten. Erst in den sechziger Jahren wurde die Kontrolle abgeschafft.

Auf dieser Küstenstraße umfährt man die Bucht von Suez, am Gebel 'Atâka vorbei, vor sich in der Ferne den Abbruch des Nord-Galâla Plateaus. Dort, am Fuße des Berges, entspringt aus der von Binsen und Schilf durchsetzten Küstenebene eine warme Mineralquelle: "'Ain Suchna". Diese wasserreiche Quelle liegt an einer geologischen Bruchlinie, die auch bei Heluân im Niltal warmen schwefligen Quellen Austritt gewährt. Am Sinaiufer des Roten Meeres, dem östlichen Ende des Bruches, sind die heißen Quellen von "Pharaos Bad" (Hammam Phara'on) zusammen mit einer anschließenden Heißlufthöhle bei den Arabern des Sinai als Kurbad gegen Rheumatismus beliebt. Der nicht ganz körperwarme Quellstrom von Suchna schlängelt sich, versteckt und schmal durch das Dickicht des Salzsumpfes, je nach Ebbe oder Flut knie- oder brusttief, teils sogar unterirdisch, zum Meere hin, wo er den Kamelen der Küstenwache, die aus Ghubba alleine am Meeresstrand entlang kommen, als Tränke dient. Einst war die Quellgegend ein idyllisches kleines Paradies für Vögel und verschiedene Kleintiere. Doch seit man dort für die zu erwartenden Fremden ein großes Hotel baute, dessen Küchen- und Motorenfront direkt an die Bachmündung grenzt, seit die überhängenden Tamarisken geschnitten sind und der Quellbach selbst verunstaltet ist durch Stacheldrahtverhaue, Bauschutt und Müll, ist wieder einmal ein einzigartiges Wunder dahingeschwunden, wenn nicht für immer, so doch für einige Menschenalter. Von hier ab geht die Straße am pittoresken Abbruch des Nord-Galâla entlang, in dessen Schluchten hin und wieder Gruppen von Dattelpalmen (Phoenix dactylifera) die Anwesenheit von Brackwasserlöchern anzeigen, vorbei an unzähligen blauen Buchten mit Kiesstrand.

Vereinzelt stehen in der Vorebene Schirmakazien (Seyal), stachelige mimosenblütige Bäume. Vor dem Leuchtturm von Abu Darag befindet sich ein rotes Tal mit einer Gruppe von Dômpalmen (Hyphaene thebaica) an der nördlichen Grenze dieser eigenartigen tropischen Palme mit fächerförmigen Blättern und verzweigten Stämmen. Bis zum Leuchtturm bei Râs Sa'farâna in der Mündung des Wâdi 'Áraba sind es von Suez ca. 130 km. Von hier fährt man im Wâdi 'Áraba talaufwärts. Nach 30 km weist eine Tafel auf die Abzweigung zum Antoniuskloster, dessen haarscharfe Schattenlinien aus der Entfernung am Hange sichtbar sind. (Siehe Karte, 1. Folge). Bald erkennt man über dem Rechteck der Umfassungsmauern die grünen Kronen der Palmen. Fünfzehn Kilometer nach der Tafel steht man vor dem Tor des Klosters.

Fährt man zum Paulekloster, so bleibt man nach Sa'farâna noch 26 km auf der Küstenstraße. Ein 1958 errichtetes Schild zeigt die Abzweigung landeinwärts zum Kloster an, das man nach weiteren 13 km auf einer relativ gut ausgefahrenen Piste nicht verfehlen kann.

An den Mauern eines Wüstenklosters angelangt, befindet sich der Besucher vor einem gewaltigen Tor. Die Klostertore sind relativ rezenten Ursprungs. Bis ins 20. Jahrhundert bestand der einzige Zugang zu diesen Klöstern aus einem Korb, in dem Menschen wie Waren hochgezogen wurden. Dieses geschah mittels einer ganz oben aus einem Erker betriebenen Winde. Im Antoniuskloster brachen die Mönche erst 1904 mit dieser tausendjährigen Tradition, als sie zwei Engländerinnen, Miss Smith-Lewis und ihre Schwester, Mrs. Dunlop-Gibson, durch eine kleine Türe, die sonst nur einmal im Jahre für den Patriarchen (dem Oberhaupt der koptischen Kirche) geöffnet wurde, Einlaß gewährten. Im Paulekloster, das strengere Sitten kannte, mußten die Damen, in Netze aus grobem Seil eingenäht, hinaufgezogen werden, nachdem der Besuch nach langen Verhandlungen gestattet worden war und nur nachdem sich die beiden bereit erklärt hatten, sich nachtsüber in ihr Zimmer einsperren zu lassen.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts hing an einer Seite des Tores ein Seil, und der Besucher begriff bald, daß er daran ziehen mußte, wenn etwas geschehen sollte. Alsbald ertönte auch eine Glocke, und nach einer geraumen Weile erschien oben an der Mauer ein Mönch und fragte, wer man sei und was man begehre. Wünschte man das Kloster zu besuchen, wurde man nach einer weiteren Weile – denn Melden und Schlüsselholen brauchen Zeit – hineingelassen.

Äußerlich wie auch innerlich weicht ein koptisches Kloster von den in der europäischen Tradition eingebürgerten Vorstellungen ab. Vergeblich wird man Korridore mit aneinandergereihten Zellen suchen, stille Wandelgänge mit Tonnengewölben oder Mönche, die sich an Ordensregeln halten.

Nach uralter Tradition gleichen die Wüstenklöster eher einem kleinen befestigten Dorf, wobei ein größeres Areal als die bloßen Bauten von einem Rechteck gewaltiger 10—15 m hoher, begehbarer Festungsmauern umgeben wird. Im Antoniuskloster sind diese 2 km lang. Sie umschließen 18 Feddan Land: Brachland, Palmengruppen, Öl- und Obstbäume wie Zitronen, Orangen, Feigen, Guaven, Granatäpfel, Aprikosen; kleine, mit Gemüse angepflanzte Flecken, Maisstauden, Rosenbüsche; eine Anzahl straßenartig angeordneter wie auch verstreuter Gebäude. Die alten, weißgetünchten Bauten mit ihren Kuppeldächern sind ansprechend, die Neubauten meist banal, wie im Niltal. Bei jedem Besuch fanden wir die Klöster verändert. Besonders im Antoniuskloster waren Neubauten errichtet oder abgebrochen worden. Beide Klöster haben in den letzten Jahren ihre Außenmauern erweitert und sich mehr Land einverleibt. Jeder Mönch bewohnt sein eigenes Quartier oder Haus. In seiner Blütezeit beherbergte das Antoniuskloster bis zu 100 Insassen. In den 50er und 60er Jahren war ihre Zahl auf 20—25 geschrumpft, ungefähr ein Viertel seiner Gesamtstärke. Die übrigen Mönche waren teils in der Dependenz im Niltal, teils verrichteten sie dort Priesterdienste in verschiedenen Gemeinden; einige waren im Ausland. Manche besonders Strenggläubige lebten oder lebten noch vor kurzem außerhalb des Klosters in Höhlen. Die Mehrzahl der im Kloster Verbliebenen waren stumpfe Alte, meist Analphabeten, von denen man weder geistige noch sonstige Aktivitäten erwartete und die bloß in Frömmigkeit ihr Leben auszuleben hatten. Auch das Paulekloster zählte etwa 20 Mönche.

Nie fehlt im Zentrum der Klosteranlage ein massiver viereckiger Turm, Qasr genannt, eine mit einer Zugbrücke versehene Festung, die in früheren Zeiten, wenn die Mauern gestürmt wurden, die letzte Zuflucht bot. Immer enthält der Qasr einen tiefen Brunnen oder eine Zisterne. Die verschiedenen Stockwerke waren früher in Wohnteile und Kirche aufgegliedert. Jetzt dienen sie hauptsächlich als Speicher. Der Qasr im Antoniuskloster stammt aus dem 16. Jahrhundert, als das Kloster wieder neu aufgebaut wurde, doch dürfte der unterste Teil 600 Jahre älter sein.

Die ehemaligen Wirtschaftsanlagen waren zwar noch vorhanden, aber meist verwahrlost und außer Betrieb. Da waren noch das massive Holzrad der alten Mühle, einst von einem mit verbundenen Augen kreisenden Büffel oder Ochsen angetrieben, die Mühlsteine, die geschnitzten vierkantigen Holztrichter; doch längst wird nicht mehr Korn aus dem Niltal geliefert, sondern Mehl. Die alten hölzernen Ölpressen waren geborsten, auch waren die Olivenbäume krank und trugen wenig. Weiter in Betrieb waren allein die altertümlichen Backöfen, denn Brot ist eines der wenigen Nahrungsmittel, das gemeinschaftlich hergestellt wird. Es wird auf Tonscherben zu kleinen, runden recht harten Laibern gebacken. Jedes Kloster hat sein Backmodel mit eigenem Motiv, und die Brote, die besonders zu Festtagen gebacken werden, sehen aus wie große geprägte Münzen. Das alte Refektorium ist ein langer schmaler Raum mit Spitzbogendecke. In seiner Mitte läuft ein schmaler, niedriger, gemauerter Tisch, fast ein Trog, an dessen Seite auf einer kleinen Mauer einst die Mönche in gemeinsamer Mahlzeit saßen. Er wird nicht mehr benutzt. Heute ist die individualistische Tendenz wieder stärker ausgeprägt.

Jeder Mönch verpflegt sich selbst, verbraucht sein Monatsgeld, bzw. seinen Monatsproviant nach eigenem Gutdünken. In den sechziger Jahren betrug das monatliche Verpflegungsgeld drei ägyptische Pfund. (Für Bekleidung bekam jeder Mönch L.E. 12 jährlich.) Und so befanden sich in den Mönchsbehausungen oft malerische Haufen von Zwiebeln: Maiskolben, gedörrte Datteln und Kolonialwaren. Nicht selten halten sich die Mönche privat, aus ihrem kleinen Monatsgeld Haustiere wie Kaninchen, Hühner Gänse, Schafe oder Ziegen, deren Fleisch sie auch großzügig ihren Gästen anbieten. Es gab Zeiten, da der Genuß von Fleisch im Kloster untersagt war; da halfen sich die sonst so genügsamen Mönche, die doch nur einmal des Tages aßen, damit, daß sie es gelegentlich, und nicht zu Fastenzeiten, außerhalb der Klostermauern verzehrten, was man ihnen nicht verübeln sollte. In Europa trieb man es nicht anders, wenn man nicht nur Fisch, sondern sogar Biber und Fischotter als Nicht-Fleisch erklärte.

Die Mönche, die eher beschaulich als aktiv orientiert sind und sehr lange Gebetszeiten haben, bebauen ihr Land nicht eigenhändig. Sie haben Klosterdiener, christliche Bauern aus dem Niltal, die mehrere Monate im Jahre gegen Entgelt in den Wüstenklöstern dienen.

Innerhalb ihrer Wallmauern enthalten die Klöster die Hauptwasserquellen, die aus dem Fels entspringen. Im Antoniuskloster ist es der Fels, der die Südwand des Klosters bildet. Weniger reichliches und gutes Wasser ist auch in der Nähe außerhalb der Mauern vorhanden. Es wird vom Kloster beansprucht, wenn auch die Beduinen und ihre Tiere sich bedienen dürfen, bevor es im Sande versickert. Die Klosterquellen sammeln sich in mehreren sauber verputzten, eines ins andere fließenden Schöpflöchern, deren erstes felsennächstes nur zum Trinken bestimmt ist, während die folgenden häuslichen Zwecken dienen (Waschwasser für Körper, Kleider). Letztlich fließt alles in große trübe Zisternen ab, die für den Gartenbau bestimmt sind.

Die Hauptquelle des Antoniusklosters liefert täglich etwa Wasser von 23 ºC. Mit ungefähr 380 Teilen per Million Salz enthält es doppelt so viel Salz wie z.B. in den Vereinigten Staaten für Trinkwasser zugelassen ist, aber nur 2/3 dessen, was in Ägypten als trinkbar anerkannt wird. Soldaten im 2. Weltkrieg tranken ohne Schaden Wasser, das fünfmal so salzig war. Über die Jahrhunderte wird das Wasser der Antoniusquelle von verschiedenen Besuchern als "leicht" bis "sehr" salzig bezeichnet; es dürften nicht nur die Ansprüche, sondern auch die Qualität des Wassers im Laufe der Zeit geschwankt haben.

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Teil 3 Papyrus-Logo Nr. 12/89, pp 45—51

Kirchen, Fresken, Insassen (insbesondere des Antonius-Klosters)

Innerhalb der Klostermauern gibt es eine Anzahl Kapellen verschiedenen Alters, die fast alle noch benutzt werden, und sei es nur an einem Tag des Jahres: so die Sommerkirche, die Winterkirche und andere für bestimmte Festzeiten. Im Dêr Amba Antoniûs sind es sieben, im Dêr Amba Bûla vier. Ikonen zeigen Szenen aus dem Leben der Heiligen, insbesondere von Antonius und Bûla, oft zusammen; sie sind barfuß, in kurzem härenem Kittel. Antonius wird immer mit seinem Tau-Stab abgebildet, dieselbe T-förmige Krücke, auf die sich heute noch die alten Mönche bei den langen Gottesdiensten in der Kirche stützen. Bûla wird mit dem Raben gezeigt, der ihn speiste, und den zwei "Löwen", die ihn verscharrten. Die verschiedenen Kirchen sind mehrfach beschrieben worden. Hier sollen nur die beiden ältesten und weitaus interessantesten kurz erwähnt werden. Das sind, im Dêr Amba Antoniûs die alte Antoniuskirche, die in ihrer jetzigen Form möglicherweise bis ins 7. Jahrhundert zurückgeht, und deren Fresken, aus dem 13. Jahrhundert stammend, wie schon erwähnt, im 16. von Beduinenfeuern geschwärzt wurden. Einige der Wandmalereien wurden danach von einem Italiener restauriert. Im kleinen dunklen Allerheiligsten sind die Fresken, oder Teile davon, in Schichten übereinander noch erhalten. Im Kerzenlicht sieht man Details: Kreuze aus Kreisen zusammengesetzt, Engel mit merkwürdiger Flügelhaltung, auch löwenköpfige Engel, Fisch- und Taubenfriese. Die menschlichen Hauptfiguren, Kriegerheilige und andere, halten sich im Rahmen der koptisch-byzantinischen Kunst. Lohnend ist ein Gang aufs Dach dieser alten Kirche mit den Stufenkuppeln.

Kunsthistorisch eigenartig ist die alte Paulekirche im Dêr Amba Bûla, die in ihren ältesten Teilen, den aus dem Fels gehauenen inneren Gemächern, das Grab des Bûla enthalten, und die bis ins 4. Jahrhundert zurückgehen. Die Wände dieser Kirche sind reich ausgemalt mit primitiven Gestalten von urwüchsiger Kraft und Originalität. Frappant ist die Technik, die bei den Köpfen angewendet ist: Gesicht, Frisur, Heiligenschein sind, soweit vorhanden, in konzentrischen Kreisen angeordnet, mit ganz deutlich sichtbarem Zirkeleinstich im Nasenrücken. Die Augen sind überdimensional. Diese, dem Jesuiten Jullien (Anm. 1) zunach, von einem Mönch zu Beginn des 18. Jahrhunderts anläßlich einer Renovierung gemalten Figuren, sind, zumindest in den Veröffentlichungen der letzten hundert Jahre verkannt und abschätzig als "Volkskunst" abgetan worden. Der baltisch-deutsche Forschungsreisende Schweinfurth (Anm. 2), der durch seine Beschreibungen der ägyptischen Wüsten Ruhm erlangte, bezeichnete sie, dem Geschmack des vorigen Jahrhunderts gemäß, als grotesk. Ihm schließen sich Johann Georg Herzog von Sachsen (Anm. 3) und Meinardus (Anm. 4) an. Sie alle halten diese "primitiven" Bildnisse für künstlerisch minderwertig und den traditionellen des Antoniusklosters weit unterlegen. Die einzige, die bisher in einer Veröffentlichung die faszinierende Größe und Ausdruckskraft dieser Gestalten erkannte, war Ruth Reichstein (Anm. 5). Die Verfasserin dieser Zeilen, die, durchdrungen von der Verschiedenheit dieser Figuren, immer schon einen äthiopischen Einfluß vermutete, ist seit der rezenten Zweitveröffentlichung der archaischen Fresken in einigen der ältesten äthiopischen Felskirchen davon überzeugt, daß die Bildnisse im Dêr Amba Bû1a in direkter Anlehnung an solche äthiopische Vorbilder entstanden sind. In Anbetracht der engen Bande zwischen der äthiopischen und koptischen Kirche dürfte Gelegenheit zu Kontakt gegeben sein. Jedenfalls spricht der Vergleich für sich selbst. Die hier abgebildete Skizze einer "Sonne" aus der Erlöserkirche bei Lalibela (Gerster, Abb. 104), zeigt parallele Konzentrizität und die gleichen überdimensionalen Augen. In einer hier nicht gezeigten Sonne in der "Mariä Haus"-Kirche (Gerster, Abb. 72) sieht man einen Flecken im Nasenrücken, der sehr wohl der nämliche Einstich in der Nase sein könnte. Laut Gerster gilt die Tagesleuchte – die Sonne der Gerechtigkeit – als Symbol für Christus. Konzentrische Anordnung oder fast kreisförmige Gesichter finden sich auch bei verschiedenen anderen äthiopischen Christus- oder Heiligenfiguren, die teils aus dem 13. Jahrhundert stammen (vergl. Gerster, Abb. 41, 52, 53, 136, 137, 138).

Christuskopf
"Sonne" (= Christuskopf)
aus der Erlöserkirche,
einer Grottenkirche, Lalibela,
Äthiopien; skzziert nach
Gerstner (Anm. 6)

Eine Bibliothek ist entweder wirklich nicht mehr vorhanden (Besucher in früheren Zeiten sahen noch Körbe voll, oder Haufen von Büchern), oder es werden deren Reste unter den verschiedensten Vorwänden niemandem mehr gezeigt; verständlich genug im Hinblick auf die westliche Manuskriptengier und auf den berühmten, aus dem Katharinen-Kloster im Sinai "entwendeten" Kodex Sinaiticus. Ich selbst hatte in frühen Jahren noch viele zerrissene Bände offen in den Kirchen herumliegen gesehen. Die koptische Kirchensprache, d.h. die alte pharaonische Sprache, wird mit griechischen Lettern geschrieben, in einem durch mehrere Buchstaben erweiterten Alphabet. Jedenfalls ist es klar, daß unsere guten Mönche nicht die Hüter und Erhalter der Gelehrsamkeit sind.

Im Umgang sind die koptischen Mönche angenehm, höflich und gastfreundlich. Der Empfang im Kloster ist immer großzügig. Besuchern stand im Antoniuskloster ein stattliches, auf einer hohen Terrasse gelegenes Gästehaus zur Verfügung, mit Empfangs-, Wohn- und Wirtschaftsräumen. Ein Mönch war für die Besucher verantwortlich, erfüllte zuvorkommend jeden erfüllbaren Wunsch und diente als Führer. Ein anderer besorgte die unumgänglichen Tees und Kaffees. Die leitenden Persönlichkeiten machten zu angesagter Stunde einen Besuch. Es waren gebildete Leute, die auch Fremdsprachen verstanden. Danach suchten einige Mönche Kontakt und saßen freundschaftlichster Weise mit uns. Die meisten anderen hielten sich fern. Einmal in den 60er Jahren näherte sich mir und einer jungen Frau, einem Neuankömmling in Ägypten, als wir durch eine Klosterdorfgasse wanderten, ein einfacher Mönch, wahrscheinlich aus dem Bauernstand. Er wollte uns wohlgemeint etwas in den Hinterhöfen zeigen, was er für interessant hielt. Er stöberte in einer Kammer ohne Vorderwand herum und scheuchte dabei eine große Ratte auf, die plötzlich aus dem Stroh und Gerümpel herausschoß. Die junge Frau entfloh ebenso hastig mit einem durchdringenden Aufschrei. Der Klosterbruder war fassungslos und beleidigt. "Was hat denn die?" Ich: "Sie hat vor der Ratte Angst." "Was??!!" Das konnte er weder glauben noch begreifen. Ich mußte ihm noch eine Zeitlang scherzend zureden, bis ich ihn soweit hatte, daß die Empörung wich und einem verwundenen Kopfschütteln Platz machte. Wie wir noch sehen werden, genießen die Mönche eine Autonomie, die sich in verschiedenster Weise äußert.

Bei längerer und näherer Bekanntschaft nämlich, besonders wenn man der arabischen Sprache mächtig ist, können dem zuerst bezauberten Besucher aus dem Abendland, trotz aller liebenswürdigen Gastfreundschaft, gewisse grundlegende Unterschiede in der Auffassung nicht verborgen bleiben, was einige konkrete Erinnerungen illustrieren mögen.

1957. In diesem Jahre wollten wir erneut in den Spuren des Antonius wandeln und zu Fuß eine Überquerung des Galâla-Plateaus von einem Kloster zum anderen wiederholen, die einige von uns schon im Jahre 1933 gemacht hatten. Für diese beschwerliche Traversierung, die damals 18 Stunden gedauert hatte, war ein Führer unerläßlich. Doch war zur Zeit unseres Besuches kein Beduine aufzutreiben, denn alle waren anläßlich des großen Festes im "Rif" (Nildelta) versammelt. Zum "'Id el Kebîr" ("das Große"; türkisch: Bairam), dem wichtigsten im Islam, auch "'Id el Ad-ha" (Fest des Opfers) genannt, wird ein Hammel geschlachtet, zum Angedenken an das gottgeleitete Erscheinen eines Widders, als Abraham sich anschickte, seinen Sohn Ismail (nicht Isaak!) zu opfern.

Bei diesem Besuch fanden wir den jungen Mönch Boqtor el Antûni (= Viktor; im arabischen gibt es kein "w" (v)), der trotz seiner Jugend im Ruf besonderer Heiligkeit stand, in einem neuen, selbsterbauten, winzigen Häuschen am Südrande des Klostergeländes etabliert. Dieses charmante Machwerk war hinten mit der Felswand verquickt und verschmolz mit der Landschaft durch zwei aus- und abwärts geschwungene natürliche Rampen, in denen "Mastabas" (Sitzbänke) ausgemauert waren, das Ganze adrett weiß getüncht. Drinnen hatte er, um einen ebenen Boden zu erhalten, eine tief hinabreichende Felsspalte verschüttet. Seine ehemalige, eher lochartige Behausung war zur Küche geworden. Die Fassade war in großen grünen arabischen Schriftzügen mit Sprüchen bemalt, als Mittelstück: "Allah Mahábba" (Gott ist Liebe). In diesem höheren Teil des Geländes schien sich ein neues Villenviertel anzubahnen. Ziegel aus rotem Lehm trockneten dort in der Sonne. Einige Kleinhäuser standen schon. Statt der engstehenden mehrstöckigen Altbauten waren es alleinstehende Gebäude. Die Anlage war klug: zwei Zimmer mit Veranden und Fenstern im Norden wie im Süden, d.h. mit Durchzug – die klassische Anlage, die die von den Engländern errichteten Rasthäuser so luftig machte.

Abûna (auf arabisch "unser Vater"; wir würden eher "Bruder" sagen) Boqtor erschien alsbald zum Gegenbesuch im Gästehaus und lud uns eindringlich ein, ihn doch richtig zu besuchen, und mit ihm die Gipfel der Annehmlichkeiten, die seine Welt zu bieten hatte, zu teilen, nämlich bei ihm Radio zu hören und um mit ihm Haschisch zu rauchen. Unsere unverhüllte Ablehnung war dem Guten unverständlich. Wie die Hippies hielt er, vielleicht nicht zu Unrecht, Cannabis nicht für verwerflicher als Nicotiana. Und war denn nicht das unter strenger Askese einstmals verpönte Rauchen von Tabak längst wieder gestattet? Haschisch schien er jedenfalls zu besitzen. Im Jahre 1965 war diese liberale Expansion am Südrande spurlos verschwunden und alle Bauten wieder dem Erdboden gleichgemacht.

Im Frühjahr 1957 betreute uns ein gewandter junger Mönch, Dumiân el Antûni, ein Mensch von seriösem Auftreten, der sich über den Mangel an Dekorum und das lärmend kichernde Gebaren einer gemischten Besuchergruppe äußerst ungehalten gezeigt hatte. Dumiân hatte es sich in den Kopf gesetzt, uns zu Ehren am nächsten Tage ein Lamm zu schlachten, möglicherweise – Gott verzeihe mir mein böses, mißtrauisches Herz – auch weil er selbst auf diese Weise mit Anstand zu einer schönen Portion Fleisch gelangen konnte. Daß wir uns früh auf die Reifen machen mußten, um vielleicht im Paulekloster noch einen Führer für eine Überquerung im umgekehrten Sinne zu finden, schien ihm kein triftiger Grund, sondern eine lächerliche Ausrede zu sein, und er schwor, daß wir zu Mittag bleiben würden und müßten. Wir würden schon sehen, wer recht behalten würde! Unterstützt von unserem Chauffeur, der auf das Festfleisch ebenso erpicht zu sein schien wie der Mönch, sollte ihm unsere systematische Zermürbung fast gelingen. Beim Frühstück schon fing der moralische Krieg mit dem Stichwort Schaf an. Uns wird erklärt, das Tier sei schon geschlachtet; es wird mir nahegelegt, es doch wenigstens anzuschauen, unverbindlich. Ich solle doch ein Stück wählen. Noch ein Weilchen, gleich würde es geschlachtet. Unser Sträuben, meine Beteuerungen, wir müßten spätestens um 10 Uhr weg sein, meine Einwände, daß ich ohne Backrohr das Fleisch doch gar nicht zubereiten könne, werden nicht beachtet. Der Chauffeur übernahm es, eine Vorder- und eine Hinterkeule erst weichzusieden und dann abzubraten und mit der Brühe Reis zu machen, er verstünde sich darauf. Unsere wiederholten Erklärungen, wir könnten so lange nicht bleiben, wurden um so unglaubwürdiger je weiter der Vormittag fortschritt. Das Auto war gepackt, der Chauffeur verschwunden. Es wurde 11, es wurde 12, wir wurden hingehalten. Es endete damit, daß wir störrisch, nach ein Uhr, unter Zurücklassung einer Spende von zwei Pfunden, einer damals angemessenen Summe, und der noch sehr dünnen Brühe, in der dennoch alles an Geschmack zurückverblieben sein mußte, was vorhanden war, mit zwei sehr ungekochten Keulen abfuhren, mit denen wir unterwegs picknicken wollten. Dumiân, eingeschnappt, erschien zum Abschied nicht. Er hatte nun doch nicht ganz recht behalten. Die alte Ziege, denn als solche entpuppte sich das Lamm, erwies sich als unschneidbar und unkaubar zäh, von einer kautschukartigen Konsistenz und einem entsprechend reizlosen Geschmack. Vor vier Uhr nachmittags wäre sie niemals gargekocht gewesen. Wir überließen sie, am Strande, einigen sanften, rehäugigen Beduinenhunden. Es ist eine zutrauliche, manierliche, weißlich sandfarbene, graziöse Hunderasse, die sich dem Menschen stets freundlich und erwartungsvoll wedelnd nähert. Die armen Tiere plagten sich vergeblich; roh hätten sie das Fleisch wahrscheinlich viel leichter von den Knochen gerissen.

Gleichzeitig mit den Fleischmanöver lief eine andere Affäre. Schon am Vortage hatten die Mönche, die unseren so unsinnigen Traversierungsbestrebungen verständnislos gegenüberstanden, milde angedeutet, daß unser Vorhaben sehr ermüdend sei; es wäre doch viel gescheiter, wenn man schon ein Auto hatte, mit diesem zum Paulekloster zu fahren. Bei welcher Gelegenheit man vielleicht ein paar Mönche zu einer Staatsvisite mitnehmen könnte. Wir machten klar, daß unsere Autos übervoll bepackt seien, daran wäre nicht zu denken. Jetzt aber sollten wir am nächsten Morgen nur ein Mönchlein mitnehmen, das krank war und nach Ras Ghârib zum Arzt sollte. Von Sa'farâna werde er den Bus nehmen. Eine solche Gefälligkeit kann man in der Wüste schwer abschlagen, und so wurde nach längeren Besprechungen unser Widerstand gebrochen. In Sa'farâna, wo der Junge sich zu verschiedenen Gebäuden fahren ließ, wobei er mit den Leuten einige Worte wechselte, stellte es sich bald heraus, daß er erwartete, zum Dêr Amba Bûla mitzukommen. War der Bus, der zweimal die Woche verkehrte, vielleicht schon vorbeigekommen? Nein, das war er nicht. Er hatte erfahren, daß er die Zuckerration wegen Abwesenheit des zuständigen Beamten nun nicht erledigen konnte, aber vorderhand Zucker von den Mönchen im Paulekloster erhalten könnte, die dieser Tage ihr Proviantauto erwarteten. Auch schien er eine Reihe von Bestellungen für diese zu haben. Da entfuhren uns zwar heftige Worte des Unwillens ob der landesüblichen Latitüde der Angaben, doch vielleicht wußte unser Bürschchen nicht einmal, was seine Obrigkeit uns gesagt hatte, und so fügten wir uns etwas beschämt in das fait-accompli. Er war erst in diesem Jahr eingetreten, hatte noch nie das Meer gesehen und war harmlos interessiert.

Gerechtigkeitshalber muß man zugeben, daß die uns störende Natur des hier illustrierten Verhaltens keineswegs auf koptische Mönche beschränkt ist, oder auf die Menschen der Levante, wie es folgendes Begebnis vor Augen führt. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde ein junger Kopte, der in Rom katholisch geworden war, Italienisch sprach, und nun Michelangelo genannt wurde, im Antoniuskloster, anscheinend gegen seinen Willen, festgehalten. Der italienische Kardinal Massaia (Anm. 7), unterwegs nach Äthiopien, benutzte die Abwesenheit des Hegoumenos – eines hohen Geistlichen –, der zur Zeit selbst in Äthiopien weilte, um unter der Maske eines Herrn Bartorelli, unerkannt, mit Leuten aus seinem Gefolge, das Kloster zu besuchen in der Absicht, diesen Michelangelo zu entführen. Die Italiener wurden empfangen; doch wurde ihnen das Wasser der Antoniusquelle verweigert. Der Hl. Antonius habe, so erklärte man ihnen, das Wasser dieser Quelle gesegnet und ihm damit die Kraft verliehen, den Geist und die Seelen desjenigen zu reinigen, der davon trinke. Doch für einen, der daran nicht gewöhnt sei und der es ohne einen gewissen medikamentösen Zusatz trinke, der drei Tage zuvor im Wasser liegen müsse, könne das sehr peinlich werden – der Trinker werde unweigerlich in ein Weib verwandelt. Diese Chemikalie sei nun ausgegangen. Signore Bartorelli, dem es mittlerweile gelungen war, sich nächtlicherweise mit Michelangelo zu besprechen, machte sich erbötig, den Mönchen die ihm unbekannte Arznei nach Angabe in Kairo zu besorgen, falls sie ihm einen Dolmetscher, eben diesen Michelangelo mitgäben, der das Medikament dann zurückbringen würde. In der Tat wurde der erste Teil dieses Vorschlags verwirklicht. Doch kaum in Beni Suêf angekommen, setzte sich der junge Katholik mit dem französischen Konsul in Verbindung, der ihm zur weiteren Flucht verhalf.

Anmerkungen:
    • Anm. 1 
      Jullien, M.: "Voyage dans le désert de la basse Thebaíde aux couvents de St. Antoine et de St. Paul", Lyons, Les missions catholiques, 1884.
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    • Anm. 2 
      Schweinfurth, G.A.: "Auf unbetretenen Wegen in Ägypten", Hamburg 1922.
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    • Anm. 3 
      Johann Georg, Herzog von Sachsen: "Neue Streifzüge durch die Kirchen und Klöster Ägyptens", Berlin, 1930.
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    • Anm. 4 
      Meinardus, Otto: "Monks and Monasteries of the Egyptian Deserts", Cairo, 1961.
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    • Anm. 5 
      Reichstein, Ruth: "Die ersten Klöster des Christentums", in: Atlantis 10 (1959), S. 471ff.
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    • Anm. 6 
      Gerster, Georg: "Kirchen im Fels", Atlantis Verlag, 1972 (Merke: nicht eine frühere Auflage in einem anderem Verlag.)
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    • Anm. 7 
      Massaia, G.: "I mei 35 anni di missioni nell' alta Etiopia", Roma, Tipografia poliglotta di Propaganda Fide, 1886.
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Teil 4 Papyrus-Logo Nr. 1/90, pp. 60—66

Paule-Kloster: Atmosphäre, Gnitzen, Gräber, Überquerung zum Antonius-Kloster

In der Mitte des 20. Jahrhunderts (1957) waren wir wieder einmal auf dem Weg zum Paulekloster. Auf der verwitterten Asphaltstraße, deren Oberfläche aus kleinen, aber tiefen Löchern bestand, klopften und kollerten die Autos, mit einer links-rechts Vibration der Vorderräder, eine Marter für Mensch und Maschine, die erst aufhörte, als wir von der Küstenstraße weg landeinwärts auf natürlichem Lehmboden das Wâdi hinauffuhren. Sieben Jahre später war die Straße spiegelglatt und doppelt so breit. Dennoch hatten wir 1957 in nur etwas über einer Stunde eine Strecke zurückgelegt, für die wir 25 Jahre vorher fast den ganzen Tag gebraucht hatten, als wir die sandigen Unterläufe der Bachbetten, dicht mit Geröllbrocken besät, nur im ersten Gang, Schritt für Schritt durchqueren konnten, wobei wir die größten Blöcke wegschieben mußten und manch eine Grube auffüllen. Bei dieser Art der Fortbewegung auch nur 100 Meter zu bewältigen, konnte Stunden dauern. Dabei hatten wir Glück, daß wir ohne Achsenbruch davonkamen und die Abzweigung in das richtige Seitental fanden. Wir waren damals die fünfte motorisierte Gruppe gewesen, die das Kloster je erreicht hatte, und der erste Besuch seit drei Jahren. Noch 20 Jahre später war es durchaus möglich, und auch oft der Fall bei von gelegentlichen Wolkenbrüchen weggewaschenen Spuren, die Einfahrt ins enge, sich nach Nordwesten schlängelnde "Wâdi-ed-Dêr" (Klostertal) zu verfehlen, die in dem Gewirr von Hügeln ohne Spur oder gute Ortskenntnis nicht zu finden war. Bleibt man aber zu lange im flachen Haupttal, das in seinem Oberlauf fächerförmig auseinanderläuft, dann ist die Sache verfahren. Auf dem richtigen Weg bieten sich den Autos keine Schwierigkeiten, nur ganz kurz vor dem Kloster ist eine Felsschwelle, die man vorsichtig nehmen muß, dann noch eine Biegung, und man ist plötzlich und unerwartet unterhalb des Pauleklosters, das sehr schön in einem Kessel gelegen, von hier aus gewaltig groß wirkt, obwohl oder weil das Areal innerhalb der Mauern bedeutend kleiner ist als das des Antoniusklosters. Die Wohnräume überhöhen im Süden die Festungsmauern. Unter jedem Fenster zeichnen die Abwässer von Jahrhunderten die Mauern mit dunklen Guanostreifen. Auch außerhalb des Klosters gibt es, im Süden wie im Norden, Palmengruppen und Wasser.

Bei der Ankunft lieferten wir den jungen Mönch aus dem Antoniuskloster ab. Das etwas bestürzte Empfangskomitee eröffnete uns, mit viel Verlegenheit und Diplomatie, daß Frauen nicht im Kloster übernachten dürften. Wir wußten sehr wohl, daß das Dêr Amba Bûla viel strenger war und Frauen nur untertags hineindurften. Wir hatten die Absicht zu kampieren. Wir möchten doch in Suez übernachten und am nächsten Morgen wiederkommen, sie könnten leider keine Ausnahmen machen, besonders wenn, wie im Augenblick, der "Hegoumenos" anwesend sei. Dies war eine bewußte Anspielung auf die Nacht vor 25 Jahren, als plötzlich eine von uns, nach der Plateauüberquerung erschöpft und ohne Ausrüstung vor dem Tore stand (die Autos kamen erst am nächsten Morgen dorthin) und selbstverständlich von den überrumpelten Mönchen aus Gründen der Menschlichkeit aufgenommen wurde. Jetzt hielten es die Guten für undenkbar, daß wir wirklich vor den Mauern nächtigen wollten. Sie hielten es wohl für eine Finte, um sie zu beschämen, um Druck auf ihr Anstandsgefühl auszuüben. Als sie aber merkten, daß es unser Ernst war, liehen sie uns einen willkommenen Primusbrenner und wiesen uns den einzig ebenen Platz vor dem Osttor zum Zelten an. Dieser war hart und sehr steinig, ein Schutthaufen der Zivilisation, und dazu noch unerträglich schwül, da im Windschatten der Mauern gelegen. Noch nie hatten wir auf einem so ungeeigneten Platz kampiert. Da stöberte ich ein wenig in der Gegend herum, und plötzlich gab es auf einem luftigerem Abhang weichen, lockeren Boden und kleine, nicht abschüssige Mulden, die gerade einen Schlafplatz abgeben konnten. Die Klosterleute versuchten, mir das auszureden. Das sei kein guter Platz. Wozu hatten wir denn das Zelt an der Mauer aufgestellt? Etwa nur zum Kochen? Ich begriff nicht, weshalb ihnen so daran gelegen war, mein Vorhaben zu vereiteln, bis endlich einer mit der Sprache herausrückte: "Du kannst doch nicht auf den Gräbern schlafen! Hast Du denn gar keine Angst?" Es war ein Beduinenfriedhof, und in der Tat konnte man in der Dämmerung, wenn man genau hinsah, flach aufgeworfene Grabhügel mit fast verwaschenen Konturen erkennen. Meine entschlossene Entgegnung, daß der, der auf Gott vertraue und nichts Böses tue, in solchen Situationen nichts zu befürchten habe, schien ehrliches Erstaunen zu erregen und sollte noch Folgen haben.

Seit wir angekommen waren, wurden wir von den erstaunlich schmerzhaften Bissen winziger Plagegeister gepeinigt, die uns gänzlich unbekannt waren. Ungehalten über diese so unerwartete Folter, wollte ich wissen, was denn das sei. Prompt belehrte mich der Klosterdiener, der für alle fliegenden, stechenden Insekten nur ein Wort hatte: "Namûs" (Mücken), aber auf anderer Ebene differenzierte: "Wenn Du nicht nackt herumliefest, sondern ordentlich angezogen wärest wie unsere Frauen, dann wärest Du geschützt und brauchtest weder herumzuschlagen noch Dich mit diesem Medikament zu betupfen." Ich trug an jenem Tage ein Kleid mit halblangen Ärmeln, das bis zur halben Wade reichte. Entblößt waren nur Gesicht, Hals über dem Kragen, die Unterarme und die Knöchelgegend. Miniröcke kannte man damals noch nicht. Doch verglichen mit einer arabischen Frau aus dieser Gegend, die von Scheitel bis Sohle vermummt ist...

Die kleinen Fliegen hatten eine gedrungene Form, hinten verbreitert vom Winkel der gepunkteten Flügel. Es dürfte wohl eine Gnitzenart gewesen sein, d.h. Simuliden, wie sie im nördlichen Sudan (wie auch am Unterlauf der Donau) zu gewissen Jahreszeiten in Schwärmen auftreten und Menschen sowie Tiere zur Raserei treiben können. Es kommen ja auch in Ägypten gelegentliche Vorstöße gewisser Tiere vor, deren Verbreitungsgebiet normalerweise weiter im Süden liegt; man denke nur an Anopheles gambiae und die rezente damit verbundene virulente "Gambia-Fieber"-Epidemie.

Wasser bezogen wir aus "Bir Marjam" (Marienbrunnen), einem tiefbeschatteten dreieckigen Felsbecken in einem versperrten Gehege, zu dem mehrere Stufen hinabführten.

Vor den Klostermauern war es am nächsten Morgen brütend heiß. Die Butter, abends schon vorsorglich in Morgenschattenposition aufgestellt, stand plötzlich in der Sonne und war dünnflüssig geschmolzen. Zu dieser Morgenstunde waren die Simuliden nicht aktiv, doch bedeckten gewöhnliche Fliegen in schwarzen Teppichen jedes angefeuchtete Fleckchen am Boden, wo Wasser verschüttet worden war, wie auch das Frühstücksgeschirr.

Mönche
Paulekloster, Mönche in Normaltracht, 1957
Der Mönch rechts ist ein ehemaliger Juwelier
aus Alexandria.

Im Kloster saßen wir dann im Freien, auf dem noch im Schatten liegenden Platz vor der "Istirâha", dem Gästehaus, umgeben von einem Dutzend Mönchen mit ihren wilden Kranzbärten. Unter ihnen gab es ehemalige Kaufleute, Witwer, auch einen blauäugigen ehemaligen Juwelier aus Alexandrien, der gut französisch sprach. Man sieht (s. Abb.), daß die häusliche Tracht der Mönche sich kaum von der der Landbevölkerung unterscheidet – vielleicht etwas altmodischer ist und höher am Hals. Behalten wir im Auge, daß Kutte und Tonsurkäppchen der europäischen Mönche direkt aus Ägypten übernommen wurden: Es war die Tracht der Isispriester zu einer Zeit, als die Bauern noch den Lendenschurz trugen. Wir tranken Tee und unterhielten uns mit den kontaktfreudigen Brüdern. Wir hatten das gerade erschienene Buch des Frater Gabriele Giamberardini (Anm. 1), eines Franziskaners, über den Hl. Antonius und die beiden Wüstenklöster bei uns, zeigten ihnen ihre eigenen darin veröffentlichten Bilder, übersetzten Einzelheiten, die ihnen schmeicheln konnten, und übergingen geflissentlich alles, was die eigentliche Meinung des Autors verriet. Frater Gabriele, ein glaubenseifriger und idealistisch gesinnter Mann, der die Dinge nach seinen eigenen westlichen Maßstäben wertete, übte nämlich recht scharfe Kritik an den Kopten. Wir ließen ihnen das Buch als Geschenk zurück, denn, so dachten wir, bis einmal ein Mönch kommt, der Italienisch kann und es auch liest, sind wir längst alle Staub.

Das Kloster, kleiner als das des Antonius (1/7 des Areals), ärmer, strenger geführt und weniger überlaufen, strömt eine spürbar persönlichere, intimere, sehr angenehme Atmosphäre aus. Das Verhältnis zu den Beduinen scheint ausgezeichnet. Die Wüstenbewohner der Umgebung erkennen Amba Bûla als Beschützer, Heiler und Erhalter an, und die Mönche als ihre Schirmherren, an die sie sich vertrauensvoll wenden. Bei ihnen heißt das Kloster auch Dêr-en-Nimrân (Plural von "nimr", eigentlich Tiger auf arabisch, wird auch auf den Leoparden oder andere Wildkatzen angewandt und bezieht sich auf die zwei "Löwen", die den Bûla bestatteten). Die Mönche ihrerseits verwenden sich in jeder Weise für die Leute, trachten z.B. danach, ihnen Plätze in abfahrenden Autos zu verschaffen. Im Dêr Antoniûs war ich leider einmal Zeugin einer sehr verschiedenen Haltung. Einer der Mönche sprach zu einem Beduinen, der stundenlang am Tor gewartet hatte, in einem überheblich herablassenden und demütigenden Ton, der den Mann zum Bettler stempelte.

Der junge Mönch Dumiân-el-Bûli, der uns bei dieser Gelegenheit durchs Paulekloster führte und auch bediente, war ein Namensbruder des Dumiân-el-Antûni, von dem schon in Folge 3 die Rede war, nur daß er nicht im Rufe der Heiligkeit stand. Wir besichtigten das Klostergelände, gingen durch die beiden parallelen Dorfgassen, bestiegen die Mauer. Diese, mehrmals erweitert, umschloß damals im Westen einen Großteil eines gemauerten Ganges, dessen näheres Ende Lichtluken an der Decke aufwies und der das Wasser vom Ursprung der Quelle außerhalb der Mauern hineinleitete. Einige Jahre später war die Zuleitung in dieser Form verschwunden und die Quelle selbst einverleibt. Das Wasser fließt nur langsam, und im Sommer reicht die Zisterne gerade nur zum Begießen der Bäume; im Winter auch zum Gartenbau.

Der Dumiân des Pauleklosters war in anderen Berichten lobend als aufgeweckter Bursche erwähnt, denn er war zweifelsohne eine Persönlichkeit. Mir aber war er zu schlau, zu neugierig, zu eitel. Er erbat sich Zigaretten, sogar Bargeld. Er erklärte auch ohne Umschweife, nur im Kloster zu sein, um nach einigen Jahren von seinem ersparten Monatsgeld zu heiraten. Später erfuhr ich von einem Franziskaner, daß er sozusagen strafversetzt war und schon von anderen koptischen Institutionen an die Luft gesetzt worden war. Da er aber gewandt und verwendbar war, ließ man ihn hier Besucher betreuen.

Die Galâlaüberquerung sollte uns (zwei Damen allein) erst 1958 gelingen. Bei dieser Gelegenheit schonten wir die Nerven der braven Brüder, indem wir in einem Seitental (Anm. 2), ungesehen vom Kloster, bequem kampierten und erst am Morgen ankamen, Führer engagierten, das Auto zum Antoniuskloster schickten, und noch am selben Nachmittag aufbrachen. Die Überquerung, zu der manche angeblich acht bis neun Stunden brauchen (und die vor 25 Jahren 17 Stunden gedauert hatte), sollte diesmal zwei Tage und zwei Nächte dauern, da man sich leicht verirren kann. Gleich hinter dem Kloster steigt ein gut ausgetretener Pfad, an Tausenden von versteinerten und bräunlich ausgewitterten Seeigeln aus der Kreidezeit vorbei, das Umm Silma-Massiv hinauf zur "'Aqaba" (Hindernis, Steigung, Paß) und auf die "Farsch" (Plateauebene). Dieser Anstieg ist in drei bis dreieinhalb Stunden zu machen.

Oben allerdings verlaufen sich die Pfade. Zwei Routen sind möglich, eine "mehr links" und eine, über das Wâdi Riqba, "mehr rechts". Auf über 1.000 m Höhe angelangt, befand man sich, bei klarstem Sonnenschein, blauem Himmel und einer erstaunlich frischen Brise über den Dunstschwaden. In Anbetracht des drückend schwülen Wetters in den Niederungen trugen wir leichteste Kleidung und führten nur minimale Ausrüstung mit uns. Die erste Nacht war die kälteste meines Lebens. Zähneklappernd und schlaflos verbrachte ich sie in einem leichten Sack aus baumwollenem Windjackenstoff, mit allen Jacken angetan, mit Zeitungen und Landkarten ausgepolstert, die Füße im geleerten Rucksack und noch in eine dünne Plastikplane gewickelt auf der windgefegten Hochebene. Sogar unter der porenlosen Plastikhaut, unter der man theoretisch hätte schwitzen sollen, fror ich jämmerlich, denn jede Spur von Wärme wurde weggeblasen. Die Ebene blieb es, am nächsten Morgen, nicht lang, sondern entpuppte sich als neue Landschaft mit ihren Tälern, Schluchten, Bergketten und Gipfeln, so kompliziert, daß auch unsere Beduinen bald nicht mehr weiter wußten und einer von ihnen Verstärkung holen mußte. Die allgemeine Richtung war klar, nicht aber die Route. Am zweiten Abend fanden wir einen etwas windgeschützteren kleinen Graben, wo wir Suppen- und Teewasser wärmen konnten. Bald war Kontakt hergestellt, und man kam ins Gespräch; erst gaben wir Schwänke aus dem Niltal und aus der Wüste zum Besten; wir beantworteten Fragen über unsere fernen Länder, erzählten von den Alpen. Man kam sogar auf Politik. Frage: "Hat Gamâl 'Abdel Nasser wirklich die Atombombe?" Ich: "Nein, die hat er nicht!" Einer zum anderen: "Ich hab's dir doch gesagt, daß er lügt." Soviel für den unverbildeten gesunden Menschenverstand einfacher Menschen, die nicht von der Propaganda erfaßt sind und die Bewohner des Niltals sowieso nicht mögen. Ich hatte keine Ahnung gehabt, daß solche Gerüchte in Umlauf waren. Erst am nächsten Nachmittag kamen wir wieder auf einen sichtbaren Pfad, den Abstieg ins Wâdi 'Áraba. Es waren dann noch gute drei Stunden im Tal bis zum Antoniuskloster, wo wir, wie es uns alle vorausgesagt hatten, in der Tat sehr ermüdet eintrafen.

Als ich nach einer Spanne von über sechs Jahren das nächste Mal zum Paulekloster kam, stand außerhalb der Mauern vor dem Klostertor ein kleines Gebäude, eine neue "Istirâha". Zuerst wurde man in dieses Rasthaus geführt, in dem man, vor Sonne und Wind geschützt, essen und ruhen kann. Höflichkeitshalber lobte ich die Anlage und fragte, wann und warum sie denn erbaut worden war. "Euretwegen, deinetwegen." War das eine der arabischen Höflichkeiten, die ich noch nicht gehört hatte? Die nächsten Worte belehrten mich eines Besseren: "Wir können doch unsere Gäste nicht auf den Gräbern schlafen lassen!" Anscheinend waren die Mönche dermaßen erschüttert gewesen von jener besagten Nächtigung, daß sie vielleicht auch im Hinblick auf die ständig sich mehrende Häufigkeit der Besuche und der weiblichen Beteiligung, es für tunlich hielten, solchen unschicklichen Vorkommnissen in Hinkunft vorzubauen.

Mein nächster Kurzbesuch in den 60er Jahren ist mir als die "Affenvisite" in bester Erinnerung Wir hatten am Meeresstrand übernachtet und waren schon früh im Paulekloster. Es war ein frischer, klarer, sonniger Tag. Ein junger amerikanischer Zoologe war mit von der Partie. Der Klosterbruder, der uns eifrig Anlagen und Kirchen zeigte, sprach seinetwegen englisch, durchaus annehmbar; nur konnte er die unbewußten Regeln seiner Muttersprache nicht ausschalten. Im Arabischen kann man nämlich drei Mitlaute hintereinander nicht aussprechen. Bei einer solchen Folge endet die vorherige Silbe mit dem ersten dieser Konsonanten; und die beiden folgenden Konsonanten, mit einem Füllvokal, bilden eine zweite Sprechsilbe. Oft gebrauchte unser Führer das Wort "monks" ("nks"! Mönche), das er natürlich "mon-kes" aussprach. Mir war das so selbstverständlich, daß ich es nicht einmal beachtete. Unser Amerikaner aber, der in jeder Weise entzückt war, von dem was er erlebte, stieß mich verstohlen an und flüsterte "monkeys". Erst verstand ich nicht. Er aber hatte eindeutig "Affen" verstanden und jedesmal, wenn das Wort fiel, spielte ein zartes Lächeln um seine Lippen. Noch Jahre später erzählte er davon, als Clou des damaligen Ausflugs. Wir blieben nur einen Vormittag und benutzten die "Istirâha", das Gästehaus, nicht.

Nicht lange danach (1967) wurde die östliche Wüste wegen der Kriege mit Israel gesperrt, und das Gästehaus stand leer. Vielleicht war es voreilig gebaut worden, dachte ich mir. Vielleicht, hoffte ich, würde sich das Gebiet früher öffnen, als man glaubte; vielleicht aber wäre fortdauernde Isolation besser.

Anmerkungen:

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Teil 5 Papyrus-Logo Nr. 3/90, pp. 50—54

Erste Besuche nach längerer Pause

Der bisherige Teil des Mitte der 70er Jahre verfaßten Berichtes endete mit den prophetischen Fragen: "Vielleicht öffnet sich das Gebiet der Welt früher als man glaubt" – und so war's... – "Aber vielleicht wäre fortdauernde Isolation besser" – und dieser Punkt muß weiter offen bleiben.

Gamâl 'Abdel Nasser starb. Sein Nachfolger Anuar Sadât wollte Frieden und änderte die Politik. Ein Jahrzehnt nach der Wüstensperre aus militärischen Gründen hatten die bewaffneten Konflikte mit Israel ein Ende gefunden und die Ausländer durften wieder aus den Städten; und so kamen die Klöster der Östlichen Wüste wieder in Reichweite.

Unser erstes Ausflugsziel Ende der 70er Jahre war das Antoniuskloster. Es war ein sonderbarer Besuch, verschieden von allen vorigen. Unvergeßlich bleibt er in meinem Gedächtnis als der "Katzenbesuch" eingegraben. Wir wurden eingelassen und höflich gefragt, wie lange wir zu bleiben gedachten. Für die erstmaligen Besucher unserer Gruppe war ein Termin zur Besichtigung der Kirchen ausgemacht. Zwei Sachen sagte man uns. Erstens, es sei nicht nötig, unsere Küchenausrüstung den weiten Weg über die Treppen auf der anderen Seite der großen gepflasterten Piazza zum Gästetrakt hinaufzuschleppen; sie hätten jetzt eine Küche eingerichtet mit "Butagas"-Kochherd und allem Nötigen; zweitens, eindringlich, wir sollten uns vor den Katzen in acht nehmen (Katzen? Das war neu!) und unseren Proviant hüten, denn die Tiere machten sich über alles Freßbare her.

Abgesehen von der Führung überließ man uns unserem Schicksal, und wir sahen bis zur Stunde unserer Abreise keine Menschenseele. Weder gab es eine Anstandsvisite seitens der leitenden Mönche (waren diese vielleicht nicht anwesend?) noch andere Kontakte. Das Kloster war wie ausgestorben. Man hörte keinen Vogel. Nur das Rauschen der steifen Palmenwedel im trockenen Wind. Gelegentlich ahnte man, mehr als man hörte, vermischte Glockentöne oder Fetzen eines Gebetschors. Wir wanderten frei im Klostergelände, und es war unheimlich schön. Wir genossen die Stille, die Einsamkeit, die sonnigen Tage und die Vollmondnächte. Getrübt war mein Genuß nur eben von der Küche und den Katzen.

Vor dem Ofen hatte ich nämlich Angst. Da, wo die Kochflammen hätten heizen sollen, war das Feuer äußerst schwach oder ersterbend, denn nach Öffnen des Flaschenhahnes entwickelte das Gerät zu viele spontane Nebenflammen an allen Anschlüssen, Fugen oder zwischen den Schlauchenden. Noch bedenklicher schien es mir, wenn sich diese nur teilweise entzündeten. Dann roch es nämlich bald nach ausgeströmtem Gas, und ich erwartete ständig den großen Knall. Es war schwer, mich zu bewegen, auch nur Teewasser aufzustellen. Die anderen nahmen das aus der Entfernung nicht zu ernst und scheuten eher vor der Entfernung des verschlossenen Autos zurück, und daher kochten wir nur ein Minimum.

Mehr Kummer aber bereiteten mir die Katzen. Es war ein vielleicht 5-köpfiges Rudel von zum Verwechseln ähnlichen Tieren mit großen rötlich-gelben Flecken auf weißem Grund, wahrscheinlich eine Mutter mit etwa acht Monate altem Nachwuchs. Wir hatten unsere festverschnürten Rucksäcke für katzenfest gehalten und ebenso ihren Inhalt von Konservendosen und Aluminiumschachteln, und Säckchen mit Kartoffeln und dergleichen für uninteressant. Dem war aber nur teilweise so. Nachdem jemand eine Türe offengelassen hatte, fanden wir einen Rucksack geöffnet, einen Brotsack herausgezogen und aufgerissen und mehrere Stangen angeknabbert. Die Tiere hatten das Brot offenbar gerochen. Wir vertrieben sie zwar, aber sie taten uns leid und wir wollten sie füttern. Und das war leichter gesagt als getan. Sie stürzten sich keineswegs auf alles Eßbare, zumindest in unserer Anwesenheit, sondern betrachteten unsere Gaben: Schälchen mit aufgelöster Kondensmilch, mürbes Pökelfleisch, Sardinen, auf Distanz. War das ein Tabu betreffs Teller auf dem Boden? Kannten sie diese Art von Nahrung nicht? War's nur Mißtrauen? Jedenfalls war es uns bald klar, daß auch keine Katze eine andere heranließ. Fütterung funktionierte bloß mit festen Brocken, die sich als solche davontragen ließen. Hatte eine Katze ein hingeworfenes Stück Brot ergattert, so jagte sie in rasender Eile davon, die ganze Meute ihr dicht auf den Fersen. Und die anderen Brotstücke blieben unbeachtet am Boden liegen. Lautlos hetzten sie die Veranda entlang, über den großen gepflasterten Platz auf das Wohnviertel hin, bis sie zwischen den Bauten verschwanden. Nach einer Weile waren sie alle wieder da, und das Spiel wiederholte sich. Wir fanden es schwer, uns vorzustellen, was am anderen Ende vorging und in was für einem Schlupfloch das siegreiche Tier fressen konnte – vielleicht mit dem Kopf in einer engen Öffnung eingezwängt, so daß ihr niemand den Bissen Brot entreißen konnte. Jedenfalls war es der krasseste Fall von Brotneid, den ich je erlebt hatte.

Jahre später hatte ich Gelegenheit, auf freier Wildbahn ein psychologisch ähnliches Verhalten zu beobachten. Es war in Ostafrika. Eine Schar von mehr als 25 Geiern umringte in 2—3 m Abstand den noch intakten Kadaver eines Zebras. Unsere Nähe schien sie nicht zu stören. Fast bewegungslos belauerten sie sich gegenseitig. Sobald ein Vogel aber Anstalten machte, einen Sprung näher zu hüpfen, wurde er von den Nachbarn durch Schnabelhiebe und kräftige Flügelstöße daran gehindert, und so hielten sie einander in Schach. Weiter geschah nichts. Es war genug Nahrung da für doppelt so viele Geier, aber keiner gönnte dem anderen einen Bissen und keiner kam zum Fressen. Zwanzig Minuten sahen wir uns das an. Die Vögel hatten offenbar mehr Zeit als wir – und da die Situation auswegslos schien, fuhren wir davon. Und wenn sie nicht Hungers gestorben sind, so stehen sie dort noch heute.

Doch zurück zu den heißhungrigen Klosterkatzen. Sie waren noch nicht ganz ausgezehrt und total erschöpft, aber sicher nicht ausreichend ernährt und wahrscheinlich nur mit Brot. Was sollte aus ihnen werden? Wie sollte das weitergehen? Mir ging ihre düstere Zukunft nahe, denn auch zuhause in Maadi hatte ich ständig mit Katzenproblemen zu kämpfen. Neugeborene wurden mir immer wieder in die Gartenhecke gesetzt, wo sie des nachts wimmerten, bis die Eule sie holte. Regelmäßig liefen einem Katzen zu, die Außentreppen hoch bis auf die oberen Veranden. Meine gutherzigen Nachbarn hatten es bis auf 18 Stück gebracht, die sie ernährten; aber als sie das Land verließen, ließen sie sie zurück in der frommen Hoffnung, daß sie sich verlaufen würden. Ich selbst wollte nicht mehr als meine zwei Hauskatzen haben und mußte, wenn auch schweren Herzens, 2 bis 3 mal im Jahr die Würfe erledigen. Ach, die Vorhaltungen meiner Dienerschaft! Ich solle meine Seele nicht mit Sünde beladen und sie doch lieber aussetzen, woandershin transportieren; Gott würde sorgen. Prinzipiell will das ägyptische Volk nicht eingreifen, auch wenn es den Nachwuchs nicht ernähren will. Das wäre frevelhaft. Außerdem bringt es besonderes Unglück, was Katzen anbelangt, ein Glaube, der sich noch aus pharaonischen Zeiten erhalten hat, als Katzen heilige Tiere waren, und das Töten einer Katze unter Todesstrafe stand.

Baulich waren die Veränderungen im Antoniuskloster nur geringfügig. Die Quelle war etwas anders gefaßt. Das "Häuschen" ein paar Treppen hoch hinter dem Gästetrakt war verschwunden, ersetzt durch eine Reihe von ungedeckten Kabinen mitten am Platz, deren Türen klapperten und knarrten.

Nicht allzulange nach diesem ersten Wiederbesuch schien das Antoniuskloster aus seinem Dornröschenschläf erwacht zu sein und in seiner Gastfreundschaft zu funktionieren wie zuvor. Daß es in einen Kompetenzstreit mit den Obrigkeiten verwickelt war, konnte man schon in Kairo feststellen. Es waren nämlich in der Tagespresse Anzeigen erschienen, daß der Besuch der Wüstenklöster während der vorösterlichen Fastenzeit, außer mit Erlaubnis des Patriarchats (Batrakhâna – Anmerkung) untersagt war. Nun wollte aber ein österreichischer Bekannter von mir während unserer Osterferien (die in jenem Jahr einen ganzen Monat vor den koptischen lagen) das Antoniuskloster besuchen. Da ging ich zum Patriarchat, um ihm die nötige Genehmigung zu erwirken. Dort wurde ich übel empfangen. Der amtierende Priester fauchte mich an: "Die Brüder sollten lieber beten, statt sich mit den Ausländern zu amüsieren. Es gibt keine Erlaubnis." Und ich mußte unverrichteter Dinge abziehen.

Mein Schützling kam trotzdem und fuhr zum Kloster. Dort fand er mehrere Autos außerhalb und allerhand Fremdenbesuch innerhalb der Mauern. Entweder hatten diese Leute die Zeitungen nicht gelesen oder sie waren routinierter, weniger naiv als ich. Die Frage, warum es in Kairo hieße, man dürfe die Klöster derzeit nicht besuchen, wurde mit einem lächelnden Achselzucken quittiert.

Kurz danach kam die Reihe ans Kloster der Bûla von Theben. Da war allerhand im Gange. Das Eingangstor, früher unter dem Erker mit der Aufzugswinde gelegen, war von seinem alten Platz verschwunden. Die Toröffnung befand sich jetzt in einer neuen, rechtwinkelig vorspringenden Erweiterung der Vordermauer, deren alter Teil niedergerissen war. Davor wurden die Mauern eines viel geräumigeren Gästehauses errichtet. Im Innern war ein größerer Platz freigeworden. Dort stand ein verglaster Kiosk, für den Verkauf von Broschüren, Flugblättern, Heiligenbildern, usw. bestimmt.

Im Kloster fanden wir junge Mönche von einem anderen Schlag, in veränderter Tracht, nicht nur in Bezug aufs Gewand, sondern besonders in der Kopfbedeckung. Diese bestand nicht mehr aus dem runden Scheitelkäppchen, sondern aus einem unter dem Kinn zusamengebundenen Häubchen, wie es auf alten Bildern gezeigt wird. Das Häubchen besteht aus zwei viereckigen Stücken von dunklem Stoff, mit einer weißen Mittelnaht. Es trägt zwölf gleicharmige weiße Kreuze, für jeden Apostel eins, sechs auf jeder Seite und ein 13. am Hinterkopf für Jesus Christus.

Diese neue Generation von Klosterbrüdern war besser beschlagen als ihre Vorgänger. Diese kannten zwar die alten Legenden und konnten die Bilder und Malereien erklären, doch von unserem jetzigen Betreuer konnte man Dinge erfahren, von denen wir noch nie gehört hatten. Auf die Frage z.B., wie der Berg "Clysma" heute heiße, an dessen Fuß das Antoniuskloster gelegen sei (das heutige Suez hieß übrigens in der Antike auch Clysma) sagte er uns, der Berg hieße auf arabisch "Kalsûm". Es sei derselbe Name wie derjenige, der in der gesamten arabischen Welt berühmten ägyptischen Sängerin Umm Kalsûm. Er wies uns auf Kolonien von Eremiten hin, die in frühen Zeiten in den Lehm- und Schotterbänken des küstennahen Vorgebirges Kammern ausgehoben hatten, die noch heute zu sehen sind.

Die Mönche erwiesen sich als sehr gastfreundlich. Nachdem sie gehört hatten, daß wir in Sa'farâna nicht hatten tanken können, weil es seit mehreren Tagen keinen Benzinnachschub gegeben hatte und dort mehrere gestrandete Autos standen, überließen sie uns den letzten Rest ihres Treibstoffes, obwohl sie ihn selbst für ihren Dynamo brauchten. Das reichte gerade für den Rückweg, und wir konnten sogar einige Passagiere nach Kairo mitnehmen. Die Brüder weigerten sich, Bezahlung anzunehmen, und wir mußten ihnen eine Spende "für die Kirche" förmlich aufdrängen.

Anmerkung:
    • Die traditionelle Bezeichnung für das Oberhaupt der christlichen Ostkirchen ist Patriarch (von Pater = Vater; arab. Batrâk), während für das Oberhaupt der katholischen Westkirche, den Bischof von Rom, das Wort Papst gebräuchlich ist (v. Kirchenlatein "papa", ebenfalls Vater). Seit einigen Jahrzehnten erhielt das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche den Titel Papst (arab. Bâba), doch sind weiterhin beide Namen in Gebrauch.
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Teil 6 Papyrus-Logo Nr. 4/90, pp. 61—65

Veränderungen im letzten Jahrzehnt

Im Antoniuskloster, das ich das nächste Mal im Jahre 1985 besuchte, waren nun auch bauliche Veränderungen unübersehbar. Gleich links vom Eingangstor innen an die Außenmauer angebaut, war ein neuer Gästeflügel entstanden. Das Dach dieses Gebäudes griff so auf die Festungsmauer über, daß diese nicht mehr begehbar war. Der Trakt enthielt Unterkünfte und, zu ebener Erde, eine Küche und einen großen Speisesaal mit langen Tischen und Bänken. Hier wurden die Wohngäste des Klosters verpflegt, schichtenweise, man konnte aber auch dort Mitgebrachtes verzehren. Diese Neuerungen waren eine Folge der vom Reformer "Abuna Matta" (unserem Vater Matthäus) angeregten inneren Mission und Renaissance der koptisch-orthodoxen Kirche. In dem nun aktiven Sozialprogramm der Kirche wurden koptische Familien angeregt, eine Zeitlang in den Wüstenklöstern zu verweilen, um sich dort, in Stille und Beschaulichkeit, abseits vom Trubel der Welt zu besinnen. Im Kloster wurden sie gut betreut: es gab spezielle Gottesdienste, Unterweisung in der Religion, Anweisungen über christliches Verhalten, erbauliche Gespräche. Ganz offenbar füllte ein solches Programm eine Lücke aus, wurde einem seelischen Bedürfnis gerecht, denn es war beliebt und es fehlte nicht an Teilnehmern.

In der 2. Hälfte der 80er Jahre war es offensichtlich, daß die Klöster mit einem Satz im 20. Jahrhundert gelandet waren. An Wochenenden und Feiertagen waren sie förmlich von Besuchern überlaufen; da standen Gruppen von Autobussen und Privatautos vor ihren Mauern. Der gesteigerte Fremdenverkehr war auch wesentlich unterstützt durch den tadellosen Ausbau des Straßennetzes, sowohl der Küstenstraße wie auch zweier Straßen vom Niltal zum Roten Meer, eine im Norden von Kairo über Maadi nach Suchna (Maut L.E. 1,- pro Auto) und eine im Süden über Heluan und Burumbul nach Sa'afarâna. Diese brachten die einst entlegenen Klöster der Hauptstadt um Stunden näher. Es heißt, daß die Mönche die Abzweigungen von diesen Straßen eigentlich nicht gewollt hatten, doch daß die Regierung ihnen diese doch bis vor ihre Tore gesetzt hatte, weil der Tourismus heute im Lande höchste Priorität genießt.

Auch andere Zeichen zunehmender Modernisierung und Anpassung an europäische Normen waren deutlich erkennbar: auf Wegweisern, Landkarten, in verschiedenen Schriften. Da wären die althergebrachten Namen der Klöster und der beiden Heiligen zu nennen: z.B. erscheint "Amba" (koptisch: Vater) oder "Mari" (vom syrischen "Mar", Herr), in Anlehnung an unser "sankt", manchmal als "el Muqaddis" (eine arabische Übersetzung: "der Geheiligte"). Ebenso sieht man jetzt öfters "Bûlos" oder "Bôlos" statt "Bûla", um dem Verständnis und Gebrauch der Fremden entgegenzukommen. Statt des alten graeco-romanischen Namens "Antoniûs" findet man seine französische Form "Antoine", aber in englischer Phonetik, als "Antwân".

Heutzutage gibt es mehr Nachwuchs an Mönchen als zuvor, und daher sind auch die Wüstenklöster stärker besetzt. Die Anlagen sind gepflegter; das bedeutet aber auch, daß die ehemals pittoreske Asymmetrie des Geländes zum Teil einer mehr nüchternen Ordnung gewichen ist. Man sieht seltsame krumme Pfade und natürlich gewellten Boden; neue Rabatten und Fenster sind streng rechtwinkelig, Wegstrecken sind geradlinig eingefaßt, Unebenheiten planiert und oft gepflastert, rundliche Formen nicht mehr ellipsoid oder amöbenförmig, sondern mit dem Zirkel gestochen.

Im vergangenen Jahr (1989) inspizierte ich das Paulekloster einmal, das des Antonius zweimal.

Ich fand die Zufahrt zum Dêr Amba Bûla, die südlich von Sa'afarâna abzweigt, bestens markiert und asphaltiert. Die einzige vormals schwierige Partie, eine Felsplatte knapp vor der letzten Biegung des Seitentales, war verschwunden. Auch waren einige kleine Hügel dicht vor dem Kloster abgetragen worden, so daß man das Kloster schon von etwas weiter weg voll sehen konnte. Statt dessen befand sich da ein riesiger Parkplatz. Das grüne Gehege und die Palmen im Süden der Mauern, die einst Bir Mariam (den Marienbrunnen) umgaben, fehlten, und desgleichen der Palmenhain, der vormals das Gelände nördlich der Klostermauern verschönt hatte. Das stattliche Gästehaus, das ich zuletzt in Bau gesehen hatte, war längst fertiggestellt. Das Ausmaß der Neubauten innerhalb und außerhalb der Mauern setzte mich in Erstaunen: da gab es Werkstätten, Hallen, Reihen von adretten kleinen Wohnhäusern für die Mönche. Auch war das Kloster nicht hermetisch verschlossen wie einst, sondern das Tor stand offen, und junge Mädchen wie Mönche gingen ein und aus.

Entsprechende Veränderungen fand ich auch im Dêr Amba Antoniûs. An der neu asphaltierten Abzweigung etwa 25 km westlich von Sa'afarâna stand ein Gerüst, bestehend aus Metallnetz, fest in Betonblöcken und -säulen verankert, das es mit jeder Lichtreklame auf den Dächern des Tahrir-Platzes hätte aufnehmen können. Es war der neue Wegweiser, der eine frühere bescheidenere kniehohe Holztafel ersetzte. Ich sah diese Pracht nie bei Nacht, nur später die großen Neonlichtkreuze auf den beiden Türmen der Kirche, die sich sehr gut ausnahmen. Vor dem Kloster stand ein hoher Sendemast, wie sie heute im Rahmen der drahtlosen Telefonie vielerorts in der Wüste anzutreffen sind. Ebenfalls vor dem Kloster standen im flachen Bogen die Fassaden vieler zukünftiger Fremdenunterkünfte. Jede Einheit bestand aus drei hohen schmalen Bögen, deren mittlerer etwas höher war. Auf der Westseite des Klosters war dicht am Fels ein Steinbruch, dessen frische weiße Bruchflächen im scharfen Kontrast zu dem bräunlich verwitterten Gestein des Berges standen. Dort war auch in der Festungsmauer eine enorme Bresche geschlagen worden. Auf der Ostseite des Klosters fuhren wir im heiligen Gelände nahe am Berg umher, um dort einen geeigneten Campingplatz zu suchen. In einer kleinen Mulde stießen wir auf ein animiertes Ballspiel, dessen Spielregeln ich nicht zu durchschauen vermochte. Es gab nur eine Mannschaft: ein junger Mönch mit einer Gruppe von Bauarbeitern, die sich hier nach Feierabend austobten. Es gab nur ein Tor: zwei aufrechte Holzpfeiler mit einem hohen Querbalken. Als wir kamen, stürzten gerade alle eifrig den Hang hinauf. Vielleicht übten sie nur, wie man einen Fußball ergattert und mit dem Fuß gezielt durch die Luft fliegen läßt. Wir beschlossen, die Nacht in ebenem Terrain nördlich des Klosters zu verbringen und fuhren vorderhand zum Kloster zurück.

Auch hier war das Tor weit offen. Eine koptische Familie wanderte gemächlich umher, und mehrere Mönche ergingen sich, jeder für sich, auf verschiedenen Pfaden. So etwas wäre in früheren Jahrzehnten undenkbar gewesen. Wir sprachen eine Weile mit einem von ihnen, und zum Abschied schenkte er mir, als ich es bewunderte, ein koptisches Kreuz, das er an einem Riemen um den Hals getragen hatte. Es war ein aus schwarzen und weißen Kunstlederstreifen in kunstvollen Spiralen zusammengenähtes Gebilde. Das war im Juli. Im Oktober war das Fremdendorf bedeutend weiter fortgeschritten. Die Bresche in der Westmauer war mit hellem Stein zugemauert. Darin befand sich eine in der mächtigen Mauer klein wirkende Tür, die aber gar nicht so klein war. Vor dem Tor sah ich zum ersten Mal in 60 Jahren Vögel, hauseigene und zugereiste. Eine Schar von Haustauben saß oben auf der Mauer. Gelegentlich flatterten einige oder auch der ganze Schwarm auf, ließen sich irgendwo in der näheren Umgebung nieder und flogen nach einer kurzen Weile wieder auf die Zinnen zurück. Es schien zwecklos, bloß ein Trieb zur Bewegung. Nicht so aber die Schwalben, diese glitten in schwungvollen Kurven vor der Mauer auf- und abwärts, etwas im Fluge erhaschend. Anscheinend gab es dort, vom Winde geschützt, fliegende Insekten, vielleicht Fliegen. Es waren wohl Zugvögel, die hier auf ihrem Weg nach Süden haltgemacht hatten.

Während der kurzen Spanne von sechs Jahrzehnten hat die Verfasserin dieser Zeilen den allmählichen Wandel in den Klöstern der Thebaïs persönlich verfolgt. Es ist klar, daß die Veränderungen im letzten Jahrzehnt in beschleunigtem Tempo verlaufen sind und auch tiefer greifen. So wie die Dinge jetzt stehen, geht die Abgeschiedenheit der Klöster, die einst ihre Stärke ausmachte, für die absehbare Zukunft zu Ende, mit ihr aber auch die Stagnation. Unweigerlich aber werden diese ehrwürdigen Einrichtungen, die sich 16 Jahrhunderte lang wechselnden Umständen angepaßt haben, auch in Zukunft ihren Weg gehen und ihre neue Mission erfüllen.

Punkt Punkt Punkt

 

Fingerzeig Zum 1. Teil über "Christliche Klöster"
         Vom Felsspalt zur Klostermauer – Klöster in Ägypten
         Wadi Natrun – Ausflug ins Paradies
         Das griechische Kloster der heiligen Katherina im Sinai
         Die Ikonensammlung im Katharinenkloster
         Der brennende Busch im Katharinenkloster beim Mosesberg
         Das Mysterium des brennenden Busches

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