Archäologie
Schreckensvision: Pharaonisches Erbe zerfallen oder versperrt
Nr. 1/90, pp. 46 Das muß die Schreckensvision aller in Ägypten tätigen Archäologen, vor allem aber der Tourismus-Manager sein: Das pharaonische Erbe des Nil-Landes ist zerfallen oder versperrt. Vielfach sind nur noch Fotos und Modelle von dem zu besichtigen, was einmal war oder nun hinter verschlossenen Türen aufbewahrt wird. "Echtes" ist allenfalls noch im Museum zu finden. Und selbst das, was nicht abgeschlossen werden kann, bietet sich dann vielleicht in einer völlig neuen Umgebung dar. Über die Pyramiden von Giza spannt sich ein riesiges Kunststoffzelt, die Sphinx, das Wahrzeichen des alten Ägyptens, ist zwar noch zu sehen, aber die glänzend-weißen Steine lassen keinen Zweifel, daß sie neu gebaut wurde. Bald zu erlebende Wirklichkeit, oder doch ein Alptraum, der mit dem Alltag nichts zu tun hat? Selbst namhafte Archäologen müssen einräumen, daß die Warnzeichen nicht zu übersehen sind. Und nicht immer reicht eine Restaurierung, wenn es überhaupt realisierbare Strategien gibt, denn die Umweltschäden sind es nicht allein, die die bedeutende Hinterlassenschaft der Pharaonen gefährden. "Ja, es gibt einen Konflikt zwischen den Notwendigkeiten einer Erhaltung und den Erfordernissen des Tourismus", bestätigte Zahi Hawas, der Chef der Pyramiden-Verwaltung von Giza, im September 1989 in einem Interview mit "Cairo Today". Und Professor Ali Hassan, in der Altertümer-Verwaltung für die pharaonische Zeit zuständig, nennt die Masse der Touristen ebenfalls "sehr gefährlich" für die Altertümer. 2,4 Millionen Touristen seien 1989 nach Ägypten gekommen, berichtete der zuständige Minister Fuad Sultan schon Anfang November. Erneut eine erhebliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Und nach wie vor, das ist für das vom Devisenmangel geplagte Nil-Land noch wichtiger, gehören die Einnahmen aus dem Tourismus zu den wichtigsten Devisenquellen neben dem Öl, den Überweisungen der Gastarbeiter und den Gebühren des Suez-Kanals. Ausbaufähig ist vor allem der Tourismus, die Zahl der Hotelzimmer hat sich binnen weniger Jahre verdoppelt. Auf dem Nil kreuzen inzwischen 120 Schiffe. Und es kann keinen Zweifel geben, daß die Masse der Touristen noch immer nach Ägypten pilgert, um das pharaonische Erbe zu erkunden. Gerade aber, weil es so viele sind, die sich die Ägypten-Reise leisten können, die den Weg an den Nil notfalls auch in einer billigeren Variante finden, gefährden sie das, was sie sehen wollen. Kritisch wird es überall da, wo sich die Masse auf engstem Raum konzentriert, um jahrtausendealte Hinterlassenschaften zu betrachten. Sei es in den Grabkammern der Pyramiden von Giza, sei es in den Gräbern im Tal der Könige bei Luxor. Immer ist der Mensch mit seinem Schweiß, mit seiner Wärme ein Eindringling, der gar nicht zu dem Wüstenklima paßt, in dem Gemälde, Inschriften die Zeiten überdauert haben. Neun Reisegruppen in einem Grab im Tal der Könige, Erklärungen in neun Sprachen der Welt. Führer, die mit einem Stock die Details der Gemälde erläutern, Neugierige, die es nicht lassen können, die Inschriften zu ertasten, Blitzlicht-Gewitter, die das Dunkel erhellen. Draußen warten längst die Nächsten. Am Abend ist dann in dem Grab die Temperatur kräftig angestiegen, hat sich die Luftfeuchtigkeit drastisch erhöht. Das Problem stellt sich nicht nur in den Gräbern des Tals der Könige und den Grabkammern der Pyramiden, sondern etwa auch in einem Museum neben der Cheops-Pyramide, in dem das berühmte Sonnenboot des Pharaos für die Reise in die Ewigkeit wieder zusammengebaut wurde. Wenn es eine vernünftige Strategie gibt, können die Erfordernisse der archäologischen Erhaltung und des Tourismus miteinander vereinbart werden, zeigt sich Zahi Hawas optimistisch. Er räumt aber auch ein, daß die Alternativen beschränkt sind, denn noch will natürlich niemand die zahlungskräftigen Touristen ausschließen. "Ich kann doch nicht die Große Pyramide absperren", stöhnt er. "Das geht einfach nicht", unterstreicht auch Professor Ali Hassan auf die Frage, ob nicht das meiste, um es der Nachwelt zu bewahren, verschlossen werden müßte. Die Reise von pharaonischen Erbstücken in die weite Welt ist jetzt schon weitestgehend gestoppt worden, um Gefährdungen zu vermeiden. Bei einer Schau in Australien seien fünf einmalige Stücke vernichtet worden, hieß es jüngst in einem Kairoer Zeitungsbericht. Wer die pharaonischen Schätze bewundern soll, müsse schon an den Nil kommen. Aber auch da wird er, ohne daß alles versperrt wird, in naher Zukunft bereits nicht mehr alles sehen können. Denn, das ist den Verantwortlichen klar geworden, Restaurierungsmaßnahmen alleine genügen nicht, um den Gefahren wirksam zu begegnen. Auch wenn etwa bald schon damit begonnen wird, in den Gräbern die Wandgemälde mit Glas zu bedecken, um sie zu schützen. Das grundlegende Problem kann aber so nicht gelöst werden. Wenn jetzt an einem der berühmten Gräber das Schild "Wegen Restaurierung geschlossen" hängt, kann dies und wird es zunehmend die halbe Wahrheit sein. Denn "Steuerung des Touristenstroms" heißt die Devise. Von den drei Pyramiden in Giza wird rundum jeweils eine wohl versperrt sein, und selbst an denen, die geöffnet sind, sollen die Besucher gezählt werden, um bei einer bestimmten Zahl für den Rest des Tages abzusperren. Ähnlich wird es bei den Gräbern geschehen. Natürlich sind dort die Alternativen groß statt des Tals der Könige kann das der Königinnen besucht werden. Ohnehin seien die Gemälde in den Gräbern der Arbeiter und Noblen noch schöner als die in denen der Pharaonen, sagen Kundige. Doch Massentourismus wälzt sich nun einmal auf ausgetretenen Wegen voran. Bricht er sich eine neue Bahn, so drohen dort bald die gleichen Gefahren, die man vermeiden möchte. Und wer die weite Reise an den Nil gemacht hat, will natürlich auch bestimmte Dinge sehen. Die Pyramiden von Giza sind ein Muß, das Grab des Tut-Enchamun ist nun einmal das Bekannteste. Wer freut sich schon, wenn dieses abgesperrt würde, und er nur anhand von Fotos oder eines Modells vor Ort erläutert bekäme, was er nicht sehen darf. Wer mit Verantwortlichen in Kairo darüber spricht, merkt bald, daß er ein heikles Thema angesprochen hat. So sehr allen die Sorge um die Altertümer am Herzen liegt, bei der natürlich auch der Massentourismus nur ein Problem ist, so sehr wissen alle auch, daß schlechte Nachrichten im schwierigen Tourismusgeschäft eine verheerende Wirkung haben können. Gerne wird dann auch darauf hingewiesen, daß Ägypten mehr zu bieten habe. In Kairo islamische Schätze genauso wie den Khan El-Khalili oder gar die Totenstädte, in Luxor das nicht weit entfernte Hurghada mit Rotem Meer, also Strand und Korallen. Doch noch ist Ägypten an erster Stelle nach wie vor das Ziel der Bildungshungrigen.
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Denkmalschutz aus ägyptischer Sicht: ein Alptraum
Nr. 1/90, pp. 4142 Ägypten ist ein Land mit unzähligen antiken Kunstschätzen unterschiedlichster Kulturen: Pharaonische, griechisch-römische, christliche und islamische Zeugnisse der Vergangenheit machen das Land zu einem einzigartigen Kolossal-Museum. Günstige Witterungsverhältnisse und der Wüstensand, der sich schützend über sie breitete, haben die Kulturdenkmäler Jahrtausende überdauern lassen. Doch in den letzten Jahrzehnten sind einschneidende Veränderungen eingetreten. Nicht nur die Witterungsverhältnisse sind ungünstiger geworden. Umweltverschmutzung, explosives Bevölkerungswachstum und Massentourismus bedrohen Hand in Hand mit der Natur die Zeugnisse der Vergangenheit. Falsche Restaurierungsmaßnahmen und achtloser Umgang mit den antiken Werten machen das übrige. Beobachten wir die Menschenmassen und Autoschlangen in den Straßen Alt-Kairos, wird deutlich, warum sich die Lage der arabisch-islamischen Bauwerke derart verschlechtert hat. Alte Moscheen und Mausoleen sind zu Wohnungen oder Verkaufsräumen umfunktioniert. Das steigende Grundwasser dringt in die Fundamente der jahrhundertealten Gemäuer, die nie restauriert wurden. Touristenbusse parken vor historischen Stätten mit laufenden Motoren, um ihre Klimaanlagen in Gang zu halten. Niemand denkt daran, wie sehr die Erschütterungen und Abgase den Baudenkmälern schaden. Hier muß dringend ein Gesetz her, das das Parken mit laufendem Motor streng bestraft. Die Besucher von Gräbern, Tempeln und Museen lehnen sich überall an, fassen alles an, wollen mit Blitzlicht die alten Wandmalereien für die Ewigkeit festhalten, ohne zu merken, wie sehr sie dadurch deren Lebensdauer verkürzen. In Theben und Luxor sind mehrere Gräber und Tempel durch den Massentourismus stark mitgenommen. Der Atem der Hundertschaften, die sich täglich durch die engen Gräber schieben, zerstört ebenfalls die Farbe der Wandmalereien und die Reliefs. Das Grundwasser ist auch hier gestiegen und hat die Säulen der Halle von Amenophis III. im Luxortempel ins Wanken gebracht. In der Oase Siwa zerfällt der Tempel des Amun. In Tanis (San el Haggar im Ost-Delta) gefährdet das Grundwasser die antiken Reste dieser einmaligen Hauptstadt Ägyptens (21.22. Dynastie). Reliefs und Obelisken schwimmen schon längere Zeit im Wasser, inzwischen auch die Fürstengräber. All diese Zeugen jahrtausendealter Menschheitsgeschichte vor Zerfall und Zerstörung bewahren zu wollen, gerät zum Alptraum. Denn was können wir schon tun, wenn in der Al-Moes-Straße (Alt-Kairo) die schönen alten Häuser zerfallen, weil viel zu viele Menschen dort leben, die mit ihrem Schmutz und ihren Abwässern diesen Prozeß noch beschleunigen. Was können wir in Nazlett el Samman (Giza) machen, wo die Menschen ihre Häuser ganz dicht an das Pyramiden-Plateau herangebaut haben, mit ihren Abwässern das Gestein der Sphinx zerstören, welche außerdem den ständigen Abgasen und Erschütterungen durch den Autoverkehr ausgesetzt ist? Es ist höchste Zeit, effektive Strategien zu entwickeln, die ägyptischen Denkmäler vor der restlichen Zerstörung zu bewahren. Die Probleme von sachgemäßer Aufbewahrung und Ausstellung der Kunstschätze müssen öffentlich mit ägyptischen und ausländischen Experten diskutiert werden. Grab- und Tempeldekorationen gehören hinter Glas und in klimatisierte Räume. Die Planung eines großen Museums außerhalb Kairos (etwa in der 6. Oktober-Stadt) muß jetzt in Angriff genommen werden, um die Ausstellungsstücke nicht länger den Erschütterungen des Autoverkehrs und der Metro auszusetzen. Außerhalb Kairos ist die Luft besser, der Autoverkehr geringer und es gibt genügend Platz für parkende Autos.
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Die Sphinx bröckelt
Nr. 4/88, pp. 4243 Der 7. Februar 1988 war ein schwarzer Tag für die Erben der pharaonischen Vergangenheit Ägyptens, denn die weltberühmte Sphinx verlor einen Stein aus ihrer rechten Flanke. Der etwa 200 Kilo schwere Brocken von "Abu el Hawl", dem "Vater des Schreckens", wie er hier genannt wird fiel nicht nur in den antiken Staub, sondern tief in die Herzen der Ägypter. So jedenfalls beschreibt es Dr. Sayed Salama im Februar-Heft der Illustrierten "Oktober" und fragt sich, wo die 100 Millionen ägyptischen Pfunde, die in den letzten fünf Jahren von der Regierung für Restaurationsobjekte zur Verfügung gestellt wurden, geblieben seien. Der zum Stein des Anstoßes erklärte Sphinxbrocken wurde von den Journalisten quer durch's Land gerollt, vom Fort Kait-Bay in Alexandrien über Kairos Sultan Hassan-Moschee und Armee-Museum zum Luxortempel und den Felsengräbern von Assuan. Überall wurden unzureichende, falsche oder vernachlässigte Restaurationsarbeiten angeprangert. Dem rollenden Stein fiel der Präsident des ägyptischen Antikendienstes, Ahmed Kadri, zum Opfer. Ihm wird in erster Linie vorgeworfen, den zahlreichen Reporten über den schlechten Zustand der Sphinx nicht durch geeignete Restaurationsmaßnahmen entsprochen, sondern lediglich mit Zement und Farbe den katastrophalen Zustand "vertuscht" und der Sphinx damit mehr geschadet als genützt zu haben. Seine pathetischen Rechtfertigungsartikel in der ägyptischen Presse, die letztlich in einen wütenden Rundumschlag ausarteten, hätte er eigentlich nicht nötig gehabt, meinte der deutsche Journalist Thomas Ross in der "Frankfurter Allgemeinen". Denn zweifellos sei Kadri ein Mann, der sich in seinen frühen Jahren unbestrittene Verdienste erworben hat und von den Ägyptologen der ganzen Welt anerkannt, ja bewundert wurde. Um so mehr, so führt Ross aus, irritierten seine Blößen, die er sich in jüngster Zeit gegeben hatte. Ross erwähnt, daß Kadri sogar einem japanischen Schatzsucher auf den Leim gegangen sei. Der beredte Sakuji Yoshimura, Associated Professor für Ägyptologie an der Waseda-Universität Tokio gab bekannt, daß er einem Hohlraum in der linken Tatze der Sphinx auf die Spur gekommen sei und seine Instrumente Metall anzeigen würden. Er wollte mit Hilfe einer Bohrung und dafür hatte er von Kadri bereits die Genehmigung seine Periskopmikrokamera auf Schatzsuche schicken. Dieses Unternehmen wurde durch den Sturz Kadris unterbunden, und der jetzige Generaldirektor des Antikenarsenals von Giza, Zahi Hawass, konnte aufatmen. Er hatte schon vor Kadris Abgang verkündet, gebohrt würde nur über seine Leiche, denn er befürchtete durch die Erschütterung des Bohrvorhabens weitere Schäden. Ferner hielt er die Schatztheorie ohnehin für eine Ausgeburt der Phantasie, da Kalkstein im Laufe der Zeit durch chemische Prozesse feine Metallschichten entwickelt. Und der Kalkstein, aus denen die Giza-Monumente errichtet wurden, ist immerhin 50 Millionen Jahre alt! Die Sphinx selbst setzt sich allerdings aus zwei verschiedenen Kalksteinsorten zusammen: Der Kopf ist aus besonders hartem Kalkstein gehauen und damit sehr viel schwerer als der Leib, der aus besonders weichem, also leichtem Kalkstein gearbeitet wurde. Allein diese Konstellation macht die Sphinx wohl zum problematischsten Restaurierungsobjekt der Welt. Das war schon lange vor Kadris Amtszeit bekannt. Ende der siebziger Jahre wurde vom Deutschen Archäologischen Institut in Zusammenarbeit mit dem American Research Center eine umfassende photogrammetrische Aufnahme von der Sphinx erstellt, die über die Ausweitung der Schäden keine Zweifel ließ. Der Amerikaner Dr. Lal Ghory, ein weltbekannter Experte für Gesteinsrestaurierungen im allgemeinen und für den problematischen Kalkstein im besonderen, wurde damals hinzugezogen. Seine Vorschläge wurden allerdings vom damaligen Präsidenten des Antikendienstes, Shahada Adam, ad acta gelegt, da ja die Sphinx "völlig gesund" sei. Die Krankheitsgeschichte der Sphinx reicht jedoch schon sehr weit zurück. Jener Stein, der sich jetzt löste, wurde bereits in römischer Zeit restauriert, worauf eine Steinverschalung aus dieser Zeit verweist. Am letzten Februarsonntag haben nun ägyptische und ausländische Experten begonnen, die Risse, die sich aus dem weichen Kalksteinleib über den Hals hinauf zum schweren Kopf ziehen, von Sand und Salz zu befreien. Erkenntnis: Die versalzten Risse gehen viel tiefer als befürchtet. Schon der nächste Regen kann durch die wasseranziehende Eigenschaft des Salzes und den dadurch entstehenden Druck den nächsten Stein absprengen! Die osmotische Wirkung des Salzes ist aber nicht die einzige Ursache für die Zerstörung des Gesteins. Erst seit den 20er Jahren wurde der Zustand der Sphinx bedenklich. In früheren Jahrhunderten hat der Wüstensand, der die Sphinx trotz mehrerer Entsandungsaktionen immer wieder verschüttete, für weitgehende Konservierung gesorgt. Aber seit menschliche Siedlungen ohne Abwasserregulation und Abfallentsorgung an das Gizaplateau herangerückt sind, unzählige Busse und PKWs täglich den Boden erschüttern und ihre Abgase der Sphinx ins Gesicht blasen, Millionen von Touristen trotz der Verbote auf den Monumenten herumklettern, Pferde und Kamele tonnenweise ihre Exkremente verstreuen und Einheimische sich in Ermangelung öffentlicher Freizeitanlagen zwischen Sphinx und Pyramiden ihre Grillplätze suchen, seitdem wird auch der dickste Wüstensand der Sphinx keinen ausreichenden Schutz mehr bieten können. Ahmed Kadri hatte Programme zur Steuerung der Touristenflut in Giza in seiner Schublade. Sein Nachfolger wird nicht umhin können, sie schnellstens herauszuholen, aufgrund der neuesten Erkenntnisse zu überarbeiten und strikt in die Tat umzusetzen, damit zunächst die Hauptursachen weiterer Beschädigungen der Sphinx unterbunden werden, bevor die sicherlich schwierigen Restaurierungsarbeiten in Angriff genommen werden können. Ein kleiner Trost bleibt: Die Pyramiden durch ihren höheren Standort zweifellos begünstigt sind nach Meinung der Experten bislang tatsächlich noch für die Ewigkeit gebaut! Insha'allah!
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Archäologen warnen vor Nachbildung der ägyptischen Altertümer
Nr. 0102/92, p. 57 Eine Anzahl ägyptischer Wissenschaftler und Archäologen hat davor gewarnt, dem Gedanken einer originalgetreuen Nachbildung der ägyptischen Altertümer zuzustimmen. Dem Kulturministerium rieten sie eindringlich, diese Idee, die der Internationale Verein der Freunde der ägyptischen Königsgräber in der Schweiz aufgebracht hatte, abzulehnen. Es gäbe keine Garantie gegen eine mögliche Vervielfältigung der Kopien und den Wertverlust der historischen und Kunstgegenstände.
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Die Meisterfälscher von Ägypten
Nr. 10/88, pp. 3537 Unter diesem Titel berichtete Peter Ehlebracht im Heft 2/1981 der deutschen
Monatszeitschrift "art" über die traditionelle Fälscherkunst in
Ägypten.
Der letzte große Münzfälscher, den Ehlebracht in seinem Dorf El-Dab'iya zwischen Luxor und Armant ausfindig gemacht hatte, war allerdings 1981 bereits achtundsiebzig Jahre alt und leider ohne Nachfolger. Auf seine "Alexandriner", "Griechen" und "Römer", wie die ptolemäischen Münzen in der Fachsprache heißen, sind schon zahlreiche gewiefte Numismatiker hereingefallen. Sein Name: Dschad Hagar. Sein Arbeitsmaterial: ein primitiver Schamotte-Ofen, abgedeckt von einer durchgebrannten Emailschüssel, eine Eisenkanne für die Metallschmelze, eine Feile, feinkörniges Sandpapier für den letzten Schliff und als Wichtigstes: Gußformen originaler Münzvorlagen aus Ton seit Generationen bestgehütetes Familienerbstück. Worin liegt nun der Unterschied zwischen Hagars Meisterwerken und den massenhaft auf den Markt geworfenen ptolemäischen Münzen, die jeder Fachmann schon auf den ersten Blick als Fälschung erkennt? Die originalen Prägevorlagen machen allein noch keine perfekten Kopien. Hagar, der in die gute Schule seines Vaters gegangen ist, hat auch die alten Mischungsverhältnisse für Münzbronze im Kopf. Die richtige Kupfer-Zinn-Legierung erst garantiert Übereinstimmung in Gewicht, Färbung und Porigkeit alles ausschlaggebende Kriterien, die Kennerblicke überzeugen. Massenfälschungen nämlich zeigen neben schlechter Detailverarbeitung jedem Sammler unter der Lupe Poren, die durch Säureätzungen künstlich erzeugt wurden. Aber nicht nur Hagar weiß, wie die Materialanalyse extrem schwierig wird, wenn derart "antiker Werkstoff" verwendet wurde. Das "antike Material" bildet die Grundvoraussetzung einer jeden guten Fälschung, nicht nur beim Münzhandwerk. So führte beispielsweise ein talentierter Skarabäus-Schnitzer Fachleute jahrelang an der Nase herum, die seine Werke für echte antike Grabbeigaben hielten, da er sein Material Knochen aus alten Katakomben bezog, auf denen er sein Haus errichtet hatte. Um seinen kleinen Kunstwerken auch die unzweifelhaft "echte" Patina zu verleihen, verfütterte er sie an Truthähne. Erst wenn sie auf natürlichem Wege den Truthahn wieder verließen, waren sie reif für den Antikenmarkt. In einer Oase am Jussuf-Kanal sorgt Hanafi dafür, daß auch die Uschebtis Figuren, die den Toten als Helfer im Jenseits dienen sollten nicht ausgehen. Getreu der Überlieferung seiner Vorväter formt er seine Fayencen aus Töpferton und Quarzsand und seine Glasurmasse besteht wie schon vor 1.000 Jahren aus Pottasche und Sodamehl. Seine nach antiken Modellen meisterhaft kopierten Tonfigürchen brennt er auf sorgfältig übereinandergeschichteten Kamelfladen. Die bronzene Herdplatte bestreut er vorher mit Knochenmehl, damit seine kleinen Kostbarkeiten nicht anbrennen. Ist das Blech mit Uschebtis wohl gefüllt, wird es mit einer Bronzeplatte abgedeckt, auf die Hanafi wiederum sorgfältig Kamelmist schichtet. Nun wird der ganze "Mist" angesteckt. Ist das Feuer niedergebrannt, glüht der Kamelmistofen noch 28 Stunden nach, bevor die kleinen Statuetten Antikensammler erfreuen können. Kleine antike Raritäten sind zwar transportabler, aber begehrter sind noch größere Stücke, wie Reliefs und antike Köpfe. In Qena, der Stadt für schönes Tongeschirr, lebt Hussein Khabir. Er erlernte das Töpferhandwerk auf Vaters Drehscheibe und brachte es zur wahren Meisterschaft. Seine Reproduktionen sind bereits zahlreich außerhalb Ägyptens zu finden, denn er vervollkommnete seine Geschicklichkeit nach der väterlichen Schulung auf der "Art School of Qena" und perfektionierte sein Können als Steinbildhauer und Reliefschneider. Da die einheimischen Antikenhändler seine auf "alt" getrimmten Meisterwerke zu Spottpreisen aufkauften und von ihren hohen Verdienstspannen nichts abgaben, beschloß Hussein, rationeller zu arbeiten und spezialisierte sich auf bestimmte Bildszenen aus dem Amun-Tempel in Karnak. Als Vorlage dienten ihm Fotos aus dem Bildband "Ancient Egyptian Art". Verlockend war das leicht zu bearbeitende und stets hierzulande verfügbare antike Arbeitsmaterial Sandstein. Sein Werkzeug ist nicht moderner als das seiner Kollegen aus der Zeit der Pharaonen: Vier aus altem Sägeblattstahl geformte Stichel und Schaber, ein Hammer zum Klopfen der "echt antiken" Bruchkanten und ein Schmirgelstein zum Glätten. Eine Brühe aus Erde und Wasser sorgt für das "erste Wetter" ein Fachausdruck im Fälscherhandwerk für die notwendige Patina. Sie wird von dem porösen Sandstein aufgesaugt. Damit das Relief auch angefressen wird oder gar Salzausblühungen zeigt, bestreut er sein Kunstwerk anschließend mit Salpetergrus. Inzwischen schafft Hussein ein Relief Ramses' II. von 35 × 22 cm in sechs Stunden, d.h. zwei Platten pro Tag, wobei die Händler unter zwanzig verschiedenen Variationen aussuchen können. Die Branche diktiert auch die Schadstellen, da sie weiß, wonach ihre Käufer suchen. Es gibt immer noch genügend Leichtgläubige und Kritiklose unter ihnen, die, von ihrem Kauferfolg geblendet, die Originalreliefs an den Tempelwänden übersehen. Wissenschaftler kann man natürlich heutzutage nicht mehr so leicht hinters Licht führen, und auch die Kuratoren haben aus den Fehlkäufen ihrer Vorgänger gelernt. Durch den Ehrgeiz der fälschenden Kunsthandwerker, die Identifizierung ihrer Kopien zu erschweren, werden sie oft zu "vollkommen" gemessen an ihren antiken Vorbildern. "Gute Fälschungen sind oft zu ägyptisch, um echt zu sein", heißt daher eine Regel in der Fachbranche. Ein Beispiel für solche "Überperfektionierung" bieten die Reproduktionen von Hadsch Mahmud im Asasíf. Bekannt wurde er mit seinen Echnatonköpfen, Statuen von Thutmosis' III., Mykerinos und dem Kopf der Nofrete, deren Original im Ägyptischen Museum zu finden ist. Seine Plastiken vergräbt er monatelang in einer Salpetermulde, um sie in die 4. oder 18. Dynastie zurückzuschicken. Selbst seine Anilinfarben sind dann nur noch für Fachleute erkennbar. Aber Hadsch Mahmud ist auch leider besser als seine altägyptischen Kollegen, die seinerzeit in den Nekropolen hämmerten. Dennoch stehen seine Reproduktionen in vielen privaten Galerien und Sammlungen, weil sie eben Meisterwerke ägyptischen Kunsthandwerks sind. "Schlechte Fälschungen entlarven sich selbst", lautet ein weiteres Motto. Und wer dem Gerücht glaubt, daß der Ägyptenboom seit Beginn des 19. Jahrhunderts ganze Fälscherschulen im Lande entstehen ließ, der ist Behauptungen von gestolperten Kunstkäufern aufgesessen. Das Fälscherhandwerk ist seit jeher das Metier begabter Einzelgänger, die sich individuell ihre Schüler von klein auf heranziehen. Die allgemeine Souvenirproduktion überlassen sie den großen Familienverbänden. Auch heute noch gibt es eine Handvoll genialer Fälscher, die über das ganze Land verstreut hämmern, sticheln, formen, brennen und interessierte Schüler, von sechs Jahren an aufwärts, sehen ihnen über die Schulter. Obwohl ihre Arbeitsmethoden archaisch anmuten, bedienen sie sich heutzutage durchaus der modernen Forschung und Wissenschaft. Die Publikationen über Technologien, Materialien und Alterungsprozesse sind für die Fälscherkönige Ägyptens die besten Gebrauchsanleitungen und Konjunkturprobleme werden sie wohl auch in ferner Zukunft noch nicht haben.
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DAI-Kairo curriculum vitae
Nr. 1/90, pp. 710 Die erste deutsche Expedition nach Ägypten wurde 184245 vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. unter Leitung von Richard Lepsius entsandt. Danach kamen einzelne Wissenschaftler, u.a. Heinrich Brugsch, der von 187079 in Kairo im Auftrag des Khediven Ägyptologie lehrte. Wegen großer Reiseschwierigkeiten und der großen Entfernung zu Deutschland kam der Wunsch nach einem festen Forschungszentrum auf, wie es seit 1829 in Rom und 1874 in Athen bestand. Im November 1881 richtete der Heidelberger Ägyptologe August Eisenlohr ein Gesuch an den deutschen Kaiser Wilhelm I. Aufgabe dieses Instituts sollte die Aufnahme und Publikation von Inschriften sein, die Unterstützung der im Lande tätigen deutschen Gelehrten und die Vergabe von Stipendien. Ludwig Borchardt trat im Oktober 1899 eine zunächst befristete Stelle als Wissenschaftlicher Attaché des Generalkonsulats Kairo unter Aufsicht der deutschen Akademien in Kairo an. Die "Kommission zur Herausgabe des Wörterbuches der ägyptischen Sprache" sollte die Vertretung der Akademien wahrnehmen. Borchardt wirkte am Unternehmen des Wörterbuchs mit und stellte gleichzeitig eigene Forschungen an, die vor allem baugeschichtlichen Problemen galten. 1902 schenkte der Khedive Abbas Helmi II. ein Grundstück auf der thebanischen Westseite, der deutsche Kaiser Wilhelm II. die finanziellen Mittel für die Errichtung des "Deutschen Hauses". Umfangreiche Grabungen und zahlreiche Publikationen Borchardts machten die jährliche Verlängerung seiner Stelle bald selbstverständlich. 1903 wurde die Stelle eines Assistenten genehmigt. Nachdem Borchardt einen Ruf an die Universität Wien abgelehnt hatte, wurde er am 5. August 1907 zum Direktor des "Kaiserlich Deutschen Instituts für Ägyptische Alterthumskunde" ernannt. 1909 zog das Institut in ein Haus um, das Borchardt neben dem seinen gekauft hatte. Es ist heute der Sitz des "Schweizerischen Instituts für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde" in der Sharia el-Shaer Aziz Abaza Nr.11. Das Institut blieb auch in der neu geschaffenen Form dem Auswärtigen Amt unterstellt. Die wissenschaftliche Tätigkeit erfolgte in Abstimmung mit den deutschen Akademien. Der 1. Weltkrieg unterbrach die Arbeit des Instituts für mehr als neun Jahre. 1923 genehmigten die englischen Behörden seine Wiedereröffnung, 1927 wurde das Deutsche Haus in Theben, das 1915 abgebrochen worden war, wiederaufgebaut. Da für Expeditionen aus Deutschland das Geld fehlte, bekamen einzelne Wissenschaftler vom Institut Unterstützung. Das Kairiner-Institut wurde 1929 mit dem Deutschen Archäologischen Institut vereinigt, die Nachfolge Borchardts trat Hermann Junker an. Als Aufgabe des Instituts betrachtete man nun die "Pflege aller Kulturen, deren Spuren in den Denkmälern Ägyptens vorhanden sind". Da zu diesem Zeitpunkt größere Finanzmittel vorhanden waren, konnten weitere Wissenschaftler am Institut beschäftigt werden, ferner wurde die Stelle eines Rechnungsangestellten geschaffen. 1931 mietete man ein neues Gebäude in der Sharia el-Kamel Mohamed Nr. 5 an. Wie die anderen Abteilungen des Gesamtinstituts brachte nun auch das Kairiner Institut eine eigene Zeitschrift heraus. 1933 begannen die Vorbereitungen für die Herausgabe deutscher Führer durch die wichtigsten Denkmälerstätten Ägyptens und durch das Museum in Kairo. Nach dem 2. Weltkrieg mußte das Institut völlig neu gegründet werden, da der Besitz entweder verlorengegangen oder einer neuen Verwendung zugeführt worden war. 1955 wurde Hanns Stock zum Kommissarischen Direktor auf ein Jahr gewählt, nachdem er in Zamalek für die Neugründung des Instituts ein Gebäude angemietet hatte. Am 17. November 1957 erfolgte die offizielle Eröffnung. Stock war einige Monate zuvor zum neuen Direktor gewählt worden. Im Januar 1958 kaufte man das bisher gemietete Haus in der Sharia Abu el-Feda
Nr. 31 und versah es 1959 mit einem neuen Stockwerk.
Bis 1961 wurden fünf feste Stellen für Wissenschaftler eingerichtet. Neben der Ägyptologie waren nun auch die klassische Archäologie, Koptologie, Islamwissenschaft, Afrikanische Ethnologie und Bauforschung, z.T. im Wechsel, vertreten. Trotz des Abbruchs der politischen Beziehungen zwischen Kairo und Bonn im Mai 1965 konnte die Arbeit des Instituts ungehindert weitergehen. Nach dem tödlichen Verkehrsunfall von Hanns Stock wurde Werner Kaiser 1967 als Nachfolger von der Zentraldirektion des DAI gewählt. Die Arbeit des Instituts unterlag seit dem Junikrieg von 1967 bis zum Frühjahr 1975 starken Beschränkungen. Allerdings brauchte nur die Grabung in Abu Mena völlig eingestellt zu werden, die Arbeiten z.B. in Elephantine (seit 1969) konnten weitergeführt werden, ebenso die Bearbeitung einzelner Grabanlagen in Theben und Sakkara und vieles mehr. Das Institut beteiligte sich seit 1972 an der Restaurierung und Sanierung der islamischen Altstadt Kairos. Nachdem die Reisebeschränkungen 1975 aufgehoben worden waren, konnten die Arbeiten in Abu Mena wieder aufgenommen werden. Seit 1977 setzte das Institut zwei neue Schwerpunkte: 1. Die Entwicklung des ägyptischen Königsgrabes und 2. die Erforschung der ägyptischen Vorgeschichte. Im Januar 1989 wurde Rainer Stadelmann Nachfolger von Werner Kaiser. Quelle:
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Aus der Arbeit eines Archäologen:
Nr. 1/90, pp. 1122
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20 Jahre Fotograf am DAI Kairo
Nr. 56/90, pp. 7282 Im Sommer 1968 erhielt ich in Heidelberg einen Anruf des damaligen Direktors des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo, Prof. Dr. Werner Kaiser, nachdem ich mich schon jahrelang vergeblich darum bemüht hatte, an eines der Auslandsinstitute zu gelangen. Er fragte mich, ob ich Interesse an der Stelle eines Institutsfotografen in Kairo hätte. Er wäre sich allerdings noch nicht im klaren darüber, ob das Institut nicht zunächst viel dringender einen Zeichner brauche, was ich denn dazu meinte. Es gelang mir damals, Entscheidungshilfe zu leisten und meinen Dienst in Kairo am 3. Januar 1969 anzutreten. Die Maschine, mit der ich am 10. Januar 1969 von Kairo aus nach Assuan
fliegen sollte, stürzte in einem Feuerball vom Himmel.
Bei meiner Ankunft in Kairo fand ich so gut wie überhaupt keine Ausrüstung vor, mit der ich meine Arbeit hätte beginnen können. Eine defekte Linhof und eine museumsreife Contax, deren Bau bereits in den 50er Jahren eingestellt worden war, sollten allein dieser Bestimmung dienen. Das Labor war in einem ehemaligen Badezimmer im Erdgeschoß des Instituts eingerichtet. Um es zu verdunkeln, verschloß man das Fenster mit einer großen Holzplatte und versuchte, auf diese Weise auch luftdicht abgeschlossen, so gut es ging, zu überleben. Dies wurde mir durch die ungeerdeten elektrischen Leitungen, die den Strom in der feucht-warmen Luft des Raumes (der auch noch eine Trockenpresse beherbergen mußte) auch ohne Drahtverbindungen zu übertragen schien, noch zusätzlich erschwert. Bei jeder Berührung mit einem der greisen Museumsstücke zur Vergrößerung der Filme oder der Platten durchfuhren mich ermunternde Stromstöße, so daß ich meine Hände schließlich mit Topflappen schützte. Filmmaterial gab es so wenig wie Fotochemikalien. So kaufte ich mir die Ingredienzien in den Apotheken Kairos und braute mir meine Entwickler selbst zusammen, wie ich es in der Schule einst gelernt hatte. In dieser Weise motiviert und vorbereitet, begab ich mich freudig und voller Erwartung auf die bereits geschilderte Flugreise nach Assuan und begann meine fotografische Tätigkeit allein mit meiner privaten Ausrüstung und den Filmen, die ich mir für meinen eigenen Bedarf nach Ägypten mitgenommen hatte. Ich brauchte sie nicht, denn ich fand sehr bald so gut wie keine Zeit mehr für private Aufnahmen. Die erste Irritation erfuhr ich in Elephantine, als ich mich nach den
Aufgaben erkundigte, die man für mich hatte. "Sind Sie Fotograf, oder sind
Sie es nicht?" wurde mir entgegnet, "laufen Sie halt herum und wenn
Sie etwas sehen, so fotografieren Sie es eben!"
Bereits im Sommer des gleichen Jahres konnte ich mir eine fotografische Grundausstattung nach meinen eigenen Vorstellungen beschaffen und parallel dazu auch in größere Räume im Institut umziehen. Im Sommer des Jahres 1970 begannen wir mit der Arbeit an den Gräbern des Alten Reiches in Sakkara, deren Veröffentlichung uns in Zusammenarbeit mit der ägyptischen Altertümerverwaltung angeboten worden war. Bislang war es in der Ägyptologie üblich gewesen, die Dekorationen der Gräber im Maßstab von 1:1 auf Transparentpapier durchzuzeichnen. Da dies Verfahren sehr zeitraubend und dadurch auch kostspielig war, das Ergebnis überdies etwas abstrakt und dem Stil des jeweiligen Zeichners unterworfen, wollten wir den Versuch wagen, eines der schönen Gräber zum ersten Mal als rein fotografische Publikation vorzulegen. Natürlich fehlte mir für eine derartige Aufgabe jede Erfahrung, und wir besaßen weder eine ausreichende Blitzanlage, noch stand uns damals in Sakkara ein Stromanschluß oder gar ein Generator zur Verfügung. Bei einer ersten Begehung des schönen Grabes des "Nefer" empfand
ich mein Unbehagen angesichts der Schönheit und Lebendigkeit der Reliefs
doppelt stark und plädierte doch wieder dafür, die Dokumentation dieses Grabes
der Sache zuliebe einem erfahrenen Zeichner anzuvertrauen. Ich wollte mich
darauf beschränken, einige der schönsten Szenen als Beispiele für die
Qualität des Grabes beizusteuern.
Diese Chromfolien hatten den unschätzbaren Vorzug, daß sie mehr oder weniger
stark gekrümmt werden konnten und dadurch auch noch einen sehr großen
Wandausschnitt ohne wesentlichen Lichtabfall beleuchten konnten.
Auch hier waren die Schwierigkeiten ähnlich wie bei der Arbeit im Grabe des "Nefer", nur mußten wir wegen der verwinkelten Raumfolge bis zu drei Spiegel hintereinander schalten, um das Licht bis in das Grabinnere zu bringen. (Anm. 3) Es wird einleuchten, daß dies ein sehr zeitaufwendiges Verfahren war, denn da ich nicht wie Josua der Sonne befehlen konnte, so wanderte sie achtlos an meinen Spiegeln vorbei, wenn es mir nicht gelungen wäre, sie immer wieder erneut im richtigen Winkel auf die Sonne auszurichten. In den folgenden Jahren arbeiteten wir auch in dem wunderschönen, zart
dekorierten, aber unfertig gebliebenen Grab des "Nerferheremptah" und
schließlich auch in der großen Mastaba des "Mehu", die uns vor allem
wegen der oft äußerst beengten räumlichen Verhältnisse vor schier unlösbare
Probleme stellte.
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Natürlich waren die Gräber des Alten Reiches in Sakkara, wo wir keine eigene Grabung unterhielten, für unser Institut lediglich eine Episode, die sich in den Institutsbetrieb zwischen den Grabungen in Theben und Assuan einzufügen hatte. Aber die Erfahrungen, die ich in Sakkara sammeln konnte, waren für meine spätere Arbeit in Ägypten von unschätzbarem Wert. In Qurna begann in den frühen 70er Jahren auch die Grabung am Tempel des
Königs "Mentuhotep" (Anm. 4) und
fast gleichzeitig die ersten Arbeiten an dem gewaltigen Projekt einer
Veröffentlichung des "Sethos I."-Tempels (Anm. 5) in Qurna.
Die Arbeit am "Sethos I."-Tempel zog sich über mehrere Jahre hin, zumal wir gezwungen waren, unsere Aufnahmearbeit erst nach Sonnenuntergang zu beginnen, um die unkontrollierbaren Sonnenreflexe auf den Wänden und Reliefs zu vermeiden, die mit ihrem Spiel von Licht und Schatten unser vergleichsweise bescheidenes Kunstlicht vor allem in der offenen Vorhalle und in den vielen Kapellen, die nicht mehr durch Deckenbalken nach oben geschlossen waren, locker "in den Schatten" stellten. Glücklicherweise fanden wir dabei die freundliche Unterstützung des örtlichen Inspektorats, was damals keineswegs selbstverständlich war. War die Aufnahmearbeit an den Wandreliefs, hatte man sich endlich ein System entwickelt, in erster Linie zeitraubend, so brachte mich die Aufnahme der Architrave sehr oft in gefährliche Situationen, denn um in die richtige Aufnahmeposition zu gelangen, mußte ich eine etwa 10 m hohe, in unangenehmer Weise schwingende Aluminium-Leiter besteigen, denn für die Aufstellung eines Fototurms reichte der Platz meistens nicht aus. Nun ist es zwar kein Problem für mich, eine hohe Leiter zu besteigen, wohl aber, mich auf einer der obersten Sprossen zum freien Raum hin umdrehen zu müssen, um die gewünschten Aufnahmen machen zu können. Dabei konnte ich mich auch nicht festhalten, da ich ja eine Kamera bedienen mußte. Besonders unangenehm war der Augenblick, in welchem ich durch den Sucher der Kamera schauen mußte und meine Umgebung nicht mehr "kontrollieren" konnte. Ich hatte dann stets das Gefühl, daß sich die Leiter unaufhaltsam von der Wand fortbewegte oder an ihr abglitt. Um mir eine gewisse Illusion von Sicherheit vorzugaukeln, hatte ich daher vier Arbeiter dafür angestellt, die Leiter unten festzuhalten. Sowie sich aber meine Konturen im Schatten der Architrave verloren, vergaßen sie, worum ich sie gebeten hatte, lachten, schwatzten und brachten die Leiter eher in gefährliche Schwingungen, als daß sie sie hielten, oder sie gingen gar, verhielt ich mich oben zu still, weil ich mit der Einstellung der Kamera beschäftigt war, plaudernd davon. Nach einem Dutzend Aufnahmen zitterten mir die Knie, und ich war froh, als die Aufnahmearbeiten endlich abgeschlossen waren. Noch bevor wir die Arbeiten am "Sethos"-Tempel begonnen hatten, bat
man mich, eine Reihe von Aufnahmen in der Sargkammer des "Mentuhotep"-Tempels
in Qurna zu machen.
Eine Gaslampe, die mir auch für meine Aufnahmen dienen sollte, erhellte mir
den Raum und keuchend noch vom langen mühsamen Kriechen mit der schweren
Kamera, versuchte ich mich zu orientieren.
Es ist ein Problem, ständig allein unterwegs zu sein, auf ägyptischen Straßen oder auch im Gelände in irgendeinem der vielen Gräber. Oft genug bin ich auch außerhalb der laufenden Kampagnen unterwegs, stecke in Gräbern, in denen plötzlich Aufnahmen wichtig werden, in Schächten oder klettere, wie vor Jahren, mit pfeifenden Lungen und einer 20 kg schweren Ausrüstung auf dem Tod-Berg, nördlich von Qurna, herum. Niemand kann dann immer genau sagen, wo ich mich und zu welcher Zeit befinde und wie lange man wohl warten kann, bevor man nach mir zu suchen beginnt. Vor allem aber die häufigen und langen Autofahrten auf den gefährlichen ägyptischen Straßen, die ich allein in meinem mit der Fotoausrüstung vollgepackten Wagen zurücklegen muß, bergen ein ständiges Risiko in sich. Nirgendwo kann ich den Wagen mit der wertvollen Ausrüstung abstellen, oder gar, falls die Dunkelheit mich überraschen sollte, ein Hotel aufsuchen und den Wagen damit unbeaufsichtigt lassen. Jeder, der länger im Lande lebt, hat die Fahrer der Überlandtaxis fürchten gelernt und kennt ihre abenteuerliche und todesverachtende Fahrweise. Zudem stehen diese "Ritter der Landstraße" auch unter Drogeneinfluß, um den Anstrengungen überhaupt standhalten zu können. So muß man bemüht sein, vorherzusehen, wie einer der vorausfahrenden Wagen reagieren wird, bevor es dessen Fahrer selber weiß. Als wir im Frühjahr 1974 mit der Arbeit in Tuna el-Gebel (Anm. 6) bei Mellawi begannen und in der Folge, über mehrere
Jahre hinweg, immer wieder mit der umfassenden Dokumentation des Grabtempels des
"Petosiris" beschäftigt waren, hatte ich Schwierigkeiten ganz anderer Art.
Im Jahr zuvor hatte unser Institut in Gabbari, einem üblen Slumviertel im
Hafengebiet Alexandrias, eine unterirdische Nekropolengrabung begonnen. Ein
weitverzweigtes Gangsystem lag hier 810 m unter der Erdoberfläche.
Lichthöfe sorgten für Licht und Belüftung und über eigens angelegte Treppen
für den Zugang zu den Grabanlagen.
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Bei unserem ersten Auftauchen wurden wir von einem Steinhagel empfangen, der unserem ägyptischen Inspektor sämtliche Schneidezähne kostete. Und obwohl wir schließlich fast die gesamte männliche Bevölkerung des "Dorfes" in der Grabung beschäftigt hatten, wurden wir von deren Kindern weiterhin mit Steinwürfen traktiert, sobald sie unser ansichtig wurden. Das war besonders amüsant, wenn man unten auf dem Grunde der Lichthöfe, im schlimmsten Unrat und Ausfluß des Dorfes herumwatend, überhaupt keine Möglichkeit hatte, auch noch auf die Steinwürfe von oben zu achten. Schließlich riß uns die Geduld und wir drohten den Bewohnern an, die Grabung einzustellen. Erstaunlicherweise wirkte das Wunder und das Steinewerfen hörte auf. Die Arbeit aber in dieser Umgebung kostete erhebliche Überwindung und selten war ich so dankbar wie in dem Moment, als die Grabung nach drei Kampagnen ihren Abschluß fand. Unterdessen war die Arbeit am "Sethos"-Tempel in Qurna weitergegangen, eine Reihe thebanischer Gräber war hinzugekommen, an denen rückblickend schließlich mehr als 15 Jahre gearbeitet wurde und noch heute gearbeitet wird. Aber auch die große Stadtgrabung in Elephantine nahm ihren Fortgang. Der Wiederaufbau des Satet-Tempels hatte begonnen und die Blöcke des kleinen Kalksteintempelchens der 18. Dynastie waren geborgen worden. Im Jahre 1975 begannen wir ein Projekt bei Akhmim, das, ursprünglich einer
vollständigen Aufnahme und Erforschung des "Eje"-Tempels am Berg von
Salamouni dienend, sich schließlich auf die Erfassung aller archäologisch
relevanten Objekte ausdehnte und in einer Befliegung der Ebene von Akhmim gipfelte.
Die Arbeiten dort erstreckten sich ebenfalls über mehrere Kampagnen und,
fast im Anschluß daran, zogen wir um nach Abydos, wo sich unser Institut
erfolgreich um die Genehmigung zur Veröffentlichung des "Ramses
II."-Tempels bemüht hatte. Auch hier brachten wir mehrere Kampagnen zu,
wobei die primitive Unterbringung gepaart mit großer Hitze für mich zu den
unerfreulichen Erinnerungen zählt.
Im Frühjahr 1976 starteten wir zu zweit eine Exkursion in den Oasen Kharga
und Dahkla. Die Familie Ahmed Fakhrys (Anm. 7)
hatte uns dessen wissenschaftlichen Nachlaß überlassen, den wir für die
Veröffentlichung zu überarbeiten hatten.
Für die Aufnahmen standen mir, der Leistung des Generators angemessen, lediglich zwei Nachttischlampen zur Verfügung. Ich habe im Laufe der Jahre offenbar gelernt, zu improvisieren, denn die Aufnahmen waren gelungen. (Anm. 8) Zu den großen Grabungen in Assuan und in Qurna bei Luxor sind im Laufe der
Jahre immer neue Unternehmungen hinzugekommen, die alle auch immer wieder nach
meiner Mitwirkung verlangten.
Nicht vergessen werden dürfen aber auch die vielen Aufträge, die mich immer wieder in das "Ägyptische Museum" von Kairo und in das "Griechisch-Römische Museum" von Alexandria führen, stets verbunden mit Fahrerei und dem Transport eines umfangreichen Equipments. Die älteste Grabung, die unser Institut in Ägypten unterhält, ist die
vielen hier lebenden Ausländern heute fast unbekannte Ausgrabung von "Abu
Mena", der "Menas-Stadt" im westlichen Delta, südlich von
Alexandria. Wird heute meine Mitarbeit dort nur noch selten verlangt, so führen
mich meine Reisen umso öfter nach Assuan, wo die Wiederaufbauphase mittlerweile
einen großen Stab von Mitarbeitern beschäftigt. Großen Aufwand verlangte
über mehrere Kampagnen hinweg die Veröffentlichung des "Heqaib-Heiligtums"
auf Elephantine, das zwar bereits in den 40er Jahren von Labib Habashi entdeckt
worden war, der Öffentlichkeit aber niemals vorgestellt wurde. Dieses Heiligtum
ist in besonderem Maße durch die Fülle an Statuen und Stelen von besonderem
Interesse, die darin und in seiner Umgebung gefunden worden sind.
Gelegentlich geriet ich während meiner Arbeit in heikle Situationen, so, als das Militär meine Security-Papiere, die mich berechtigten, mich im Antikengelände von Dashur aufzuhalten und zu fotografieren, nicht anerkennen wollte. Sie verlangten, nach einem sich ständig wiederholenden Palaver in wechselnder Besetzung, die Auslieferung meiner Kameras. Dazu war ich aber auf keinen Fall bereit, sondern entzog mich der Debatte, indem ich meine Arbeit abbrach und nach Kairo zurückfuhr. Es kam aber auch vor, daß mich ein Stromausfall in einem Schacht oder einer
Sargkammer in Theben gefangen hielt, zumal die Arbeiter, die ich eigens zur
Hilfe in solchen Fällen bei mir hatte, immer gerade in diesen Augenblicken
ihren Tee trinken gegangen waren und mich in der Stockfinsternis eines engen,
niedrigen Grabes allein ließen. Im vergangenen Jahr überraschte mich ein
derartiger Stromausfall in der Sargkammer des Wezirs "User", 16 m
unter der Erdoberfläche, am Ende eines unfertigen und gewundenen Ganges.
Natürlich hatte ich meine Taschenlampe in sorglosem Vertrauen auf die
Beständigkeit des fließenden Stromes irgendwo abgelegt und konnte sie in der
mit Geröll und meinem eigenen Equipment zusätzlich verstellten Enge auch nicht
wiederfinden. Mein Rufen störte nur die Fledermäuse, und als ich mich,
übersät mit Beulen und blauen Flecken schließlich bis zu dem Schacht
vorgekämpft hatte, fand ich ihn mit dem Eisengitter wohlverschlossen, und meine
Leute hatten selbst die Strickleiter vorsorglich eingeholt.
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Im Laufe der mehr als 20 Jahre, die ich nun in Ägypten arbeite, sind etwa
150.000 Aufnahmen entstanden, wobei der größte Teil davon auf die
Grabungsfunde entfällt.
Die Menge schafft aber auch Probleme, die richtigen Negative überhaupt
wiederzufinden, falls einmal eine Karteikarte, welche die erforderlichen
Ordnungskriterien enthält, aus dem Bildarchiv entfernt wurde, oder verloren
gegangen ist.
Die Zahl der Unternehmungen der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Instituts hat seit meiner Einstellung als Fotograf im Januar 1969 stetig zugenommen, ich erwähnte das bereits und kann heute durch meine gewachsene Erfahrung und Routine auch nicht mehr ausgeglichen werden. So warten viele wichtige und umfangreiche Projekte seit Jahren auf die endgültige Bearbeitung in der Dunkelkammer, und ich wünsche mir sehnlich zwei grabungsfreie Jahre, um Liegengebliebenes aufzuarbeiten. |
Anmerkungen:
Zum Seitenbeginn
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Das Grab als moralische Anstalt
Nr. 1112/99, pp. 511
Wie sich der Mensch gegenüber allen anderen Lebewesen darin unterscheidet, dass er im Bewusstsein der Begrenztheit seines Lebens und der Unausweichlichkeit seines Todes lebt, so stellen auch die aus diesem Bewusstsein entspringenden Anstrengungen ein Spezifikum des Menschen dar. Die Tiere begraben ihre Toten nicht, und sie streben, soviel wir wissen, auch nicht nach Unsterblichkeit. "Unsterblichkeit ist nicht jedermanns Sache", aber der Wunsch nach Unsterblichkeit gehört in irgendeiner Form zweifellos ebenso zur Grundausstattung des Menschen wie das Wissen um seinen Tod. Keine Kultur, keine Gesellschaft kann sich freilich hinsichtlich ihrer Investitionen in das Projekt der Unsterblichkeit mit den alten Ägyptern messen. Schon dies allein sichert dieser alten Kultur unser Interesse. Vier Bereiche solcher kultureller Investitionen fallen ganz besonders ins Auge: bauliche, kultische, moralische und magische. Der vornehme Ägypter begann früh mit der Anlage eines monumentalen Grabes, das erstens die Sicherung seines Andenkens, zweitens als Rahmen für seinen Totenkult dienen und drittens seinem Leichnam Schutz und Verborgenheft sichern sollte. Seine Sorge um das Grab erstreckte sich auch auf große Bereiche der Dekoration, in der er sich der Nachwelt in der ganzen Erinnerungswürdigkeit seiner irdischen Existenz präsentieren wollte. Dagegen waren es die Priester, die in die Totenriten ein ungewöhnliches Maß an religiöser Imagination und Gestaltungskraft investierten; diese Riten kann man sich gar nicht komplex genug vorstellen. Auf der einen Seite gab es die drei großen Rituale, die dem Leichnam galten: die Einbalsamierung, "Mundöffnung" und Beisetzung, und auf der anderen Seite die vielfältigen Riten des täglichen und festtäglichen Totenkults. Für die moralischen Investitionen war wieder der Einzelne selbst zuständig. Nach ägyptischer Auffassung genügte es nicht, ein monumentales Grab zu bauen, um im Gedächtnis der Nachwelt präsent zu bleiben; man musste auch ein moralisch hochstehendes Leben geführt haben oder zumindest in den Grabinschriften davon berichten können, um vor dem Tribunal der Nachwelt als erinnerungswürdig bestehen zu können. Das ägyptische Grab war eine "moralische Anstalt" und bezeugte die "Gerechtigkeit" seines Inhabers. Die magischen Investitionen waren wiederum Sache der priesterlichen Schreiber, die im Laufe der Zeit ungeheuer umfangreiche Korpora einer "Totenliteratur" zusammenstellten, um den Toten für seine Jenseitsreise mit dem notwendigen magischen Wissen auszurüsten. Man kann sich diese vier Bereiche einer kulturellen "Behandlung des Todes" in einem Schema verdeutlichen (s. Kasten).
Aus diesem Schema geht hervor, wo die "Totenliturgien" hingehören, die seit 1994 im Rahmen eines Heidelberger Projekts erforscht werden (Anm. 1). Sie gehören nicht zu den "Investitionen des Einzelnen", d.h. der Einzelne verfasst sie nicht selbst oder gibt sie in Auftrag, um damit seinen ganz persönlichen Unsterblichkeitshoffnungen Ausdruck zu geben, sondern es handelt sich um religiöse Traditionstexte, die ihren Ort im Totenkult und seinen verschiedenen Ritualen haben. Andererseits gehören sie aber auch nicht zur "Totenliteratur" und ihren drei großen Korpora der Pyramidentexte aus dem Alten Reich (3000 v.Chr.), der Sargtexte aus dem Mittleren Reich (um 20001800 v.Chr.) und den Totenbüchern des Neuen Reiches (ab 1500 v.Chr.). Früher erblickte man in der Totenliteratur die Rezitationstexte des
Totenkultes. Für die Pyramidentexte trifft das auch weitgehend zu. Diese Texte,
die man seit Unas, dem letzten König der 5. Dynastie, den Königen des Alten
Reiches auf die Wände ihrer Sargkammern schrieb, entsprangen dem Wunsch, dem
Verstorbenen die Totenriten ins Grab mitzugeben, um ihm die Heilswirkung der
Riten auch unabhängig von ihrem oberirdischen Vollzug in der symbolischen Form
der Inschrift dauerhaft zuteil werden zu lassen. Aber schon in den Sargtexten
hatte sich daraus die neue Sitte der Totenliteratur im Sinne einer magischen
Wissensausstattung entwickelt, bei der die Rezitationstexte des Totenkultes
stark zurücktraten gegenüber neuen Sprüchen, die allen möglichen magischen
Zwecken dienten. Im Neuen Reich ging der Anteil der Totenliturgien weiter
zurück. Das hat man früher nicht sehen können, weil man zwischen
Totenliturgien und Totenliteratur nicht unterschieden hat. Aus dem gleichen
Grund nahm man auch die Texte außerhalb der Totenliteratur nicht zur Kenntnis,
die sich auf den Toten und seine jenseitige Existenz bezogen. Die Aufgabe, die
sich das Heidelberger Projekt im Licht der Unterscheidung zwischen
Totenliteratur und Totenliturgien gestellt hat, ist zweierlei:
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Um hier nicht im Dunkeln zu tappen, braucht man zwei Schlüssel: einen Schlüssel, der uns sagt, welche Texte der Totenliteratur umfunktionierte Totenliturgien darstellen, und einen anderen, welcher uns sagt, welche Totentexte in der Masse der Grab- und Sarginschriften aus Totenliturgien stammen. Wenn sich solche Clues finden lassen, dann tut sich erstmals ein Einblick in die Welt des ägyptischen Totenkults auf, und wir kommen hinaus über die Vorstellungswelt der Totenliteratur, auf die wir bisher beschränkt waren. Wir werden in die Lage versetzt, solche Vorstellungen mit bestimmten Riten verbinden zu können, und gewinnen auf diese Weise die pragmatische Dimension der Texte. Wir werden weiterhin in die Lage versetzt, solche Vorstellungen mit bestimmten Gräbern, Epochen, Regionen, sozialen Schichten usw. verbinden zu können, und gewinnen auf diese Weise die historische Dimension der Texte. Der ägyptische Totenglaube hört auf, uns als ein krauses Sammelsurium magischer Bilder und Beschwörungen vor Augen zu stehen, und gewinnt die Umrisse eines historischen Phänomens, dessen Entwicklung sich beschreiben lässt. Das jedenfalls ist das Ziel, und es scheint uns erreichbar, weil sich die genannten Clues haben finden lassen. Der erste Schlüssel besteht aus einer Gruppe Papyri, die aus den letzten Jahrhunderten der ägyptischen Geschichte, vom 6. Jh. v.Chr. bis zum 1. Jh. n.Chr., stammen und alle möglichen Rituale des Tempelkults enthalten. Unter diesen Ritualen gibt es auch vier größere, aus jeweils 1525 als "Verklärungen" überschriebenen Einzelsprüchen bestehende Totenliturgien, die im Kult des Totengottes Osiris von Abydos verwendet wurden. Diese Papyri lehren uns, dass es in Ägypten Totenliturgien gab, dass ihr ägyptischer Name "Verklärungen" lautete und dass sie im Osiriskult rezitiert wurden. Sie lehren uns aber noch viel mehr. Einmal zeigt sich, dass eine große Menge von Texten auf Grabwänden, Stelen und insbesondere Särgen der Spätzeit aus diesen Totenliturgien stammen und nicht etwa, wie man bislang mehr oder weniger stillschweigend annahm, aus der "Totenliteratur". Das war der erste deutliche Hinweis darauf, dass es außer der Totenliteratur noch andere Totentexte gab. Zum anderen aber zeigte sich, dass eine dieser Totenliturgien bereits auf den Särgen des Mittleren Reiches vorkam. Wir müssen also davon ausgehen, dass es Totenliturgien innerhalb und außerhalb der Totenliteratur gab. Damit klärte sich zugleich auch in einem entscheidenden Punkt die alte Streitfrage, ob die Totenliteratur irgendeinen kultischen Bezug hat. Sie hat ihn indirekt und teilweise, insoweit sie nämlich Texte mit ursprünglichem Kultbezug, z.B. Totenliturgien, in ihr Korpus aufgenommen hat. In der alten Fassung der Sargtexte wurden diese aus den späten Papyri bekannten Sprüche ebenfalls "Verklärungen" genannt. Mehr noch: auf den Särgen des Mittleren Reiches treten auch noch andere, genauso aussehende und ebenfalls "Verklärungen" genannte Spruchfolgen auf, die sich aufgrund dieses Kriteriums nun gleichfalls aus der Masse der Sargtexte herauslesen und als Totenliturgien identifizieren lassen. So haben sich zusätzlich zu der im Osiriskult verwendeten und in den späten Papyri auftauchenden Sargtext-Liturgie aus dem Mittleren oder sogar Alten Reich (denn fast alle Sprüche kommen bereits in den Pyramidentexten vor) noch drei weitere Totenliturgien in den Sargtexten finden lassen. Damit ist über den engeren kultischen Kontext noch wenig gesagt. Wir wissen nur, dass es sich um Totenliturgien handelt, aber nicht, ob sie zur Einbalsamierung, "Mundöffnung" und Beisetzung oder zum täglichen oder festtäglichen Opferkult im Grabe rezitiert wurden. Diese Frage findet aber eine eindeutige Antwort, wenn man sich die Texte selbst genauer anschaut. Wir können hier nicht auf Einzelheiten eingehen. So mögen zwei Dinge genügen: die Liturgien gehören alle in den Zusammenhang der Einbalsamierung, und was sie in diesem Kontext bewirken wollen, ist die Rechtfertigung des Toten vor dem Totengericht und seine Aufnahme in die Götterwelt. Zum Abschluss der siebzigtägigen Einbalsamierung wurde eine Nachtwache abgehalten, die mit solchen Rezitationen verbracht wurde. Der Tote war nun in seine "Ewigkeitsgestalt" überführt worden und das Totengericht hatte seine Verewigung zu bestätigen. Am nächsten Morgen begann die Beisetzungsprozession. Die Erkenntnis, dass das Totengericht liturgisch inszeniert wurde und dass diese Inszenierung den Abschluss der Einbalsamierung bildete, ist überraschend, aber eigentlich nicht unlogisch. Denn die ganze Semantik der Einbalsamierung kreist um die Vertreibung des "Schlechten" und "Bösen" und um die Herstellung von Reinheft, Haltbarkeit und Ewigkeit. Auch die Schuld wurde offenbar als ein "Schadstoff" empfunden, den es zu entfernen galt, um den Toten in seine Ewigkeitsform zu überführen. Die Totenliturgien in den Sargtexten und den späten Papyri bieten ausreichendes Material, um sich ein Bild dieser Gattung zu machen. Es handelt sich um Sprüche und Spruchfolgen, die an den Verstorbenen gerichtet sind und ihm in der Form von Wünschen die jenseitige Existenz eines "Verklärten" ausmalen. Der Gedanke ist offenbar, dass diese Wünsche im Kontext des Rituals und im Munde des bevollmächtigten Priesters die Macht haben, sich zu verwirklichen. Die Wünsche lehren uns zweierlei. Sie zeigen uns nicht nur in den Bildern eines seligen Lebens in Gemeinschaft der Götter, wie sich die Ägypter das Dasein der verklärten Toten vorstellen, sondern sie machen damit zugleich deutlich, wie der Gestorbene den Tod erfuhr und welche Ängste er damit bannen wollte. Denn alle diese Bilder sind Gegenbilder zu dem, was den Ausgangspunkt dieses Handelns bildet und als die Not empfunden wird, die es mit den Mitteln des Ritus und der Sprache zu hegen und zu wenden gilt. |
Das (siehe Kasten) ist ein kleiner Ausschnitt aus der zweiten Liturgie der Sargtexte. Aus diesen Versen spricht mit der Sehnsucht nach Wohlgeruch, nach Errettung von schlimmen Dämonen, nach Aufnahme in die Barke, in der die Sonne über den Himmel fährt, nach unangefochtenem Besitz des "Ba" (Seele) und des Herzens, nach Bewahrung vor Strafe, die dem Sünder droht, nach göttlichem Status, nach Fortexistenz in Gemeinschaft des "Ba" und des Herzens, nach dem fürsorglichen Beistand des Anubis, des Balsamierers und Seelengeleiters, nach Heilung von den körperlichen Versehrungen des Todes, kurz, nach "Mumienwürde" die Erfahrung des Todes als des Gegenteils von Würde und Wohlgeruch und körperlicher Unversehrtheit, als äußerste Gefährdung der Lebensgemeinschaft von Ich, Seele und Herz, als Auslieferung an alle Arten von Strafen und Gefahren. Mit diesen Texten bewegen wir uns aber noch immer im Umkreis der Totenliteratur. Die späten Papyri haben uns einen Schlüssel geliefert, die in dieser Textmasse enthaltenen Totenliturgien herauszulösen. Sie helfen uns aber nicht weiter mit den zahlreichen sonstigen Totentexten, die in den Gräbern, auf Stelen und Statuen vorwiegend des Neuen Reiches, also der zweiten Hälfte des 2. Jt. v.Chr., stehen und die gleiche charakteristische Form aufweisen, dem Toten in Wunschsätzen Bilder eines verklärten Totendaseins bzw. Gegenbilder der Todeserfahrung und Todesfurcht auszumalen. Von diesen Texten möchte man annehmen, dass sie zumindest teilweise gleichfalls aus dem Kult stammen. Dass wir hier über Vermutungen hinauskommen können, verdanken wir einem zweiten Schlüssel in Gestalt eines Papyrus des 15. Jhs v.Chr., der im Britischen Museum aufbewahrt wird. So wie die späten Papyri die Welt der Balsamierungsriten, so erschließt uns dieser Papyrus die Welt des Opferkults im Grab. Es handelt sich ganz offensichtlich um die Schriftrolle eines Totenpriesters, die dieser für seine Opferrezitationen benutzt hat. Damit bekommen nun viele Hunderte von "Totentexte", wie sie in den Gräbern und allen möglichen Denkmälern, vornehmlich des Neuen Reiches, stehen und die bislang kaum das Interesse der Wissenschaft gefunden haben, einen "Sitz im Leben" und gewinnen ein ganz neues Interesse. Eine Sammlung dieser zahllosen verstreuten Texte gibt Einblick in die Semantik des Opferkults und ergänzt dadurch die Aussagen der in die Totenliteratur eingegangenen Totenliturgien und die Totenliturgien der späten Papyri, die uns die Semantik der Einbalsamierung erschließen. Die meisten der Sprüche in diesem Londoner Papyrus lassen sich in den Gräbern des Neuen Reichs wiederfinden. Diese Gräber enthalten aber noch zahllose Sprüche ganz entsprechender Form und Thematik, und es liegt natürlich nichts näher als die Annahme, dass sie gleichfalls aus dem Kult stammen, der in diesen Gräbern für den Toten vollzogen wurde. Man hatte immer schon gewusst, dass zum Opferkult im Grabe "Verklärungen" rezitiert wurden. Dieses Ritual wurde nämlich in den Gräbern vornehmlich des Alten Reiches, aber auch später, dargestellt, und zu den einzelnen Handlungen und Darreichungen gehörte auch "das Rezitieren vieler Verklärungen", wie diese Szene in den Beischriften genannt wurde. Nur konnte man sich bislang keine rechte Vorstellung machen, um was für Texte es sich dabei gehandelt haben mochte. Das sieht jetzt anders aus. Außerdem zeigt sich, dass solche Texte die Wandlungen des Totenglaubens sehr genau reflektieren. Hier verändert sich nämlich viel in den einzelnen Jahrhunderten. Wir haben es nicht mit einem Bestand alt-geheiligter, kanonischer Texte zu tun, die immer wieder abgeschrieben wurden, sondern mit einer produktiven Gattung, die im Lauf der Zeit immer neue Texte hervorbringt. Ich habe vor über 30 Jahren damit begonnen, solche Texte systematisch zu
sammeln und zu verzetteln. Da es sich um eine Gattung handelte, die in der
Wissenschaft bislang gar keine Rolle gespielt hatte, ging ich davon aus, dass
ich es mit einer überschaubaren Menge von "Verklärungen" zu tun
haben würde, die man bequem in einem handlichen Band sammeln und kommentieren
kann. Damit hatte ich mich jedoch gründlich verschätzt. Die Masse des
Materials, das da im Laufe der Jahre zusammen kam, ging bald über das hinaus,
was ich als Einzelner in absehbarer Zeit und neben den Aufgaben eines Instituts
in den Griff zu bekommen hoffen konnte. Seit vier Jahren wird diese
Dokumentation daher in Heidelberg im Team bearbeitet, um allmählich in die Form
einer mehrbändigen kommentierten Edition gebracht zu werden. Drei Bände sind
geplant, von denen der erste die Totenliturgien in den Sargtexten des Mittleren
Reiches und der zweite die verstreuten Totentexte des Neuen Reiches zum
Opferritual enthalten soll. Diese beiden Bände sind inzwischen abgeschlossen.
Der dritte Band soll die Totenliturgien der späten Papyri enthalten sowie die
"Sargtexte" des 1. Jahrtausends, die auf solchen Liturgien beruhen.
Von der Existenz dieser Sargtexte hatte die Wissenschaft bislang am
allerwenigsten Notiz genommen. Man ging davon aus, dass es Sargtexte im Sinne
von Totenliteratur nur auf den Särgen der Ersten Zwischenzeit und des Mittleren
Reiches gibt. Auf den Särgen anderer Epochen stehen kurze und stereotype
Formeln oder Auszüge aus dem Totenbuch. Diese Annahme hat sich nur zum Teil als
richtig erwiesen. Die meisten der Sprüche, die auf den Särgen des 1.
Jahrtausends stehen, stammen nicht aus dem Totenbuch, sondern aus den
Totenliturgien, wobei wiederum die Semantik der Einbalsamierung im Vordergrund
steht. Sie scheint mit dem Sarg, aus naheliegenden Gründen, enger verbunden als
der Opferkult. Diese späten Sargtexte sind so zahlreich, dass der dritte Band
vermutlich in zwei Teilbänden vorgelegt werden muss, um das ganze Material
aufnehmen zu können.
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So hat sich inzwischen neben die bekannten Korpora der Totenliteratur Pyramidentexte, Sargtexte und Totenbuch ein viertes Korpus gleichen Umfangs gestellt, das die Totenliturgien umfasst. Dieses Korpus soll nun in einer Form präsentiert werden, die zugleich mit den Texten auch die Aufschlüsse vorlegt, die sich aus ihnen für die Geschichte der ägyptischen Totenreligion gewinnen lassen. Das ist eine neue Form, die sich für mich bei der Arbeit an ägyptischen Götterhymnen bewährt hat. Eine Methode wird ja gewöhnlich nicht vorgefunden, sondern entwickelt sich in der Auseinandersetzung mit den spezifischen Problemen eines Themas. Wenn man nicht nur ein Korpus gesammelter Texte in Übersetzung und Kommentar vorlegen will, wofür es natürlich genügend Vorbilder gibt, sondern darüber hinaus aus den gesammelten Texten die Semantik der kulturellen Praxis, in der sie verankert sind, erschließen will, muss man sich in methodisches Neuland vorwagen. Die für solche Fragestellungen in der Ägyptologie gängige Methode der Phraseologie bewährt sich nicht, weil sie die Texte in einzelne Phrasen zerlegt, die gesuchte Semantik aber sich immer erst im Zusammenhang des Textes zeigt. Auf der anderen Seite streben wir aber auch keine Anthologie an, die nur anhand ausgewählter Texte ein neues Bild der ägyptischen Totenreligion illustrieren will. Also gilt es, einen Mittelweg zu finden, der es erlaubt, sowohl die Fülle der Texte zu dokumentieren, als auch wenigstens in großen Umrissen das neue Bild herauszuarbeiten, das sich aus ihnen für die Geschichte der ägyptischen Totenreligion gewinnen lässt. Ähnlich wie meine verschiedenen Untersuchungen zu ägyptischen Götterhymnen und den an ihnen erkennbaren Wandlungen der ägyptischen Theologie beruht auch diese Untersuchung der ägyptischen Totenliturgien zu einem großen Teil auf den noch kaum gehobenen Schätzen religiöser Texte, die sich in den Grabinschriften gerade der Ramessidenzeit (13001100 v.Chr.) finden. Der systematischen Erforschung und Veröffentlichung solcher Grabanlagen galt ein anderes, aus Mitteln der DFG gefördertes Projekt, das, auf 15 Jahre befristet, am Heidelberger Ägyptologischen Institut von 19781993 durchgeführt wurde und derzeit aus Mitteln des Max-Planck-Forschungspreises zusammen mit dem Generaldirektor des Ägyptischen Museums Kairo, Dr. Mohamed Saleh fortgesetzt wird (Anm. 2). Zu den Zielsetzungen dieses Projektes gehört die Erschließung der ägyptischen "Grabsemantik", d.h. der Vorstellungswelt, die in den ausgedehnten Grabanlagen der Ramessidenzeit sowie der anderen, ständig zum Vergleich herangezogenen Epochen der ägyptischen Grabkultur Ausdruck gefunden hat. Der Grundgedanke der Heidelberger "Gräberforschung" besteht darin, die Welt der Texte und die Welt der archäologischen Befunde im Sinne gegenseitiger Aufhellung miteinander zu verbinden. So wie im Fall der Götterhymnen die Gräber mit ihren Details der Datierung, der Anbringungsorte der Texte im Grab, der beruflichen Stellung ihrer Grabherren die religiöse Gedankenwelt um den historischen, kultischen und sozialgeschichtlichen Kontext erweiterten, bringen auch, und hier sogar in noch erheblicherem Umfang, die Gräber eine Fülle von Aufschlüssen zum Verständnis der Texte und ihrer historischen und sozialen Einordnung bei und beleuchten umgekehrt die Texte die Bedeutung der Gräber im Rahmen der Vorstellungswelt ihrer Erbauer. Die Frage, ob sich ein solches Unternehmen lohnt, führt uns zum Ausgangspunkt zurück. Das Wissen um den Tod ist das Humanum schlechthin und alle aus diesem Wissen entspringenden Formen kultureller Praxis führen uns auf den Kern des menschlichen Wesens. Darum müssen uns, die wir wie kaum eine Epoche vor uns an der geschichtlichen Aufhellung der menschlichen Existenz interessiert sind, solche Formen einer ganz besonders elaborierten Praxis, wie sie die altägyptischen Totenliturgien darstellen, wichtig sein. Kaum ein anderer Aspekt der ägyptischen Kultur ist uns zugleich so fern und so nah: so nah und nachvollziehbar in den Erfahrungen, um deren Bewältigung es hier geht, und so fern und fremd in den Lösungen, die die Ägypter für das Problem der Todesbewältigung gefunden haben. Anmerkungen:
Zum Seitenbeginn
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