Tourismus in den Oasen
Tourismus und traditionelle Lebensformen in den ägyptischen Oasen
Nr. 1/84, pp. 4043 Die fehlende Notwendigkeit, etwas über die Lage der Oasen in der Westlichen Wüste und Zugangsmöglichkeiten zu ihnen am Anfang dieses Beitrages schreiben zu müssen, ist bereits der Grund, der mich gerade zu diesem Thema gebracht hat. Fast jeder Deutsche in Cairo oder Alexandria war wenigstens einmal in Bahriya, Farafra, Dakhla oder Kharga und weiß, an welcher Quelle das Wasser am schönsten, der Zeltplatz am angenehmsten und die "Belästigung" durch die nun leider einmal vorhandenen Eingeborenen am geringsten ist, oder? Ich kann leider nichts Grundlegendes gegen diese Reisen unternehmen, zumal die ja auch noch nebenbei etwas Bildendes an sich haben, etwa im Sinne des deutschen Erholens und gleichzeitig Fortbildens, was so viele Reiseveranstalter von Studiosus bis Rotel-Tours am Leben erhält. Die einzige Möglichkeit, die ich als Völkerkundler habe, ist vielleicht diese Gelegenheit, auf einige Probleme des Tourismus in den Oasen hinzuweisen, verbunden mit der Hoffnung, daß sich doch das eine oder andere bei zukünftigen Fahrten berücksichtigen läßt (damit sind auch Sie, verehrte Dame, verehrter Herr gemeint, der das Sammeln von Schmuck als eine wissenschaftliche Angelegenheit auffaßt und Loslösen eines Ohrrings oder Armreifs vom Ohr oder Arm der Frau mit Humboldt begründet!).
Zugegebenermaßen mit einigem Recht sind die Farafra-Decken beliebt. Wußten Sie, daß noch Anfang Januar 1981 (zwei Monate vor Eröffnung der Straße von Dakhla) eine Decke nur als Ausnahme zu kaufen war, da die Weber nur für Farfaronis webten, die ihnen Wolle gaben, wofür sie als Arbeitslohn 3 LE erhielten? Mitte des Jahres bereits kostete die gleiche Arbeit das Doppelte und erforderte monatelange Wartezeiten. Der Grund: die Weber webten jetzt für den Verkauf, denn von Touristen ließ sich durch eine Decke mühelos ein Gewinn von 1215 LE erzielen. Die Farfaronis, ob sie nun Wolle hatten oder nicht, mußten sich ihre Decken woanders kaufen, in Cairo, 20 LE für Synthetik oder 15 LE für schlechteste Reißwolle. Vorher kostete sie die Decke wie gesagt 3 LE Bargeld und die Wolle der eigenen Schafe. Die Bahriya-Scheibe hat eine längere Ausverkaufstradition. Wenigstens seit Mitte der siebziger Jahre ist sie bekannt, beliebt und damit bereits gekauft. Zur gleichen Zeit galt sie aber keineswegs als abgelegt, sondern wurde noch von mehreren Händlern für Frauen aus der Oase verkauft. Abgesehen davon, daß der Kauf quasi von der Brust eine kulturelle Seite hat (davon später), trat durch den Touristeneinkauf eine Verschiebung der ausgeglichenen Angebots-Nachfrage-Beziehung ein, so daß die Preise innerhalb der Oase von ca. 1,25 LE (1977) auf bald 6, 8 und sogar 10 LE 1981 anstiegen. Frauen aus der Oase wurden aus der Konkurrenz geworfen, die Bahriya-Scheibe wurde zum Bahriya-Souvenir. Daß es mit der tarha (Schleiertuch aus Bahriya), quffas, tabaqs etc. nicht anders ist, könnten andere Beispiele aus Dakhla, Kharga oder Bahriya belegen. Generell gilt aber, daß dort, wo sich Fremde in den Kauf eines traditionellen Oasenproduktes mit begrenztem Angebot einmischen, die Einheimischen bald aus dem Rennen sind. Die kulturelle Seite Die Mädchen in Siwa sind nicht nur persönlich schön, sondern mit ihrem Silberschmuck auch in dieser Form ein Erlebnis. Dabei sind es leider gerade jene Ausländer, die im Gegensatz zu vielen "modernen" Ägyptern die traditionellen Kulturen nicht als peinlich, sondern als kulturelles Erbe auffassen, daran Schuld, daß die Mädchen von Siwa immer weniger Schmuck haben und bald Cairener Plastik zu ihren Synthetikkleidern tragen werden. Ähnliches gilt für die Frauen in ihren typischen Dakhla- oder Kharga-Kleidern, aber auch für das gesamte traditionelle Inventar, denn offensichtlich ist kein Gold- oder Silberschmuckstück zu teuer, keine steinerne Handmühle zu schwer und kein mittelalterlicher Schriftbalken in Dakhla zu lang, als daß man ihn nicht als Wohnzimmerdekor nach Cairo entführen könnte. Das gilt natürlich nicht allein für Deutsche, sondern insbesondere auch für die in Ägypten lebenden Amerikaner. Mit einigem Recht werden Sie jetzt sagen, daß aber viele Leute aus den Oasen ihr traditionelles Inventar zum Verkauf anbieten, Ihnen bisweilen förmlich aufdrängen. Das ist auf der einen Seite richtig, aber bedenken Sie doch bitte, wie alles angefangen hat. Als die ersten Besucher, vor allem nach der Asphaltierung der Hauptstraßen in die Oasen kamen, gab es doch noch kein Angebot. Erst als einige Besucher Schmuckstücke quasi vom Ohr, Hals, vom Arm, den Fußgelenken oder der Nase mit geradezu astronomischen Preisangeboten abkauften, entstand doch die Idee, Dinge des wie man meinte Alltages gegen teures Geld zu verkaufen. Erst als man merkte, daß die Fremden offensichtlich für normale Dinge sehr viel Geld bezahlen, entstand das Ihnen heute manchmal sogar schon fast lästige Angebot. Bitte führen Sie jetzt nicht das Argument an, der Zug sei längst abgefahren. Erstens ist das keine Entschuldigung und zweitens wird auch heute noch das meiste von der Person weg gekauft, was vor allem für den Schmuck gilt. Zum anderen wäre es nicht schlecht, wenn man die Oasenbewohner durch eigenes Verhalten dazu aufmuntert, sich zu ihrer eigenen Kultur zu bekennen.
Hoffentlich fühlt sich jetzt nicht jemand persönlich angegriffen, nämlich
jener, der das Faß in Farafra zum Überlaufen brachte aber ich glaube, es
waren diesmal sogar die anderen, jene Italienerinnen mit Bikini im
Trinkwasserbecken der Ortschaft. Nachdem man einige Jahre und Monate in der Oase
verunsichert und sogar erschreckt beobachten konnte, wie Reisende am neuen
Dorfbrunnen von Qasr-Farafra aus ihren Autos ausstiegen, wie Frauen ihren Bikini
diskret anzogen und dann gemeinsam mit den Männern (was wäre auf Sylt schon
daran aber wir sind nunmal einige tausend Kilometer von dieser Insel entfernt)
in das Becken gingen, wo Minuten zuvor noch Frauen Wasser geholt hatten und nach
Sonnenuntergang Männer und Jungen sich zu waschen pflegten, ließ der
Bürgermeister das Becken zudecken. Die moralische Empörung und Verunsicherung
war zu stark, als daß man diesen Affront länger hätte ertragen können.
Abgesehen davon, daß die normale Funktion des Beckens, u.a. eben die
Trinkwasserversorgung, während der Badezeiten außer Kraft gesetzt wurde, sei
die moralische Seite, hier das Verhältnis von Sexualität, Moral und Islam
gemeint, nicht unerwähnt. In einer Gesellschaft, wo noch heute Shorts und
Träger-T-Shirts von Frauen getragen als nackt bezeichnet werden, sollte man
soviel Rücksicht doch auf die herrschende Moral nehmen und diese Form des für
uns ganz normalen Verhaltens unterlassen abgesehen davon: hätten Sie es
gerne, wenn jemand in ihrem Bier herumläuft? Es hilft keineswegs weiter, ist im
Gegenteil erschreckend, daß später das Gouvernorat wieder gebot, den Brunnen
aufzudecken, mit der Begründung, Touristen seien ein Wirtschaftsfaktor, und
darum müsse man auch eine Verletzung der eigenen Gefühle ertragen.
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Der Brunnen von Farafra ist nur ein winziger Aspekt des Themas Sexualität. Jedes auffällige Benehmen, Tragen von Shorts, ärmellosen T-Shirts etc. in den Ortschaften führt zu Verunsicherungen und kann durchaus auch einmal zu Haß führen. Noch ist die einmal in einer Oase vorgekommene Vergewaltigung einer Europäerin (sie war übrigens wenigstens ebenso wie die Täter an dem Vorfall schuld) erfolgreich vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten worden, was aber keine Garantie für die Zukunft ist.
Dieser letzte Abschnitt meiner Überlegungen ist ebenso den doch so aufgeklärten Alternativtouristen gewidmet wie den Cairo-Wochenendfahrern. Gastfreundschaft ist ein Thema, das für die Oasenbewohner eigentlich gar kein Thema ist, denn es ist eine Selbstverständlichkeit. Nur, ebenso selbstverständlich ist die Ablehnung der Gastfreundschaft, wenn sie nicht benötigt wird. Wenn in vielen Orten kein Brot verkauft wird, so ist das kein Argument, sich den Magen mit kostenlosem Fleisch und Geflügel (letzteres oft nur für den Gast allein geschlachtet) vollzuschlagen, denn man sollte dieses schlicht wissen und sich darauf einstellen. Wenn man nur einen Rucksack hat, dann sollte man eben nicht in die Oasen fahren, wenn man also weiß, daß man sich auf Kosten anderer Leute den Bauch füllen muß. Nun sind die Oasenbewohner zwar zum Teil äußerst wohlhabend, so daß sie durchaus ein zusätzliches Pfund subventionierten Fleisches oder ein Hühnchen auf den Tisch bringen könnten. Mit dem Betreten eines Hauses sind aber nicht nur finanzielle Punkte aufgeworfen. Für die Dauer Ihres Besuches ist ein Bauer, selbst wenn er kostbare Bewässerungszeiten hat, gebunden, wird jede Hausarbeit in ihrer Nähe unterlassen, ziehen sich die Frauen in Teile des Hauses zurück, wo sie währenddessen kaum arbeiten können, ja müssen manchmal sogar Schüler auf den Lehrer warten, weil dieser zum Übersetzen gerufen wird. Letzteres ist doch das Problem der Ägypter selbst, werden Sie sagen. Nein, es ist eine Folge der Gastfreundschaft, ein religiöses Gebot, das durch Ihre Anwesenheit aktiviert wird. Sicher ließe sich die Liste der einzelnen Probleme, die durch Tourismus
hervorgerufen werden, vervollständigen, ließen sich vor allem etwas
tieferschürfende Überlegungen zum weiteren, auch sekundären Wandel anstellen,
der durch die zunehmenden Besuche und Einkäufe in den Oasen hervorgerufen wird.
Zum Seitenbeginn
Bahriya und Farâfra
Teil 1 Nr. 12/2001, pp. 2734
"Sie sollten nicht in die ägyptischen Oasen fahren. Sie haben Anfang der achtziger Jahre noch die alten traditionellen Gesellschaften kennengelernt und werden daher nach über 15 Jahren über den kulturellen Wandel in Bahriya und Farâfra furchtbar enttäuscht sein", wurde mir schon 1996 von Bekannten gesagt, die meine Bücher über die Westliche Wüste aus den frühen achtziger Jahren kannten und zuletzt Sîwa besucht hatten. "In Bahriya und ganz besonders in Farâfra ist alles zerstört. Sie werden die beiden Oasen nicht mehr wiedererkennen", hieß es schließlich auch im Oktober 1999, als ich mein Ticket für den März 2000 buchen wollte. Die Vorstellung, dass Ethnologen nur "traditionelle Kulturen" behandeln, mag in der Öffentlichkeit weit verbreitet sein, und das Fach hat lange nichts getan, um diesem Image hinreichend zu begegnen. Dass heute die Ethnologie jedoch die Disziplin des kulturellen Wandels schlechthin ist und gerade bei entwicklungspolitischen Fragen ein gewichtiges Wort mitzureden hat, ist zumindest innerhalb der von mir vertretenen Entwicklungsethnologie ebenso eine Tatsache. Von daher würde es sicher schmerzlich sein, bei meinem erneuten Besuch in Bahriya und Farâfra bestimmte vertraute kulturelle Elemente nicht mehr wiederzufinden. Doch würde sich ein Reise zur Vorbereitung einer Neuauflage meines Buches über "Die Oasen Bahriya und Farâfra" (1983) gerade aus entwicklungsethnologischem und entwicklungspolitischem Interesse in jedem Fall lohnen. Wie viele aber meiner alten Freunde würde ich noch antreffen? Rifaî, der mir 1981 sein Haus in Mandîsha vermietet hatte, war bereits 1985 gestorben. Im folgenden Jahr verstarb Imam Mesellim aus al-Qasr, von dem ich seinerzeit Dutzende von alten Oasenliedern aufgenommen hatte. Würde ich Hâgg Sâlah, den 'omda von Farâfra, noch antreffen oder den ehemaligen Schulmeister Hisên? Diese Fragen berührten mich mehr als die Wahrscheinlichkeit, keine silbernen higâb (Amulette) oder goldene quttra (Nasenring) mehr vorzufinden.
Vor allem hat sich der Zugang in die Oasen Bahriya und Farâfra bedeutend verbessert. Gemeint ist nicht die Straße, die schon 1979 in ausgezeichnetem Zustand war, als ich mit einem Team der 'Aîn Shams Universität die ersten gemeinsamen Erhebungen in Bahriya durchführte. Eine offizielle Forschungsgenehmigung erforderte jedoch seinerzeit ein halbes Jahr Vorlaufzeit bis zur Ausstellung und noch einmal sechs Wochen Warten in Kairo. "Foreigners are forbidden to leave the main road" stand damals überall an den Ausfallstraßen von Kairo in die Wüste, und die beste Forschungsgenehmigung war nichts wert ohne Zustimmung der diversen Geheimdienste (mukhabarât) zur Arbeit in den Dörfern. Zwar fuhr zweimal die Woche von der Azhar-Street in Kairo ein Bus nach Bahriya, aber die Weiterfahrt nach Farâfra hing von der Bereitschaft der wenigen LKW-Fahrer ab, einen khawârga mitzunehmen. Innerhalb von Bahriya, etwa von al-Zabû nach Qasr/Bawîtî oder al-Heîz, fuhr manchmal tagelang überhaupt kein Auto. Die Alternative, ein Mietauto aus Kairo zu nehmen, fiel 1981 völlig aus. Weder waren Geländewagen auf dem Markt verfügbar noch gab es überhaupt die Bereitschaft zur Vermietung von Autos, wenn der Interessent das Fahrziel "al-wahât" angab. Also der übliche Weg: das eigene Auto. ausgerüstet für eine Wüstenfahrt mit Sandbrettern, Benzinkanistern für 1.500 Streckenkilometer, Seilen usw. Einen Tag, im Winter auch zwei Tage über die Alpen, drei Tage per Fähre nach Ägypten übersetzen und später darauf hoffen, dass es in Bahriya trotz der eigenen Benzinreserven gelegentlich Nachschub gibt (was manchmal einen ganzen Monat lang nicht der Fall war). Die Reise im Jahre 2000 verlief ganz anders. Ohne Wüstenausrüstung mit dem Flugzeug nach Kairo, einen guten Mietwagen besorgt und am nächsten Tag schon los und auf der Asphaltstraße in fünf Stunden nach Bahriya. Für den Eigentümer des Mietwagenunternehmen waren die Worte Westliche Wüste überhaupt kein Thema mehr. Jedes Dorf innerhalb der Bahriya-Depression ist schließlich auf einer Asphaltstraße zu erreichen, und selbst zu abgelegenen Weilern, die wir 1979 auch mit dem VW-Kübel oder später mit dem Lada-Niva nicht anfahren konnten, führen heute sandfreie Pisten oder gar asphaltgleiche Öl-Sandstraßen. Reservekanister, Sandbleche, Ersatzteile sind auch für Risikoscheue kein Thema bei mehr als 200 Fahrzeugen, die jeden Tag von Kairo in die Oase oder umgekehrt fahren und angesichts der Konkurrenz von nunmehr zwei privaten Tankstellen in Bawîtî. Auch Forschungsgenehmigungen sind für Studienreisen unnötig geworden und die Schilder "Foreigners..." liegen seit mehr als einem Jahrzehnt im Gelände oder sind abmontiert.
Der Weg von Frankfurt nach Bahriya dauert also heute einschließlich Zoll keine 12 Stunden mehr. So sind die ägyptischen Oasen beliebter Zielort für den Abenteuertourismus geworden: nach Kairo per Flugzeug und dann durch die Wüste zu den geheimnisvollen und/oder pittoresken Oasen, auf den Spuren des Kambyses, Alexanders, Hornemanns, Almasy's, der Armoured Desert Patrol etc. alles in sieben Tagen. Touren mit dem Geländewagen können inzwischen bei mehr als einem Dutzend Unternehmen bereits von Deutschland aus gebucht werden, Reiseleitung selbstverständlich auf Deutsch, Camping mit Lagerfeuer, Beduinentee usw. im Pauschalpreis inbegriffen, natürlich auch die Querfeldeinfahrten dort, wo die bequeme Asphaltstraße dem Unternehmen jede Spur von Abenteuer nehmen würde. Aber auch mit dem Bus kann der Besucher/die Besucherin inzwischen zweimal am Tag nach Bahriya fahren. Die Zahl der Hotels in Bahriya nimmt derzeit von Jahr zu Jahr zu. Das alte
Hotel "Alpenblick", 1981 errichtet und erste Verkaufsstelle für
alkoholische Getränke in Bahriya, hat angebaut und aufgesteckt, an der 'Ain
Bishmû sind gleich zwei Hotels unter derselben Leitung entstanden. Dass dafür
das Umland der römisch-ptolemäischen 'Ain Bishmû mit dem Bulldozer
plattgemacht wurde, um einen direkten Zugang vom Hotel zum Wasserlauf zu bauen,
stört kaum angesichts der Tatsache, dass die "Quelle" (eine alte
Foggara-Anlage) inzwischen durch einen hässlichen Tiefbrunnen mit riesiger
betonierter Platte dominiert wird. Dezent ans Gelände angepasst und einige
Kilometer von der Doppelortschaft Bawîtî/Qasr entfernt, liegt ein Camp-Hotel,
wo man Deutsch, Englisch und wohl auch Italienisch, Französisch und Spanisch
spricht. Deutsch ist auch die Anrede im zentral am Hauptplatz unweit der Polizei
gelegenen, keineswegs aber besten Restaurant von Bawîtî.
1981 hatten wir uns im Rahmen der Untersuchungen zum wirtschaftlichen und sozialen Wandel intensiv mit den artesischen Brunnen von Bahriya beschäftigt. Das Wasser trat damals hier noch unter Druck zu Tage, bei einigen Brunnen (zumindest in Dâkhla anhand der alten hölzernen Verrohrung nachgewiesen) seit römischer Zeit. Voraussetzung ist eine Bohrung mit angepasster einfacher Technologie, die eine Trennschicht in 20 bis 60 in Tiefe durchstößt. Rund 200 solcher Brunnen gab es damals in Bahriya, und viele wurden weiterhin unter der Anleitung lokaler Handwerker mit dem dulâb, der oasenüblichen "Bohr"vorrichtung, gereinigt oder neu gebohrt (eigentlich wird dabei der Untergrund mit einem Vierkantstahl und anschließend mit einem wassergefüllten Rohr durchstoßen. Ein solcher traditioneller Brunnen heißt in den Oasen 'aîn (Quelle), und die allermeisten Anlagen waren damals in privatem oder kommunalem Besitz. Indes herrschte in einigen Gebieten von Bahriya Wassermangel, und bereits damals kam ein sich später als verhängnisvoll erweisender Kreislauf in Gang: Die Regierung begann, die Bauern bei der Förderung und Sicherung der Wasserressourcen zu unterstützen und nachdem bereits seit den 60er Jahren einige tiefere Brunnen (arabisch b'îr, 2300 m) zur Trinkwasserbereitstellung gebohrt worden waren (z.B. in Mandîsha), wurde das staatliche Bohrgerät fortan immer häufiger eingesetzt. So wie einerseits dieses scheinbar garantierte Wasser aus Sicht der Bauern zu begrüßen gewesen sein mag, so sind jedoch andererseits mindestens drei Gesichtspunkte damals nicht berücksichtigt worden. Erstens hatte man bewusst ignoriert, dass das Grundwasser in der Westlichen Wüste fossilen Ursprungs ist (also vor 1535.000 Jahren während früherer Feuchtzeiten in der Sahara entstanden war) und sich nicht ergänzt, was zu einem teilweise dramatischen Abfall des artesischen Drucks führen sollte. Viele der alten artesischen Flachbrunnen (in Bahriya immerhin 4070 m) fielen daher trocken, die neugebohrten Tiefbrunnen mussten nach einer kurzen Zwischenphase eines noch artesischen Betriebes bis heute fast alle mit Motorpumpen ausgestattet werden. Die Klagen aus den ersten Jahren des Pumpbetriebes mit Dieselmotoren über ausgefallene Pumpen und damit Brunnen könnten ganze Aktenordner füllen. Zweitens bestand häufig überhaupt keine Notwendigkeit, anstelle der Wassermengensicherung noch zusätzliches Wasser zu fördern, da die Gärten und Felder schon wegen der fehlenden Arbeitskräfte und mangels geeigneter Flächen nicht beliebig ausgeweitet werden konnten. Viel Wasser wurde in der Folge daher überhaupt nicht für die Landwirtschaft verwendet, sondern direkt in die Drainagen und damit in die sich vergrößernden Salzseen geleitet. Große Mengen Wasser versickerten oder verdunsteten auch ungenutzt, da die neuen Zentralbrunnen ein viel größeres Kanalnetz haben als die alten inmitten der Gärten liegenden 'aîûn (pl. von 'aîn). Die Beobachtung, dass kaum ein Kanal in den ersten 10 Jahren zementiert wurde, ließ sich in allen Oasen der Westlichen Wüste machen. Drittens aber entstand durch die Koppelung von trockenfallenden Brunnen und neuem staatlichen Ersatzwasser durch Tiefbrunnen ein Eigentumsproblem und zuletzt eine soziale Schieflage. Konnte nämlich vormals auch ein armer Bauer zu Wasser gelangen, indem er sich mit seiner Arbeitskraft an einer Brunnenbohrung beteiligte, war dies bei staatlichen Brunnen fortan nicht mehr möglich. Jedermann bekam nur so viel Wasser, wie die Verwaltung ihm als Kompensation für seine Verluste aus dem Flachbrunnen zuteilte. Wer arm war, musste arm bleiben und ggf. die Landwirtschaft aufgeben. Darüber hinaus gab die reichlich vorhandene Wassermenge der Verwaltung Gelegenheit zu bisher im privaten Wassermanagement nicht möglicher Vetternwirtschaft, d.h., zusätzliches Wasser wurde einer Handvoll reicherer Bauern zur Verfügung gestellt, ohne dass diese irgendwelche Ansprüche gehabt hätten. Heute bietet sich daher ein wenig zuversichtlich stimmendes Bild: Kaum noch einer der alten "römischen" Brunnen fördert Wasser unter artesischem Druck, d.h., es gibt praktisch kein privates Wasseraufkommen in der Oase mehr. Zwar hat der Staat die Verluste aus den alten 'aîûn reichlich in Form von Tiefbrunnen kompensiert, aber die Wasserförderung kostet erstmals nicht nur hinsichtlich der Erschließung Geld, sondern auch dauerhaft bei der Förderung. Zwar werden die meisten Pumpen mit Strom betrieben und der Staat stellt das Wasser quasi kostenlos zur Verfügung. Wie lange aber wird dies möglich sein, und was würde passieren, wenn die Bauern Wasser bezahlen müssten, dessen Förder- und Verteilungskosten teurer wären als der Wert ihrer Produkte?
Alle Touristen, mit denen wir im März 2000 sprechen konnten, waren von Bahriya und auch Farâfra begeistert. Einige kommen jährlich für einige Wochen in die Oasen, um hier ihren Jahresurlaub zu verbringen. Wer sich aber in der Oasenlandwirtschaft früherer Zeiten auskennt und die Palmengärten und Felder von Bahriya heute genauer anschaut, wird feststellen können, dass viele Palmen ungepflegt aussehen, Felder brachliegen, Gartenmauern eingefallen sind oder das Wasser von Kanälen mangels Unterhalt über Wege strömt und überall Lachen bildet. Allerdings gibt es auch positive Veränderungen wie einige hundert Hektar neu angelegter Melonenfelder bei al-Hâra und al-Haîz. Diese werden allerdings dort, wo oberflächennahes Grundwasser fehlt und künstlich durch Überbewässerung erzeugt wird, mit einem enormen Wasser- und damit Kostenaufwand (staatlich subventioniert) unterhalten. Unsere Gespräche mit Vertretern der Verwaltung und Bauern aus mehreren Dörfern ergaben denn auch ein äußerst widersprüchliches Bild der Oasenlandwirtschaft. Einerseits lassen sich weiterhin anziehende Dattel- und Oliven(Öl-)preise im Niltal beobachten, andererseits sind die abnehmenden Arbeitsaufwendungen in die Landwirtschaft schon rein optisch unverkennbar. Ganz offensichtlich ist dies das Resultat zweier von uns bereits 197985 beobachteter Trends:
So existiert heute auf den ägyptischen Märkten eine Nachfrage nach den klassischen Oasenerzeugnissen, und es gibt vor Ort hinreichend Wasser selbst für größere Flächen, als jemals in den Oasen kultiviert wurden. Dagegen fehlen nicht nur in Bahriya die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte für den mühevollen und arbeitsintensiven, jedoch durchaus lukrativen Anbau von Datteln und Oliven. Vor diesem Hintergrund ist es vollkommen schizophren, dass die Kinder der sich abmühenden oft 50- bis 70-jährigen Oasenbauern häufig über Arbeitslosigkeit klagen und dabei ihre Lage so negativ beurteilen, dass sie im säkularen ägyptischen Staat keine Zukunft mehr sehen.
Was ab 1982 in Farâfra mittelfristig passieren würde, war uns spätestens im Februar 1981 nach zwei abendfüllenden Diskussionen mit dem zuständigen Minister im örtlichen Gästehaus klar: War das erste New Valley Project spätestens 1965 in den Oasen Khârga und Dâkhla gescheitert, weil schlichtweg niemand aus dem Niltal in die öde Wüstenregion ziehen wollte, so sollte der zweite Versuch hier in Farâfra stattfinden. Zu den damals knapp 1.000 Oasenbewohnern sollten in einer ersten Umsiedlungswelle noch einmal rund 5.000 Niltalägypter hinzukommen. Hierfür waren über 1.000 feddân (à 0,42 Hektar) alluviale Böden planiert und mit einem Zuleiter- sowie Drainagenetz versehen worden. Nur ein kleiner Teil des Landes war für Farfârûn vorgesehen, wie sich die Einheimischen selbst nennen. Ein für die Oasenleute errichtetes Neusiedlerdorf wurde bereits damals wegen der winzigen Häuser als schlechter Witz angesehen das reichlich mit Wasser versehene Land allerdings gerne genommen und vom alten Hauptort aus bewirtschaftet. Nach 20 Jahren ist der Großraum von Farâfra kaum wiederzuerkennen. Der alte Ort selbst hat sich von der Fläche her verdreifacht. Die älteren Wohnquartiere mit den alten Lehmhäusern und ihren einmaligen Pilgergemälden sind verfallen oder zumindest seit Jahren aufgegeben. Dafür reihen sich entlang der Hauptstraße zwischen Dâkhla und Bahriya ganze neue Straßenzüge mit Häusern, die überwiegend aus Zement und neuerdings auch Kalksteinblöcken von der Mittelmeerküste errichtet wurden. Wer noch die alten Kulturflächen mit der Hauptpalmerie und jenem halben Dutzend kleiner und kleinster Oasen zwischen Qasr-Farâfra und dem Weiler Shaîkh Marzûq im Süden als "Oase Farâfra" in Erinnerung hatte, wird das Wüstengebiet kaum wiedererkennen. Mindestens fünf zum Teil große Ortschaften sind unweit dieser Straße entstanden, zwei weitere im Nordwesten von Farâfra angelegt worden. Kilometerlang fährt der Wagen auf Asphaltstraßen oder guten Pisten durch Felder, die durch beachtlich große Kasurinen, Eukalyptusbäume und andere Windbrecher unterteilt und von einem gewaltigen Netz aus Tiefbrunnen mit ihren Kanälen durchschnitten werden. Anders als in den frühen sechziger Jahren scheinen sich die Neusiedler in und um Farâfra relativ wohl zu fühlen. Sogar einige hundert christliche Familien haben das Angebot angenommen, jeweils knapp 10 feddân zu günstigen Konditionen zu übernehmen und sich damit in einer bislang rein islamischen Gesellschaft neu zu etablieren. Man baut heute wie in den letzten beiden Dekaden im Winter Weizen an, nicht allein wegen des Korns, das keinen Gewinn abwerfen würde, sondern weil man das Stroh für das Vieh benötigt. Im Frühjahr 2000 sind viele Flächen auch mit Bohnen (fûl) bepflanzt, deren Preis in den letzten beiden Jahren stark angestiegen ist und die ein gutes Geschäft versprechen. Die zweite Kultur im Jahr im Sommer besteht erstaunlicherweise hier in der Wüste neben Alexandrinerklee und Alfalfa als Viehgrünfutter vor allem aus Reis, obwohl trotz der Vielzahl von Tiefbrunnen nicht hinreichend Wasser gefördert wird, um alle Flächen bestellen zu können. So klagen die Bauern über Wassermangel, vergessen jedoch, dass auch "nur" 40% der Winterflächen im Sommer mit Reis bepflanzt, überaus einträglich werden dürften. Anders als in den Altoasen stehen bei den Neusiedlern in Farâfra hinreichend Arbeitskräfte zur Verfügung, da man sich als Bauer fühlt und die Arbeit auf eigenem Grund und Boden einen gesellschaftlichen Aufstieg bedeutet. Viele Familien waren im Niltal nämlich Pächter oder Landarbeiter ohne Bodeneigentum gewesen, weswegen sie auch bevorzugt umgesiedelt wurden. Wer in der Lage ist, von den Farfârûn oder anderen Ex-Niltalbauern Land zu pachten, nimmt dies gerne wahr, um sich trotz hoher Pachtzahlungen die Chance eines größtmöglichen Ertrages zu sichern. Im Vergleich dazu ist in Bahriya Pachtland extrem billig zu bekommen und findet dennoch keine Abnehmer. Die Siedler aus dem Niltal treten in Qasr-Farâfra, der Oasenhauptstadt, außer in den Kaffees der Hauptstraße und in den Ämtern kaum in Erscheinung. Dafür haben sie in den eigenen Dörfern, wo wiederum so gut wie keine Einheimischen zu finden sind, ihre eigene Infrastruktur und mit "Sphinx-Village" sogar einen Wochenmarkt. Größere Konflikte zwischen Farfârûn und Niltalleuten (bei den Oasenbewohnern "Ägypter" genannt) sind bisher ausgeblieben, was vielleicht daran liegt, dass beide Gruppen einen (klein)bäuerlichen Hintergrund haben und in ihren Ansprüchen bescheiden sind. Zukünftig Unruhe nach Farâfra bringen werden eher Immigranten eines neuen Typs, die vor allem aus Kairo von der sich entwickelnden Wirtschaft der Oase angelockt werden. Dies sind Händler, Gastwirte oder andere Kleinunternehmer, von denen der erste sich mit der Idee wenig Freunde gemacht haben dürfte, ausgerechnet am Fuße des alten Qasr-Farâfra einen Bierladen zu eröffnen.
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Teil 2 Nr. 34/2001, pp. 2531
Auch in Bahriya haben sich Handel und Gewerbe in den letzten 20 Jahren enorm entwickelt. Von 197981 gab es überwiegend sogenannte lokale oder dörfliche (baladî) Handwerker, die in allen größeren Dörfern zu finden waren, wie Schmiede, Schreiner und einige wenige Weber, die vorwiegend für die Landwirtschaft und den Wohnbereich tätig waren und sämtlich ohne elektrische Geräte auskamen. Lediglich in Bawîtî hatten die ersten zurückgekehrten Arbeitsmigranten (Kairo, Saudi-Arabien) mit wenigen modernen Geräten Werkstätten eröffnet, als frangî oder "fränkisch" bzw. "europäisch" bezeichnete Betriebe vor allem im Kfz-Bereich (Schweißer, Mechaniker, Reifenflicker) und für die Möbelherstellung insbesondere im Auftrag der lokalen Behörden. Auf über 100 traditionelle Betriebe kam erst ein halbes Dutzend frangî-Werkstätten. Ähnlich sah es im Handel aus. Obwohl sich der Handel in Mandîsha und Bawîtî bereits an bestimmten Ecken konzentrierte (einfache Basarstruktur), gab es lediglich winzige und schlecht sortierte Kramläden, die alle praktisch dasselbe führten und wo man die Subsistenzproduktion ergänzende Dinge kaufte: Tomatenmark, Zucker, Salz, wenig Öl, Makkaroni, Tabak und Streichhölzer, Kerzen und Petroleum, maximal jeweils eine Sorte Dosen mit Marmelade, Gemüse (fast immer nur fûl), Käse oder Sardinen, wobei letztere illegal im Sortiment waren, weil vom Welternährungsprogramm kostenlos zur Verteilung an Arme gestiftet. Hier frisches Gemüse oder Obst zu kaufen war fast unmöglich, und ein paar Tage, nachdem der LKW abgeliefert hatte, ging ein Produkt nach dem anderen aus. Spätestens am 15. des Monats konnten wir nur noch Tomatenmark und vielleicht etwas Salz kaufen. Heute haben sich die Verhältnisse vollständig umgekehrt, Baladî-Handwerker sind zur Ausnahme geworden, und selbst in den entlegenen Dörfern arbeiten Tischler mit der Kreissäge und wird an Autochassis und Eselskarren geschweißt. In Bawîtî hat sich entlang der Straße ein richtiger sûq entwickelt, eine Marktstraße mit Handwerksbetrieben in den Seitengassen und regelrechten Sortimentgeschäften. Aus den Allerlei-Kramläden wurden Schuhgeschäfte, mehrere Stoffläden, ein Geschäft für Elektroartikel, ein anderes für Schreibwaren und sogar ein paar Bücher, ein Dutzend Lebensmittelläden mit für dörfliche Verhältnisse breitem Angebot, ferner Bäcker, Geflügel-, Fleisch- und Gemüsegeschäfte. Galt es bis in die siebziger Jahre, ja selbst noch in den frühen achtziger Jahren als unschicklich, eigene Gartenerzeugnisse in der Oase selbst zu verkaufen, so bestehen heute diesbezüglich keinerlei "moralische" Schranken mehr. Allerdings ist das Angebot speziell an Gemüse aus der Oase gering, die meisten Waren werden mit dem LKW aus dem Niltal und -delta angeliefert. Während es bereits um 1980 in Bahriya (im Gegensatz zu allen anderen Oasen) nur wenige traditionelle Handwerksprodukte auf dem lokalen Markt zu kaufen gab, fehlen diese Waren heute vollständig. Allerdings werden vor allem landwirtschaftliche Geräte und Flechtwaren (Körbe, Seile) noch in den Dörfern hergestellt. Die Konkurrenz aus dem Ausland schläft jedoch nicht. Erschien es uns vor ein paar Jahren unmöglich, dass die Produktion der traditionellen Gartengeräte eingestellt werden könnte, so kann dies heute nicht mehr ausgeschlossen werden. Chinesische Sicheln für fünf ägyptische Pfund (LE) sind den heimischen trotz deren Eigenheit selbst im ägyptischen Kontext so ähnlich, dass es durchaus auch denkbar ist, im sûq in ein paar Jahren neben den Sicheln "typisch ägyptische" Feldhacken aus der Volksrepublik China angeboten zu bekommen. Noch kaufen viele, vor allem ältere Bauern, die Sichel bei ihrem lokalen Schmied und sind bereit, dafür den dreifachen Preis zu bezahlen. Ob sich indes "made in Bahriya" langfristig behaupten wird, muss bezweifelt werden.
Bereits 1979 und 1981 war es für den Ethnologen nicht einfach, eine Bestandsaufnahme der "traditionellen" materiellen Kultur von Bahriya und Farâfra durchzuführen. Einige Handwerkszweige waren bereits ganz erloschen, wie etwa das Silberschmiedehandwerk, die Herstellung von Kupfergeräten und die allgemeine Baumwoll- bzw. die Kelimweberei. Eine Handvoll Handwerker in Bahriya webten noch die seidenen Besäumungen des Frauenkopftuches (Schleiertuch) und zwei oder drei Frauen jeweils in Bahriya und Farâfra stellten Keramiken zum öffentlichen Verkauf her. Was den Silberschmuck betraf, so fehlte sogar bereits die Erinnerung, welche Stücke von den Silberschmieden in Bawîtî selbst stammten und was aus Dâkhla, Libyen oder dem Niltal importiert worden war. Nur durch Heranziehung der gesamten verfügbaren Literatur gelang es, eine Typologie des Bahriya- und Farâfra-Schmucks zu erstellen (siehe Literaturauswahl Frank Bliss 1998a). Man kann fast kategorisch sagen, dass es heute kaum noch getragenen Schmuck gibt, der das Attribut "Bahriya-Schmuck" erhalten könnte. Einige alte Frauen haben noch die quttra im Nasenflügel, aber sowohl die Mädchen- und Frauenscheibe (higâb) als auch die silbernen Ohrhänger (halqân), silberne Armreifen (dimlig) oder der "Modeschmuck" der späten 70er Jahre aus kleinen Glasperlen (bigma) ist nahezu verschwunden. Für ein higâb werden inzwischen Phantasiepreise verlangt, was indes nicht den Wert bei den Oasenbewohnern/innen, sondern das Preisniveau der europäischen bzw. amerikanischen Schmucksammler/innen dokumentiert. Vorherrschend sind heute einfache Goldgegenstände. Allerdings haben sich bestimmte Typen des goldenen Niltalschmuckes in Bahriya gehäuft durchgesetzt, so dass es zwar keinen eigenen Oasenschmuck mehr gibt, aber doch so etwas wie einen Oasengeschmack beim Schmuck, der sich etwas von dem des Niltales oder dem Kairos unterscheidet. Besser sah es 1981 hinsichtlich der Keramik aus, die in den Grundtypen in den Dörfern noch genutzt wurde, aber durch Importe aus dem Niltal, daneben auch aus Dâkhla, heftige Konkurrenz bekam. Qullas aus Kairo, balâs und zîr aus Oberägypten waren bereits 198185 die Leittypen der Haushaltskeramik, wohingegen lokale Waren noch zur Lagerung von Datteln, Milch und Öl, für die Käserei oder in ärmeren Haushalten auch zu Kochzwecken genutzt wurden. Im April 2000 konnten wir genauere Befragungen nur in al-Agûz und Mandîsha durchfuhren, aber allein die Frage nach fokhâr baladî provozierte ein Lächeln. Nein, man habe durchweg heute Eisschränke, da seien doch die Tonkrüge überflüssig, und Kochen im Tontopf, das hätten ja früher bereits nur noch die älteren Leute praktiziert. Eine genauere Untersuchung würde vielleicht zeigen, ob die Armut bei einigen Familien nicht doch auch heute noch ein Abweichen von diesem Modern-sein-Wollen erzwingt. Wieder die Ärmsten ausgenommen, haben Importwaren aus China heute auch die traditionellen Matten aus Binsen und Palmfasern ersetzt. Es erstaunt allerdings, dass in einer Palmenoase Matten aus Palmblättern so schnell unmodern geworden sind, die wir doch im Niltal (z.B. Faiyûm) und selbst im reicheren Marokko oder gar in Tunesien noch so weit verbreitet finden. Webteppiche finden wir ebenfalls kaum noch, statt dessen maschinengefertigte Kunstfaserteppiche. Bei soviel Modernität kann es nicht wundernehmen, dass sich auch bei der Kleidung einiges verändert hat. Zwar begegnet man noch hin und wieder einer Frau mit dem schwarzen Kopftuch und seinem rotem Seidensaum, aber das dazugehörige fustân oder tôb (besticktes Kleid) sucht man vergebens außerhalb der zwei oder drei "Ethnographika-Läden" im Ortszentrum von Bawîtî. In Farâfra gab es Anfang der achtziger Jahre noch eine sehr hochwertige Deckenweberei. Die Stücke erfreuten sich auch bei Touristen großer Beliebtheit, so dass die Arbeit äußerst einträglich war, weil auch die Farfârûn auf gute Decken aus eigener Wolle nicht verzichten wollten und die hohen Arbeitslöhne bezahlten. Heute arbeitet nur noch ein einziger Weber in der Oase, ein älterer Mann, der bedauert, dass sich niemand für sein Handwerk interessiert. Die eigenen Kinder, die einige Grundgriffe gelernt haben, sind inzwischen erwachsen und haben andere Interessen. In Bahriya scheint es in den letzten Jahren zu einer Wiederbelebung der Weberei gekommen zu sein, und zwar werden sehr hochwertige Wolldecken hergestellt, wie sie aus Farâfra und vor allem dem Faiyûm bekannt sind. Diese Decken gab es Anfang der achtziger Jahre nicht bzw. nicht mehr. Die Weber scheinen allerdings auch nicht Oasenleute aus Bahriya zu sein, sondern zugereiste ehemalige Beduinenfamilien aus dem Niltal bzw. -delta.
Ein letzter Abschnitt sei den Traditionen der Oase und der Religion gewidmet. Dabei wollen wir Musik und Liedgut, die Tradition der Pilgermalereien und den islamischen Volksglauben aufgreifen. Ausführliche Darstellungen dieser Thematik mit Ergebnissen der Feldforschungen 1979 und 1981 finden sich in Bliss 1983 und in den unten angeführten Aufsätzen. Dabei wurde bereits angedeutet, dass bereits damals in Farâfra nur noch wenige musikalische Traditionen zu verzeichnen waren und sich auch in Bahriya das spezifische Liedgut der Oasengruppe auf wenige Überlieferer konzentriert hatte. Fast alle Verweise in der Literatur wie Tipps vor Ort führten ins Haus des "Shêkh" Imâm Mesellim, eines bereits von Ahmed Fakhry erwähnten "Barden", der nicht nur hunderte alter Lieder kannte, sondern selbst mehrere Dutzend gedichtet hatte und als letzter seiner Berufsgruppe in der Lage war, auf ein Stichwort hin eine Geschichte in gereimtem Arabisch zu improvisieren. Heute ist der Scheich seit mehr als 10 Jahren tot und die traditionelle Musik der Oase Bahriya wird noch von einer Handvoll Enthusiasten hochgehalten. Die Gelegenheiten, die alten Liebeslieder zu singen, sind auch durch den Einfluss der Islamisten in der Oase seltener geworden. Musik, Tanz und natürlich auch die alten Gemälde anlässlich der Pilgerfahrt nach Mekka, der hâgg, sind bei den selbsternannten Glaubenshütern verpönt, und sogar die Fotografien der Großväter- und Vätergeneration wurden von vielen Leuten in den letzten Jahren aus den Empfangszimmern genommen, damit man bei den Scharfmachern nicht unangenehm auffiel. Der Ersatz für die traditionelle Musik ist ebenso amüsant wie peinlich. Unweit von al-Agûz hat ein Impresario, ohne sich um das Gerede der Nachbarn und der Islamisten zu scheren, eine Art von Nightclub aufgemacht. In einer großen Hütte, die zugegebenermaßen gemütlich mit Matten ausgekleidet ist und wo die Gäste sich auf Teppichen um eine Feuerstelle niederlassen können, tritt der Meister nach langem Wartenlassen höchstpersönlich auf. Sein Instrument, die Simsimiyya, hat mit der Oase allerdings nichts zu tun, die Lieder sind ägyptisch, was den Geschmack von Touristen mehr treffen mag als die komplizierteren alten Oasenlieder, die der Maestro aber wohl ohnehin nicht kennt. Wer mag, kann es dem Barden gleichtun und sich Bier bestellen. Das dicke Ende der Einladung kommt nachher, diskret erfolgt die Aufforderung, doch das "Ticket" zu bezahlen, 10 Pfund pro Person. Meine einheimischen Begleiter waren peinlich berührt, ich weniger, denn "der berühmteste Musiker von Bahriya" hat mit seiner Oase nun wirklich absolut nichts zu tun. Vielleicht am meisten vermisst der "Oasenrückkehrer" nach 20
Jahren die stilvollen Malereien anlässlich der Rückkehr von der hâgg, der
Pilgerfahrt nach Mekka. In Farâfra, aber auch in den meisten Dörfern von
Bahriya mit Zentrum in Mandîsha wurden früher die Aussenwände, die Innenhöfe
und auch die Gästeräume der Häuser der Mekkapilger während ihrer Abwesenheit
prächtig ausgemalt, ganz ähnlich wie in Mittel- und Oberägypten, aber mit
deutlich individuellen Zügen: Kamelherden, Olivenernte, Beschneiden der
Dattelpalmen, Gazellenjagd usw. Eine Reihe der alten Bilder ist den
Publikationen Bliss 1983, 1990a und 1998a zu entnehmen. Hätten wir damals
gewusst, dass im Jahre 2000 kaum noch Gemälde neu angefertigt werden (wir
fanden lediglich zwei Häuser in Farâfra neu bemalt) und sich der Verfall der
alten Gebäude mit den schönsten Motiven so schnell vollziehen würde, so
hätten wir sicher ein Gesamtinventar zu erstellen versucht. So konnten wir nur
rund 100 der schönsten Malereien aufnehmen.
Dem islamischen Volksglauben in Bahriya und Farâfra konnten wir im April 2000 nur fragmentarisch nachspüren. Unter dem Einfluss des islamischen Fundamentalismus, aber auch durch die Bemühungen der Azhar-Orthodoxie ist in jedem Fall der Sufismus weiter zurückgedrängt und allenfalls auf private Zusammenkünfte reduziert worden. Mit Sufismus ist hier vor allem die Praxis islamischer Bruderschaften gemeint, gemeinsam durch besondere Gebetsübungen (zikr) Gottes Gnade zu erlangen zu suchen. Inwieweit die Anfertigung von Amuletten oder die Anwendung magischer Praktiken noch eine Rolle spielen, entzieht sich ganz unserer Kenntnis. Wenn es derartige Praktiken noch gäbe, so wurde uns berichtet, vollzögen sie sich nur noch im Geheimen. Die jährlichen Feste zu Ehren der lokalen Heiligen (mûlid), deren Zeugen wir z.B. noch 1979 und 1981 in al-Agûz werden durften, sind unseren Informationen zufolge seit den achtziger Jahren mehr und mehr eingestellt worden, nachdem sich nur noch ein paar ältere Männer einfanden. Seitdem werden auch mit Ausnahme der Grabkubba des bedeutenden Shêkh Marzûq in Qasr-Farâfra die Gräber der vormals verehrten Shêkhs nicht mehr unterhalten, von denen man sich früher doch so sehr die Übertragung des göttlichen Segens (baraka) erhoffte. Wer die alte Volksfrömmigkeit um 1980 noch in Erinnerung hat, kann kaum verstehen, dass die Gräber heute verfallen und sogar als Müllabladeplätze verkommen. Während die alten religiösen Traditionen der Oasen verkümmern und zerfallen, scheint sich auch in Bahriya, weniger dagegen in Farâfra, ein konservativer bis fundamentalistischer Islam breit zu machen. Vor allem jüngere Männer bis 40 dürften mit ihren sonst in Bahriya so nicht typischen Vollbärten durchaus ihre islamistische Haltung bekunden wollen. Unsere Gesprächspartner sind diesbezüglich vorsichtig, lassen jedoch erkennen, dass von wem auch immer erheblicher Druck ausgeübt wird, "unislamisches Verhalten" einzustellen. Neben dem Abhängen von Fotos und der Einstellung der Pilgermalerei gehört dazu auch, dass Mädchen "islamische Kleidung" tragen sollen, also blauen oder weißen, den Körper bis auf das Gesicht verhüllenden Einheitslook anstelle der früheren bunten Kopftücher.
Waren Bahriya und Farâfra 15 Jahre nach dem letzten Besuch bzw. 20 Jahre nach meiner ethnologischen Feldforschung nun eine Enttäuschung, und hat der soziale und ökonomische Wandel die Oasengruppen vollständig verändert? Wie im ersten Beitrag bereits angemerkt, hatte ich erhebliche Veränderungen durchaus erwartet, und dass sich auch traditionelle Kulturen verändern müssen, ist geradezu ein universelles gesellschaftswissenschaftliches Paradigma. Die fundamentalen Änderungen sind eine Tatsache. Aber bereits 1981 waren die Oasen ja keine isolierten Inseln im Meer, sondern Ausgangsorte einer erheblichen Migration. Schon seit den 60er Jahren gab es ägyptische Entwicklungsbestrebungen, nicht alleine durch die in Bahriya wenig vorangekommenen Wüstenentwicklungsprojekte. Die Stromversorgung kam, dann wurde das Fernsehen mittels neuer Relais in der Wüste eingeführt. Auf das Massenbildungsangebot wurde bereits verwiesen, und die aufgeblähte Verwaltung beschäftigte Ende der siebziger Jahre schon Hunderte von Oasenbewohnern, die so von Jahr zu Jahr ein wenig mehr der Landwirtschaft entfremdet wurden. Mithin waren die Weichen für den Wandel schon zur Zeit unserer Feldforschung gestellt, und aus heutiger Sicht können wir vielleicht froh sein, dass damals die Veränderungen in der materiellen und geistigen Kultur deutlich langsamer abliefen als innerhalb des Wirtschafts- und Bildungssystems. Auf diese Weise gelang es, das Bild einer traditionellen Kultur festzuhalten, in Teilen sogar erst zu rekonstruieren, deren Grundlagen bereits erheblich erschüttert waren. Mithin ist nicht der Wandel und die Situation im Jahre 2000 erstaunlich, sondern die Tatsache, dass es 1979 und 1981 noch Heiligenfeste, zikr, althergebrachten Schmuck oder traditionelle Kleidung gab. Also werde ich auch zukünftig wieder nach Bahriya und Farâfra fahren und mich nicht ärgern, dass dann auch die letzte quttra verschwunden sein wird und kein Dorfschmied mehr die mangal herstellt. Literaturauswahl:
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Oasentourismus in Ägypten
Nr. 2/89, pp. 2732 Auch abseits der "Trampelpfade" des Kultur- und Massentourismus in Ägypten, dem Niltal von Kairo bis hinunter nach Luxor, Aswan und Abu Simbel, finden sich lohnenswerte touristische Ziele, die jedoch nicht in erster Linie durch ihre kulturhistorischen Altertümer auf sich aufmerksam machen, sondern durch ihre Naturschönheit und Einzigart der Landschaftseindrücke überzeugen. Die Rede ist von den Wüstenlandschaften, mit denen Ägypten überreichlich bedacht ist, die etwa 96% der Landesfläche ausmachen, in denen jedoch ein verschwindend geringer Teil der ägyptischen Bevölkerung weniger als l% lebt. Die Verteilung des in- und ausländischen Tourismus dürfte heute ungefähr diesem Muster entsprechen; noch haben statistisch gesehen die Touristen die Wüste und vor allem ihre Oasen nicht in größerem Umfang entdeckt. Dabei soll die Wünschbarkeit des Tourismus in entlegenen Oasengebieten an dieser Stelle nicht in Frage gestellt werden. Soziokulturelle Augwirkungen des Tourismus auf die einheimische Bevölkerung und ihre Lebensbedingungen müssen bei der Planung mitbedacht werden, sollten jedoch nach der nahezu flächendeckenden Einführung des Fernsehens nicht mehr überbewertet werden. Für die ägyptischen Oasen und den auf sie gerichteten Tourismus ist es angesichts dieser dennoch vorhandenen Zielkonflikte deshalb besonders wichtig, auf der Grundlage eines Entwicklungskonzeptes, die Anstrengungen zur Förderung dieses Wirtschaftszweiges zu koordinieren. Damit sollen negative Umwelteinwirkungen minimiert werden, vorhandene Potentiale schonend genutzt und der Oasentourismus insgesamt in die nationale Tourismusentwicklung eingebunden werden Für die beiden Oasen Kharga und Dakhla im New Valley, die an dieser Stelle exemplarisch beschrieben werden sollen, ist ein solches Entwicklungskonzept erarbeitet worden. Zur Geschichte dieses Konzepts nur einige kurze Bemerkungen: Die GTZ hat im Rahmen eines Planungsberatungsprojektes der ägyptischen Stadtplanungsbehörde GOPP (General Organization for Physical Planning) für die beiden Hauptorte der Oasen Kharga und Mut Stadtentwicklungskonzepte auf der Grundlage eines problemorientierten Planungsansatzes erstellt. Im Rahmen dieser Planungen wurde deutlich, daß insgesamt nur mit einem schwachen ökonomischen Wachstum, vor allem auf der Grundlage der Landwirtschaft und des demnächst beginnenden Phosphat-Bergbaus in Abu Tortur, gerechnet werden kann. Als zusätzlicher potentieller Wachstumsbereich wurde jedoch der Oasentourismus identifiziert, der seit Öffnung der Oasen für den Individual- und Gruppentourismus eine bemerkenswerte Entwicklung erfahren hat, was die folgenden Zahlen belegen mögen:
Umso wichtiger erschien es, den weiteren Ausbau auf der Basis eines Konzeptes erfolgen zu lassen, das auch die zuvor genannten Umweltfaktoren entsprechend berücksichtigt. Dieses Konzept wurde im 1. Halbjahr 1988 durch einen deutschen Tourismus-Berater und in enger Abstimmung mit den lokalen Tourismus Departments und im Tourismus engagierten Privatleuten erarbeitet. Die derzeitigen Probleme des Oasentourismus liegen vor allem in den Bereichen Erreichbarkeit, Unterbringung und Marketing. Der letztgenannte Sektor ist dabei ein besonderer, weil den gesamten Ägypten-Tourismus umspannender Faktor. Denn neben dem Kulturtourismus und dem stärker werdenden Badetourismus existiert kaum eine Vorstellung über weitere Attraktionen. Und wenn, dann richten sich die Aktivitäten stärker auf den Sinai als auf die Libysche Wüste. Dies ist auch gut so, mögen Individualtouristen denken, doch angesichts der ökonomischen Ausgangsbedingungen in den Oasen erscheint eine Förderung wenn nicht zwingend, so doch sinnvoll. Ein den gegenwärtigen Umfang des Oasentourismus im New Valley stark begrenzender Faktor stellt die Erreichbarkeit dar. Abseits der Hauptverkehrswege Ägyptens gelegen, gibt es heute nur zwei Möglichkeiten, die Oasen Kharga und Dakhla zu erreichen: die erste besteht per Flugzeug zweimal wöchentlich von Kairo über Luxor nach Kharga. Wer derart anreist, muß drei bis vier Tage auf den Rückflug warten. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen führt die Route über Luxor, wo Scharen von Pauschaltouristen aus- bzw. zusteigen. Aufgrund dieser Situation ist das Sitzkontingent für das New Valley stark begrenzt. Die zweite Möglichkeit, die vielen der in Kairo lebenden Ausländer bekannt ist, führt über die "Oasenstraße" von Bahariya über Farafra nach Dakhla und schließlich Kharga oder aber direkt von Assiut nach Kharga, was von einigen Pauschalgruppenreisen wahrgenommen wird. Für entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge bestehen zudem noch verschiedene Pisten vom Niltal in den südlichen Teil der Kharga-Oase. Für eine verstärkte Einbindung der Oasen in den ablaufenden Kulturtourismus ist daher eine direkte Verbindung zwischen den touristischen Hauptzentren des Niltals vorzugsweise von Luxor und den Oasen wünschenswert. Allerdings sind Zweifel angebracht, ob der Tourismus und seine zukünftigen Entwicklungsaussichten eine eigens für diesen Zweck errichtete Straße hinreichend rechtfertigen! Auch die Unterbringung stellt z.Zt. noch einen qualitativen und quantitativen Engpaß für eine stärkere Expansion des Oasentourismus dar. Sicherlich besteht Einigkeit zwischen Anbietern und Nachfragern darüber, daß kein Fünf-Sterne-Luxus geboten bzw. erwartet werden darf, der lediglich Hoteltypen und -standards wiederholte. Während in Dakhla heute einzig dem Individualtouristen bescheidene Unterkunftsmöglichkeiten geboten werden können, jedoch kein 23-Sterne-Hotel existiert, gibt es in Kharga bereits zwei entsprechende Einrichtungen, deren Kapazität auf 85 Doppelzimmer begrenzt ist. Demgegenüber stellt die sonstige Infrastruktur derzeit keinen großen Engpaßbereich für eine touristische Entwicklung dar und wird mit einer auf Ausgleich bedachten Entwicklungsstrategie leicht Schritt halten können. Bedenklich stimmen muß allerdings, daß der Import von Lebensmitteln zukünftig sicherlich erhöht werden müßte weder sind die Oasen im besonderen bereits regionale Selbstversorger noch Ägypten im allgemeinen in der Lage, seine Nahrungsmittelbedürfnisse aus eigener Produktion zu befriedigen! Das Nachfragepotential wurde durch eine Befragung von 31 europäischen Reiseagenturen, die im Ägypten-Tourismus aktiv sind, ermittelt. Heute bietet lediglich ein Fünftel der Unternehmen einen Abstecher in die Oasen des New Valley an. Allerdings würden weitaus mehr dieses Angebot in ihre Kataloge aufnehmen, wenn vor allem angemessene Unterbringungsmöglichkeiten bestünden: 58% würden dann die Oasen mit großer Wahrscheinlichkeit aufnehmen, nur 2 (= 7%) würden mit Sicherheit nicht anbieten. Ein anderer Hinweis auf das Nachfragepotential läßt sich aus dem bestehenden Kulturtourismus ableiten: 1987 verzeichnete Luxor rund 450.000 ausländische Besucher. Wenn nur 5% einen Abstecher in die Oasen unternähmen, so beliefe sich die Zahl der Übernachtungen, bei einer durchschnittlichen Verweildauer von zwei Tagen, auf 56.000 Übernachtungen im Gegensatz zu 12.600 ausländischen Übernachtungen 1987. Die Zielgruppen des Oasentourismus umfassen vor allem die Kategorien der
Dagegen werden die Chancen, arabische Gäste anzuziehen, als sehr gering bewertet, da diese aus anderen Gründen wie z.B. Europäer nach Ägypten reisen und zudem in den landschaftlichen Gegebenheiten keine wesentlichen Unterschiede zu ihrer Heimat feststellen werden. Den Zielgruppen und den touristischen Attraktionen der Oasen entsprechend, gilt es nunmehr, ein marktorientiertes Tourismus-Produkt zu definieren und in eine langfristige Wettbewerbs- und Vermarktungsstrategie umzusetzen, das sich gegenüber anderen touristischen Angeboten in erster Linie des Inlandes behaupten können muß. Denn der Oasentourismus wird keinen eigenständigen Tourismuszweig bilden, sondern i.d.R. ein Nebenprodukt des Kulturtourismus sein. Das "vermarktungsfähige Produkt" müßte insgesamt etwa folgendermaßen aussehen: Um sich gegenüber den anderen Arten des Tourismus in Ägypten abzusetzen, sollte eindeutig der Begriff des "Oasentourismus" geprägt werden und werbemäßig Verwendung finden. Dies bezieht v.a. die charakteristischen Naturelemente der Wüsten- und Oasenlandschaft ein, die traditionellen Dörfer wie Balat, Bashandy oder Qasr, das Landleben, Gärten und Farmen, Bewässerungssysteme, heiße Quellen und Brunnen, Landgewinnung, Folklore, Handel und Handwerk sowie schließlich historische Monumente und über allem ein Hauch von Abenteuer! Zwischen beiden Oasen bestehen hinsichtlich des Vorhandenseins bzw. Zustandes dieser Attraktionen beträchtliche Unterschiede. Während der größere Ort Kharga schon stärker den Charakter einer modernen urbanen Örtlichkeit angenommen hat, ist Dakhla insgesamt noch stärker ländlich geprägt und verkörpert die Produktelemente der "Naturschönheit" und "Tradition" besser. Daher sollte in Dakhla das skizzierte Produkt verstärkt entwickelt werden, etwa durch den Bau einer landschaftlich angepaßten Hotelanlage der 23-Sterne-Kategorie, im Zusammenhang mit den heißen Quellen in Mut. Insgesamt sieht das Konzept eine Steigerung der Unterkunfts-Kapazität von gegenwärtig 85 auf 350 Doppelzimmer im Jahr 1998 vor.
Das Konzept enthält im weiteren eine Fülle von Maßnahmen, die einer kurz- bis mittelfristigen Realisierung bedürfen. Hierzu gehören beispielsweise die Herrichtung von touristischen "spots", die Kreation einer lokalen Küche, die Verbreiterung des örtlichen Kleingewerbes, die Organisation von Folkloreveranstaltungen, die Herausgabe von Informationsblättern und -karten, die Veranstaltung von Informationsreisen für Reisejournalisten, die gezielte Werbung auf Tourismus-Messen, schließlich die Einrichtung des seit Jahren fertiggestellten neuen Museums in Kharga. Von besonderer Bedeutung für die städtebauliche Erhaltung ist die Einbeziehung der Altstädte von Kharga, Bashandy, Balat, Mut und Qasr in das Entwicklungskonzept. Diese Orte sind beeindruckende Zeugen der traditionellen Wohn- und Lebensbedingungen, jedoch teilweise bereits dem unaufhaltsamen Verfall preisgegeben. Hier könnten einige der Dörfer durch den Tourismus wichtige Impulse erhalten, verstärkt Restaurationsarbeiten zu beginnen. Eine teilweise Umwandlung der Dörfer in "lebende Museen", d.h. die Wiederbelebung historischer Gebäude, bedrohter Handwerke und die Einrichtung touristischer Pfade, könnte den Verfall zumindest aufhalten. Die Aufzählung der vorgeschlagenen Aktivitäten ist keineswegs vollzählig. Voraussetzung für die Umsetzung der meisten Vorschläge ist jedoch eine qualifizierte und aktive öffentliche Verwaltung. Die Tourism Departments zeichnen für die Koordination aller Aktivitäten verantwortlich und hätten angesichts der geringeren Zahl von privaten Akteuren auch den Hauptteil der Implementierung zu verantworten. Um die administrativen Voraussetzungen zu schaffen, sind daher ebenso Vorschläge zur Reorganisation der Tourismus-Behörde sowie für das Training der Angestellten erarbeitet worden. Abschließend soll noch über den eigentlich wichtigsten Teil, nämlich die zu erwartenden Effekte des Oasentourismus berichtet werden. In ökonomischer Hinsicht sind die geschaffenen Arbeitsplätze und Einkommen die bedeutsamsten Indikatoren. Gegenwärtig sind etwa 300 Personen direkt (Hotels) und indirekt (Privatsektor, Verwaltung) im Tourismus beschäftigt. Diese Zahl könnte bei Ausbau der Hotelkapazität, stabiler Beschäftigungsrelation (1,3 Angestellte pro Zimmer) und leicht steigender Relation von indirekter zu direkter Beschäftigung (von 0,6 auf 0,8 Beschäftigte pro direkt Beschäftigtem) auf über 800 Arbeitsplätze im Jahr 1998 steigen. Fehlen derzeit noch die Gelegenheiten, als Tourist sein Geld auszugeben, so würde eine Ausdehnung des lokalen Angebotes des Kunstgewerbes Töpferei, Teppiche, aber auch landwirtschaftliche Produkte) die örtlichen Einkünfte außerhalb des Hotelwesens beträchtlich erhöhen, schätzungsweise auf LE 60 je ausländischem Touristen. Die Umwelteffekte müssen besonders sorgfältig bewertet und negative Einwirkungen vermieden werden, da der Oasentourismus sich in erster Linie auf eine intakte Umwelt gründet. Durch Tourismus hervorgerufene Umwelteinwirkungen können insgesamt als sehr gering betrachtet werden, wenn keine fruchtbaren Böden belegt werden und die zu errichtenden Gebäude sich hinsichtlich Größe und Gestaltung in die natürliche und soziale Umgebung einordnen. Die soziokulturellen Effekte sind demgegenüber nur schwierig zu erfassen und von den sonstigen Ursachen zu trennen. War das Neue Tal bis 1979 noch "restricted area", so bewirkte die Öffnung jedoch keine massiven touristischen Einfälle, sondern eine eher schrittweise Entwicklung. In diesem Zusammenhang wird besonderer Wert auf die Umsetzung einer moderaten Wachstumsstrategie gelegt werden, die keine Potentiale durch Überausbeutung gefährdet und damit die Grundlagen des Tourismus zerstört. Eine beiderseitige Aufklärung der Touristen und der lokalen Bevölkerung über spezifische Verhaltensweisen und Erwartungen könnte hilfreich sein, Spannungen von vornherein zu vermeiden. Die positiven Wirkungen des Tourismus können darin liegen, daß er Antrieb zu vermehrter privater Initiative gibt, sowohl hinsichtlich einer wirtschaftlichen Betätigung der Oasenbewohner als auch im Bereich der Erhaltung und Wiederbelebung historischer Stadtstrukturen und -funktionen. Insgesamt ist der Tourismus in den Oasen keine konkurrierende Wirtschaftsaktivität, sondern eine Ergänzung bestehender Tätigkeiten, in der Landwirtschaft, Handel und Kleinindustrie. Die Zahl der Alternativen ist äußerst gering, die generellen Wachstumsaussichten für den Tourismus in Ägypten sind gut die Förderung des Oasentourismus würde nicht nur eine Diversifizierung der Produktpalette bedeuten, sondern ebenso ein Stück zu lokaler Eigenständigkeit beitragen. Quelle:
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Die Wüste, ihre Geheimnisse und ihre Erforscher
Nr. 1112/94, pp. 3841 Die Libysche Wüste, auch Western Desert oder östliche Sahara genannt, ist eine Ausdehnung der Sahara. Legenden und Abenteuer sind mit ihr verbunden. Alte Leute erzählen über Regenfälle, die ein- oder zweimal in ihrem Leben vorgekommen sind. Die Sahara ist einer der trockensten Plätze der Welt. Es gibt kaum einmal Regen, und Menschen sind nur dort, wo man in der Umgebung nach Wasser graben kann und natürlich in den Oasen. Das war nicht immer so. Diese Wüste, entstanden in weit zurückliegenden geologischen Zeiten, besteht aus hohen Plateaus von Kalk und Sandstein. In den Feuchtperioden, als die Gletscher zurückgingen und in Nordafrika schwerer Regen fiel, wurde das Wasser aufgesaugt und in den Sandsteinschichten im Boden der Plateaus gespeichert. Die Senken in der Wüste sind niedrige, breite, hohle Flächen, über die Jahrtausende durch Wind- und Wassererosion gestaltet. Luftdruck veranlaßte Quellen und Brunnen, an die Oberfläche zu steigen. Durch sie entstanden die Oasen, echte Inseln im Sand-Ozean. Kultivierung wurde möglich durch das Vorkommen von Lehm, hinterlassen von einem uralten Strom, der zwischen Kalksteinschichten geflossen war. Die Umwelt änderte sich mehrere Male in der Vergangenheit. Nach langen Feuchtperioden wurde die Sahara immer wieder von Trockenzeiten heimgesucht. Man geht allerdings davon aus, daß sich die Trockenperioden nicht über das ganze Saharagebiet erstreckten und somit die Bevölkerung Zeit hatte, sich in lebensfreundliche Bezirke zurückzuziehen. Es ist bekannt, daß es wenigstens sechs nasse Perioden mit ständigen Seen gab. Diese Perioden wurden durch Trockenzeiten unterbrochen, vor etwa 350.000 bis 70.000 Jahren. Einen großen Trockenzyklus gab es vor 70.000 bis 11.000 Jahren. Er stimmte mit der letzten Eiszeit in Europa überein. Mit dem Beginn der Holozän-Periode kam feuchte Witterung zurück und hielt bis vor ungefähr 5.000 Jahren an; dann begann die jetzige Trockenperiode. Nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ist das eine Zeit, in der sich die Wüste zunehmend ausbreitete. Die Niederschläge nahmen ab; weite, ehemals savannenartige Gebiete verwandelten sich wieder in Wüste. Diese frühen und mittleren neolithischen Zeiten sind besonders interessant, weil schon seit langem wissenschaftliche Forschungen darauf hingewiesen haben, daß im frühen Holozän die östliche Sahara Zentrum einer kulturellen Entwicklung gewesen sein muß, die höchstwahrscheinlich zum Beginn der prädynastischen Kulturen im Niltal beigetragen hat.
Aus einem Gespräch zwischen Marianne Morsi und Dr. Rudolph Kuper, prähistorischem Archäologen am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Köln. (KFN hielt es freilich für nötig, die folgenden Darstellungen des PAPYRUS stellenweise sprachlich und fachlich nachzubessern.) "Seit 1980 finanziert die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein Projekt mit dem Thema 'Siedlungsgeschichte der Ost-Sahara'. Zu den Wissenschaftlern gehören neben den Prähistorikern auch Geographen, Geologen, Botaniker, Zoologen und Völkerkundler. Im Rahmen dieses Projekts wird in einem Transekt vom Mittelmeer bis in die Sahelzone gearbeitet, einem rund 1.500 Kilometer breiten Streifen, der die Sahara durchquert, wobei er im Norden das Winterregengebiet, im Süden das Sommerregengebiet erfaßt. Unsere Aufgabe ist es, die Abhängigkeit menschlicher Siedlungs- und Wirtschaftsweise vom Klima- und Landschaftswandel der Sahara zu erforschen." Bisher wurde festgestellt, daß das, was sich heute am Rande der Südsahara abspielt, vor 5—7.000 Jahren weiter im Norden passierte. Man kann sich vorstellen, daß, wenn die Wüste anfängt sich auszubreiten, Nomaden, bei denen gerade die Trockenzeit beginnt, versuchen, dorthin zu gelangen, wo die Regenzeit eingesetzt hat und umgekehrt. Das geht so lange gut, bis der zu überwindende Streifen zu breit wird. Dann entsteht ein Bevölkerungsdruck in verschiedene Richtungen, vor allem aber in das Niltal hinein. Daten aus diesem Bereich bestätigen, daß etwa um 5—6.000 v.Chr. dieser Prozeß einsetzte und allmählich die Wüste in ihrer heutigen Form entstand. Begonnen hatte die Feuchtphase etwa um 10.000 v.Chr., und rund 5.000 Jahre lang waren die Lebensbedingungen recht günstig. Etwa im gleichen Zeitraum, in dem die Besiedlung der Sahara aufhört, setzt die neolithische Besiedlung im Niltal ein. Dr. Kuper meint, damit stelle sich die Frage nach den Wurzeln der ägyptischen Hochkultur. Man hat im wesentlichen immer Einflüsse vom Nahen Osten her angenommen und war der Auffassung, dort habe das existiert, was zur ägyptischen Hochkultur geführt habe: Schriftliteratur, Baukunst usw. Die Entstehung neolithischer Kulturerscheinungen und die Bedeutung heutiger Wüstengebiete in den letzten 10.000 Jahren steht im Mittelpunkt der Arbeit von Dr. Kuper. Prähistoriker haben nun mal keine Schriftzeichen, aus denen sie lesen können. Für sie sind Steinwerkzeuge und andere unscheinbare Fundstücke die Quellen, aus denen sie schließen, was sich vor Tausenden von Jahren abgespielt hat. Andere Quellen für eine Rekonstruktion der Frühgeschichte sind Felsbilder, Scherben oder Knochen. Hauptsächlich die Felsbilder sind individuelle Ausdrucksformen ihrer jeweiligen Kultur und Epoche. Auch wenn sie keineswegs eine vollständige Auflistung aller ehemals vorhandenen Objekte darstellen und schon gar nicht alle Aspekte ihrer jeweiligen Kultur, liefern sie in ihrer Gesamtheit doch unschätzbare Informationen über klimatische, ethnische und kulturgeschichtliche Zusammenhänge. Aus der Ostsahara ist inzwischen eine recht große Zahl prähistorischer Fundstellen bekannt, darunter einige, die frühen Getreideanbau (um 6.000 v.Chr.) und eine noch frühere Domestikation von Rindern belegen. Eine dieser wichtigen Fundstellen wurde von Dr. Carlo Bergmann 1989 wiederentdeckt. Sie war schon einmal von einer weit zurückliegenden deutschen Expedition (unter Leitung von Gerhard Rohlfs) gefunden worden, jedoch im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Es handelt sich um eine große Tropfsteinhöhle mit prähistorischen Felsgravierungen und einem außerordentlich reichen Fundplatz. Carlo Bergmann führte 1990 Dr. Kuper und Dr. Klaus-Peter Kuhlmann vom hiesigen Deutschen Archäologischen Institut dorthin. Nun werde hier, so Dr. Kuper, diese deutsche Tradition fortgesetzt. Er ist sicher, daß diese Fundstelle ihn bei der Frage nach den Wurzeln der ägyptischen Hochkultur einen Schritt weiter bringen wird.
Nach Ägypten kam Carlo Bergmann einst nur als ein normaler, aber abenteuerlustiger Tourist. Etwas mehr über diesen eigenartigen Menschen zu erfahren dürfte die Leser interessieren. Im PAPYRUS-Heft 56/88 erschien seine Geschichte mit dem Titel "Schritte in dunkler Nacht", im Heft 11/85 wanderte er auf den Spuren Gerhard Rohlfs "von Dakhla nach Farafra", die Hefte 3, 4 und 56/87 widmeten sich seiner "Kameltour von Kairo nach Abu Simbel", und in Heft 12/91 besprach Ann von Plüskow den "Kölner und seine Abenteuer mit Kamelen". Nach vielen Kameltrecks und langer Erfahrung mit dem einsamen Wüstenleben hatten sich seine Sinne immer mehr geschärft. Immer wieder durchstreifte er die Wüste allein oder mit Begleitung, um seine Kräfte zu testen und dem Alltäglichen zu entweichen. Ein Aussteiger? Im Gegenteil!
Dabei stößt er auf Geheimnisse der Wüste, entdeckt Felsinschriften... Und so geschah es auch mit der vorher erwähnten prähistorischen Tropfsteinhöhle, die immerhin eine Ausdehnung von 50 Metern hat und an deren Wänden Bilder von Antilopen, Straußen, Ziegen und Rindern eingraviert sind. Ein einzigartiges Natur- und Kulturdenkmal! Wie geht's weiter?
Daß Archäologen und Prähistoriker sich beeilen müssen, um alle Daten zu bekommen, die die Wüste zu bieten hat, wissen alle. Pläne zur Entwicklung neuer Industrien für Bodenschätze wie Phosphate, Keramik, Marmor, Lehm und Öl sowie für Agrikultur alle in der Wüste sind im Gespräch. Nicht zu vergessen sei die Pharao-Rallye, die jährlich durch die Wüste rast und deren Teilnehmer, bewußt oder unbewußt, Prähistorisches zerstören, und letztendlich der allgemeine Tourismus. Beweisstücke der Geschichte in den weiten Trockengebieten liegen seit Jahrtausenden offen an der Oberfläche, von Winderosion freigelegt, schutzlos. Sie sind für jeden, der ein Auge für prähistorische Fundstücke hat, eine fast unwiderstehliche Verlockung. Es gehört zu den Widersprüchlichkeiten unserer Zeit, daß häufig ausgerechnet jene, die besonders aufgeschlossen das Land bereisen, ohne es zu wissen oder zu wollen, zur Zerstörung seiner historischen Hinterlassenschaft beitragen, während auf der anderen Seite die prähistorische Wissenschaft gerade in den letzten Jahren Methoden entwickelt hat, um auch auf den bisher gering geachteten Oberflächenfundplätzen Befunde und Siedlungsstrukturen sichtbar zu machen. Hier bedarf es besserer Information durch die Wissenschaft sowie wachsender Verantwortung bei den Touristikunternehmen, die ja zur Zeit offen mit der Aussicht auf schöne Faustkeil-Funde bei ihren Kunden für einen Wüsten-Trip werben. Dr. Kuper äußerte sich in dieser Angelegenheit: "Wenn da auch nur eine einzige Touristengruppe hinkommt, die ein paar Stein-Artefakte aufhebt, kann für uns der gesamte Zusammenhang zerstört sein. In anderen Worten, das Resultat ist das Gleiche, wie wenn Sie aus einer mittelalterlichen Urkunde einige Seiten herausreißen. Damit ist der ganze Kontext nicht mehr verständlich." Das ist auch der Grund, warum PAPYRUS alle Hinweise auf die Lage der Tropfsteinhöhle mit ihren Felszeichnungen vermieden hat. Wir hoffen, die Leser haben dafür Verständnis.
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