Wirtschaftssystem und Energiehaushalt
Ägyptens Wirtschaftssystem und wirtschaftliche Lage
Nr. 1/87, pp. 1013
Literatur:
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Energieversorgung in Ägypten
Nr. 10/85, pp. 25 Energie ist seit Jahren in nahezu allen Ländern ein hochbrisantes Thema; von einer sauberen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und nicht zuletzt ökologischen Energieversorgung hängt unsere Zukunft und die unserer Kinder ab. Spricht man von "Energie in Ägypten", dreht sich das Thema trotz der Schlagzeilen um die Atomkraftwerkspläne des Landes in erster Linie um Erdöl; es ist der bei weitem wichtigste Primärenergieträger und die zweitwichtigste Devisenquelle Ägyptens. Aufgrund der absehbaren Verknappung des Erdöls hat die ägyptische Regierung die drohende Problematik erkannt, um den energiepolitischen Schwierigkeiten und Krisen der kommenden Jahre und Jahrzehnte entgegenzutreten. Aber dies dürfte nicht leicht fallen.
Neben der Biomasse (z.B. Holz, Bagasse, Dung), deren Anteil am Gesamtenergieverbrauch zwar hoch sein dürfte, aber kaum berechenbar ist, deckten 1983 folgende Primärenergieträger den ägyptischen Energiebedarf:
Nicht berücksichtigt sind in dieser Zusammenstellung die Steinkohlenimporte (ca. 1,5 Mio. t jährlich), die jedoch ausschließlich für die industrielle Nutzung (Eisenerzverhüttung) bestimmt sind. Die jährliche Elektrizitätserzeugung dürfte z. Zt. um 28 Mrd. Kw/h betragen bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von ca. 600 Kw/h (zum Vergleich: Bundesrepublik Deutschland 5.800 Kw/h). Ca. 70 % der Erzeugung werden in den Sektoren Industrie, Landwirtschaft, Bewässerung und öffentliche Einrichtungen verbraucht. Aus der fortschreitenden Industrialisierung des Landes erklären sich die besorgniserregend starken Wachstumsraten des Energieverbrauches. Sie liegen bei Erdölprodukten z.Zt. jährlich um die 13%, bei Elektrizität um die 16%.
Der Anteil des Erdöl- und Erdgassektors am Bruttosozialprodukt beträgt knapp 20% (Anfang der 70er Jahre lag er noch bei ca. 5%). Ägypten ist auf jeden Fall (noch) in der glücklichen Lage, hinsichtlich seiner Energiewirtschaft praktisch autark zu sein. Importieren muß es lediglich einen Teil (ca. 40%) des Bedarfes an Flüssig-Butangas, Steinkohle sowie bestimmte Spezialkraftstoffe, die die sechs Raffinerien, die ansonsten den Eigenbedarf abdecken, noch nicht produzieren können. Andererseits ist Ägyptens Wirtschaft empfindlich von den Erdölexporten abhängig, die im Haushaltsjahr 1983/84 mit 2,4 Mrd. US-$ als zweitwichtigste Devisenquelle nach den Gastarbeitertransfers ungefähr 30% der Deviseneinnahmen erbrachten. Für das Haushaltsjahr 1984/85 wird wegen der gesunkenen Ölpreise mit Mindereinnahmen von etwa 200 Mio. US-$ gerechnet.
Von der gesamten Erdölförderung verbleibt nur ein kleiner Teil für den Export. Ziemlich genau die Hälfte wird im Inland verbraucht, und 28% erhalten die ausländischen Fördergesellschaften, und nur 22% können exportiert werden. Behält man jetzt den bereits erwähnten starken jährlichen Anstieg des Inlandsverbrauches um 13% im Auge, dann läßt sich die drohende Gefahr erkennen, daß Ägypten bald nicht nur kein Erdöl mehr wird exportieren können, sondern es sogar importieren muß. Dies hätte unabsehbare Konsequenzen für die gesamte Wirtschaft des Landes. Der frühere Premierminister Ali erklärte im September des vergangenen Jahres vor dem Parlament, er rechne damit, daß Ägypten ab 1991 wieder (wie zuletzt bis 1976) Netto-Erdölimporteur sein werde. Die derzeit nachgewiesenen Gesamtreserven von ungefähr 600 Mio. t werden bei der gegenwärtigen Förderquote von über 40 Mio. t pro Jahr in absehbarer Zeit erschöpft sein.
Die nationale Energiepolitik Ägyptens zielt daher in erster Linie ab auf die verstärkte Suche nach neuen Erdölvorkommen, auf die Kontrolle des Inlandsverbrauches durch den verstärkten Einsatz anderer Energieträger, sowie auf Energieeinsparungsmaßnahmen. Nach der bereits recht gründlichen Exploration des Golfes von Suez, des bislang bei weitem wichtigsten Fördergebietes, konzentrieren sich die Hoffnungen nunmehr auf die sich südlich anschließende Rotmeerküste und auf die Westliche Wüste, in der nicht weit hinter der Grenze Libyen seine ergiebigsten Ölfelder hat. Experten bestätigen zwar, daß man vor allem in der Westlichen Wüste noch neue Erdölfelder finden dürfte; sie vermuten jedoch aufgrund der bislang bekannten geologischen Grundstrukturen, daß diese nur von geringer Ergiebigkeit und zum Teil nicht einmal wirtschaftlich ausbeutbar sein werden. Sollten diese eher pessimistischen Erwartungen zutreffen, müßte sich Ägypten darauf einstellen, daß schon bald nach dem Jahr 2000 die Ölreserven des Landes erschöpft sein werden. Um so wichtiger sind die Bemühungen, den dominierenden Energieträger Erdöl im Inland durch andere Energiequellen zu ergänzen bzw. zu ersetzen. Dies ist insbesondere bei der Elektrizitätserzeugung möglich. Hier werden in der Tat wichtige Maßnahmen ergriffen, um das noch reichlich vorhandene Erdgas bei neuen Kraftwerken einzusetzen (wie z.B. in dem im Kairoer Stadtteil Shoubra el-Kheimah, das bis Ende des Jahres eine Gesamtleistung von über 900 Mw erreichen soll); zum Teil sollen auch alte, auf Ölbasis arbeitende Kraftwerke auf Erdgas umgerüstet werden.
Auch drei große 1200-Mw-Kohlekraftwerke sind geplant, für die die Kohleförderung aus den El-Meghara-Minen des Nord-Sinai wieder aufgenommen werden soll. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang das spektakuläre Kernkraftwerksprojekt zu erwähnen, das mit einer ersten Einheit ab etwa 1993 900 Mw erzeugen soll; weitere Einheiten sind geplant. Erdgas läßt sich auch im industriellen Bereich als Energieträger verstärkt einsetzen. Zum Beispiel ist geplant, die von deutschen Firmen gebaute große KIMA-Düngemittelfabrik in Assuan, die auf Elektrolysebasis arbeitet und über 5% (!) der gesamten ägyptischen Stromerzeugung konsumiert, mit amerikanischer Hilfe auf Erdgasbasis umzustellen. Hinsichtlich Energieeinsparungs-Maßnahmen, die zweifellos eine große Erleichterung bringen könnten, stecken die Bemühungen der ägyptischen Regierung noch in den Anfängen. Hinter der allerorten zu beobachtenden Energie-Verschwendung steckt ein Grundproblem: die geringen, vom Staat "heruntersubventionierten" Energiepreise. Sie betragen im Durchschnitt lediglich 20% der entsprechenden Weltmarktpreise. Außer den vergleichsweise geringfügigen direkten Subventionen aus dem Staatshaushalt zur Ermäßigung der Preise für (importiertes) Butangas sind die Energiesubventionen alle nur indirekter Art. Genaue Zahlenangaben sind hier problematisch, doch spricht z.B. die Egyptian General Petroleum Corporation von indirekten Subventionen für Erdöl- und Erdgas-Produkte, die im Jahre 1983 bei mehr als 1,7 Mrd. LE gelegen hätten. Speziell beim Elektrizitätsverbrauch hat Ägypten noch darunter zu leiden, daß man bei Fertigstellung des Hochdammes von Assuan vor 15 Jahren zunächst geglaubt hatte, in einem Paradies unbegrenzter Stromreserven zu leben. Außer der bereits erwähnten KIMA-Düngemittelfabrik wurden damals auch, obwohl das Bauxit erst aus Australien importiert werden muß, die Aluminiumwerke in Nag Hammadi gebaut; sie ermöglichen zwar beträchtliche Aluminiumexporte, verbrauchen jedoch über 10% (!) der gesamten ägyptischen Elektrizitätserzeugung. Die Frage nach ihrer volkswirtschaftlichen Rentabilität beantwortet sich von selbst. Die steigenden Energiekosten versucht die ägyptische Regierung, langsam und unauffällig, weil ansonsten sozialpolitisch brisant, auch auf die gesamte Bevölkerung umzulegen. Beispiele dafür aus jüngster Zeit: die Einführung des "Super-90"-Benzins samt Preiserhöhung, höhere Gebühren für Strom und man munkelt, daß die Butangas-Flaschen, die noch zum alten Preis abgegeben werden, eine geringere Füllung als früher haben.
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Öl Gas Kohle Wasser und was noch?
Nr. 10/85, pp. 1416 Der nachstehende Bericht befaßt sich mit detaillierten Angaben über die einzelnen Hauptenergieträger in Ägypten.
Die ausländischen Ölgesellschaften, die die General Petroleum Company als nationale, rein ägyptische Ölgesellschaft an Bedeutung mit Abstand überflügeln, finden ihren Zugang zu den "Exploration and Production Sharing"-Verträgen für einzelne Konzessionsgebiete über internationale Ausschreibungen. Wenn sie auf wirtschaftlich verwertbare Vorkommen stoßen, haben sie eine "Declaration of Commerciability" abzugeben. Hierauf erfolgt zum Zwecke der Ausbeutung der Vorkommen die Gründung einer gemischten Gesellschaft (50% Egyptian General Petroleum Corporation, 50% ausländische Partner). Die Explorationskosten und die Kosten der laufenden Förderung der ausländischen Gesellschaften werden durch einen bestimmten Anteil ("Cost Oil") an der Förderung abgedeckt. Am verbleibenden "Profit Oil" erhalten die ausländischen Gesellschaften je nach Vertrag einen Anteil von meist um die 15%, der verbleibende Hauptteil fällt an die Egyptian General Petroleum Corporation. Von ihrem "Profit-Oil"-Anteil müssen die ausländischen Gesellschaften auch die Explorationskosten für Konzessionen abdecken, in denen sie nicht fündig werden, wofür sie sonst keine Entschädigung erhalten.
Die Tagesproduktion liegt z.Zt. bei rund 870 b/d (Barrel pro Tag ergibt mit 50 multipliziert fast genau die entsprechende Tonnenzahl pro Jahr). Hauptproduzent ist mit ca. 550.000 b/d die Gulf Petroleum Company (GUPCO; ausländischer Partner AMOCO), es folgen mit ca. 160.000 b/d die Belayim Petroleum Company (PETROBEL; ausländische Partner AGIP/ENI), mit ca. 120.000 b/d die Suez Oil Company (SUCO; ausländische Partner DEMINEX/BP/SHELL), die nationale General Petroleum Company mit ca. 30.000 b/d sowie andere Gesellschaften von nur marginaler Bedeutung. Bei der SUCO haben sich die ausländischen Partner darauf geeinigt, daß das Management von der deutschen DEMINEX wahrgenommen wird, soweit es von ausländischer Seite und nicht der Egyptian General Petroleum Corporation besetzt wird. Ihre Hauptfelder sind Zeit Bay (80 km nördlich von Hurghada) mit ca. 60.000 b/d (Ausweitung auf 100.000 b/d geplant), Ras Badran (wenige Kilometer südlich von Abu Rudeis) mit 40.000 b/d und Ras Fanar mit 20.000 b/d (alle off-shore). Erwähnt werden soll auch die deutsch-kanadische AGYPETCO, die in der Westlichen Wüste fündig geworden ist. Sie wird dort bis zu 20.000 b/d fördern können, falls eine entsprechende Pipeline gebaut wird. Da Ägypten nicht Mitglied der OPEC (Organisation der erdölexportierenden Staaten) ist, kann es sich eine flexible Preispolitik erlauben. Der Preis für die Spitzenmarke "Suez Blend", der im Januar 1981 als höchstes 40,50 US-$/b erreicht hatte, wurde jetzt zuletzt im Juli 1985 auf 25,25 US-$/b gesenkt. Für die Bundesrepublik Deutschland war Ägypten 1984 das elft-wichtigste Erdöllieferland (mit 1,3 Mio. t entsprechend 2% der Gesamtimporte). An den ägyptischen Gesamtexporten in die Bundesrepublik machte Erdöl 62 % aus. Ca. 2 Mio. t Erdöl pro Jahr liefert Ägypten aufgrund von Camp-David-Sondervereinbarungen jährlich zu jeweiligen Weltmarktpreisen nach Israel.
Die ägyptische Erdgasproduktion lag 1983 bei 2,75 Mio. t Erdöläquivalenten (davon 0,34 Mio. t Kondensate); das waren 16,2% mehr als 1982. Die bislang bekannten Erdgasreserven liegen bei 340 Mrd. cbm; mit weiteren großen Funden ist durchaus zu rechnen. Die Förderung erfolgt vor allem in den Feldern Abu Madi, Abu al-Gharadik und Abu Qir; als viertes Förderfeld ist im Mai 1983 Ras Shukeir hinzugetreten, wo eine Anlage zur Sammlung und Reinigung des bei der Erdölförderung anfallenden "Oil-Associated-Gas" in Betrieb genommen wurde, das sonst abgefackelt würde. Weitere solcher Anlagen sind geplant. 48% des Erdgases wurden 1983 für die Elektrizitätserzeugung, 51% industriell genutzt (vor allem für Düngemittelherstellung, in größerem Maßstab auch für die Stahlproduktion geplant). Der Anschluß weiterer Stadtteile von Kairo an das Erdgasversorgungsnetz wird mit Nachdruck vorangetrieben; hiervon verspricht man sich eine Reduzierung der Butangas-Importe. Bislang sind ungefähr 200.000 Wohnungen in östlichen Stadtteilen an das Netz angeschlossen.
Die 1967 unterbrochene Förderung von Kohle in den Gruben von El-Meghara (Nord-Sinai) soll mit britischer Hilfe wieder aufgenommen werden. Man rechnet damit, dort anfänglich 150.000 t, später bis zu 600.000 t Kohle pro Jahr gewinnen zu können; das Gesamtvorkommen wird auf 25 Mio. t geschätzt. Die Kohle soll vor allem zur Elektrizitätserzeugung genutzt werden. Am weitesten sind die Pläne für ein von Japan zu bauendes 600-Mw-Kohlekraftwerk bei den Mosesquellen auf dem Sinai gediehen. Dessen spätere Ausweitung auf 1200 Mw sowie der Bau von zwei oder drei weiteren 1200-Mw-Kohlekraftwerken sind längerfristig geplant. Mit der El-Meghara-Förderung von maximal 600.000 t pro Jahr wird man jedoch höchstens 300 Mw erzeugen können; der Großteil der für diese Pläne benötigten Kohle müßte also importiert werden.
Obgleich Kernenergie auch in Ägypten innenpolitisch kein unumstrittenes Thema ist, will das Land in das Nuklearzeitalter einsteigen. Trotz der anfänglichen hohen Investitionskosten für Kernreaktoren verspricht man sich hiervon eine langfristig vergleichsweise billige Elektrizitätserzeugung. (Näheres hierzu im nachstehenden Artikel "30 Jahre Kernenergieprogramm".)
Die jährliche Elektrizitätserzeugung beträgt ca. 28 Mrd. Kw/h, die installierte Erzeugungskapazität um die 6.500 Mw. Mit der zu erwartenden Inbetriebnahme neuer Kraftwerke wird die Kapazität bis Ende nächsten Jahres sicherlich um mehr als 1.000 Mw steigen. Ca. 35% der installierten Kapazität entfällt auf Wasserkraft (Hochdamm 2.100 Mw, Aswan-Damm 250 Mw), der Rest auf erdöl- oder erdgasgefeuerte Kraftwerke. Durch Modernisierung der Hochdammturbinen und durch neue Nilstaustufen bei Esna, Nag Hammadi und Assiut wird man die Wasserkraft-Kapazität noch um höchstens 500 Mw steigern können. Bis zum Jahr 2000 soll die installierte Kapazität nach jetzigen Plänen auf insgesamt 20.000 Mw mehr als verdreifacht werden. Das Qattara-Projekt, welches die Stromerzeugung durch Einleitung von Mittelmeerwasser in die ausgedehnte Qattara-Senke vorsah, wird z.Zt. nicht mehr weiter verfolgt, nachdem eine schwedische Studie eine nur geringe Wirtschaftlichkeit des Projektes berechnete. Zudem hat man erkannt, daß unabsehbare ökologische Nebenwirkungen die Folge sein könnten (Versalzung artesischer Wasserreserven in der Westlichen Wüste, Störungen des klimatischen und seismischen Gleichgewichtes).
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400.000 Biogasanlagen im Jahr 2000?
Nr. 10/85, pp. 1721
Die offiziellen Schätzungen scheinen realistisch zu sein: Einen Beitrag von 1,5 bis 4 Prozent (Wasserkraft nicht berücksichtigt oder eingerechnet) zur gesamten Energieversorgung Ägyptens erhofft man sich für die Zukunft durch Einsatz und Nutzung von neuen und erneuerbaren, sog. "alternativen" Energiequellen. Zur Zeit finden hierzulande thermosolare Warmwasserbereitungsanlagen (in Ägypten hergestellt, unter anderem in deutsch-ägyptischer Gemeinschaftsproduktion) besonderen Anklang; auch Elektrizität wird aus photovoltaischen Solarzellen gewonnen (z.B. an der Richtfunkstrecke entlang der Westküste des Sinai, wo die Sendemasten direkt neben der Straße stehen und mit Zellen aus Deutschland gespeist werden). Im Bereich der Nutzung von Wind- und Biomasse-Energie gibt es ehrgeizige Projekte und Pläne, die zum Teil in Angriff genommen sind, zum Teil aber noch ihrer Realisierung harren. Die nachfolgenden Ausführungen gehen auf Arbeiten und Unterlagen zurück, die PAPYRUS dankenswerterweise von Dr. Ibrahim A.Sakr, dem Leiter des "Solar Energy Laboratory" am National Research Centre (NRC), von Dr. Mohamed M.el Halwagi, dem Biogas-Beauftragten des NRC, und von dem deutschen Experten Georg Scharl erhalten hat.
Mehrere Ministerien und Institutionen in Ägypten beschäftigen sich mit Problemen und Fragen neuer und erneuerbarer Energiequellen. Zentrum dieser Aktivitäten im Bereich der Nutzung der Sonnenenergie ist das "Solar Energy Laboratory" (SEL), von dessen Versuchsanlagen auf dem Gelände des NRC in Kairo-Dokki jeder Passant einen flüchtigen Blick von der Straße her erhalten kann. Das SEL, zu Beginn der 60er Jahre gegründet, beschäftigt sich derzeit mit fünf größeren Forschungs- und Versuchsvorhaben, von denen drei mit deutscher sowie je eines mit US-amerikanischer und kanadischer Unterstützung durchgeführt werden: zwei Elektrizitätsgewinnungsanlagen auf solarer Basis mit unterschiedlichen "Mechanismen", je eine Anlage für Kühlzwecke, Gemüsetrocknung sowie Wasserentsalzung (mit dem Nebeneffekt des Betriebs von Treibhäusern). An zahlreichen Universitäten bestehen darüber hinaus Laboratorien, die sich mit der Nutzung solarer Energie zu verschiedenen Zwecken beschäftigen. Äußerlich sichtbares Zeichen für die Anwendung solarer Energie sind die Sonnenkollektoren auf einer sich mehrenden Zahl von Dächern mit daneben stehenden Warmwasserboilern. Trotz einer sehr hohen Zahl von jährlichen Sonnenschein-Stunden gibt es in Ägypten aber noch längst nicht eine so große Anzahl derartiger Anlagen wie beispielsweise auf Zypern. Im National Research Centre ist man seit einiger Zeit dabei, ein umfassendes Programm zur Nutzung neuer und erneuerbarer Energiequellen für das kommende Jahrzehnt auszuarbeiten. Auf einer internationalen Konferenz über dieses Thema wurden vor einiger Zeit folgende Gebiete definiert, für die eine Nutzung der "alternativen" Energie in Frage kommen könnte: Warmwasseraufbereitung für private Haushalte mittels Sonnenenergie, Einsatz von Sonnenkollektoren für bestimmte Industrieprozesse, Wasserentsalzung mittels Sonnenenergie, Bau von Biogas-Anlagen in ländlichen Gebieten, Anwendung der Photovoltaik in entlegenen Gegenden, Nutzung der Windenergie für Wasserpumpen und zur Elektrizitätsgewinnung alles in allem: Vier dieser Anwendungsgebiete nehmen auf die Sonne Bezug.
Seit mehr als 2.000 Jahren werden im Nahen Osten, hauptsächlich in Persien, Windmühlen benutzt, überwiegend zum Mahlen von Getreide. Die in Ägypten heute anzutreffenden Windmühlen sind etwa drei Jahrzehnte alt. Zu Beginn der 50er Jahre gründete die Military Factory einen Zweigbetrieb zur Produktion von kleinen Windanlagen, speziell zum Pumpen von Wasser. Zwischen 1953 und 1961 wurden von diesen Maschinen (22,5 m Flügelraddurchmesser; ca. 0,25 PS Nennleistung) mehrere hundert Stück hergestellt und bei Borg El Arab, westlich von Alexandria, installiert. Diese Anlagen nach dem amerikanischen Farmtyp laufen bereits bei niedrigen Windgeschwindigkeiten an (34 m/s), laufen relativ langsam und haben ein hohes Drehmoment; sie pumpen das Wasser aus ca. 30 m Tiefe in einen Vorratsbehälter oder direkt auf die Felder. Heute mögen sich noch etwa 20 Prozent der ursprünglich installierten Anlagen in Betrieb befinden. Der überwiegende Teil zeigt mehr oder weniger große Sturmschäden (abgerissene Rotorblätter, abgebrochene oder verbogene Rotorwellen); erfreulicherweise ist jedoch zu beobachten, daß diese Windpumpen in Eigeninitiative wieder repariert und benutzt werden. Praktisch zeitgleich mit dem Bau der neuen ägyptischen Windmühlen wurde auch im Jahre 1952 damit begonnen, von verschiedenen meteorologischen Stationen aus, Windgeschwindigkeit und Windrichtung zu messen. Mit zunehmender Erschließung der Wüstengebiete werden auch dort mehr und mehr meteorologische Stationen errichtet. Elektrizität aus Windenergie ist besonders sinnvoll in Gegenden, die weitab vom öffentlichen Stromversorgungsnetz liegen. Eines dieser Gebiete ist das Ost-Oweinat, rund 400 km östlich von Aswan gelegen. Hier liegen mehrere von mittlerweile sieben Versuchsfarmen, die ihr Wasser aus einer Tiefe von ca. 50 Metern beziehen müssen. Mit Beginn der Erschließung dieses Gebietes richtete man das Hauptaugenmerk auf regenerative Energiequellen. Im Jahre 1984 lieferten ausländische Firmen einen photovoltaischen Generator mit 21 Kw Nennleistung zum Betrieb einer Unterwasserpumpe und einer Boosterpumpe zur Tröpfchenbewässerung sowie eine weitere kleinere, 3 Kw leistende photovoltaische Anlage, ebenfalls für den Betrieb von Bewässerungseinrichtungen. Der derzeitige mittlere Energiebedarf der größten Farm beträgt etwa 100150 Kw, der durch Dieselgeneratoren gedeckt wird. Einen Beitrag zur Deckung dieses Bedarfs wird auch das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) leisten. Derzeit laufen Planungen zur Errichtung einer zwei- oder dreiflügligen MAN-Versuchswindturbine vom Typ Aeroman mit 14 Kw Generatorleistung bei 7,7 m/s Windgeschwindigkeit; ein Darrieus-Rotor mit 10 Kw Nennleistung soll später folgen. Ebenfalls vom BMFT gefördert wird eine Versuchswindturbine bei Hurghada zum Betrieb einer Entsalzungsanlage.
Des weiteren befinden sich zahlreiche Projekte und Vorhaben derzeit im Stadium der Prüfung. Zum Beispiel untersucht die Kreditanstalt für Wiederaufbau (Frankfurt) die Möglichkeit der Errichtung einer "Wind-Farm", bestehend aus zehn Windgeneratoren vom Typ Aeroman. Die amerikanische Entwicklungshilfe-Organisation (US-AID) prüft zur Zeit ebenfalls die Einsatzmöglichkeit von sowohl einzelstehenden, als auch im Verbundsystem betriebenen Windanlagen bei Marsa Matruh und bei Ras Ghareb. Eine kleinere Windanlage im Leistungsbereich von 425 Kw soll als sog. Feldtest im Inselbetrieb ein derzeit noch nicht näher bestimmtes Dorf mit Strom versorgen. Die Ölfelder und angeschlossenen Betriebe an der Küste des Roten Meeres werden z.Zt. noch mit Dieselgeneratoren mit Strom versorgt. Eine 5 Mw Sulzer-Turbine wird im Auftrag des Ministry of Electricity demnächst installiert; eine "Wind-Farm" mit 250 Kw Nennleistung soll an das dann bei Ras Ghareb entstehende Verbundsystem integriert werden.
Die Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung kann in vielen Ländern eine bedeutende Rolle spielen, auch wenn ihre Anwendung sich in aller Regel auf den privaten Bereich in ländlichen Regionen beschränken dürfte. Etwa bei 50%, so schätzen ägyptische Fachleute, könnte hierzulande der Beitrag der Energie aus Biomasse für den ländlichen Verbrauch liegen. Hauptanwendungsbereich dieser "alternativen" Energie ist das sog. Biogas. Dabei wird vereinfacht ausgedrückt aus tierischen und pflanzlichen Abfallprodukten, die in einem luftdicht abgeschlossenen Behälter verfaulen, Gas gewonnen, das man beispielsweise zum Betrieb von Lampen, Herden oder auch Kühlschränken verwenden kann; als "Abfallprodukt" entsteht zusätzlich biologischer Dünger, der wiederum in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. Zur Zeit gibt es in Ägypten etwa 45 verschiedene Biogas-Demonstrationsanlagen, von denen sich die meisten an den weltweit anerkannten Modellen aus China und Indien orientieren, jedoch entsprechend den ägyptischen Erfordernissen modifiziert wurden; vier dieser Anlagen sind größere Einheiten, die in enger Verbindung zu Tierzucht-Projekten stehen. Führend auf dem Gebiet der ägyptischen Biogasanlagen sind das NRC und das Agricultural Research Centre (beide Kairo) sowie die landwirtschaftlichen Fakultäten der Universitäten von Assiut, Minia und Fayoum nebst der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kairo. Für den gesamten Bereich der Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung besteht ein sehr ehrgeiziges Programm, das sich in die folgenden vier Komponenten aufteilt:
Der Beitrag der "alternativen" Energien zur Lösung der Gesamtenergiesituation Ägyptens mag in der Tat, wie oben erwähnt, gering sein und wie in manchen ägyptischen Publikationen zu lesen diese Energiequellen als "schlafenden Riesen" zu bezeichnen, erscheint übertrieben. Dennoch kann dieser Bereich eine ins Gewicht fallende Entlastung bringen. Und darum bemüht sich Ägypten.
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30 Jahre Kernenergieprogramm in Ägypten
Nr. 10/85, pp. 2527
Die Pläne zur Nutzung der Kernenergie in Ägypten haben ihren Ursprung in den frühen fünfziger Jahren. Als eine Art Auslöser für die ersten Schritte auf dem Weg zu einem ägyptischen Kernenergieprogramm wirkt die Teilnahme an der "First United Nations Conference on the Peaceful Use of Atomic Energy" in Genf 1955 (dies gilt im übrigen für eine Vielzahl von Ländern, die mittlerweile zu den Kernkraftnutzern zählen). Noch im selben Jahr kommt es zur Einberufung der Atomic Energy Commission (Law No. 509), 1957 wird das Atomic Energy Establishment gegründet (Decree No. 288). 1958 beginnt man auf der Basis eines 1956 mit der UdSSR geschlossenen bilateralen Kooperationsabkommens mit dem Bau von Forschungseinrichtungen und nimmt 1961 den ersten 2 Mw-Forschungsreaktor im Inchass Nuclear Research Center in Betrieb. Über die anschließend auch mit anderen Ländern abgeschlossenen Abkommen kommt es bald zu einer Ausweitung der Forschungstätigkeit. 1963 beginnt man im Atomic Energy Establishment mit den Vorarbeiten für ein ägyptisches Kernkraft-Programm. Eine dazu gebildete Projekt-Gruppe untersucht die Frage nach geeigneten Kraftwerksstandorten, die Wahl des aus technischer und kommerzieller Sicht günstigsten Reaktortyps, sowie die damit einhergehenden Gesichtspunkte des Brennstoffkreislaufes. Die 1964 veröffentlichte Ausschreibung für das erste Kernkraftwerk, an der sich auch AEG und Siemens beteiligen, lautet auf den Bau einer kombinierten Stromerzeugungs- und Meerwasserentsalzungsanlage (150 Mw + 20.000 m³ Wasser/Tag Anm. 1) am Standort Sidi Kreir (Anm. 2). 1966 erhält die US-Firma Westinghouse ein entsprechendes "Letter of Intent". In Ermangelung der notwendigen Finanzierung und infolge der Kriegsereignisse des Jahres 1967 scheitert das Projekt. Nach weitergehenden Studien, die verstärkt die Notwendigkeit und Machbarkeit der Kernenergienutzung in Ägypten unterstreichen, macht man Anfang der siebziger Jahre einen erneuten Anlauf. Aufgrund der an die Verbundnetzentwicklung geknüpften Erwartungen plant man diesmal eine vergleichsweise leistungsstarke Anlage von 600 Mw. Das 1976 an Westinghouse erteilte Letter of Intent kann erneut nicht in die Tat umgesetzt werden. Gründe sind vor allem die Frage der Finanzierung, eine veränderte Nuklearpolitik der USA unter Carter und die kontroverse Kernkraftdiskussion als Folge des Three Mile Island-Störfalls 1979.
Nach Gründung der Nuclear Power Plants Authority (NPPA) im Jahre 1976 (Law No. 13) kommt es 1980 vor dem Hintergrund eskalierender Weltölpreise und angesichts des drastischen Stromverbrauchszuwachses in Ägypten (im Mittel 12% pro Jahr seit 1970) zu einer Revision und Anpassung des geplanten Kernkraftprogramms an die bis zum Jahre 2000 prognostizierte Strombedarfsentwicklung. (Einzelheiten siehe z.B. Nuclear Europe, Heft 7/8 1983, "Egypt's Nuclear Power Plans", von Maher Abaza. Der Artikel kann beim Autor dieses Beitrages angefordert werden.) Dabei geht man von folgenden Prämissen aus:
In Auswertung dieser Annahmen kommen die Studien zu der Schlußfolgerung, daß die Kernenergie zur Deckung des erwarteten Stromverbrauchszuwachses bis zum Jahre 2000 (neues Planziel 2005) einen beträchtlichen Beitrag liefern muß, der sich rein rechnerisch auf 6.0008.000 Mw beläuft. Nachdem Ägypten im Januar 1981 den Atomwaffensperrvertrag ratifiziert, kommt es 1981/82 zum Abschluß von Zusammenarbeitsverträgen zum Bau von Kernkraftwerken mit Frankreich, den USA und der Bundesrepublik Deutschland. Im April 1983 veröffentlicht die NPPA schließlich eine internationale Ausschreibung für den Bau einer schlüsselfertigen 2 x 900 Mw-Kernkraftwerksanlage (wahlweise auch 1 x 900 Mw) vom Typ Druckwasserreaktor. Als Standort wird El Dabaa, 160 km westlich von Alexandria bestimmt. Die Suche nach einem neuen Standort war notwendig geworden, nachdem die öffentliche Meinung v.a. in Alexandria sich gegen Sidi Kreir ausgesprochen hatte. Im Auftrag der NPPA unternahm die Ingenieurfirma Sofratom umfangreiche Untersuchungen im Hinblick auf wichtige Gesichtspunkte beim Bau von Kernkraftwerken (Erdbebensicherheit, Kühlwasserversorgung, Bodenbeschaffenheit usw.), und Standortpriorität erhielt El Dabaa (Endplanziel 4 x 1.000 Mw), noch vor Zafarana und Port Safargha. Eingeschlossen ist der Bau eines Hafens, sowie Errichtung der gesamten Infrastruktur für den Bau und späteren Betrieb der Anlage. Eine wesentliche Zusatzbedingung ist die Förderung nach entsprechender Finanzierung durch das Lieferland. Am 26. November 1983 legen vier Anbieter ihr technisches und kommerzielles Angebot vor. Es sind dies ein amerikanisch-japanisches Konsortium unter Führung von Westinghouse (1 x 900 Mw), ein französisch-italienisches Konsortium unter Führung von Framatome (2 x 900 Mw), ein amerikanisches Konsortium unter Führung von Bechtel (1 x 900 Mw) und die deutsche Kraftwerk Union, KwU (1 x 900 Mw). Der geforderte Finanzierungsnachweis wird von den meisten Anbietern für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt. Nun beginnt von ägyptischer Seite die Auswertung der Angebote unter Mitwirkung des Ingenieurberaters Motor Columbus, Schweiz, in deren Verlauf das Bechtel-Angebot aus der Konkurrenz ausscheidet. Die Einzelheiten der Finanzierungsbemühungen der verschiedenen Anbieter werden naturgemäß nicht bekannt. Nachdem bereits die Franzosen und Amerikaner einen ersten Teil-Finanzierungsvorschlag unterbreitet hatten, erhält die KwU die Zusage für die beantragte Hermes-Bürgschaft in Höhe von 2 Mrd. DM. Die Entscheidung der deutschen Regierung fällt zum Zeitpunkt des Besuchs des deutschen Bundespräsidenten von Weizsäcker Anfang Februar 1985. Die Vorlage der endgültigen Finanzierungsangebote (unter Einschluß der Beiträge der kofinanzierenden Partnerländer) ist zum 31. März fällig. Daran anschließend erfolgt eine letzte, alle Punkte (Technik, Preis, Finanzierungskonditionen) umfassende vergleichende Bewertung durch ein ca. 20 Mitglieder umfassendes "higher decision making committee", das seine Arbeit im Juli abschließt. Eine Entscheidung der ägyptischen Regierung wird für diesen Herbst erwartet (Stand 10.9.1985). Anmerkungen
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Die Wasserbilanz Ägyptens
Nr. 56/88, pp. 1517
Der Nil ist die Lebensader Ägyptens. Er stellt die Hauptquelle der Wasserversorgung dar, denn das trockene Klima bietet nur geringe Niederschläge und ist gekennzeichnet durch eine hohe Verdunstung. Der Nil gehört aber nicht Ägypten alleine. Geregelt wird der Anteil Ägyptens am Nilwasser durch die Vereinbarung mit dem Sudan aus dem Jahre 1959. Dieses Abkommen bildete die vertragliche Grundlage für den Bau des Assuan-Hochdammes. Hinsichtlich der Wasseraufteilung beruht der Vertrag auf den historischen Verbrauchsdaten für den Zeitraum von 1870 bis 1950. Dabei wurde der Anteil Ägyptens auf 55,5 Mrd. m³/Jahr und der des Sudan auf 18,5 Mrd. m³/Jahr festgelegt. Der langjährige Durchschnitt (250 Jahre) für die Wasseranlieferung bei Wadi Halfa liegt bei 82 Mrd. m³. Der höchste bisher gemessene Wert lag bei 129 Mrd. m³ im Jahre 1879 und der niedrigste Wert lag bei 43 Mrd. m³ für das Jahr 1913. Als Vergleich sei an dieser Stelle angeführt, daß der Rhein mit 73 Mrd. m³ im Jahr fast genau soviel Wasser wie der Nil führt und die Donau mit 197 Mrd. m³ mehr als doppelt soviel. Andere Wasserquellen sind sehr begrenzt im Vergleich zu dem Gesamtbedarf. So werden ungefähr 0,65 Mrd. m³/Jahr aus Grundwasservorkommen gedeckt und 0,15 Mrd. m³/Jahr aus den Niederschlägen. Das Nilwasser wird vor allem für folgende Zwecke verwendet:
Der Wasserstand wird durch den Hochdamm in Assuan geregelt. Der Wasserverbrauch im Sommer wird im wesentlichen vom Bedarf für die Bewässerung in der Landwirtschaft bestimmt. Im Winter dominiert der Wasserbedarf für die Energieerzeugung.
Landwirtschaftliche Produktion ist in Ägypten nur durch Bewässerung möglich. Unter dem gegenwärtigen Anbauschema und einer Anbauintensität von 170% (es wird 1,7 Mal auf derselben Fläche geerntet) benötigt man für einen Feddan (= 0,42 Hektar) 5.200 m³ pro Jahr zur Bewässerung. Das macht über die Gesamtfläche von 6,4 Millionen Feddan einen Bedarf von 33 Mrd. m³ im Jahr aus. Damit sich im Wurzelbereich der Pflanzen keine Salze anhäufen, die zur Ertragsminderung führen, müssen diese mit zusätzlichem Wasser ausgewaschen werden. Für diesen Zweck werden nochmals zusätzlich 7 Mrd.nbsp;m³ benötigt. Damit ergibt sich ein Gesamtbedarf für die landwirtschaftliche Produktion von 40 Mrd. m³.
Von der Wasserentnahme für häusliche und industrielle Zwecke wird ein Teil aufgebraucht und ein Teil fließt wieder in das System zurück. Die Effektivität des Trinkwasserversorgungssystems wird als ziemlich niedrig eingestuft. Beträchtliche Mengen gehen verloren durch tropfende Wasserhähne und Wasserrohrbrüche. Der Trinkwasserverbrauch wird auf 2 Mrd. m³ geschätzt. Der Verbrauch an nicht wiederverwendbarem Wasser für industrielle Zwecke wird ebenfalls auf 2 Mrd. m³ geschätzt. Die folgenden Zahlen sollen einen Einblick geben in den steigenden Wasserbedarf für den häuslichen Gebrauch:
In erster Linie beruht diese Steigerung auf veränderten Hygienegewohnheiten der Bevölkerung. Aber auch die ständig wachsende Bevölkerung läßt den Wasserbedarf über den häuslichen Gebrauch rapide ansteigen und macht die Verbrauchsplanung ausgesprochen schwierig.
Die Wasserkraftwerke an den beiden Dämmen in Assuan befinden sich im normalen Wasserdurchflußsystem. Aber im Winter, wenn der Wasserbedarf zur Bewässerung niedrig ist, übersteigt der Wasserbedarf zur Stromerzeugung den Bewässerungsbedarf. Dann müssen rund 1 Mrd. m³ zusätzlich aus dem Hochdamm gelassen werden. Ursprünglich war geplant gewesen, durch die Kraftwerke an beiden Dämmen jährlich 10 Mrd. Kw/h an Energie zu erzeugen. Diese Menge sollte über Oberägypten hinaus durch eine Überlandleitung auch den nördlichen Landesteilen zur Verfügung stehen. Damit sollten 22,5 Mio. t Rohöl eingespart werden, die ansonsten in den kleineren Kraftwerken zur Energieerzeugung benötigt wurden. Aber schon in der Anfangsphase bis 1975 konnten nur 3,8 Mrd. Kw/h pro Jahr erreicht werden.
Für die Schiffahrt, im besonderen die Touristenschiffe, wird eine bestimmte
Wassertiefe benötigt.
Natürlicherweise hat ein solch komplexes System von Wassertransport, -verteilung und Wasserrückfluß unvermeidliche Verluste. Im Gesamtsystem sind diese Verluste sicherlich geringer als in einem Mikrosystem wie z.B. einem Haushalt, da ein Teil wieder in das Gesamtsystem zurückfließt. Zu den unvermeidbaren Verlusten gehören:
Damit ergibt sich ein Jahresgesamtbedarf, der sich wie folgt zusammen setzt:
Der Bruttowasserbedarf Ägyptens setzt sich aus dem produktiven Verbrauch und den unvermeidlichen Verlusten zusammen und beläuft sich so auf 63 Mrd. m³. Abzüglich der Verdunstungsverluste des Nasser-Sees ergibt sich ein jährlicher Abgabebedarf aus dem Hochdammreservoir von 54 Mrd. m³.
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Ägyptens Wasserressourcen im Jahr 2000
Nr. 56/91, pp. 4145 Der kombinierte Effekt von schnellem Bevölkerungswachstum und steigendem Lebensstandard hat in Ägypten zu einer Erhöhung der Nachfrage für Lebensmittel geführt. Das Nahrungsmitteldefizit in Ägypten steigt in alarmierendem Maße. Es ist eine zwingende Notwendigkeit, neues Land in die Produktion einzubeziehen. Die Urbarmachung von neuen Böden ist nicht nur durch die Land-Ressourcen eingeschränkt, sondern auch durch die Wasser-Ressourcen. Dazu kommt ein Anstieg im Verbrauch von Wasser für Haushalte und Industrie. Es ist daher notwendig, den besten Gebrauch von den begrenzten Wasserressourcen zu machen. Es ist Aufgabe des "Ministry of Public Work and Water Ressources", die Verfügbarkeit von Wasservorräten für alle Zwecke sicherzustellen. Um dem gerecht zu werden, hat das Ministerium verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, um die Menge des nutzbaren Wassers zu erhöhen oder um die Effektivität des Verbrauchs zu verbessern. Dazu gehören folgende Punkte:
Kleinere Maßnahmen schließen ein:
(Die beiden letzten Maßnahmen sind sehr teuer und erst rentabel, wenn moderne Technologien und der Verbrauch von billiger Energie sie wirtschaftlich erscheinen lassen.) Der Nil ist der einzige Ursprung für Oberflächenwasser in Ägypten. Niederschläge sind selten, abgesehen von einem schmalen Streifen entlang der Mittelmeerküste, wo eine vom Regen abhängige Landwirtschaft ausgeübt wird. Die Grundwasserreservoirs unter dem Niltal und dem Delta sind ebenfalls vom Nil abhängig. Außerhalb des Nilbeckens sind nur wenige Gebiete, wie einige Oasen, in der Lage, ihre Wasserreserven zu nutzen! Das Nilbecken kann als geschlossenes System betrachtet werden. Der Zufluß aus dem Hochdamm und folgende fünf Auslässe:
Die Oberflächen-Wasserressourcen sind beschränkt auf Ägyptens Anteil am Nil. Der durchschnittliche Abfluß in Assuan liegt bei 84 Mrd. m³/Jahr. Nach einem 1959 mit dem Sudan abgeschlossenen Vertrag stehen Ägypten 55,5 Mrd. m³ zu, dem Sudan 18,5 Mrd. m³. Die restlichen 10 Mrd. m³ werden wahrscheinlich verdunsten oder gehen anderweitig im Assuan-Stausee verloren.
13,8 Mrd. m³ Drainagewasser fließen ins Meer und nahegelegene Seen. Dieses Wasser wird teilweise wiederverwendet für Bewässerung (entweder direkt oder nach der Zumischung von Frischwasser, um die Versalzung in annehmbaren Grenzen zu halten). In Oberägypten erfolgt jegliche Entwässerung zum Nil hin, abgesehen vom Fayoum. Dort werden 0,95 Mrd. m³ Drainagewasser zum Bewässern verwendet. Im Delta fließen einige Abflüsse in die beiden Nilarme, und 2,55 Mrd. m³ Drainagewasser werden mit Frischwasser vermischt zur Bewässerung benutzt. Abwässer aus sanitären Anlagen werden z.Zt. nicht für die Bewässerung verwendet. Dieses kann nach intensiver Behandlung in Zukunft geschehen, aber erst wenn andere Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden.
Abgesehen vom Aquifer des Nubischen Sandsteins in der Westlichen Wüste kann das Wasser unter dem Niltal nicht als eigentlicher Aquifer angesehen werden, sondern es ist ein Zwischenlager. In diesem System gibt es keine versteckten Verluste. Wenn es voll ist, erscheint das überschüssige Wasser entweder als Drainagewasser am nördlichen Ende des Systems oder der Wasserspiegel muß steigen. Eine konservative Schätzung der Menge des nutzbaren Wassers im Nilbecken liegt bei 400 Mrd. m³, davon werden z.Zt. 2,6 Mrd. m³ verwendet.
Der Bedarf an Wasser für Haushalte liegt bei 4 Mrd. m³. Das meiste wird dem System als Drainagewasser wieder zugeführt. Der Verbrauch ist die Menge an Trinkwasser, die nicht im Abwasser erscheint (ca. 2,1 Mrd. m³). Industriell genutztes Wasser wird vorwiegend durch Drainage wieder zurückgewonnen. Die Anforderungen liegen bei 3,4 Mrd. m³, von denen 0,6 Mrd. m³ nicht zurückgewonnen werden können.
Das System des Nils und seiner Kanäle wird ausgiebig für die Schiffahrt genutzt. Zur Zeit ist das System für die Schiffahrt meist akzeptabel, außer in den Monaten, in denen die Kanäle geschlossen und gereinigt werden. Für die Schiffahrt sind Wassermengen von ca. 1 Mrd. m³ erforderlich, zur Erzeugung von Strom sind 2,8 Mrd. m³ notwendig. Dieses Wasser kann in das System nicht wieder aufgenommen werden.
Die Bewässerung ist und wird der größte Wasserverbraucher bleiben. Verdunstung und Wasserverbrauch durch den Pflanzenbestand sind Verlustquellen, deren Wasser nicht wieder zurückgewonnen werden kann. Die Verluste durch Verdunstung liegen bei 2 Mrd. m³/Jahr. Evapotranspiration (Wasserverbrauch durch den Pflanzenbestand) ist abhängig von dem angebauten Pflanzengut und stellt 31 Mrd. m³ Wasserverbrauch dar. Allgemein akzeptiert ist eine Berechnung, die besagt, daß die Effektivität der Feldbewässerung bei 67% liegt.
Ägypten hat also eine überschüssige Kapazität von 2,6 Mrd. m³ im Jahr. Die Gesamteffizienz des Systems liegt bei 72%.
Aus dem Vorhergehenden ist ersichtlich, daß die Vorräte zur Zeit reichlich sind. Zu fragen bleibt, ob dies auch in Zukunft der Fall sein wird. Eine Studie (Land Master Plan Project) zeigt die Gesamtfläche auf, die für landwirtschaftliche Zwecke neu genutzt werden soll:
Wenn die Gesamtfläche kultivierbaren Bodens aufgrund von Oberflächenwasser zusammengezählt wird mit der bis Juni 1987 kultivierten und den Flächen, die bis 1992 kultiviert sein sollen, liegt die darüber hinaus kultivierbare Fläche bei 1.265.000 Feddan. Der jährliche Wasserbedarf für diese Fläche beträgt 7,6 Mrd. m³. Außerdem wird angenommen, daß der Bedarf an städtischem und industriellem Wasser auf 8,8 Mrd. m³ im Jahr 1992 und auf 11 Mrd. m³ im Jahr 2000 steigen wird. Der Nettoverlust (nicht wiederverwendbares Wasser) läge bei 3,5 Mrd. m³ (1992) und 4,8 Mrd. m³ (2000).
Um mit dem vorhersehbaren ansteigenden Bedarf fertig zu werden, hat das "Ministry of Public Works and Water Ressources" folgende Projekte in Angriff genommen:
Folgende zu erwartende Wasserbilanz könnte für die Zukunft aufgestellt werden:
Die Ergebnisse zeigen, daß Ägypten im gegenwärtigen System eine überschüssige Kapazität von 2,6 Mrd. m³ hat. Bis 1992 wird der Überschuß bei 1,7 Mrd. m³ liegen. Daher ist Wasser kein einengender Faktor für die vorhergesehene Kultivierung der Böden bis 1992. Wenn die Kultivierung voll durchgeführt wird, steigt das Defizit bis zum Jahr 2000 auf 1 Mrd. m³. Daher wird dazu geraten, die Kultivierungspläne mit Plänen zur Entwicklung des oberen Nils zu koordinieren.
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Finsternis in Ägypten bei sinkendem Nilwasser
Nr. 56/88, pp. 2627
Ägypten begann 1960, hydroelektrische Energie aus dem aufgestauten Wasser des Assuan-Damms zu nutzen, obwohl dieser in erster Linie die Aufgabe hatte, stetige Bewässerung durch kontrollierten Abfluß zu gewährleisten. Als dann im Jahre 1967 das Hochdamm-Kraftwerk seine Arbeit aufnahm, sah man Ägypten auf Jahre hinaus weitgehend von Energiesorgen befreit. Aber bei einem Bevölkerungszuwachs von einer Million alle acht Monate steigt auch der Stromverbrauch rapide an. Lag die gesamte Elektrizitätserzeugung 1976 noch bei 11,5 Mrd. Kw/h, zu denen die Kraftwerke Assuan-Damm I und Hochdamm immerhin rund 8 Mrd. Kw/h aus Wasserkraft beisteuerten, so stieg die insgesamt erzeugte Kw/h-Zahl 1986 auf rund 33,5 Mrd. an. Obwohl seit 1985 auch das Kraftwerk Assuan-Damm II in Betrieb ist, konnten 1986 von den 33,5 Mrd. Kw/h nur etwa 9,2 Mrd. Kw/h von den Dammturbinen abgedeckt werden. Aber nicht allein die ägyptische Bevölkerungsexplosion ist für den erhöhten Stromverbrauch verantwortlich, sondern auch die Ausweitung von Industrieanlagen. So verbrauchen die Düngemittelfabrik KIMA in Assuan 5% und die Aluminiumwerke in Nag Hammadi allein 10% der gesamten Stromerzeugung des Landes. Der Nassersee, einst als reichhaltiges Energiereservoir angesehen, kann immer weniger zum gesamten Energiebedarf des Landes beitragen, denn sein Wasserspiegel ist seit dem Höchststand von 173 m ü.M. im Jahre 1975 Ende letzten Jahres auf 158 m ü.M. abgesunken. Schuld sind die ausgefallenen Niederschlage im äthiopischen Hochland, die in der Sahelzone, im Sudan und in Äthiopien zu Hungerkatastrophen führten, von denen Ägypten dank seiner aufgestauten Wasserreserven verschont blieb. Doch die Situation in Ägypten wird nun auch in Regierungskreisen als kritisch angesehen. Staatspräsident Mubarak hat immerhin Sonderberichte zur Lage auf dem Energiesektor im Abstand von 14 Tagen angefordert. Der Minister für Öffentlichkeitsarbeit und Wasserwirtschaft, Mr. Essam Radi, verlängerte die jährliche Winterschließung des Hochdammes im Januar um eine Woche, erarbeitete Pläne zur Nutzung von Grundwasser zur Bewässerung des Bodens in der Deltaregion und berief im Januar des Jahres ein Symposium ein, das sich mit Konzepten für die Aufbereitung von Abwasser und Salzwasser zur Bewässerung auseinandersetzte. Der Minister für Energie, Mr. Maher Abaza, rief die Bevölkerung auf, ihren Stromverbrauch zu rationalisieren. Er warnte davor, daß die Arbeit der Turbinen am Hochdamm stark reduziert werden würde, sollte der Wasserspiegel des Nassersees auf 150 m absinken. Durch den Abfall des Wasserspiegels ist die Arbeit der Turbinen bereits 23% zurückgegangen, da sie nicht mehr mit vollem Druck arbeiten können. Bei einem Wasserspiegel von 147 m werden die Turbinen trockenfallen und müssen abgeschaltet werden. Hält die Dürre weiterhin an, kann dieser kritische Punkt bereits im August dieses Jahres erreicht werden. Wird dann ganz Ägypten ab 18 Uhr im Dunkeln munkeln? Nun, bei einem derzeitigen Anteil von 24% der Wasserelektrizität an der Gesamterzeugung sicher noch nicht. Mr. Abaza rechnet nach dem derzeitigen Fünfjahresplan sogar mit einem Anstieg der Energieerzeugung von 11% und hofft, durch reduzierten Verbrauch noch 8% einsparen zu können. Amerikanische Experten sehen das Dilemma langfristig jedoch weniger rosig. Sie halten es nicht für ausgeschlossen, daß die Wasserknappheit die nächsten 15 bis 20 Jahre andauern wird. Sie vermuten, daß die durch menschliche Eingriffe aus dem Gleichgewicht geratene Natur auch eine Verschiebung des tropischen Regengürtels nach Süden mit sich gebracht hat. Fazit: Kaum noch Regen im äthiopischen Hochland, kein Hochwasser mehr am Nil. Alle, die nun wild entschlossen sind, sich einen Heimgenerator zuzulegen, sollten diese Anschaffung jedoch noch ein wenig auf die lange Bank schieben, denn: Regenfälle in Äthiopien Anfang April!
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