Ägypten den Ägyptern ! Zur Geschichte des Suezkanals
von Marianne Stern
Nr. 1112/94, pp. 414
Wohl kein anderes Bauwerk hat eine solche ökonomische und strategische
Bedeutung, aber auch Symbolkraft erlangt wie der Suezkanal: Für die Briten war
der Wasserweg eine lifeline of empire und wichtiger Vorwand, das Land
1882 zu besetzen, für die Ägypter hingegen war der Kanal mehr als siebzig
Jahre lang das Symbol einer verhaßten Fremdherrschaft und wurde schließlich
zum Symbol der nationalen Befreiung. Der Suezkanal war aber auch ein Symbol für
die fehlgeleitete innere Entwicklung eines früh relativ unabhängig gewordenen
Landes.
Schon zu pharaonischen Zeiten gab es einen Kanal, der die Schiffahrt vom
Roten Meer in das Mittelmeer ermöglichte. Er verband die Bitterseen, dem Wadi
Tumilat folgend, mit dem Nil (Anm. 1). Der Kanal wurde mehrere Male aufgegeben
und wieder aufgebaut. Er versandete im 8. Jahrhundert (Anm. 2).
Die Geschichte des heutigen Suezkanals ist eng verbunden mit dem zunehmenden
Einfluß der europäischen Mächte im Nahen Osten, die mit der napoleonischen
Eroberung Ägyptens begann (Anm. 3). Napoleon plante während seines
ägyptischen Feldzuges (1798 Anm. 4) einen neuen Wasserweg, der diesmal die
beiden Meere direkt durch die Landenge von Suez verbinden sollte. Schon 1801
wurden die Franzosen von vereinten osmanisch-britischen Kräften vertrieben. Die
Herrschaft der Mamelucken jedoch brach endgültig zusammen, Muhammad Ali, ein
Offizier aus dem albanischen Kontingent, konnte sich im Chaos 1805 als
militärisch-politischer Führer durchsetzen. Seine Modernisierungspolitik
sicherte den Franzosen auch weiterhin großen Einfluß.
Sein oberstes Ziel war es, die Herrschaft über Ägypten für sich und seine
Familie zu sichern und die Unabhängigkeit von Konstantinopel sowie den
europäischen Mächten zu erlangen bzw. zu erhalten. Mit Hilfe französischer
Berater baute er eine der größten Armeen der damaligen Zeit auf. Um diese
Militärmacht und die territorialen Expansionen (Anm. 5) zu finanzieren,
monopolisierte Muhammad Ali die ägyptische Wirtschaft und versuchte das Land
auf staatskapitalistischer Basis zu industrialisieren. Binnen- und Außenhandel
wurden ebenfalls monopolisiert, der ägyptische Markt durch eine
protektionistische Zoll- und Handelspolitik abgeschirmt. Die noch gültigen
Kapitulationen (Anm. 6) wurden dadurch quasi außer Kraft gesetzt und der
Einfluß Europas begrenzt.
Das Ägypten Muhammad Alis (Anm. 7), der Versuch, in einem uralten Kulturland
einen modernen Staat zu schaffen, übte auf die
"Entwicklungstheoretiker" der damaligen Zeit große Anziehungskraft
aus. 1833 trat eine Gruppe französischer Saint-Simonisten (Anm. 8) als Experten
in die Dienste des Herrschers und schlug ihm den Bau eines Kanals über den
Isthmus von Suez vor (Anm. 9). Muhammad Ali aber lehnte den Bau des Kanals
strikt ab, weil er fürchtete, Ägypten könne dadurch in europäische
Abhängigkeit geraten, eine Sorge, die sich später bestätigen sollte.
Doch seine Politik der Selbstbehauptung gegenüber der Hohen Pforte und den
europäischen Mächten scheiterte auch ohne den Bau des Kanals. Die ägyptische
Militär-, Handels- und Wirtschaftsmacht war den Briten ein Dorn im Auge. Unter
osmanisch-britischem Druck mußte Muhammad Ali große Teile der eroberten
Gebiete räumen, seine Armee drastisch reduzieren und freien Handel zu
europäischen Bedingungen zulassen, gemäß dem osmanisch-britischen
Handelsvertrag von 1838.
Die erzwungene wirtschaftliche Öffnung hatte fatale Auswirkungen auf den
Versuch einer selbstbestimmten ökonomischen Entwicklung (Anm. 10). Um finanzielle Engpässe zu überwinden, leitete Muhammad Ali eine Privatisierung
von Grund und Boden ein, die den Kern einer neuen Großgrundbesitzerschicht
schuf, die an Staatsfabriken keinerlei Interesse hatte, auf eigene Rechnung
landwirtschaftliche Produkte ins Ausland exportieren wollte und auf eine
Öffnung des Landes zu dringen begann. Daneben hatte sich eine riesige
Bürokratie gebildet, die Zahl der ausländischen Kaufleute war angewachsen.
Der Enkel Muhammad Alis, Abbas I., nach der sechsmonatigen Herrschaft Ibrahims
1849 dessen Nachfolger, versuchte eine gegenläufige Politik. Reaktionär und
despotisch, häufig isoliert lebend, versuchte er nicht nur, den Einfluß der
Europäer einzudämmen und deren Aufenthalt in Ägypten zu erschweren, er war
auch mißtrauisch gegen die wenigen Landsleute, die eine europäische Erziehung
genossen hatten. Besonders feindlich war er gegen das von den Franzosen
vorgeschlagenen Suezkanal-Projekt eingestellt, unterstützte aber den Bau einer
Eisenbahnlinie zwischen Kairo und Alexandrien (1852), die auch von den Briten
favorisiert wurde. Alle anderen Reformprojekte vernachlässigte er (Anm. 11)
Saïd Pascha (18541863), wieder ein Sohn Muhammad Alis, unterschied sich
grundlegend von seinem Vorgänger. Er galt als "exzessiv proeuropäisch",
wollte Ägypten in ein europäisches Land verwandeln und strebte nach größerer
Unabhängigkeit von der Hohen Pforte sowie nach größerem Einfluß in Afrika (Anm. 12). Unter seiner Herrschaft begann der Ausverkauf des Landes. Saïd
Pascha, ein dicker, unpolitischer Mensch, war auf Anordnung seines Vaters von
Europäern erzogen worden, unter anderem von Ferdinand de Lesseps, der damals
Assistent des französischen Konsuls war. Der zwielichtige de Lesseps übte auf
seinen Schützling einen verhängnisvollen Einfluß aus. Saïd Pascha blieb auch
als ägyptischer Herrscher dem bewunderten Europäer blind ergeben, der die
Freundschaft und die gemeinsame Vorliebe für Pasta schamlos für eigene
Vorteile und die Interessen Frankreichs ausnutzte. Gleich nach seinem
Amtsantritt holte er Ferdinand de Lesseps zurück nach Ägypten. Auf einer
gemeinsamen Reise nach Alexandria und Fayoum gelang es Ferdinand de Lesseps, der
mit seinen Reitkünsten und Gehabe dem gesamten Gefolge imponierte, innerhalb
von fünf Tagen den Pascha von der Notwendigkeit zu überzeugen, den Suezkanal
zu bauen und sich ein unvergängliches Denkmal zu setzen (Anm. 13). Das Projekt
war de Lesseps durch seine alten Kontakte mit den Saint-Simonisten bekannt.
Ursprünglich war geplant, die Suezkanal-Gesellschaft (Compagnie Universelle du
Canal Maritime de Suez) mit europäischem Kapital zu gründen und den Kanal mit
europäischen Geldern zu bauen. De Lesseps konnte jedoch in Europa nur gut die
Hälfte der Aktien verkaufen. Mit geschickt eingefädelten Betrugsmanövern (Anm. 14) und offizieller französischer Unterstützung gelang es de Lesseps
schließlich, Saïd Pascha 44% der Anteile der Gesellschaft aufzubürden und
Konzessionsbedingungen auszuhandeln, die schlicht unglaublich waren (Anm. 15).
Der Herrscher verfügte jedoch nicht über das Geld für die Kanalaktien
(umgerechnet 3,5 Mill. Pfund), und de Lesseps überredete ihn, den Kauf über
Schatzanweisungen zu finanzieren. Diese Dette Flottante wurde zum
eigentlichen Finanzproblem Ägyptens, die spektakulären langfristigen
Staatsanleihen waren zunächst nur eine Folge davon (Anm. 16).
1856 unterschrieb Saïd die Suezkanal-Konzession und verpflichtete sich unter
anderem, der Gesellschaft für den Bau eine große Zahl von Fronarbeitern zur
Verfügung zu stellen (Corvée-Arbeiter), Monat für Monat 25.000, der
Gesellschaft 60.000 Feddan Land entlang des Wasserweges zu übereignen und einen
Süßwasserkanal auf eigene Rechnung zu graben (Anm. 17). Der Bau der Suezkanals
wurde 1859 begonnen.
Als Ismaïl Pascha 1863 die Macht übernahm, mußte er die Verpflichtungen
aus dem Konzessionsvertrag seines Vorgängers übernehmen. Auf Rat seines
Ministers Nubar Pascha versuchte er, die Vertragsbedingungen zu ändern und
wurde wiederum von den Europäern betrogen. Es war die Zeit des Baumwollbooms (Anm. 18). Monat für Monat wurden vertragsgemäß 25.000 Fellachen
zwangsweise von den Feldern geholt und zu Fuß an den Suezkanal geschickt, wo
sie unter erbärmlichsten Bedingungen arbeiten mußten. Tausende starben.
Ismaïl aber brauchte die Fellachen für die Arbeit auf seinen eigenen Gütern,
deshalb suchte er die Corvée zu beenden. Außerdem wollte er die Landkonzession
für die Kanalgesellschaft annullieren, die seiner Meinung nach die ägyptische
Souveränität unterminierte. Seine berechtigten Forderungen führten zu einer
scharfen Auseinandersetzung mit der Compagnie Universelle. Schließlich
wurde der französische Kaiser Napoleon III. als Schiedsrichter angerufen.
Dessen Spruch verpflichtete Ismaïl 1864, 3,3 Mio. Pfund
"Entschädigung" für den Verlust der Arbeitskräfte an die
Kanalgesellschaft zu zahlen, in einer Zeit, als der Baumwollboom dem Ende
zuging, und die Gesellschaft ohnehin daran dachte, die Menschen durch
Maschinenkraft zu ersetzen (Anm. 19).
Trotz der rüden Behandlung durch die Europäer ließ es sich Ismaïl,
inzwischen Khedive, nicht nehmen, den Suezkanal 1869 mit großer Pracht und
illustren europäischen Gästen einzuweihen. Gast war unter anderem die
französische Königin Eugenie, für die eigens ein Palast gebaut worden war
(Omar Khayyam, heute Marriott-Hotel). Ismaïl, eitel und selbstsüchtig, wollte
Ägypten zu einem Teil Europas machen und wähnte sich auf der gleichen Stufe
wie die europäischen Herrscher. "Mein Land liegt nicht länger in Afrika,
sondern in Europa." (Anm. 20)
Doch das war eine Illusion. Die europäischen Mächte dachten nicht daran,
dem Land Gleichheit und Ebenbürtigkeit zu gewähren, auch wenn es
wissenschaftlich-technische Neuerungen, Institutionen und Ideen aus Europa
übernahm. Zudem waren die produktiven Investitionen (Suezkanal,
Bewässerungskanäle, Brücken, Zuckerfabriken, Hafen und Wasserversorgung in
Alexandria, Docks in Suez, Eisenbahnen, Telegraphen, Leuchttürme) für sich
genommen nicht geeignet, die Wirtschaftsstruktur grundlegend zu verwandeln. Das
blühende kulturelle Leben, das Kairo und Alexandria europäisches Flair
verlieh, und die im Osmanischen Reich beispiellose Liberalität existierten nur
in den beiden Städten (Anm. 21). Die ehrgeizigen Pläne Ismaïls machten
Ägypten zu einem Eldorado für europäische Finanzleute, Unternehmer und
Spekulanten (Anm. 22). Der Suezkanal aber wurde deren größtes, erfolg- und
folgenreichstes Projekt.
Ein großer Teil der Modernisierungen konnte zwar aus den Staatseinnahmen
bestritten werden, sie reichten aber nicht aus, um die riesigen
Bestechungsgelder an die Hohe Pforte aufzubringen (insgesamt 10 Mio. Pfund
Anm. 23), um die Dette Flottante abzubauen, die für den Kauf der
Suezkanal-Aktien aufgenommen worden war, und um den finanziellen Verpflichtungen
nachzukommen, die sich aus dem Schiedsspruch Napoleons ergeben hatten. Insgesamt
acht Staatsanleihen (Anm. 24), von denen immer geringere Anteile realisiert
werden konnten, hatten die Verschuldung in schwindelnde Höhen getrieben.
Der Suezkanal hatte die ägyptische Staatskasse besonders belastet. Während der
Herrschaft Saïds (18541863) und Ismaïls (18631879) mußte Ägypten 21,5 Mio.
Pfund für den Kanalbau bzw. für daraus erwachsene finanzielle Verpflichtungen
aufbringen. Die Bilanz der ungleichen Verträge noch einmal in Francs: Das
Gründungskapital der Compagnie Universelle hatte 200 Mio. Francs
betragen, die Zahlungen Ägyptens an die Kanalgesellschaft waren insgesamt
höher als das Gründungskapital, nämlich umgerechnet 202 Mio. Francs (Anm. 25).
Nach der Niederlage Frankreichs 1870/71 hatte sich Ismaïl, was
Finanzierungen und Investitionen betraf, verstärkt an die Briten gewandt. Bis
dahin hatten die Briten wenig Interesse daran, ihren Einfluß in Ägypten
auszubauen, weil sie in der Integrität des Osmanischen Reiches die beste
Garantie für ihre Verbindungswege nach Indien sahen. Als Ismaïl 1875 vor
finanziellem Ruin stand, bot der britische Premierminister Disraeli dem Khediven
an, dessen Kanalaktien für die britische Regierung zu kaufen. Ismaïl erhielt
für seine Gesellschaftsanteile, für die sein Vorgänger Saïd Pascha 3,5 Mio.
Pfund bezahlt hatte und die die Basis für die ägyptische Staatsverschuldung
bildeten, ganze 4 Mio. Pfund.
Aber auch dieser Handel konnte die Katastrophe nicht aufhalten, sondern
ermöglichte Großbritannien, nun größter Einzelaktionär der
Suezkanal-Gesellschaft, den Zugriff auf das Land. Ägypten wurde nach Aden der
erste britische Stützpunkt im Nahen Osten.
In einer Rede vor dem Parlament verteidigte Disraeli die neue britische Politik
und den Kauf der Suezkanal-Aktien "als politische Transaktion",
"die das Empire stärkt" und den "Verbindungsweg zu unserem
indischen Empire und unseren anderen Kolonien sichert" (Anm. 26). Der britische Außenminister Salisbury bekundete zur gleichen Zeit das englische
Interesse an einer "neutralen" ägyptischen Regierung, solange der
britische Einfluß unangetastet bliebe. Falls das Osmanische Reich
zusammenbreche und falls Ägypten unabhängig würde, seien Englands Interesse
die Seeküste, die Eisenbahn und die anderen Verbindungslinien über Suez (Anm. 27).
Ismaïl versuchte zwar, mit der britischen Finanzwelt zu einer Übereinkunft zu
gelangen. Das gewünschte gentlemen's agreement aber scheiterte. Die
englischen und französischen Gläubiger begnügten sich nicht mit der Caisse
de la Dette Publique, die den Schuldendienst der auf 91 Mio. Pfund
festgesetzten Gesamtschuld abwickeln sollte. Sie wurde der Aufsicht eines
französischen und eines britischen Generalkontrolleurs unterstellt (Dual
Control). Ägypten war, im Gegensatz zum Osmanischen Reich, für voll
zahlungsfähig erklärt worden. Als der Schuldendienst nicht klappte, war das
ein Vorwand für die Europäer, auf eine neue Regierung zu drängen, der ein
Engländer als Finanzminister und ein Franzose als Minister für öffentliche
Arbeiten angehörten (Anm. 28).
Diese europäische Regierung bedeutete eine weitgehende Entmachtung
Ismaïls, ließ aber auch die Opposition in Ägypten gegen den Khediven und die
europäische Bevormundung anwachsen. Als dieser die Opposition für den eigenen
Machterhalt ins Spiel bringen wollte, wurde Ismaïl kurzerhand abgesetzt und
sein Sohn Tawfiq auf den Thron gehoben (Anm. 29).
In diesem "Machtvakuum" entwickelte sich von 1880 an unter der
Führung Ahmed Urabis eine breite ägyptische Opposition (Anm. 30), die sich
gegen die europäische Kontrolle und Expansion in Ägypten und gegen das
bisherige Machtmonopol des nichtägyptischen Kerns der herrschenden Schicht
wandte. Die Opposition zerbrach, als deutlich wurde, daß die Europäer ihre
Ziele mit Gewalt durchzusetzen gedachten. Die so geschwächte Opposition
erleichterte es den Briten, die Intervention Ägyptens zu legitimieren, die sie
mit der Aufrechterhaltung der rechtmäßigen Ordnung begründeten.
Im September 1882 wurde Ägypten von britischen Truppen (Anm. 31) besetzt,
um, wie es hieß, die finanzielle Stabilität wiederherzustellen und den
Suezkanal zu schützen. Urabi und seine Anhänger wurden ins Exil verbannt. Zu
keiner Zeit indes war die freie Schiffahrt auf dem Suezkanal bedroht gewesen,
und auch die Zinsen und Tilgungsraten waren den europäischen Gläubigem
pünktlich bezahlt worden, allerdings hatte die Urabi-Regierung ein weiteres
administratives und ökonomisches Vordringen der Europäer eindämmen wollen (Anm. 32).
Zu einer erneuten Auseinandersetzung um den Suezkanal kam es, als die
Suezkanal-Gesellschaft schon 1909 die Verlängerung ihrer Konzession, die 1968
auslaufen sollte, bis 2008 (!) forderte. Sie bot dafür der ägyptischen
Regierung 4 Mio. Pfund und erstmals einen jährlichen Anteil an den
Profiten. Der finanzielle (britische) Berater schlug der ägyptischen Regierung
vor, der Offerte zuzustimmen. Das Angebot scheiterte jedoch in der General
Assembly am Widerstand der Nationalisten. Sie sahen darin eine unzumutbare
Verlängerung ausländischen Einflusses in ihrem Land (Anm. 33).
Im Dezember 1914, kurz nach Beginn des 1. Weltkrieges, erklärten die Briten
Ägypten zu ihrem Protektorat. Vielen Ägyptern erschien das als zwangsläufige
kriegsbedingte, jedoch vorübergehende Maßnahme, die Hoffnungen auf
Unabhängigkeit nach Kriegsende nährte (Anm. 34). Davon war am Ende des 1.
Weltkrieges keine Rede mehr: England und Frankreich hatten den Nahen Osten in
Interessenssphären aufgeteilt, die sie möglichst direkt kontrollieren wollten
(Anm. 35). Die USA erkannten auf der Pariser Friedenskonferenz das britische
Protektorat über Ägypten an.
Wie auch in anderen Ländern des ehemaligen Osmanischen Reiches gewann die
Nationalbewegung in Ägypten neue Kraft (Anm. 36).
Deren Führer Saad Zaghlul (Anm. 37)
war zu keinem Kompromiß mit der Besatzungsmacht bereit. Die britische
Regierung mußte angesichts der Unruhen in Ägypten, angesichts der
Widerstandsaktionen und des Verhandlungsboykotts der nationalen Bewegung
schließlich einlenken.
Am 28. Februar 1922 gab der neue britische Hochkommissar Allenby seine
einseitige Declaration of Egypt ab: Nominell wurde Ägypten unabhängiger
Staat, die Briten schränkten seine Souveränität jedoch durch wichtige
Vorbehalte ein. Sie forderten das Recht, für die Sicherheit ihrer imperialen
Verbindungswege zu sorgen, Ägypten zu verteidigen und die ausländischen
Minderheiten und Interessen zu schützen. Britische Truppen blieben im Niltal
stationiert (Anm. 38).
Auch der ehemalige ägyptische Khedive nutzte die Gelegenheit. Des osmanischen
Sultans ledig, erklärte er sich zum König. Die Briten aber hofften, genügend
ägyptische Politiker zu finden, die zu einer positiven Zusammenarbeit bereit
wären. Die neugewählte Regierung unter Saïd Zaghlul aber lehnte kompromißlos
jede Verhandlung über eine vertragliche Regelung auf der Basis der Erklärung
Allenbys ab (Anm. 39).
Erst 1936 kam es mit der Wafd-Regierung unter Mustafa an-Nahhas zu einer
vertraglichen Regelung (Anm. 40): Die Verfassung von 1923 wurde wieder
eingesetzt, die Kapitulationen abgeschafft und die britische Militärpräsenz
beschränkt. Ägypten erhielt erstmals 7% des Profites der
Suezkanal-Gesellschaft. Der Vertrag blieb jedoch in der Nationalbewegung
umstritten, denn eine starke Garnison von Land- und Luftstreitkräften war
weiterhin in der Suezkanalzone stationiert, und für den Kriegsfall waren den
Briten umfassende Rechte eingeräumt worden (Anm. 41). Im 2. Weltkrieg wurde
Ägypten wiederum von britischen Truppen besetzt.
Nach 1945 blieben die Briten im Land. Die ägyptische Regierung forderte,
entsprechend dem Abkommen von 1936, den vollständigen Rückzug der britischen
Truppen aus den Städten in die Militärbasen am Suezkanal. Der britische
Labour-Premier Attlee stimmte angesichts der Unruhen in Ägypten einem solchen
Plan für September 1949 zu, gegen den Widerstand der konservativen
Oppositionsführer Winston Churchill und Anthony Eden. Beide betonten die
Wichtigkeit des Suezkanals als imperial lifeline und sahen bei einem
Rückzug ihrer Truppen die vitalen Interessen Großbritanniens und die
internationale Sicherheit bedroht (Anm. 42).
Wie auch in anderen Teilen des Nahen Ostens aber war die britische Regierung zu
Zugeständnissen gezwungen. 1951 bot sie den Abzug ihrer Truppen aus der
Suezkanal-Zone an, falls die ägyptische Regierung zu
Verteidigungsvereinbarungen bereit sei. Die ägyptische Regierung lehnte ab.
Die Positionen verhärteten sich. Am 6. Oktober 1951 erklärte das ägyptische
Parlament einseitig die Auflösung des Abkommens von 1936. Die nationalen
Gefühle schäumten über, und die Zeitungen feierten den Akt als Schlag gegen
den britischen Imperialismus. Der Ausnahmezustand wurde verhängt, die Briten
verstärkten ihre Truppen in der Kanalzone. Die Wafd-Regierung hingegen erlaubte
Muslimbrüdern und Linken, Verteidigungsbataillone zu bilden, die Hilfspolizei
erhielt Waffen, Nahrungsmittellieferungen in die Kanalzone wurden blockiert,
ägyptische Arbeiter aus der britischen Basis zurückgezogen.
Die Ereignisse spitzten sich zu. Am 25. Januar wurden die Polizei-Kasernen in
Ismaïlia, die sich nicht ergeben wollten, von britischen Panzern angegriffen.
Fünfzig Polizisten wurden getötet, Hunderte verletzt, am nächsten Tag, dem
Schwarzen Samstag, begannen in Kairo schwere Unruhen. In den nächsten sechs
Monaten gelang es dem König nicht, eine stabile Regierung zu bilden, er fühlte
sich von Verschwörern umgeben. Am 22. Juli putschten die Freien Offiziere (Anm. 43).
Das neue Regime hatte den Abzug der Briten zum obersten Ziel erklärt, die
Verhandlungen über die Evakuierung der Kanalzone begannen unverzüglich.
Schließlich gingen die Briten auf einen Kompromiß ein (Anm. 44). Im Oktober
unterzeichneten sie ein Abkommen mit Nasser, innerhalb von 20 Monaten alle
britischen Truppen abzuziehen, mit der Einschränkung, sie wieder ins Land zu
bringen, falls ein Staat der Arabischen Liga oder die Türkei von einer
äußeren Macht attackiert würden (Anm. 45). Allerdings fehlte es nicht an
Kritik im Innern, besonders von seiten der einflußreichen Moslembrüder und der
Linken: Nasser habe nur das alte Abkommen von 1936 in neuer Form unterzeichnet,
so hieß es.
Damals hatte Nasser seine Macht im Innern noch nicht gefestigt und war
keineswegs der unumstrittene arabische Held. Die haschemitischen Königreiche,
Saudi-Arabien und Israel akzeptierten die westliche Hegemonie. Eine enge
Zusammenarbeit mit dem Westen zu dessen Bedingungen oder gar ein Beitritt zum
geplanten Bagdad-Pakt kam für Nasser nicht in Frage. Er wollte die britische
Präsenz am Suezkanal herausfordern, das Land reformieren und die führende
Rolle im arabischen Raum übernehmen (Anm. 46).
Im Februar 1955 entschloß sich Nasser, nachdem der Irak dem Bagdad-Pakt
beigetreten war, und Israel den von Ägypten kontrollierten Gaza-Streifen
angegriffen hatte, die Sowjetunion um Waffen zu bitten, die ihm der Westen nicht
ohne ein gemeinsames Verteidigungsbündnis liefern wollte (Anm. 47). Die neue
Strategie Nassers traf mit dem Höhepunkt der Blockfreien-Bewegung zusammen (Bandung-Konferenz
1955), die Nasser als gleichberechtigten Partner Tschou Enlais, Nehrus und
Sukarnos feierte (Anm. 48).
Die Amerikaner betrachteten diese Entwicklung mit Mißtrauen und zogen am 19.
Juli 1956 unter demütigenden Bedingungen ihre Finanzierungszusage für den Bau
des Assuan-Staudammes zurück. Nasser aber erklärte der staunenden Welt, daß
er die Suezkanal-Gesellschaft zu verstaatlichen gedenke. Am 26. Juli, genau vier
Jahre, nachdem Faruk ins Exil geschickt worden war, hielt der Präsident in
Alexandria vor einer riesigen Menschenmenge eine flammende Rede (Anm. 49). Er
kündigte das Ende des britischen Einflusses an. Dann schilderte er die
Verhandlungen mit Großbritannien, Amerika und dem Präsidenten der Weltbank,
Mr. Black, über die Finanzierung des Assuan-Staudammes: "Ich begann auf
Mr. Black zu schauen, der auf einem Stuhl saß, und in meiner Vorstellung sah
ich ihn als Ferdinand de Lesseps." (Anm. 50) De Lesseps, das
war das Codewort für die ägyptischen Kräfte, die Besitzungen und
Einrichtungen der Suezkanal-Gesellschaft in Port Saïd, Ismaïlia und Suez zu
übernehmen.
Für Eden, nun Premierminister, war die Nationalisierung der
Suezkanal-Gesellschaft schlicht Diebstahl. Eden hatte eine persönliche
Abneigung gegen Nasser, den er für einen zweiten Hitler hielt. Seine
Überzeugungen verführten ihn dazu, Aktionen zu unternehmen, die sich als
katastrophal für seine Karriere und für die britische Position im Nahen Osten
erweisen sollten (Anm. 51).
Aber auch den Franzosen war Nasser ein Dorn im Auge (Anm. 52).
Die Nationalisierung des Kanals lieferte beiden Mächten den Vorwand,
seinen Sturz zu versuchen und die britische Position in der Kanalzone
wiederzugewinnen. Wie schon während der Urabi-Bewegung hatten die Briten keinen
wirklichen Grund für ein militärisches Eingreifen. Der Kanal funktionierte und
Ägypten war bereit, der Gesellschaft Entschädigungen zu zahlen.
Kompromißangebote der ägyptischen Regierung jedoch wurden von den Briten und
Franzosen zurückgewiesen (Anm. 53).
Aber die Konfrontation verlief nicht mehr nur zwischen den alten
Kolonialmächten England und Frankreich. Die beiden Großmächte USA und
Sowjetunion verfolgten ebenfalls eigene Interessen bei der Schaffung einer
Nachkriegsordnung im Nahen Osten. Zudem: Die Nationalisierung der
Suezkanal-Gesellschaft und die Bereitschaft Nassers, Israel zu widerstehen und
die palästinensische Sache zur ägyptischen zu machen, hatten Nasser die Rolle
des arabischen Helden zufallen lassen (Anm. 54). Gleichzeitig aber hatte er
damit Israel zum Schicksal seines Landes und seines Lebens gemacht (Anm. 55).
Das Drama nahm seinen Lauf. Israel schloß sich den französisch-britischen
Plänen an. Der Zeitpunkt war günstig. Die Weltöffentlichkeit und die
Sowjetunion waren mit dem Aufstand in Ungarn beschäftigt. Der israelische
Ministerpräsident Ben Gurion hatte schon vorher erklärt, daß die größte
Gefahr vom ägyptischen Diktator drohe (Anm. 56). Am 29. Oktober 1957 begannen
israelische Truppen, den Sinai zu besetzen. Frankreich und England forderten die
Suezkanal-Anrainer, Israel und Ägypten, ultimativ auf, die Feindseligkeiten
einzustellen, landeten aber selbst in Port Saïd. Zwei Tage später
bombardierten sie ägyptische Flughäfen und strategische Einrichtungen. Am 2.
November forderte die UN-Generalversammlung einen Waffenstillstand, der von den
drei angreifenden Ländern, Großbritannien, Frankreich und Israel
zurückgewiesen wurde. Erst als die USA den alten Kolonialmächten deutlich
machten, daß sie grundsätzlich gegen den Einsatz von Gewalt in dieser Frage
seien (Anm. 57), und die Sowjetunion beiden Ländern drohte, gegebenenfalls
gewaltsam einzugreifen, wurden am 7. November die Kämpfe eingestellt. Die
britischen und französischen Truppen verließen Ägypten am 22. Dezember 1957.
Knapp zwei Wochen später hob die ägyptische Regierung das Abkommen von 1954
über die Suezkanal-Basis der Briten auf (Anm. 58).
Der Kanal aber war durch über 50 gesunkene Schiffe blockiert worden, und erst
im April des nächsten Jahres konnte er wieder vollständig für die Schiffahrt
genutzt werden. Die Briten mußten fortan ebenfalls Kanalgebühren zahlen, in
Pfund Sterling. Für israelische Schiffe hingegen war der Kanal gesperrt (Anm. 59).
Die entschiedene Haltung der USA in dieser Frage lag nicht in freundlichen
Gefühlen der nasseristischen Politik gegenüber begründet. Washington wollte
eine geordnete Dekolonialisierung und sich nicht an militärischen Abenteuern
der alten Kolonialmächte die Finger verbrennen. Mit einer entschiedenen Absage
an koloniale Politik, so hofften die USA, würde es leichter sein, die neuen
Staaten in das westliche Lager und in die Containmentpolitik gegen die
Sowjetunion einzubinden (Anm. 60). Auf diese Weise wollten sie ihre
strategischen Interessen im Nahen Osten, vor allem die Erdölversorgung, sichern.
Für Nasser dagegen und seine Zeitgenossen erschienen die Ereignisse als großer
Sieg. Die frühen Erfolge machten den charismatischen Führer zu einem
Gefangenen seiner Politik (Anm. 61). Er ging den Weg der Konfrontation mit
Israel und den Weltmächten weiter, ohne zu realisieren, daß die damaligen
Erfolge nicht wiederholbar waren. Dieser Weg hatte für Ägypten katastrophale
Folgen. Die bevorzugten Bündnispartner der Vereinigten Staaten im Nahen Osten
wurden Saudi-Arabien und Israel.
Im Juni 1967 griffen israelische Truppen Syrien, Jordanien und Ägypten
überraschend an. Innerhalb von sechs Tagen besetzten sie die Golanhöhen, die
Westbank, den Gaza-Streifen und die Sinai-Halbinsel. Das rechte Ufer des
Suezkanals war nun von Israel besetzt. Der Suezkanal blieb für acht Jahre für
die Weltschiffahrt geschlossen.
Nach der vernichtenden Niederlage von 1967 begann Nasser umzudenken. 1970
stimmte er der Initiative des damaligen amerikanischen Außenministers Rogers zu
und stellte zunächst für drei Monate den Abnutzungskrieg am Suezkanal ein (Anm. 62). Nach dem Tode Nassers im gleichen Jahr änderte der neue ägyptische
Präsident Sadat dessen Politik grundlegend. Er stützte sich fortan auf die
Hilfe der USA, die seiner Meinung nach allein in der Lage waren, Druck auf
Israel auszuüben und das Land zu Zugeständnissen zu zwingen. Schon 1971 bot er
Israel Frieden an, für die Wiederöffnung des Suezkanals und für einen
Teilrückzug israelischer Truppen vom anderen Kanalufer sowie für das Recht,
ägyptische Truppen beiderseits des Kanals zu stationieren. Aber selbst der
amerikanische Außenminister Rogers konnte die Israelis nicht von der
Ernsthaftigkeit des ägyptischen Angebots überzeugen und sie zu Kompromissen
bewegen (Anm. 63).
Ein weiterer Nahostkrieg war nötig, um die Friedensverhandlungen in Gang zu
bringen. Diesmal überquerten ägyptische Truppen überraschend den Suezkanal
und konnten so den Mythos der israelischen Unbesiegbarkeit zerstören. Nach dem
Truppenentflechtungs-Abkommen von 1974 und einjährigen Reparaturarbeiten konnte
der Suezkanal am 5. Juni 1975 wieder für die Schiffahrt geöffnet werden.
Erstmals seit 1957 durften auch israelische Schiffe den Kanal befahren, seit dem
Friedensschluß zwischen Ägypten und Israel (Anm. 64) als gleichberechtigte
Benutzer (Anm. 65).
Anmerkungen:
- Anm. 1
Necho (um 600 v.Chr., 26. Dynastie) begann den Bau, er wurde von Darius (um 500
v.Chr., 27. Dynastie) vollendet. Vgl. Eberhard Otto, Ägypten, der Weg des
Pharaonenreiches, Stuttgart 1979, S. 233/234, S. 241/242.
Zurück zum Fließtext
- Anm. 2
Vgl. Alain Gresh, Dominique Vidal, A to Z of the Middle East, London 1990. Stichwort: Suezkanal.
Zurück zum Fließtext
- Anm. 3
Großbritannien begann daraufhin eine aktive Politik im Nahen Osten. Der Kampf
um die Aufrechterhaltung des Mächtegleichgewichts in Europa schloß fortan die
europäischen Einflußsphären im zerfallenden Osmanischen Reich ein. Vgl. L.Carl Brown,
International Politics and the Middle East, Old Rules, Dangerous Game, London 1984.
Zurück zum Fließtext
- Anm. 4
Der Feldzug war als langdauernde Besetzung gedacht und stand im Kontext der
französisch-britischen Auseinandersetzungen (Kontrolle der Verbindungswege nach
Indien), diente aber auch den unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen
Frankreichs (ägyptische Weizenlieferungen und Absatz französischer Produkte).
Vgl. Alexander Schölch, Der arabische Osten im neunzehnten Jahrhundert 1800 bis
1914, in: Ulrich Haarmann (Hg.), Geschichte der Arabischen Welt. München 1987.
Zurück zum Fließtext
- Anm. 5
Unter anderem bis hinauf nach Syrien und Libanon.
Zurück zum Fließtext
- Anm. 6
D.h. die Rechts-, Handels- und Steuerprivilegien europäischer Kaufleute im Osmanischen Reich.
Zurück zum Fließtext
- Anm. 7
Er betrachtete im übrigen Ägypten als sein Privateigentum, das möglichst
hohen Profit abzuwerfen hatte. Die einheimischen Ägypter waren für ihn nur ein
Heer schmutziger Bauern, die als Kanonenfutter und Fronarbeiter gut waren. Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 370.
Zurück zum Fließtext
- Anm. 8
Die Saint-Simonisten wollten Ägypten zu einem Eckpfeiler ihres industriellen
Weltsystems machen und den Orient mit dem Okzident versöhnen.
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- Anm. 9
Vgl. A. Schölch, a.a.O., S. 368.
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- Anm. 10
Das ägyptischen Monopolsystem war schon vorher in eine Krise geraten. Folgende
Faktoren hatten dazu beigetragen: die Dezimierung der einheimischen Händler-
und Handwerkerschicht; der Zwangscharakter vieler Entwicklungsmaßnahmen, der
Bauern zu Revolten und zur Flucht, die Arbeiter zu Sabotage in den Fabriken und
zur Selbstverstümmelung trieb; der Mangel an Rohstoffen und eine unzureichende
technologische Entwicklung. Vgl. A. Schölch, a.a.O., S. 373/374.
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- Anm. 11
Vgl. P.J.Vatikiotis, The History of Modern Egypt, From Muhammed Ali to Mubarak, London 19914, S. 7173.
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- Anm. 12
P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 72.
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- Anm. 13
Nach den Memoiren Nubar Paschas, die, 1894 im Exil geschrieben, erst 1983 im
Libanon in französischer Sprache erschienen und auszugsweise ins Arabische
übersetzt wurden. Nubar Pascha war unter Ismaïl Pascha einer der
einflußreichsten und fähigsten Minister und Ministerpräsidenten.
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- Anm. 14
De Lesseps überschrieb dem Pascha einfach die restlichen Anteile an der
Gesellschaft, hinterlegte das Schreiben bei dessen Sekretär, informierte seinen
"Freund" erst fünfzehn Tage später und erklärte den Vertrag für
rechtskräftig. Nach Einschaltung französischer Anwälte mußte Saïd zahlen,
und zwar 88 Mio. Francs. Nach den Memoiren Nubar Paschas, der im übrigen de
Lesseps für einen Betrüger hielt und weitere Beispiele nennt.
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- Anm. 15
Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 392.
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- Anm. 16
Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 392.
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- Anm. 17
Vgl. P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 84.
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- Anm. 18
Während der amerikanischen Sezessionskriege 18611865.
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- Anm. 19
Vgl. P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 84/85, A.Schölch, a.a.O., S. 392.
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- Anm. 20
Vgl. P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 73.
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- Anm. 21
Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 403.
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- Anm. 22
Ein Zeitgenosse schrieb: "Der englische Löwe, der französische Tiger, der
ägyptische Ochse, der griechische Schakal, sie alle scheinen für ein Leben in
diesem Land unter Ismaïl bestimmt ein Bacchanal von Verrücktheiten macht
Ägypten zu einer Brutstätte für die Parasiten der Zivilisation. Eine Kairener
Bürokratie mästet sich an Fellachen und eine ausländische Alexandriner
Plutokratie mästet sich wiederum am Khediven." Francis Adams, The New
Egypt, London 1893, S. 69, zit. nach Vatikiotis, a.a.O., S. 87.
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- Anm. 23
Mit den riesigen Bestechungsgeldern an die Hohe Pforte versuchte Ismaïl, die
von seinem Großvater Muhammad Ali erreichte weitgehende Autonomie Ägyptens
innerhalb des Osmanischen Reiches fortzuschreiben und die Erbfolge für seine
Söhne zu sichern. 1867 erhielt er zwar vom Sultan den Titel Khedive
(Vizekönig), trotzdem zögerte dieser nicht, ihn auf Drängen und Druck der
Europäer 1879 vom Thron zu verweisen und ins Exil zu schicken. Vgl.
P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 77, A.Schölch, a.a.O., S. 393395.
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- Anm. 24
Nur der kleinste Teil davon floß in produktive Projekte (Steigerung der
Produktivität der Privatgüter Ismaïls, Ausbau des Eisenbahnnetzes, Ankauf der
Güter eines exilierten Prinzen). Für den wachsenden Geldbedarf wurde nicht
eine verfehlte Politik, sondern wurden Katastrophen und unvorhergesehene
Finanzverpflichtungen verantwortlich gemacht (Erneuerung des Viehbestandes nach
verheerenden Seuchen, der "Schiedsspruch" Napoleons, Hilfe für
verschuldete Großgrundbesitzer nach dem Ende des Baumwollbooms).
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- Anm. 25
Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 392/93.
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- Anm. 26
Disraeli am 21.2.1876, zit. nach: P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 172.
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- Anm. 27
Zit. nach P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 172.
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- Anm. 28
Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 394, Derek Hopwood, Egypt, Politics and Society 184590, London 1993, S. 11.
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- Anm. 29
Das Urteil des Vaters über den Sohn: "Kein Kopf, kein Herz, keine
Courage." Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 400.
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- Anm. 30
Die Urabi-Bewegung umfaßte folgende Gruppen: einheimische Offiziere, die mit
loyalen Anhängern unter den Intellektuellen politische und soziale Reformen
forderten, die das Los der Bauern erleichtern sollten; einheimische
Großgrundbesitzer und Kaufleute, die an der Macht nach Vorbild der
europäischen Bourgeoisie beteiligt werden wollten; Intellektuelle verschiedener
Provenienz, muslimische Reformer, konservative Ulama, christliche Journalisten,
einheimische Technokraten, die jeweils ihre eigenen ideologischen Konzepte
einbrachten. Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 400/404.
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- Anm. 31
Frankreich wir damit beschäftigt, seine Macht im 1881 besetzten Tunesien zu konsolidieren.
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- Anm. 32
Formal blieb Ägypten Bestandteil des Osmanischen Reiches, Repräsentanten der
Besatzungsmacht waren der Generalkonsul, die Befehlshaber der Armee und die
britischen Berater der ägyptischen Minister. In den folgenden vier Jahrzehnten
britischer Herrschaft wurde die ägyptische Wirtschaft in hohem Maße auf die
spezifischen Bedürfnisse und Interessen Englands ausgerichtet, Ansätze einer
industriellen Produktion stagnierten oder verkümmerten. Vgl. A.Schölch, a.a.O., S. 418/419.
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- Anm. 33
P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 211 u. S. 259. Saad Zaghlul, damals schon
Parlamentsmitglied (bis 1914) und Minister (19061913), war bis zu seinem Tode 1927 Führer dieser Nationalbewegung.
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- Anm. 34
Die Osmanische Oberhoheit über Ägypten war dadurch aufgehoben, und anläßlich
des amerikanischen Kriegsbeitrittes hatte Präsident Wilson als Prinzipien für
eine Nachkriegsordnung das Selbstbestimmungsrecht der Völker und eine liberale
Handelspolitik der "offenen Tür" aufgestellt. Vgl. Helmut Mejeher,
Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert 19141918, in: U.Haarmann, a.a.O., S. 461.
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- Anm. 35
Die USA hatten die nahöstliche Bühne noch nicht betreten, das bolschewistische Rußland sie nach der Revolution verlassen.
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- Anm. 36
Sie wollte stärker an der Regierung beteiligt werden, richtete sich gegen die
imperiale und ökonomische Dominanz der Briten und forderte die Abschaffung der
Kapitulationen und wirtschaftliche Unabhängigkeit.
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- Anm. 37
Vgl. H.Mejeher, a.a.O., S. 461. Auf die Geschichte der Nationalbewegung und die
Rolle Saad Zaghluls kann in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden.
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- Anm. 38
Vgl. H.Mejeher, a.a.O., S. 464.
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- Anm. 39
Saad Zaghlul forderte die bedingungslose Streichung des Vier-Punkte-Vorbehalts
und erklärte die politische Einheit des Niltals für unverzichtbar. Vgl. H.Mejeher, a.a.O., S. 464466.
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- Anm. 40
Der Vertrag war nicht Folge des Verhandlungsgeschicks der damaligen ägyptischen
Regierung, unter veränderten außen- und innenpolitischen Bedingungen waren die
Briten zu Zugeständnissen bereit. Vgl. H.Mejeher, a.a.O., S. 467.
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- Anm. 41
Die diese auch während des 2. Weltkrieges durchaus mit dramatischen Effekten
nutzten: Im Februar 1942 zwang der britische Botschafter den ägyptischen
König Faruk mit vorgehaltener Pistole, den achsenfreundlichen Premier Ali Mahir
abzusetzen und Mustafa an-Nahhas erneut zu ernennen. Vgl. H.Mejeher, a.a.O., S. 367.
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- Anm. 42
Vgl. D.Hopwood, a.a.O., S. 26.
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- Anm. 43
Vgl. D.Hopwood, a.a.O., S. 3032.
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- Anm. 44
Im September erklärte die britische Regierung, es gäbe keine strategische
Alternative zur Aufrechterhaltung der Militärbasis in der Kanalzone. Der
britische Außenminister Eden schrieb an Churchill: "Wenn wir die Kanalzone
evakuieren, bevor wir ein Nahost-Verteidigungsbündnis schaffen, würden wir uns
selbst ägyptischer Erpressung ausliefern." Mit solchem Denken waren die
nationalen Bestrebungen der Freien Offiziere natürlich nicht zu vereinbaren.
Vgl. D.Hopwood, a.a.O., S. 38/39.
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- Anm. 45
Nasser nannte das Abkommen "die größte einzelne Errungenschaft in
Ägyptens nationalen Bestrebungen bis heute. Wir wollen den Haß in unseren
Herzen loswerden und beginnen, unsere Beziehungen mit Großbritannien auf eine
solide Basis des gegenseitigen Vertrauens zu stellen, die in den letzten 70
Jahren gefehlt hat." Diese Hoffnungen sollten in weniger als zwei Jahren
zunichte gemacht werden. Zit. nach: D.Hopwood, a.a.O., S. 41.
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- Anm. 46
"Diese Rolle schien mir", so schreibt er in Philosophie der
Revolution, "auf der Suche nach einem Helden durch den Nahen Osten zu
wandern." Vgl. L.C.Brown, a.a.O. (Seitenangabe fehlt, Anführungszeichen ergänzt Anm. KFN).
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- Anm. 47
Mit den Waffenlieferungen an Ägypten zunächst via Tschechoslowakei
betrat die Sowjetunion unter Chruschtschow die nahöstliche Bühne. Sorgsam
hatten die drei westlichen Siegermächte das zu verhindern versucht. Der Nahe
Osten war in Jalta kein Tagesordnungspunkt gewesen.
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- Anm. 48
Vgl. L.C.Brown, a.a.O., S. 164/165.
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- Anm. 49
Und zwar auf dem Platz, auf dem 20 Monate vorher gegen ihn ein Attentatsversuch
von den Moslembrüdern unternommen worden war.
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- Anm. 50
Zit. nach: D.Hopwood, a.a.O., S. 48.
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- Anm. 51
Vgl. D.Hopwood, a.a.O., S. 49.
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- Anm. 52
Nasser unterstützte die Befreiungsbewegung in Algerien.
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- Anm. 53
Die drei Westmächte einigten sich auf eine Konferenz der Kanalbenutzer und
luden Nasser, ohne den Versuch direkter Verhandlungen, zu dieser Konferenz ein.
Nasser war zunächst bereit, teilzunehmen; doch als er vom Angriff Edens im
Fernsehen erfuhr: "...unsere Auseinandersetzung ist nicht mit Ägypten,
noch weniger mit der arabischen Welt; sie ist mit Colonel Nasser allein..."
weigerte er sich daraufhin, an der Konferenz teilzunehmen, die Konferenz fand
ohne die wichtigste Person statt. Zit. nach: D.Hopwood, a.a.O., S. 49.
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- Anm. 54
Vgl. L.C.Brown, a.a.O., S. 165.
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- Anm. 55
Vgl. H.Mejeher. a.a.O., S. 483.
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- Anm. 56
Vgl. D.Hopwood, a.a.O., S. 52.
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- Anm. 57
Die USA, insbesondere der damalige Außenminister John Foster Dulles, wollten
sich von der Kolonialpolitik alten Stils absetzen. Sie fürchteten, eine offene
Unterstützung Israels könne die arabischen Staaten verprellen, die wegen der
Erdölversorgung für die USA von strategischer Bedeutung waren.
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- Anm. 58
Vgl. P.J.Vatikiotis, a.a.O., S. 393/394.
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- Anm. 59
Vgl. D.Hopwood, a.a.O., S. 56. Der israelische Rückzug vom Sinai gestaltete
sich schwieriger. Nur auf großen Druck der USA räumten sie bis zum März die besetzten Gebiete vollständig.
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- Anm. 60
Als die Entwicklung im Nahen Osten sich allerdings nicht kontrollieren ließ,
antworteten die USA mit der Eisenhower-Doktrin und ließen 1958 Kriegsschiffe vor der libanesischen Küste kreuzen.
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- Anm. 61
Vgl. L.C.Brown, a.a.O., S. 177.
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- Anm. 62
Dieser Krieg wurde mit einem hohen Einsatz an Menschen und Material wenig gewinnbringend geführt.
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- Anm. 63
Vgl. D.Hopwood, a.a.O., S. 106/107.
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- Anm. 64
Der spektakuläre Auftritt des ägyptischen Präsidenten im November 1977 vor
der israelischen Knesseth leitete die Friedensverhandlungen ein, die allerdings
nur durch großen amerikanischen Druck auf den israelischen Partner und mit
großen finanziellen jährlichen Zuwendungen an beide Kontrahenten zu einem
erfolgreichen Abschluß gebracht werden konnten.
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- Anm. 65
Vgl. A.Gresh, a.a.O. (ohne Seitenangabe Anm. KFN)
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Zum PapyrusArchiv
Kaiser-Reise nach dem Oriente
von Dr. Beda Dudik Wien 1870
bearbeitet von Rudolf Agstner
Nr. 1112/94, pp. 2328
"Eröffnung des Suez-Kanals"
Der "Greif" hatte eine ganz gute Fahrt gehabt. Nachdem er um 2 Uhr bei
Jaffa flott wurde ... liessen, je weiter er sich von der syrischen Küste
entfernte, desto mehr Wind und Seegang nach, so dass er am 15. Morgens um 9 Uhr
beim schönsten Wetter in Port-Said gelandet werden konnte. Der
"Greif" benötigte hiezu 18½ Stunden Fahrzeit.
Ich war leider nicht Zeuge des Empfanges, ... gebe daher die Beschreibung
desselben, wie ich sie ... in der Wiener Zeitung vom 28. November lese.
"Heute Früh", so heisst es darin, ... "bald nach Sonnenaufgang,
wurde in Port-Said ein Kriegsschiff, das den Kurs von der
syrischen Küste hielt, signalisirt. Die freudige Vermutung, daß sich Se. Majestät
der Kaiser an Bord desselben befinde, war kaum zur Gewissheit
geworden, als sich im Hafen das regste Leben entwickelte. Im Nu waren alle Schiffe
reich bewimpelt und hissten die östereichische Fahne am Hauptmaste auf.
Die Matrosen kletterten die Raaen hinan, die Feuerschlünde donnerten ihren Salut,
dass eine Rauchwolke das schöne Bild dem Blicke entzog. Der k.k.
Botschafter, Feldzeugmeister Freiherr von Prokesch-Osten, welcher den 14. auf dem
Vulcan anlangte ... fuhr in einem Boote dem kaiserlichen Schiffe es war
der 'Greif' entgegen, das langsam und feierlich die Well durchschnitt.
Am Bord des französischen Linienschiffes 'Themis' wurde die österreichische Volkshymne
intonirt, und brausendes 'Vive l'Empereur! ' ertönte von allen Raaen, während auf dem
Quai eine dichte Menge von Zuschauern durch Hüteschwenken ihrer
Sympathie Ausdruck gab.
Mit dem 'Partant pour la Syrie' erwiederte die Musik-Kapelle des 'Greif'
diese Begrüssung, die sich von allen anderen Schiffen aus wiederholte. ... Während
der Einfahrt in den Hafen stand Se. Majestät in der großen Marschalls-Uniform ... am Deck.
Hier empfing der Kaiser den Herrn Botschafter und das k. und k.
Consular-Corps. Der 'Greif' lavirte mit graciöser Wendung, und legte sich am südöstlichen
Ende des Bassin Ismail an der Seite der viceköniglichen Yacht 'Mahroussa'
vor Anker. Unmittelbar, nachdem der Anker geworfen war, kam Se. Hoheit der Vice-König
mit großer Suite, worunter Scherif Pascha, Conseil-Präsident und
Minister des Innern und des öffentlichen Unterrichtes, und Nubar Pascha, Minister
des Äußeren die von nun an dem Kaiser zugeteilt blieben, an Bord des
'Greif', um Seine Majestät den Kaiser zu bewillkommen. Se. Hoheit der Prinz der
Niederlande folgte. Beide Besuche wurden von Sr. Majestät alsbald erwiedert....
Später nahm der Kaiser die Aufwartung des Herrn von Lesseps und der Direction
des österreichischen Lloyd ... entgegen. Sodann wurde die Deputation der
österreichischen Colonie in Alexandria empfangen, welche ankam, um Sr. Majestät
für den telegraphisch allergnädigst zugesagten Besuch des von ihr zu
veranstaltenden Ballfestes ehrfurchtsvoll zu danken, und die Bestimmung des
Tages für das Fest entgegenzunehmen. Se. Majestät liess sich die
Deputations-Mitglieder durch den General-Consul, Freiherrn von Schreiner, vorstellen. ...
Bei diesem Anlasse wurde bekannt, daß der Kaiser jeden
Österreicher, der sich hier befindet, zu empfangen bereit sei, von welcher
gnädigen Äusserung das stattliche Häuflein hier weilender Landeskinder mit
begreiflicher Freude Kenntniss nahm. Nach Empfang der Commerz-Deputation zog
sich Se. Majestät für den Rest des Tages zurück." |
"... Am 'Greif' war es lebendig. Besuche kamen und gingen, obwohl es
noch ziemlich frühe war. Gegen 9 Uhr kündigten Kanonen das Einlaufen der Kaiserin
von Frankreich an, die den Tag vorher aus Alexandria gekommen war, und die Nacht
auf ihrem der ausgesuchten Pracht wegen schon oft besprochenen 'Aigle'
zugebracht hatte. Sie stand in einem am Radkasten angebrachten Pavillon im weissen
Morgenkleide, mit einem blauen grossen Schleier am Hute, als sie uns in
Sicht kam ... Se. Majestät gab den Befehl, um 12 Uhr der Kaiserin in voller Parade
einen Besuch auf ihrem Schiffe abzustatten. Kaum von dem 'Aigle'
zurückgekehrt, wurde Abd-el-Kader angesagt. ... Ich gestehe, dass ich ungemein
gespannt war, den grossen Araber-Häuptling, welcher durch 16 Jahre gegen die
Übermacht der Franzosen so siegreich gekämpft hatte, ... zu sehen. Im schneeweissen
Burnus, mit ähnlicher Kopfhülle und gelben Pabutschen erschien
dieser ehemals so gefürchtete Häuptling würdevoll. ... Sein ruhiges, melancholisches
ziemlich weisses Gesicht umrahmt trotz der 62 Jahre, welche auf
den Schultern des Emirs lasten, ein schwarzer, kurz gehaltener Vollbart. ...
Der Grosskreuz der Ehrenlegion mit dem rothen, und, wenn ich nicht irre, jenes des
Stephans-Ordens am grünen Band, störte ungemein die poetische Erscheinung dieses
seinen heimischen Sitten und seiner Tracht treu gebliebenen Patriarchen
der Wüste. Die modernen Ordens-Decorationen verhalten sich zum Beduinenkleide wie
ein Beduinenlager zur Wiener Ringstrasse. ... Nicht fünf Minuten dauerte
es, da ward der Besuch der Kaiserin angesagt. Sie erschien auf einer gedeckten,
weiss lackirten Barke, begleitet von zwei Damen. ... Der Besuch dauerte etwa 10
Minuten, worauf die vornehme Gesellschaft unter der französischen Volkshymne,
die unsere Musik spielte, dem Kronprinzen von Preussen, welcher vor Abd-el-Kader
auf dem 'Greif' anwesend war, auf dessen Yacht 'Hertha' einen Besuch abstattete.
Gegen 3 Uhr sollte die Weihe des Suez-Canals vor sich gehen. So ziemlich am
nördlichen Ende der Mündung des Canalhafens, dessen langgestreckter Quai den
Namen 'Franz Joseph' erhielt, standen die Capellen-Zelte: das türkische weiss
und grün, heraldisch rechts, das katholische links. Das letztere ruhte auf vier
mit dem Halbmonde gezierten Säulen. ... Ein Crucifix ragte aus der Mitte des ziemlich
hoch gestellten Altars, dessen Hintergrund das an diesem herrlichen,
sonnigen Tage spiegelglatte Meer bildete. Der Totaleindruck des auf mehreren Stufen
ausgerichteten Capellen-Zeltes war ein äusserst würdevoller, noch
dadurch gehoben, dass an der Frontseite zwischen den Fahnen aller Nationen ein riesiger
Schild mit dem Wappen von Jerusalem prangte.
Ein zahlreicher Clerus, an dessen Spitze der Pontificat, Monsignore Ciurcia,
apostolischer Vicar für Ägypten, umgab den Altar und den Festredner, den in
Wien wegen seiner gediegenen Kanzelvorträge und der Liebenswürdigkeit im Umgange wegen
vorteilhaft bekannten Convertiten, nunmehrigen apostolischen
Proto-Nuntius, Monsignore Bauer.
Mit weithin hörbarer Stimme sprach der begeisterte Redner von den Wundern der
christlichen Civilisation, und in einer gelungenen Apostrophe an den Vice-König,
an die anwesende Kaiserin und an den Kaiser und apostolischen König, von den Mitteln,
die zur christlichen Civilisation führen müssen. ... Zum Schlusse
erinnerte der Redner noch an die während dieses Unternehmens hier Verstorbenen, und
indem er Sr. Majestät dem Kaiser für das diesem grossen Unternehmen durch
seine Gegenwart abgelegte Zeugnis einer ganz besonderen Sympathie dankte, bat er für
Ihn, für sein Haus und das Reich um den Segen jenes Gottes, den der Kaiser
eben in Jerusalem in Demut angebetet hatte.
Kanonen-Salven und Musik der aufgestellten Zuaven bezeichneten den Schluss der Rede,
welche eine halbe Stunde gedauert, und einen guten, tiefgehenden Eindruck
bei allen Confessionen hervorgebracht hatte.
Der Vice-König und seine beiden Söhne wohnten der Feierlichkeit, die mit dem Te Deum
und der üblichen Benediction schloss, in einem eleganten Kiosk bei.
Dort war auch die Kaiserin ... diesmal mit vier Damen, ihr zur Rechten der Kaiser, zur
Linken der Kronprinz von Preussen, dann der Prinz der Niederlande,
der Prinz von Hessen und Prinz Murat. In zweiter Reihe sassen Abd-el-Kader, unsere Herren
Minister und die bei der Pforte accreditirten Botschafter von
Russland, England und Österreich, dann der Staatsrath von Braun, Sections-Chef von Hofmann
und noch einige europäisch gekleidete Damen, darunter die
Prinzessin Louise der Niederlande.
Für das größere Publicum waren die Seitentheile dieses offenen Pavillons bestimmt,
welcher statt des Wappens mit einem Schilde, worin zwei kreuzweise
gelegte Anker in gelbem Felde lagen, geziert war.
Die Gegend, wo diese drei Pavillons standen, ist trostlos. So weit nur das Auge reicht,
nichts als feiner Flugsand, in welchem man bei jedem Tritte bis über
die Knöchel einsinkt. Dabei ausgedehnte Sümpfe, durch welche jetzt eine Art von Damm gemacht
und mit Brettern belegt wurde, um nur zum Festplatze gelangen
zu können. Dies war auch der Weg, den der Kaiser in Marschalls-Uniform und mit dem Grosskreuze
des Osmanie-Ordens, die Kaiserin im Arme führend, durchschritt.
Eine riesige österreichisch-ungarische Fahne wurde ihm von seinen Untertanen, die hier
beim Baue beschäftigt sind, vorgetragen.
Längs dieses Brettweges stehen an einer Stelle hölzerne Häuser für die Beamten
dieses Riesen-Unternehmens, dessen Seele, Lesseps, im Pavillon in der
Nähe unseres Kaisers gestanden hatte. So mochten die grossen Städte Amerikas
begonnen haben, dachte ich mir, als ich da vorüberging.
Das gut aussehende ägyptische Militär bildete zwischen Flaggenstangen Hecke,
und Abends eine Lampionkette gleichsam den Wegweiser, damit die anwesende
Fremdenmenge den Weg nicht verfehle. Port-Said ist ja erst im Werden und zählt
doch schon an 12 000 Einwohner.
Alle seefahrenden europäischen Nationen, mit alleiniger Ausnahme der Türkei,
waren beim Feste vertreten. Um 4 Uhr hatte die etwas gedehnte, aber vom
schönsten Wetter begleitete Festlichkeit ihr Ende erreicht.
Herrn von Lesseps wurde an diesem Tage die Ehre zu Theil, zur Tafel Sr. Majestät
am 'Greif' gezogen und auf das Huldvollste ausgezeichnet zu werden.
Später erhielt Lesseps das Großkreuz des Leopold-Ordens.
Abends Beleuchtung der Stadt und der zahlreichen Schiffe im Hafen,
die alle in der großen Flaggengala erglänzten." |
"... begann die feierliche Fahrt durch den Canal. Alle Schiffe, welche
sich an der Fahrt betheiligen wollten es waren ihrer an 36 , erhielten eine
fortlaufende Nummer, und wurden in vier Gruppen getheilt. In die erste Gruppe
nahm man die Yachten mit den Majestäten, den Prinzen, Botschaftern und
Ministern, in die zweite alle die anwesenden Kriegsschiffe, in die dritte
die Privat-Dampfer mit den geladenen Gästen und in die vierte die Handelsschiffe,
welche des Festes wegen eine unentgeltliche Passage erhielten. Sr. Majestät
Yacht 'Greif' hatte Nr. 2. Sein Vordermann war die Yacht Ihrer Majestät der Kaiserin.
Um 9 Uhr Vormittags begann die Einfahrt in den Canal, dessen Mündung in
den Hafen durch zwei Holzobeliske markirt ist. Der Canal läuft ... in
ununterbrochener gerader Richtung, und immer 100 Meter breit, bis hinter Kantara. ...
Von Kantara bis El-Ferdane vom 50. bis 65. Kilometer ist der Canal
viermal gebrochen, und da er bei El-Ferdane von 100 Meter auf 56 Meter zusammenschrumpft,
glauben die Sachkundigen, daß hier derselbe einer
wesentlichen Abänderung bedürfe. ...
Als wir in Port-Said ausliefen, war das Wetter klar, aber nicht übermässig warm.
Die Yacht der Kaiserin eröffnete, wie schon gesagt, den Zug. Auf ihrem
Bord befand sich M. Lesseps. Der Vice-König war schon am Abende des 16. auf seiner
Corvette 'Latir' vorausgeeilt, um in Ismailia denn dahin ging die
Festflotte die allerhöchsten Gäste zu empfangen. Wir verliessen erst um halb
zehn Uhr Port-Said. Am Bord des 'Greif' befand sich der erste Ingenieur und
zugleich Director der Arbeiten am Suez-Canal, M. Voisin-Bey. Auf der Brücke, von
welcher Se. Majestät während der Durchfahrt kaum abstieg, lag ein Plan im
grossen Massstabe zur Orientirung. Der Botschafter, Baron von Prokesch, und der
österreichische General-Consul aus Alexandrien, Baron von Schreiner, leisteten
Gesellschaft.
Als Laie und Tourist kenne ich keine langweiligere Fahrt, als die auf dem
Canale von Suez. Man hatte am heutigen Tage seine beste Seite hervorgekehrt, und doch
mussten wir, um nicht aufzufahren, mit der grössten Langsamkeit vorwärtsgehen.
Wir legten kaum drei Seemeilen in der Stunde zurück ! kamen allerdings
glücklich durch, aber nicht die uns nachfolgende 'Elisabeth'; sie fuhr einige
Male auf, und musste viel Kraft und Geduld anwenden, um wieder flott zu werden.
Die Ursache mochte wohl in örtlichen, kaum vorauszusehenden Verhältnissen liegen.
Allerdings stehen gar viele riesige Bagger-Maschinen, etwa 10 der grössten
Gattung und 30 kleinere nebst 12 Elevatoren im Canale, doch wie wollten sie
gegen das hiesige Terrain den Sieg davontragen? Der Canal ist, wenigstens bis
Ismailia, also in einer Ausdehnung von 10½ deutschen Meilen, seinem bei weitem
grösseren Theile nach im Flugsande gebaut. Hohe Ufer dieses fahlgelben, dem Auge
wehthuenden Materials dehnen sich längs des Canals aus und benehmen dem
flachgehenden Schiffe jegliche Aussicht. ... So weit das selbst mit einem guten
Fernrohre bewaffnete Auge reicht, erblickt man nichts als Sand oder
langgestreckte Pfützen. Hie und da wächst in dem Sande eine Art von Binse, nach
der nicht einmal das Kameel greift, das doch den stacheligen Feigencactus
mit Wohlbehagen verzehrt. Lebendiger ist es in den grossen Wassersümpfen, die
man für Meere halten könnte. Von der Haltstation Kantara sahen wir in dem See
Menzaleh Tausende von Flamingos, die wie eine weisse Armee in Reih und Glied
dahinschwammen, und flogen sie auf, dann bildete ihr rosenrothes Halsgefieder
ein das Auge überraschendes Prachtsegel.
Diese scheuen Vögel boten die einzige Abwechslung in der sandigen Monotonie,
denn die Anfänge der Haltstationen, wie z.B. Ras-el-Ech (Vorgebirge des Brotes)
und Kantara hinterlassen, statt zu erfreuen, einen der düstersten Eindrücke.
Da stehen in diesem Sandmeere einige elende Holzhütten in Kantara ein
einziges gut aussehendes Haus, trotzdem dass Kantara eine alte Karawanen-Station
ist und die schwarzen grossen Maschinen, sie bilden den grossen Contrast und
sagen, dass sie Zweck sind, während alles Andere nur Mittel ist. Und in der That,
die Männer, die man hie und da sah, sie erinnern an die alte
Pharaonenzeit, als die Pyramiden gebaut wurden. Es sind durchgängig Ausländer,
namentlich Dalmatiner, die hier arbeiten, ohne Schule und ohne Kirche.
Allerdings ist in Ismailia eine katholische Kirche und Schule, doch wo liegt
Ismailia und wo Ras-el-Ech!
In der Nähe von Ismailia, bei El-Ferdane in den Lagunen des Sees Balla,
und bei dem ziemlich bedeutenden Dorfe, El-Gisr, waren beflaggte Pavillons aufgestellt,
und bei denselben etwa hundert gutgekleidete Herren und Damen versammelt.
Man sah es dem Häuflein an, dass es dahin commandirt wurde, um, wie einst bei der
Kaiserin Katharina, eine Fata morgana der Civilisation hervorzuzaubern.
Bei Kantara salutirte den 'Aigle' und unseren 'Greif' die ägyptische Corvette 'Latif'
mit Kanonen-Salven. Um 5½ Uhr nachmittags warf der 'Greif' im See Timsah,
an welchem Ismailia liegt, ... die Anker aus. Die im Hafen stationirten drei
ägyptischen Schiffe gaben mit den Landbatterien den üblichen Salut.
Der Vice-König hat ja ein ganzes Regiment Artillerie nach Ismailia beordert. ...
Bei einbrechender Nacht illuminirte Ismailia, diese Wunderschöpfung
mitten in der Wüste; auch die nach und nach angelangten Schiffe der ersten Gruppe die
anderen übernachteten im Canale liessen Raketen und unterschiedliche
Feuerkörper steigen. Aus der Ferne hörten wir Musik, Trommeln und Pfeifen,
denn in Ismailia war ein Volksfest. Noch spät Abends ging der Kaiser, und in
seinem Gefolge alle die Herren Officiere des 'Greif' aufs Land, um demselben
zuzusehen. ..." |
"... erschien schon um 10 Uhr der Vice-König ohne jegliches Ceremoniel
am Bord des 'Greif'. Es wurde auf 2 Uhr Nachmittags eine Fahrt durch Ismailia
verabredet. Zuvor jedoch empfing noch der Kaiser die österreichische Colonie
von Ismailia, deren Repräsentanten Ihm von dem Consular-Agenten Bader
vorgestellt wurden. Darauf fuhren der Kaiser und die Herren vom 'Greif' und
der 'Elisabeth', welche eben anlangte und an unserer Seite vor Anker kam, zur
festgesetzten Stunde mit Ruderbarken und den hier üblichen kleinen Schrauben-Dampfern
zu dem mit einer Triumph-Pforte reich geschmückten
Landungsplatze, wo bereits die Kaiserin von Frankreich anwesend war.
Ein Pariser offener Wagen, bespannt mit vier Prachtfüchsen und bedient mit
Jockeys nach englischer Art, nahm die Kaiserin und den Kaiser auf. ...
Die französische und österreichische Suite bestieg mehrere bereit stehende,
theils dem Vice-König gehörige, theils auch gemietete europäische Wagen, und
nun ging es bis El-Gisr auf der gut gebahnten Strasse zwischen einem Militär-Spalier
in das Innere der Stadt, die fächerartig von dem Canale des
Süsswassers sich ausbreiten soll. Noch im Jahre 1862 waren in dieser Sandwüste nur
Zelte; jetzt zählt die Stadt 4500 Einwohner, worunter 3000 Europäer und
darunter wieder 800 Österreicher. Kein Wunder daher, dass die Häuser europäischen
Comfort, und was mich besonders Wunder nahm, ganz hübsche
Vorgärten aufweisen. Palmen, Bananen, Zuckerrohr, Rhicinus, Bambus, blutrothe,
riesig blühende Euphorbien und ein mir unbekanntes hohes Schilf mit
reiherähnlichen weissen Blütenbüscheln ragen über die zierlichen Gitter hervor,
und fächeln dem Hause Kühlung zu. Der hiesige Sand lässt sich
nämlich durch häufiges Giessen mit Süsswasser binden, und so der Cultur zuführen.
Der Palast des Vice-Königs im westlichen Theile der Stadt ist neben
der katholischen Kirche das schönste Gebäude. Auch das Werkhaus ist gut und solide gebaut.
Da der grössere Theil der Bewohner dieser nach Nationalitäten getheilten Stadt
der katholischen Religion angehört, wurde durch Lesseps Zuthun eine ansehnliche
katholische Kirche aufgeführt und mit allem Nothwendigen hinreichend versehen.
Sie steht unter dem General-Vicariate von Alexandria und geniesst jegliche
bürgerliche Freiheit. Auch eine Schule mit französischer Unterrichtssprache
wurde bei derselben eröffnet. Barmherzige Schwestern, welche im ganzen Oriente
in grosser Achtung stehen, besorgen ein eben errichtetes Spital, und denken
schon wieder an die Errichtung einer Mädchenschule und eines Waisenhauses. Man
merkt selbst auf der Strasse den französischen Einfluss. Frankreichs Sprache ist,
so zu sagen, die allgemeine in der Stadt und Umgebung, trotzdem dass, wie
bemerkt, an 800 Österreicher, meist Dalmatiner, in der Stadt und bei 2000 im
Bezirke von Ismailia leben. Die grösseren Bauten, wie am Canal so an der
Eisenbahn, werden nur von Europäern geleitet. Auch die Beamten sind Europäer.
Die Wohnhäuser, mit der Fronte nach Süden, und somit gegen den
Süsswasser-Canal, sind blos Holzbauten im Style unserer Schweizerhäuser, wenn
nicht blos ebenerdig, so doch nie höher als ein Stockwerk. Bunte Farben und
allerlei Schnitzwerk verkleiden sie. ...
Abends nach 10 Uhr veranstaltete der Vice-König in seinem, mit einem
Vorgarten gezierten Palaste einen Ball nach europäischer Art. Bei Beleuchtung kann sich
Ismailia's Treiben vielleicht poetischer gestalten, hat doch der Orient das
Eigenthümliche, dass er nur in der Vogelperspective und nach Sonnenuntergang
betrachtet sein will. Man muss hier die Totalität, nie aber das Detail aufzufassen streben. ...
Um 11 Uhr Nachts hiess es, dass sich die Kaiserin von Frankreich bereits
zum Balle von ihrer Yacht verfügt habe. Dies war das Signal auch für den 'Greif'.
Se. Majestät im Civil-Anzuge folgte mit seiner Suite nach, und blieb bis
nach ein Uhr im Palaste des Vice-Königs.
In einem mit lebenden Blumen verzierten Saale wurde, wie es auf dem in
ungewöhnlicher Grösse gedruckten Menu heisst, das 'Grand Soupee', bestehend
aus 23 Gängen, auf mehreren Tafeln aufgetragen. ...
Die Kaiserin hatte den Ehrenplatz, ihr zur Rechten sass der Kaiser,
zur Linken der Khedive. An 60 Gedecke mochte der Ehrentisch getragen haben. Zum Balle
sollen an 2000 Personen erschienen sein eine echte Musterkarte civilisirter
und uncivilisirter Völkerschaften. ...
In den etwas abgelegneren Theilen des Lagers da geht es freilich bunter zu.
Hier tanzen Jünglinge von 12 bis 15 Jahren bei den scharfen Tönen der Darabuka und
der Rohrpfeife, dort noch jüngere Mädchen, die mit Glöckchen ihre Schritte und
Sprünge, ihr Zittern und Niederknien begleiten. Doch, solche Tänze und die
sie begleitenden Gesänge haben kein Bürgerrecht, sie gehören eben zur Hefe. ...
Das freundliche, aus einem Stockwerk bestehende hölzerne Haus des Schöpfers
des Canals, de Lesseps, liegt an der rechten Ecke zur Avenue, die, wie ein
großer Quai in Port-Said, den Namen Seiner kaiserlichen und königlichen
apostolischen Majestät trägt. ...
Durch eine Veranda, zu der man drei Stufen hinaufsteigt, und die, um vom
Winde geschützt zu sein, zwischen zwei Vorsprüngen des Hauses steht, tritt man in
ein geräumiges, luftiges, durch hohe Fenster erleuchtetes Gemach, das Empfangszimmer
des Herrn Lesseps. ...
... War der Abend des 17. November durch die herrliche Luft und die Lichtreihen
längs des Quais und die nach allen Seiten abgebrannten Feuerwerkskörper
zauberhaft, so wurde er heute, den 18. bezaubernd. Vor Ismailia lagen bereits
49 Schiffe und die alle hatten beleuchtet. Mir kommt so ein beleuchtetes Schiff wie
ein vorweltlicher Johanniskäfer vor, wenn er in lauer Juni-Nacht die grünen
Matten einer Prairie durchschwirrt. Je nach der Wendung ist sein Lichteffect und
der Wiederschein im Wasser ein verschiedener. Bis tief in die Nacht stand
ich am Verdecke. " |
"Den Namenstag unserer geliebten Kaiserin und Königin, Elisabeth,
feierten wir am Freitage den 19. November noch in Ismailia. Am Bord wohnte der Kaiser
einer heiligen Messe bei und empfing dann die Glückwünsche für die Kaiserin
von unseren Ministern, die von der 'Elisabeth' auf den 'Greif' gekommen waren.
Da die Abfahrt erst nach 12 Uhr, und zwar für heute nur bis in die Bitterseen,
erfolgen sollte, liess sich Se. Majestät mit dem Fürsten Hohenlohe und dem
Grafen Bellegarde noch an's Land rudern, und kehrte unmittelbar vor Ankerlichtung zurück.
Nach 12 Uhr verliessen die vor Ismailia ankernden Schiffe in
derselben Ordnung den Hafen, in welcher sie eingelaufen waren. Der 'Greif' folgte wieder dem 'Aigle'
nach, berührte die Haltstationen Tussum und Serapeum, die wegen der
Nähe des Süsswasser-Canals und der von Alexandria über Cairo bei Ismailia vorüber nach
Suez gehenden Eisenbahn schon mehr Abwechslung darboten und ging
um 4½ Uhr Nachmittags beim Süd-Leuchtthurme der Bitterseen vor Anker, legte demnach in 4
Stunden blos 40 Kilometer zurück, Beweis genug, wie vorsichtig wir fahren mussten.
Kaum hatten wir Anker geworfen und zu dinieren angefangen, wurde
der Besuch des Kronprinzen von Preussen angesagt. Nach dem Diner erwiederte der Kaiser
denselben, und besuchte auch den 'Aigle', den Abends die Kaiserin Eugenie,
wie sie auf den 'Greif' melden liess, zur Feier des Namenstages unserer Kaiserin hat
beleuchten und auf demselben ein Feuerwerk abbrennen lassen, welche
Höflichkeit der 'Greif' durch die französische Volkshymne, die unsere Musikbande auf der
Brücke spielte, und gleichfalls durch griechische Feuer erwiederte." |
"... Wir haben Suez ohne jeglichen Unfall um 11 Uhr erreicht,
und unter Kanonendonner um 11¾ auf der Rhede von Suez neben dem 'Aigle' geankert. Die
ganze Fahrt von Port-Said bis Suez beträgt etwa 83 Seemeilen und war
in ca. 17 Stunden vollendet. Der 'Gargnano' kam uns nach, nicht aber die 'Elisabeth'. Ein
grosses französisches Schiff, die 'Peluse' von 1800 Tonnen, blieb
vor ihr im Canal stecken, und verlegte ihr so den Weg.
Suez, hart am Fusse eines ziemlich ausgedehnten Gebirgsrückens,
des Gebel Attaka, und am Busen des rothen Meeres, hat eine sowohl für die Gesundheit als
auch für den Handel und die Schifffahrt ungemein vorteilhafte Lage,
daher das stete Zuströmen der europäischen Bevölkerung, welche jene Vortheile erfasst
hatte, und ihre Capitalien in der fleissigen Benützung der von da nach
Cairo und Alexandria über Ismailia gehenden Eisenbahn zu verwerthen trachtet. Die
Häuser sind hier fast durchgängig von Stein gebaut. Die Stadt soll etwa 20 000 Einwohner zählen.
Unmittelbar nach der Ankunft auf der Rhede von Suez kamen Scherif
Pascha und Nubar Pascha an Bord, der Kaiser ... machte dem Kronprinzen von Preussen,
welcher gleich nach Oberägypten abfuhr, und der Kaiserin von Frankreich den Abschiedsbesuch.
Mit der Landung in Suez am Samstage, den 20. November war der Zweck
so vieler Reisenden erreicht die Festlichkeiten der Canal-Eröffnung waren zu Ende.
Gleich nach dem Dejeuner fuhr der 'Greif' in den Bassin de commerce von
Suez. Hier bestieg der Kaiser eine Barke, und begab sich mit dem Fürsten Hohenlohe
und dem Grafen Bellegarde an's Land, mit dem Bedeuten, um 4 Uhr mittels
Eisenbahn nach Cairo abzufahren." |
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