Tourismus allgemein
    Inhalt:
    Tourismus in Ägypten: Hoffnung oder Enttäuschung?
    Egypt Air flies dry
    Touristinnen in Ägypten...
    Gesellschaft der Touristenfreunde
    Der Einfluß des Tourismus auf "Land und Leute"
    Tourismus in Ägypten
    Ägypten und der Terrorismus
    Besudelt (Glosse)
    Papyronymus: Der Förster vom steinernen Wald (Glosse)
    Papyronymus: Kopfjäger (Glosse)
    Plapperonymus in Deutschland – MU.....$EUM (Glosse)

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Tourismus in Ägypten: Hoffnung oder Enttäuschung?
von Harald Schlegel

Papyrus-Logo Nr. 1/83, pp. 2—7

Schlachtet man das Huhn, das goldene Eier legt?

Wie lange gibt es wohl Tourismus in diesem Lande?
Wir meinen dabei nicht die Hyksos, die Perser, die Griechen, die Römer, die Araber, Türken, Franzosen, Engländer, die als ungebetene Gäste das Land aufsuchten. Die wir meinen, sind die, von denen sich einer schon um 1300 v. Chr. in Sakkara verewigte, bewundernd die Macht der Götter, den Wunsch im Herzen, dereinst ein Grab in Memphis zu haben. War er der erste, oder war er schon einer in der Reihe der vielen, die den Tourismus zur viertwichtigsten Einnahmequelle des heutigen Ägypten machten?

Nicht viele Länder dieser Erde bieten dem Touristen eine solche Vielfalt der Kulturen und Landschaften. Auf 5000 Jahre Hochkultur blickt Ägypten zurück. Die pharaonische Zeit lockt mit Giza und Sakkara, Luxor, Assuan und Abu Simbel; islamische Baudenkmäler aus vielen Epochen und Stilen bietet Kairo. Drei Museen reizen zum Besuch, das koptische, das islamische und das bekannteste, das ägyptische. Die Brücke zu Griechenland finden wir in Alexandria.

Wüsten mit ihren Oasen, das Niltal, die Mittelmeerküste, das Delta, der Sinai, das Rote Meer – alles erfahrbar, erlebbar, erreichbar auch bei kurzen Reisen. Wieviele kleine Schönheiten am Rande der großen Routen liegen, wissen wir alle. Und auch sie erschließen sich dem Besucher, wenn er kleine oder größere Mühen auf sich nimmt:

Straßen, Reiseunternehmen, Fluglinien, Schiffe, Pisten stehen dem ausländischen Gast zur Verfügung. Die Zahl der Reiseführer ist Legion, fast jedes Jahr eine neue Landkarte. Hotels und Übernachtungsmöglichkeiten fast an allen wichtigen Orten. Dazu eine sichere Wetterlage mit angenehmen Temperaturen im Winter; und die Furcht des Westeuropäers vor verregneten Sommerurlaubstagen ist unbegründet.

Ein Paradies des Tourismus, ungetrübt wie das bunte Leben in den Riffen vor Safaga, beständig in der Bewegung wie die Dünenkämme bei Kharga.

Dazu kommen die innenpolitische Ruhe, eine freundliche Bevölkerung, geringe Eigentumskriminalität, eine liberale Versorgung mit den gewohnten Importgütern. Die Politik des Landes wird als freundlich, friedliebend, westlich orientiert, also mit einem Wort als touristenfreundlich empfunden.

1982 werden in Ägypten 1,4 Mio. Touristen-Ankünfte erwartet.
Rund die Hälfte dieser Touristen kommen aus arabischen Ländern, die andere Hälfte aus Europa, Amerika und Asien.
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer des Touristen beträgt 7—8 Tage, so daß die 1,4 Mio. Touristen rund 10 Mio. Übernachtungen darstellen.
Die totale Hotelkapazität des Landes beträgt zur Zeit ca. 30.000 Betten.
Zu dieser Hotelunterkunft muß noch die private Unterkunftskapazität (Appartements) gerechnet werden, wo ein Teil der arabischen Kundschaft absteigt.
Die Zahl der direkt im Tourismus-Sektor Beschäftigten darf auf über 100.000 geschätzt werden.
Die Devisen-Einnahmen aus dem Tourismus werden auf über 1 Mrd. LE geschätzt (wobei nach Statistiken nur rund die Hälfte offiziell getauscht und registriert sind).
Ca. 70% des Tourismus-Gewerbes ist in Privathand.

Das Zusammentreffen all dieser Umstände führte zu einem immensen Anstieg des Tourismus in diesem Land, der die Infrastruktur überforderte. Trotzdem weckten die steigenden Zahlen in Ägypten große Erwartungen und führten zu immer optimistischeren Prognosen für die kommenden Jahre.

Die Ermordung Präsident Sadats vor über einem Jahr brachte die Tourismusindustrie jedoch ins Trudeln. Hotelbuchungen, Pauschalreisen, Einzelreisen wurden storniert, Unsicherheit breitete sich aus. Sie hätte sich allerdings binnen kurzem legen müssen, als klar wurde, daß Präsident Mubarak die Entwicklung unter Kontrolle hatte und in wesentlichen die Politik seines Vorgängers weiterführte. Er ergänzte die Friedenspolitik gegenüber Israel durch eine vorsichtige Öffnung gegenüber den arabischen Staaten.

Trotzdem zeigt ein Blick auf die Busparkplätze in Sakkara deutlich, um wieviel der Touristenstrom abgenommen hat. Zu langsam erholt man sich von diesem Schlag; auch die Hoffnungen, geknüpft an die Wiedergewinnung des Sinai, erfüllen sich nur schleppend.

Der Middle East Economic Digest berichtete im September 82, daß im März und Mai des Jahres zwar ein leichtes Plus zu verzeichnen gewesen sei, das zweite Vierteljahr aber mit einem Minus von 1,6% abgeschlossen habe, davon allein im Juli ein Minus von 5,6%. Dafür meldete die Gazette am 27.11.82, daß im fiskalischen Jahr 81/82 die Zahl der Touristen um 2,l% gestiegen sei. Die Hoffnungen im ägyptischen Tourismusministerium reichen höher: Die Zuwachsrate bei den Einnahmen soll 11,8% betragen, 6% mehr als frühere Erwartungen.

Sieht man auf die Deviseneinnahmen, so wird klar, weshalb man auf höhere Einnahmen angewiesen ist. Nach dem Öl – und hier sind die Prognosen weltweit für die Produzenten nicht so günstig –, den Gastarbeiterüberweisungen und den Kanalgebühren bringt der Tourismus das meiste Geld. Nach MEED Nov. 82 brachte 1981 ca. 380 Mio. US-Dollar, in den ersten 9 Monaten des Jahres 1982 ergaben sich 275 Millionen; Zahlen, die auf dem offiziellen Devisenumtausch beruhen, mögliche Schwarzmarktaktivitäten der Touristen noch nicht einmal erfassen. Schon ein Blick auf die jüngst veröffentlichte Statistik der Zentralbank zeigt, daß die Steigerungsrate von 2,1% auf einen Zuwachs von 10% bei den arabischen Touristen zurückzuführen ist; ihr steht ein Absinken bei den europäischen Touristen um 4,5% gegenüber. CPR meldete am 25.8.81, daß knapp 48% der Touristen aus Europa und den USA kämen, ca. 43% aus den arabischen Ländern. In seinem Interview mit der Gazette vom 11.10. erklärte der Minister für Tourismus, Tawfiq Abdu Ismail, die arabischen Touristen stellten etwa 60%. Die Differenz der Zahlen und das Fehlen von Vergleichsmaterial erschweren eine Analyse, obwohl sie gerade hier wichtig wäre, weil wir Touristengruppen mit völlig unterschiedlicher Interessenlage vor uns haben, von der Finanzkraft gar nicht zu reden.

Der Boom beim Bau von privaten Luxuskrankenhäusern und Hotels der obersten Preiskategorie deutet darauf hin, daß man stärker mit der arabischen Seite kalkuliert; die Tendenz bei den Preisen, die den Touristen betreffen, unterstützt diese These: Gebühren, Eintrittspreise (selbst fürs Parken an der Maidum-Pyramide wurde neulich 1,0 LE – mit Ticket! gefordert – im Jahre 1983 –Anm. KFN –), Flugpreise, Getränke steigen beharrlich; Mieten und Abgaben der Ladenbesitzer in Hotels und staatlichen Institutionen erreichen astronomische Höhen. Nur nebenbei sei bemerkt, daß es für unterschiedliche Preise für Einheimische und Ausländer zwar ehrenwerte Gründe geben mag, daß dies aber dem Touristen das Gefühl gibt, eine Milchkuh zu sein und kein Gast.

Die Tendenz, nur das finanzkräftigste Publikum im Blick zu haben, hat aber bereits zu erheblichen Fehlentwicklungen geführt! "Cairo Today" weist in einem aufschlußreichen Bericht über die Hotelsituation in Kairo (Nov. 82) auf die Überkapazität bei Luxushotels hin, die schon besteht und sich mit der endgültigen Fertigstellung des Marriott, des Gezira-Sheratons und anderer Projekte noch verschärfen wird. Die finanzielle Fehlkalkulation des El-Salam-Hospitals ist schon Stadtgespräch, andere Fast-Pleiten könnten folgen. Nachdem immer mehr Länder der Dritten Welt in Zahlungsschwierigkeiten geraten, die Ölpreisentwicklung und die unklare Situation im iranisch-irakischen Raum sich mit einer weltweiten Rezession zu verbinden scheinen, dürfte die arabische Karte allein nicht mehr den erhofften Gewinn bringen.

Wenden wir uns den Touristen aus den westlichen Industrieländern zu, die nicht aus gesundheitlichen, geschäftlichen oder religiösen Gründen nach Ägypten kommen. Der Gast mit gezieltem Interesse an der pharaonischen oder islamischen Kultur soll uns hier weniger interessieren, er kam schon seit Jahrhunderten allen Unbilden des Landes zum Trotz. Nein, es geht um den Gruppentourismus, der Ägypten entdeckt hat. Auch wenn dieser Tourist nur einmal kommt, so bestimmen doch seine Erfahrungen die weitere Entwicklung. Seine Wünsche und Vorstellungen müssen mit der Realität des Landes verglichen werden.

Er will für sein Geld gute Unterkunft, d. h. saubere Zimmer, funktionierende sanitäre Einrichtungen, mäßigen Komfort, zuverlässige Reservierungen; gute Bedienung, wenn möglich in der eigenen Sprache, höflich, perfekt; gutes Essen, wenn möglich in heimatlich gewohntem Rahmen, zumindest aber hygienisch einwandfrei, warm und schnell serviert zu erschwinglichen Preisen; er möchte Kultur, bequem auf guten Straßen erreichbar, informierte, sprachlich versierte Führer, ein gutes Souvenirsortiment. Er erwartet ein Freizeitangebot, folkloristisch gefärbt, ohne daß es zuviel eigene Aktivitäten erfordert. Er will aber auch Erholung am Strand, doch mit funktionierenden Duschen und ohne Teer, Plastikfetzen und Müll. Er will sich frei und ohne Belästigungen bewegen können und nur gemäßigt übers Ohr gehauen werden.

Kurz, er erwartet Anregung, Bequemlichkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit. Seine finanziellen Möglichkeiten sind nicht unerheblich, aber auch nicht unbegrenzt. Werden diese Grenzen überschritten, wird die Relation von Leistung und Preis zu ungünstig, bleibt er aus, wie Spanien und Italien, wie jüngst Griechenland erfahren mußten. Das Huhn, das goldene Eier legen kann und soll, darf nicht geschlachtet werden, vor allem nicht, wenn man in die Aufzucht eines Wunderwesens Gold und Kraft investiert hat und man seine Produkte dringend benötigt.

Ein Beispiel: Hunderttausende besuchten nach einem Bericht der International Herald Tribune vom 8.10.81 früher Sharm el-Sheikh und seine Wassersporteinrichtungen. Nun sind es 10 pro Tag, manchmal keiner. 40 bis 50 Millionen Dollar hat Ägypten den Israelis für deren Investitionen auf dem Sinai bezahlt. Diese Summe kann nur dann einen Sinn haben, wenn die Anziehungskraft dieser Orte durch die ägyptischen Behörden wieder gestärkt wird. Hierzu gehören, wie Carl Buchalla in der Süddeutschen Zeitung schrieb, eine bessere Verbindung über den Kanal, Abbau der Bürokratie, Zurückhaltung bei den Preisen, aber auch Anstrengungen, die von den Israelis vor der Übergabe angerichteten Zerstörungen zu beseitigen.

Es wäre zu wünschen, daß es Ägypten gelingt, die Stagnation auf dem Gebiet des Tourismus zu überwinden. Es gibt Ansätze zu dieser Hoffnung, kleine und große grüne Pflänzchen:
Der Autotourist findet auf einmal überall im Lande Hinweisschilder in lateinischer Schrift.
Mit 200 Millionen US-Dollar wollen Kuweitis Ferienzentren für den wasserbegeisterten Touristen südlich von Suez und von Hurghada errichten.
Raten sollte man aber dem Land, auch die Auswirkungen eines zu starken Touristenstroms auf die soziokulturelle Struktur kritisch zu überwachen.
Warnen sollte man aber auch den Touristen, daß er in ein orientalisches Land kommt, in dem andere Werte gelten, andere Verhaltensweisen erwartet werden und andere Bedingungen herrschen als in der perfektionierten Industriewelt. Auch diese Erfahrung könnte nützlich und erholsam sein, nicht zuletzt ein wenig zum Nachdenken anregen.

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Egypt Air flies dry
aus der "Egyptian Gazette" vom 23.3.1984

Papyrus-Logo Nr. 4/84, p. 62

EGYPTAIR, the national flag carrier, has decided to abstain from serving all kinds of liquor on board its planes according to the directives of the Chairman, Mr. Mohamed Fahim Rayan.
The decision has been already carried into effect on all planes whether heading to or returning from outside destinations, the Director of the Airline Operations, Mr. Mahmoud Kamel explained.
The new system will also be applicable to domestic flights, he added. As a representative of an Islamic country, the airline has taken the decision in line with Islamic legislation which prohibits drinking any sort of alcoholic beverage. EGYPTAIR will be therefore confined to serving soft drinks only.

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Touristinnen in Ägypten...
aus: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 24.5.1983

Papyrus-Logo Nr. 9/83, p. 17

Touristinnen in Ägypten werden künftig einen Umhang und ein Kopftuch erhalten, wenn sie Moscheen besuchen wollen. So beschlossen es das Ministerium für religiöse Stiftungen und die Tourismuskammer in Kairo. Damit solle dem "unangemessen und beschämenden" Aufzug einiger Besucherinnen begegnet werden, hieß es. Diese Touristinnen verletzten die Heiligkeit der Moscheen. Bislang wurden Touristinnen lediglich gebeten, ihren Kopf zu bedecken. (dpa)

Karikatur
Moderne Frauen
"Badeanzug an der Corniche verboten?
Allah helfe deinen Augen,... das ist eine Hose!"

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Gesellschaft der Touristenfreunde
von Barbara Hatour-Satow

Papyrus-Logo Nr. 10/88, p. 57

Mancher Tourist – besonders als Einzelreisender – klagt über Belästigungen durch Kameltreiber an den Pyramiden, das Abgeschlepptwerden in Parfümerieläden in Kairos Innenstadt und überhöhte Preise in Taxis. Die Tourist Friends Association ist eine Gruppe von Ägyptern – sie zählt 10.000 Mitglieder – die u.a. darauf hinarbeitet, daß Ausländern diese Unannehmlichkeiten erspart bleiben. Wie? Ihre Mitglieder greifen ein, wenn sie sehen, daß Touristen belästigt werden. Sie sprechen mit den Ägyptern, erklären ihnen die Unangemessenheit ihres Verhaltens und die Bedeutung des Tourismus für Ägypten. Wann immer sie Taxi fahren, versuchen sie, den Taxifahrern klar zu machen, daß für Ausländer dieselben Preise zu gelten haben wie für Einheimische. An den Pyramiden sprechen sie mit den Kameltreibern und der Touristenpolizei und verteilen Urkunden an diejenigen, die von Touristen gelobt bzw. über die bei der Polizei keine Klagen eingehen.

"Das macht sie stolz", erklärt der Generalsekretär der Organisation, Dessouki Said. Hat die Gruppe schon etwas erreichen können? "Das ist nicht einfach und braucht viel Zeit." Aber allein dadurch, daß jedes Mitglied in seiner Großfamilie um Verständnis für den Touristen und den richtigen Umgang mit ihm wirbt, hofft man etwas zu erreichen. Andererseits bieten die Mitglieder Touristen die Gelegenheit, mit in ihre Familien zu kommen und Ägypten einmal anders kennenzulernen als nur durch seine Sehenswürdigkeiten.

Die "Gesellschaft der Touristenfreunde" wurde 1969 von dem General Mohamed Fouly und dem früheren Touristenminister Adel Taher anläßlich einer internationalen Konferenz gegründet, für die Ägypter mit Sprachkenntnissen zur Betreuung der ausländischen Gäste gesucht wurden. Mitglieder der Gesellschaft, die eng mit dem Touristenministerium zusammenarbeitet und von diesem auch subventioniert wird, sind "gebildete Männer und Frauen, die Fremdsprachen beherrschen und immer fähig sind, genaue Auskunft über Zivilisation, Kultur, Kunst und Lebensart zu erteilen", heißt es in der kleinen Broschüre, die in vier Sprachen die Tourist Friends Association vorstellt und auch ihr Ziel definiert: "Herstellung von Verbindungen zwischen den Menschen, die in verschiedenen Ländern leben und verschiedene Sprachen sprechen... Verstärkung der Freundschaftsbande zwischen Ägyptern und Ausländern ... (denn) wir wünschen, daß alle Menschen neben und miteinander friedlich und glücklich leben."

Mitglieder, die alle einen Ausweis haben, können sich täglich außer freitags in der Kasr El Nil St. 33, 9. Stock, 18 bis 21 Uhr treffen. Hier werden auch Vorträge über Archäologie, Reisen, Kunst und Theater gehalten und Ausflüge organisiert. Gäste sind immer willkommen. Herr Dessouki Said, der dem PAPYRUS über seine Organisation berichtete, spricht deutsch und ist jederzeit zu Auskünften bereit.

Logo der Tourist Friends Association

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Der Einfluß des Tourismus auf "Land und Leute"
von Barbara Hatour-Satow und Siegrid el-Gabbas

Papyrus-Logo Nr. 5—6/87, pp. 20—21

Was erwartet Ägypten – außer Devisen – vom Tourismus, welche Nebenwirkungen hat er auf die Bevölkerung? Diesen Fragen versuchten wir nachzugehen und fanden in Dr. Said Moussa aus dem Ministerium für Tourismus einen bereitwilligen Gesprächspartner. Im folgenden geben wir seine wichtigsten Aussagen wieder: Mit Hilfe des Tourismus hofft Ägypten, Freunde in aller Welt zu finden und so ein positives Ägyptenbild aufzubauen. Aber wie jede Aktivität, so beinhaltet auch der Tourismus negative Seiten, welche sich manchmal nicht vermeiden lassen. Die Ägypter sind ein konservatives Volk, und so möchte Dr. Moussa – um ein extremes Beispiel zu nennen – keinen Nudismus von Touristen importiert sehen, der gegen die ägyptischen Sitten und Traditionen verstößt.

Beide Seiten, die einheimische Bevölkerung und die Besucher aus anderen Ländern, müssen Konzessionen machen. Auch die ägyptische Gesellschaft ist in einem Wandel begriffen, aber die Änderung braucht Zeit – sie sollte nicht durch einen Schock geschehen. Es ist keine kluge Politik, nur um des Gewinnes willen die Integrität des Volkes zu verletzen, oder seine soziale Stabilität zu opfern.

Das Tourismus-Ministerium führt Untersuchungen durch, um die Wirkungen des Tourismus auf die Bevölkerung zu testen. Diese Untersuchungen beziehen sich hauptsächlich auf die weniger bevölkerten Gegenden in Ägypten, denn negative Folgen sind stärker zu bemerken, wenn die Zahl der Touristen die der Einheimischen übersteigt. Zu diesen "gefährdeten Plätzen" zählen die nordwestliche Mittelmeerküste von Alexandria bis Saloum, der Süd- und Nord-Sinai, die Küste des Roten Meeres sowie die Oasen.

Die Erschließung dieser speziellen Orte sollte nicht nur unter dem wirtschaftlichen Aspekt verfolgt werden, sondern den Einfluß des Zusammentreffens sozialer Gegensätze berücksichtigen. Die Menschen in diesen Gebieten haben ihre eigenen Traditionen, die sich von denen des Niltals weitgehend unterscheiden. Negative Einflüsse könnten die Spontaneität und die Freundlichkeit der Personen ändern, ihre Bräuche und Traditionen zerstören. Um in den Oasen eine Überlagerung zu vermeiden, sollte man nicht zu viele Unterbringungsmöglichkeiten anbieten. Eine Limitierung kann ebenfalls durch geringe Transportmöglichkeiten und mangelnde Dienstleistungen erreicht werden.

Man darf niemals vergessen, daß die Aufnahme-Kapazität immer abhängig ist von der Infrastruktur des Landes, der lokalen Produktion und der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte. Hat man mehr Verkehr, als die Infrastruktur aufnehmen kann, so wird dies einen zerstörenden Einfluß haben. Läßt man mehr Menschen ins Land, als man gut versorgen kann, so bedeutet dies ein Absinken des Standards der Dienstleistungen, und dies wäre keine gute Reklame für ein Land.

Eine regionale Überfremdung durch Touristen gibt es bisher praktisch nur, wenn z.B. im Sommer die Niltalbewohner nach Marsa Matrouh strömen, aber da dies nur drei Monate dauert, sind die Auswirkungen nicht sehr groß.

Im Sinai könnte diese Situation eher eintreffen, besonders, da dort die Saison 10 Monate dauert. Betrachtet man die geographischen Gegebenheiten, so muß man feststellen, daß trotzdem negative Einflüsse auszuschließen sind, da weite Teile unbewohnt sind. Die Touristen-Zentren sind importiert, die Arbeitskräfte sind importiert und natürlich die Besucher, dort finden wir eine importierte Gesellschaft – eine Touristik-Gesellschaft. Wenn es für Ägypter einträgliche Arbeitsmöglichkeiten gibt, so werden mehr und mehr Leute ansässig werden und eine stabile Gesellschaftsform aufbauen. Die Begegnung mit Einheimischen und ausländischen Gästen könnte eine Gemeinschaft bilden, welche keine Veränderungen oder zerstörerischen Einflüsse bewirken wird, denn es ist eine Society, die vom Tourismus geformt wird.

Auf unseren Einwand, daß die Sauberkeit und die Versorgung im Sinai, speziell im Süden, zu wünschen übrig lasse, erklärte uns Dr. Moussa, daß dies nur an einem Mißmanagement liegen könne. Da die Führung der Hotels und Campingplätze an private Unternehmer abgegeben wurde, so könne dies nur an der schlechten Leitung liegen und diesbezüglich müßten mehr Kontrollen und – falls möglich – Sanktionen verordnet werden.

Die für manche störende Anwesenheit von Militärangehörigen kennt man im Touristen-Ministerium. Diesbezüglich sind Verhandlungen mit anderen Ministerien im Gange, um die nötigen Sicherheits- und Verteidigungsmaßnahmen, hauptsächlich in Touristen-Gegenden, auf ein Minimum zu beschränken.

Allgemein kann man sagen, daß das Zusammentreffen mit Ausländern für Ägypter nie ein Problem war; Tourismus gibt es hier seit Jahrhunderten. Nur in Krisenzeiten, besonders bei wirtschaftlichen Problemen oder wenn die Gesellschaft einem Wandel unterzogen ist, können gewisse bedenkliche Einflüsse nicht untersagt werden. Dies bedarf Geduld, Verständnis und einiger Maßnahmen.

Ägypten kann sich kein zweites Mal Vorkommnisse leisten wie sie sich 1986 in der Pyramiden-Straße ereigneten. Man muß versuchen, die Konfliktmöglichkeiten so gering wie möglich zu halten und die Plätze, an denen man Touristen-Attraktionen aufbauen will, sorgfältig auswählen. Die Umgebung der Pyramid Road wurde in den letzten Jahren zu einem Wohnbezirk der Mittelklasse; in dieser Gegend kann man keine Nacht-Clubs dulden, sie bringen dort Konfliktsituationen.

Bei allen Überlegungen sollte man nicht vergessen, daß Ägypten auch ein arabisches und islamisches Land ist und es einen guten Weg suchen sollte, den Touristen zu gefallen und den einheimischen Traditionen nicht entgegenzuarbeiten. Man kann die Touristen nicht separieren, denn gerade die positive Begegnung mit der Bevölkerung ist eine der besten Attraktionen, die ein Land bieten kann.

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Tourismus in Ägypten
von Christian Vogg
Niederschrift nach Protokollen einer Radiosendung im Bayerischen Rundfunk
(gekürzte Fassung)

Papyrus-Logo Nr. 10/89, pp. 46—47

Seit einigen Jahren erlebt Ägypten einen wahren Boom in der sogenannten "weißen Industrie", dem Tourismus. Zweistellige Zuwachsraten bei den Reisenden sind die Regel. Besonders aus Europa kommen immer mehr Kulturhungrige ins Land der Pharaonen, die Deutschen lagen 1988 mit 140.000 an der Spitze, knapp gefolgt von den Franzosen.
Der Tourismus nach und von Ägypten steht aber auf sehr wackligen Beinen. Ein Bericht von Christian Vogg.

"Ich hab' halt von vornherein Abstriche gemacht und mich darauf eingestellt, daß hier die Situation 'ne andere ist als in Deutschland und bin eigentlich recht zufrieden im Großen und Ganzen." Diese Meinung über Urlaub in Ägypten, geäußert von einem deutschen Medizinstudenten, das ist eher die Ausnahme.

Häufiger dagegen reagieren Touristen mit einem Kulturschock, wie etwa eine junge Frau: "Es sieht überall aus wie nach einem Bombenangriff," meinte sie, "überall liegt der Müll und die Menschen, die hausen praktisch im Müll." Sichtlich erschrocken begegnet auch ihr Mann den ägyptischen Verhältnissen. Nach einem Rundgang in einem Vorort von Kairo erzählt er: "Was mich am meisten schockiert hat, das ist, daß es Abstufungen in der Armut gibt. Einmal gibt es die Menschen, die in den für uns vermeintlichen Elendsvierteln leben. Aber darunter gibt es noch Menschen, die quasi auf den Friedhöfen leben."

Nach solchen Erfahrungen geschieht oft folgendes: Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme Ägyptens, die einem permanent in die Augen stechen, werden verdrängt. Motto: Wir können da doch beim besten Willen nichts ändern. Man konzentriert dann seine Hilfe lieber auf das großzügige Bakschisch, das Trinkgeld. Den Wissensdurst lehnt man gleichzeitig auf die jahrtausendealte Kultur.

Etliche Touristen wählen eine Schiffahrt. Eine beliebte Art zu reisen, eine unübersehbar große Flotte an Kreuzfahrtschiffen schwimmt auf dem geschichtsträchtigen Strom Nil. Vom spöttisch als Kakerlakendampfer betitelten Mittelklasse-Hotelschiff bis hin zum Luxuskreuzer, den ein Tourist aus Frankfurt so beschreibt: "Die Zimmer sind sehr komfortabel, mit Dusche und Klimaanlage. Der Service ist erstklassig und die Betten werden sogar zweimal am Tag gemacht."

So erleben aber Tausende von Touristen Ägypten aus der Distanz der klimatisierten Räume, das Land wird reduziert auf ein nicht selten auch noch stressiges Besichtigungsprogramm. Nicht allen Touristen fällt das auf, wie es einer zusammenfaßt: "Ich kann nicht sagen, daß ich Ägypten gesehen habe. Gut, wir sind den Nil abwärts gefahren, haben die Bauern von Deck aus beobachtet, wie sie hart arbeiteten. Doch anhalten war nie drin, auch nicht, als wir jeweils mit dem Bus zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten gefahren wurden. Der einzige Kontakt zur Bevölkerung, der spielte sich an den Souvenirshops ab."

Tourismus unter der Glasglocke – der gleichzeitig mit Argusaugen die Schwächen der ägyptischen Tourismusindustrie entdeckt.

Es existiert, von Fachleuten erstellt, eine 56-Punkte-Mängelliste. Alles Mängel und Probleme, die den Tourismus in Ägypten bremsen. Z.B. Verkehrschaos, unzuverlässige Flugverbindungen, Inflation und Umweltverschmutzung.

Die Anstrengungen sind mittlerweile groß, u.a. auch um die Standards landesweit anzuheben, noch mehr Bettenkapazität zu schaffen, um Touristen auch noch ein zweites Mal ins Land zu locken. Dann aber zur Erholung, weniger zur Kulturpflege.

Da aber muß den Kanaren- und Keniaverwöhnten Touristen noch mehr geboten werden, als es bisher in Ägypten der Fall ist.

Karikatur

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Ägypten und der Terrorismus
von Roland Krüger

Papyrus-Logo Nr. 1—2/98, pp. 22—24a

Es war der weltweit bislang blutigste Terroranschlag auf Touristen überhaupt. Der 17. November 1997 wird wohl als der Tag gelten, an dem die Touristenströme nach Ägypten vorerst zum Erliegen gekommen sind.
Sechs mit Maschinenpistolen bewaffnete Attentäter erschießen zunächst die beiden Polizisten, die an diesem Morgen vor dem Hatschepsut-Tempel Dienst tun, und darin feuern sie aus allen Rohren auf die anwesenden Touristen. Als eine weiter entfernte Polizeieinheit über Funk anfragt, ob alles in Ordnung sei, greift einer der Terroristen zum Funkgerät, gibt sich als Ordnungshüter aus und antwortet, alles sei normal.
Dann beginnt das eigentliche Gemetzel:
Ganze Gruppen von Touristen werden in den Tempel gejagt und kaltblütig erschossen. Über eine halbe Stunde dauert es, bis weitere Polizeieinheiten eingreifen, solange wüten die fanatischen Terroristen ungehindert unter ihren Opfern.
Bei lebendigem Leib werden den Touristen die Bäuche aufgeschlitzt, Ohren werden abgeschnitten, einzelne Menschen per Kopfschuß getötet. Mindestens 62 Menschen kommen bei dem Gemetzel ums Leben, darunter 58 Urlauber.

Das Blutbad von Luxor macht mit einem Schlag der Weltöffentlichkeit klar, daß entgegen offiziellen ägyptischen Beteuerungen der Terrorismus keinesfalls besiegt ist. Der Schaden für die Tourismus-Branche konnte nach dem Attentat vor dem Ägyptischen Museum noch in Grenzen gehalten werden. Damals stimmte nach tagelanger Konfusion und einer Nachrichtensperre das Auswärtige Amt in Bonn der verniedlichenden Einzeltäterthese noch zu.
Diesmal jedoch gab sich keine ausländische Regierung mit den sonst üblichen Ausflüchten zufrieden. Niemand mehr wollte glauben, es handle sich um Anschläge geistesgestörter Einzeltäter, und ansonsten sei der Terrorismus in Ägypten besiegt.
Das Auswärtige Amt warnte noch am 17. November nachdrücklich vor Gefahren durch Attentate von Terroristen in Ägypten. Die Touristik-Unternehmen LTU, TUI und NUR boten sofort kostenlose Umbuchungen und Stornierungen für geplante Ägypten-Reisen an.
Kairos Politiker dagegen versuchten es noch einmal mit Abwiegeln: Von einem letzten Aufbäumen der Extremisten war die Rede, doch derlei Beteuerungen sind nun nicht mehr glaubhaft.
Vor laufenden Kameras kanzelte Präsident Mubarak den ohnehin angeschlagenen Innenminister Hassan Al Alfi ab und ersetzte ihn durch Habib Al Adly. Auch ranghohe Polizisten wurden öffentlich gerügt und ihrer Ämter enthoben. Luxor glich wenige Tage nach dem Attentat einer Geisterstadt, hundertprozentig unter Polizeikontrolle, aber ohne Touristen. Auch aus anderen Touristenzentren reisten die Urlauber vorzeitig ab.

Mit der Doppelstrategie gegenüber islamischen Extremisten ist es nun vorbei. Mubarak ließ sie stets gewähren, wenn sich ihre Attacken gegen oppositionelle Intellektuelle richteten und verfolgte sie drakonisch, sobald sie Touristen und Ferienzentren angriffen.
Daß eine solche Rechnung nicht aufgeht, hat er längst gemerkt. Spätestens seit 1992 ist klar, daß die Extremisten auf den Sturz der Regierung zielen. Aber so brenzlig wie jetzt war es bislang nur einmal: nach der Ermordung von Mubaraks Vorgänger Anwar El Sadat.
In diesem Herbst nahm die Zahl der Gewalttaten sprunghaft zu. Da jedoch nur selten Ausländer betroffen waren, nahm die internationale Öffentlichkeit dies kaum zur Kenntnis. Im Oktober erst ermordete eine neunköpfige Terrorgruppe bei Mallawi – rund 250 km südlich von Kairo – elf Polizisten. Die Täter hatten eine Straßensperre errichtet, sich Uniformen angezogen und Autoinsassen zum Aussteigen gezwungen. Wer einen Polizeipaß dabei hatte, wurde augenblicklich liquidiert.
Die Regierung reagierte mit eiserner Härte. Mehrere tausend Elitesoldaten einer Antiterroreinheit wurden nach Mallawi entsandt, um die Polizistenmörder zu bestrafen. Jeder, der einen Vollbart trägt, wurde festgenommen.
Doch schon kurze Zeit später schlugen die Terroristen erneut zu. Vier Tage vor dem Massaker von Luxor beschossen sie den Nachtzug Kairo-Assuan – wieder gab es Tote, wenn auch nicht unter Touristen.
Die Regierung reagierte nicht zimperlich. In den vergangenen fünf Jahren verhängte sie 92 Todesurteile gegen Gamaa-Mitglieder, 58 davon wurden vollstreckt.
Auf anderen Gebieten hingegen weicht sie vor den Ideen der Islamisten zurück. Im Fernsehen wird immer häufiger aus dem Koran rezitiert, Kußszenen werden aus Filmen herausgeschnitten, immer mehr Frauen tragen einen Schleier, Bigotterie macht sich breit. Kritische Intellektuelle werfen Präsident Mubarak vor, er würde nicht genügend zwischen Terroristen und friedlichen Moslembrüdern differenzieren. "Nicht alle Islamisten dürfen in die gleiche Schublade gesteckt werden", sagt zum Beispiel der Kairoer Psychologieprofessor Kadri Hefni. "Nicht jeder, der einen Bart trägt, ist ein Gewalttäter." Das Rezept des Psychologen: "Dialog mit denen, die den Dialog wollen, Konfrontation mit denen, die die Konfrontation wollen."
Das Massaker von Luxor hat das Herz des ägyptischen Tourismus getroffen – und dies zu Beginn der Hauptreisezeit. Die 160.000 Einwohner von Luxor leben fast ausschließlich vom Fremdenverkehr – damit ist vorerst Schluß.
Das neue Sicherheitskonzept der Regierung ist zwar beeindruckend, aber wird es so überzeugend sein, daß es ängstliche Touristen wieder nach Ägypten zieht? Wer auf der Suche nach Sonne und Erholung ist, kann schließlich zum gleichen Preis auf die Kanarischen Inseln fliegen.
Die Touristen, die geblieben sind, sagten nach dem Attentat übereinstimmend, daß sie ihre Sicherheit zu keinem Zeitpunkt in Gefahr sahen. Aber sie gaben auch zu, daß kein Tag mehr verstrich, an dem sie nicht über das Attentat und den Terrorismus im Lande diskutiert hätten.
Die statistische Wahrscheinlichkeit, in Ägypten einem Mordanschlag zum Opfer zu fallen, ist nach wie vor sehr gering. Aber selbst wenn am Ende alles gut gegangen ist, kann ein Urlaub, in dem man die Angst nicht völlig abschütteln kann, nur mäßig erholsam sein.

Morde an Touristen in Ägypten
21. Oktober 1992: Bei einem Attentat im oberägyptischen Dairut wird eine britische Touristin getötet
26. Februar 1993: Ein türkischer und ein schwedischer Urlauber sowie ein Ägypter sterben bei einem Bombenanschlag auf ein Café im Zentrum Kairos. 19 Menschen, darunter sechs Ausländer, werden verletzt.
8. Juni 1993: Zwei Ägypter werden getötet und 15 weitere Menschen werden verletzt, als ein Sprengsatz auf einen Touristenbus geschleudert wird. Unter den Verletzten sind fünf Briten. Die 'Gamaa Islamij'a' bestreitet, mit dem Anschlag zu tun zu haben.
26. Oktober 1993: Zwei US-Bürger, ein Franzose und ein Italiener werden bei einem Anschlag im Hotel 'Semiramis' in Kairo erschossen. Für die Tat wird Saber Farahat verantwortlich gemacht, der vier Jahre später wegen des Anschlags auf die deutschen Touristen vor dem Ägyptischen Museum in Kairo zum Tode verurteilt wird.
4. März 1994: Bei einem Anschlag auf ein Kreuzfahrtschiff auf dem Nil wird eine deutsche Touristin schwer verletzt. Sie stirbt zwei Wochen später.
26. August 1994: Eine junge Spanierin wird beim Angriff auf einen Kleinbus, der von Luxor nach Sohag unterwegs ist, erschossen.
27. September 1994: Zwei deutsche Touristen und zwei Ägypter werden bei einem Anschlag in Hurghada getötet.
18. April 1996: Bei einem Anschlag vor dem Hotel Europa nahe den Pyramiden von Gizeh werden 18 griechische Touristen getötet, weitere 14 verletzt. Die 'Gamaa Islamij'a' bekennt sich zu dem Attentat.
18. September 1997: Vor dem Ägyptischen Museum in Kairo werden neun deutsche Urlauber und ihr ägyptischer Busfahrer getötet. Die Haupttäter Saber Farahat und sein Bruder Mahmoud werden am 30. Oktober 1997 von einem Militärgericht zum Tode verurteilt.
17. November 1997: Beim weltweit bis dahin schwersten Anschlag auf Touristen vor dem Hatschepsut-Tempel nahe Luxor werden 58 ausländische Touristen getötet, darunter vier Deutsche. Die Zahl der getöteten Ägypter wird mit vier bekanntgegeben, Zeugen wollen aber gesehen haben, daß dem Terroranschlag weitaus mehr Einheimische zum Opfer gefallen seien.

 

Terror in Gottes Namen

Zum blutigen Anschlag von Luxor bekannte sich die militante Terrororganisation "Gamaa Islamij'a" ("Islamische Vereinigung"). Sie versucht seit Jahren, den ägyptischen Staat mit Waffengewalt zu destabilisieren. Die von ihr als gottlos bezeichnete Gesellschaft soll streng islamisch ausgerichtet werden. Die "Gamaa Islamij'a" will die Trennung von Religion und Politik abschaffen und einen Gottesstaat mit islamischer Rechtsprechung errichten. Sie finanziert sich durch Spenden aus dem Ausland und vor allem durch Überfälle auf vermögende christliche Kopten.
Die Organisation wurde 1971/72 mit ausdrücklicher Unterstützung des damaligen Präsidenten Anwar el Sadat gegründet. Sadat wollte die streng moslemische Organisation als Gegengewicht zu linksgerichteten Nasseristen und Kommunisten einsetzen. In den 70er Jahren unterwanderte die "Gamaa" jedoch viele Verbände und wurde nach Unruhen zwischen Moslems und christlichen Kopten im Juni 1981 von Sadat verboten.
Ihre Gewaltkampagne gegen das säkular-prowestlich ausgerichtete Regime führen die Fundamentalisten seit 1992. Den beiden Untergrundorganisationen "Gamaa Islamij'a" und "Dschihad" ("Heiliger Krieg") sind seitdem etwa 1.100 Menschen, darunter etwa 120 Touristen, zum Opfer gefallen.
Über die wirkliche Stärke der militanten Extremisten gibt es keine zuverlässigen Angaben. Es verdichten sich jedoch die Anzeichen dafür, daß sie in voneinander unabhängigen Zellen operieren und deshalb schwer kontrollierbar sind. Die ägyptischen Behörden erheben immer wieder den Vorwurf, daß einige einflußreiche Mitglieder der seit Nassers Zeiten verbotenen Moslem-Bruderschaft, die als eher moderate islamische Bewegung gilt, Querverbindungen zu den Radikalen unterhalten. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß eine Gruppe junger Extremisten inzwischen die Kontrolle der Zellen übernommen hat und sich nichts vorschreiben läßt. Als vor kurzem drei prominente Anwälte, die der "Gamaa" ideologisch nahestehen, zusammen mit einigen radikalen Predigern einen Aufruf zum Gewaltverzicht veröffentlichten, kam die Antwort postwendend: Innerhalb von wenigen Tagen verübten vereinzelte Gruppen ein halbes Dutzend von Anschlägen. Genau drei Wochen nach dem Anschlag von Luxor wies die "Gamaa" ihre Mitglieder an, keine Anschläge mehr auf Touristen zu verüben. Der blutige Anschlag sei ein Fehler gewesen, die Täter hätten auf eigene Faust gehandelt, die Bekennerschreiben seien nicht authentisch. Die Organisation betonte, ihre Führung im In- und Ausland habe den Anschlag vom 17. November nie geplant oder gebilligt und sei "erschüttert" über die in Luxor begangenen Grausamkeiten und Verstümmelungen. Man habe sich erst so spät von dem Massenmord distanzieren können, weil zunächst der "Gamaa"-Militärchef Mustafa Hamsa kontaktiert werden mußte.
Die ägyptischen Sicherheitskräfte gehen seit 1992 mit aller Härte gegen die "Gamaa Islamij'a" vor. Militärgerichte verhängten inzwischen 92 Todesurteile gegen "Gamaa"-Mitglieder, von denen 58 vollstreckt wurden.
Seit dem 4. Dezember unternimmt die ägyptische Polizei Razzien unter Studenten in Oberägypten. Mehrere hundert Verdächtige wurden schon in den ersten Tagen festgenommen. Die Identifizierung der sechs getöteten Attentäter von Luxor hatte ergeben, daß drei von ihnen Studenten der Universität von Assiut waren. Die Universität gilt seit Mitte der 70er Jahre als Hochburg der "Gamaa Islamij'a". Die meisten Studentenaktivisten seien nicht älter als 22 Jahre.
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hat außerdem damit begonnen, sich um die Auslieferung von Extremisten, die im Ausland leben, zu kümmern. Mehreren europäischen Staaten, besonders Großbritannien, wurde aus Kairo vorgeworfen, sie würden islamischen Extremisten Unterschlupf bieten, Die Extremisten könnten so ungehindert Terroraktionen vorbereiten.
Gespräche mit den fanatischen Fundamentalisten lehnt Mubarak trotz der schweren Einnahmeeinbußen seit dem Massaker entschieden ab.

Ägyptens Tourismusindustrie ist die drittgrößte Einnahmequelle des Landes. Fünf Millionen Menschen arbeiten in der Branche. Im vergangenen Jahr war das Geschäft mit Sonnenhungrigen und Bildungsreisenden mit über fünf Milliarden Mark wichtigster Devisenbringer. Rund vier Millionen Menschen aus aller Weit, unter ihnen 437.000 Deutsche, besuchten 1996 die Pyramiden oder tauchten im Roten Meer. Bis zum Anschlag von Luxor hatten bereits 393.000 Deutsche Ägypten besucht.
Zurückgehende Besucherzahlen treffen die Wirtschaft fatal. Nach den ersten Anschlägen 1992 sank die Zahl der Touristen kurzfristig um 40 Prozent. Seither bemühen sich die ägyptischen Fremdenverkehrsämter immer wieder zu versichern: "Ägypten ist ein sicheres Reiseland." Trotzdem entwickelten sich nach dem Attentat vor dem Ägyptischen Museum die Buchungen nicht mehr wie erhofft. War man zuvor von einem Plus bei Besuchern von 30 Prozent gegenüber 1996 ausgegangen, so wurde die Prognose danach auf 13 Prozent nach unten korrigiert. Dennoch rechnete die Regierung bis zum 17. November mit gut sieben Milliarden Mark Einnahmen aus dem Tourismus.
Das Massaker von Luxor schließlich hat das Herz des ägyptischen Tourismus getroffen – und das zu Beginn der Hauptsaison. Ein Besuch der Anlagen aus der Zeit der Pharaonen und des Hatschepsut-Tempels gilt als ein Muß für jeden Ägypten-Reisenden. Die 160.000 Einwohner von Luxor leben fast ausschließlich vom Fremdenverkehr.
Inzwischen beauftragte die Regierung in Kairo eine britische Werbeagentur damit, das Image Ägyptens als Reiseland wieder aufzubessern. Ein entsprechender Vertrag wurde zwischen dem ägyptischen Tourismusministerium und der Agentur "Lowe Bell Good Relations" geschlossen.

 

Das neue Sicherheitskonzept

Zwei Tage nach seinem Amtantritt reagierte der neue Innenminister Habib Al Adly ohne Pardon auf das Massaker von Luxor. 21 hohe Sicherheitsbeamte mußten ihre Sessel räumen, mehr als 50 Polizeioffiziere in Luxor wurden ebenfalls ihrer Ämter enthoben.
Am 19. November nahm Adly die erste Welle der Amtsenthebungen vor und entließ viele der Top-Offiziere im Ministerium. Die meisten unter den Betroffenen waren enge Vertraute seines Vorgängers, Hassan Al Alfi. Am selben Tag wurden in Luxor die drei Hauptverantwortlichen für die Sicherheit entlassen.
Fünf Tage später setzte Al Adly 50 Polizei-Offiziere in Luxor ab, sechs von ihnen wurden festgenommen und vor einem Militärgericht angeklagt.
Präsident Mubarak beschuldigte die Verantwortlichen grober Fahrlässigkeit und ordnete an, daß an touristischen Orten die Sicherheitsvorkehrungen stark verbessert werden müßten.
Eine Kommission unter Vorsitz des Premierministers Kamal El Ganzouri, bestehend aus Innen- und Verteidigungsminister sowie zahlreichen Sicherheitsexperten, arbeitete in den Tagen nach dem Massaker ein neues Sicherheitskonzept aus. Es sieht eine enge Beteiligung der Armee am Schutz der Touristen vor.
Am 22. November kündigte Al Adly vor dem Parlament an, daß die Wüstengebiete im näheren Umkreis von Sehenswürdigkeiten fortan durch die Armee kontrolliert würden.
Ohne Einzelheiten zu nennen, gab Al Adly zu, daß die Sicherheitsvorkehrungen vor dem Hatschepsut-Tempel am Tag des Massakers schlecht gewesen seien. Dadurch erst sei es den Terroristen möglich gewesen, bis ins Innere des Tempels vorzustoßen.
Dennoch solle Ägypten kein Polizeistaat werden, aber an mehr Polizisten im Straßenbild müsse man sich in der nächsten Zeit wohl gewöhnen. Verstärkt würden an sensiblen Orten jetzt auch zivile Sicherheitsbeamte eingesetzt.

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Besudelt (Glosse)
von Dieter Biallas

Papyrus-Logo Nr. 2/88, p. 44

Schadenfreude, so sagt man, sei reine Freude.
Sie kann gelegentlich auch Belustigung über Schmutz sein.

Schmutz ist in Kairo nichts Seltenes und meist auch nichts Belustigendes. Selten aber ist Regen in Kairo, und er beschert allenthalben Ausnahmesituationen wie daheim der erste Schnee, der jedes Jahr so aufgenommen wird, als sei er der erste überhaupt. Die Effekte ähneln sich in geradezu lächerlicher Weise. Sie werden verursacht durch Wasser und Schmutz. Feuchter Schmutz scheint lebendig zu werden. Wie ein großer Krake beginnt er sich über die Straßen zu stülpen. Er sät sich durch Spritzer aus, beginnt Dinge einzuhüllen. Ein Auto, am Straßenrand geparkt, ist kaum wiederzuerkennen. Auf Menschen, auch auf solchen aus dem Ei gepellt, reist der Schmutz: an Schuhen, Hosenbeinen, Rocksäumen. Hier spätestens beginnen sich auch manche reinen Gemüter zu beflecken: mit Schadenfreude und Spott. Etwa über die Hilflosigkeit, mit der jene Erscheinungsformen ägyptischer Weiblichkeit sich fortzubewegen beginnt, deren ausschließlicher Daseinszweck es ist, schön zu sein, und die als einzig erträgliche Tätigkeit das Auflegen immer neuer kosmetischer Schichten auf die Haut ansieht. Telefone und Registrierkassen sind für sie die beständige Ursache schändlicher Unterbrechungen ihres Strebens nach Höherem. Schmutz also auf jenen unsäglichen Kniestrümpfen, mit denen Kairos Damen alle ihre erotischen Signale völlig entwerten.

Geradezu erzieherisch wirkte Kairos Schmutz kürzlich um Weihnachten als er ein versprengtes Exemplar jener Touristinnen ereilte, die ihre Solidarität mit der Bevölkerung der dritten Welt durch das reichliche Vorzeigen von Fleisch aus knappen Turnhosen, genannt Boxershorts, kundzutun pflegen. Der Anblick mangelnd verhüllter Hinterteile, der oft schon im Sommer dem Geschmack der Trägerinnen ein bedenkliches Zeugnis ausstellt, läßt in der kalten Jahreszeit erst recht frösteln. Die blaugefrorenen Schenkel, die Gänsehaut, die ich an jenem kühlen und regnerischen Tag auf dem Fußweg der Tahrirbrücke ausmachte, waren mitleiderregend. Ich konnte mich nicht dagegen wehren (obwohl ich mich dessen ein wenig schäme), daß mein Bedauern unversehens in Spott getränkt wurde, als unter den Reifen des Autos vor mir eine Fahne Schmutzwasser hervorschoß und sich über die vorwitzige Nacktheit breitete.

Vermutlich, so rationalisierte ich die Schadenfreude, wird die Reisende in ihrem Führer künftig genauer nachlesen über das Wetter, das sie zu erwarten hat. Womöglich stößt sie dabei auch auf einen Abschnitt über Land und Leute und findet heraus, daß ihr Aufzug Wirkungen heraufbeschwört, die sie vielleicht nicht beabsichtigt. Soweit man sich entblößt, kann man auch besudelt werden; das gilt nicht nur für den Straßenschmutz. Es ist auch die Einschätzung, nach der viele Ägypter die eigenen Frauen verhüllen und andere behandeln. Selbst wenn man sie nicht teilt, kennen sollte man sie schon.

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Papyronymus:
Der Förster vom steinernen Wald

(Glosse)

Papyrus-Logo Nr. 10/85, p. 68

Wer kennt nicht den "Steinernen Wald" bei Maadi oder bei "Kilo 100" an der Asphaltstraße von Giza nach Baharija. Papyronymus dürfte einer der ganz wenigen sein, die in der glücklichen Lage sind, auch den Förster vom Steinernen Wald zu kennen. Unbeobachtet von den übrigen zahlreichen Sammlern traf er ihn an einem der letzten Wochenenden und führte mit ihm das folgende Gespräch:

P.: Ich bin erstaunt, einen Förster hier vorzufinden. Was machen Sie denn hier?
Antwort: Um Ihren Einwand gleich vorwegzunehmen: Es handelt sich bei mir nicht um eine spezielle Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme. Hier besteht ein unauflösbarer innerer Zusammenhang – Förster und Wald gehören zusammen wie das Röhren und der Hirsch.
P.: Statt der üblichen forstmännischen Utensilien tragen Sie einen Vorschlaghammer in der Hand. Wie bewerkstelligen Sie damit Hege und Pflege?
Antwort: Dazu muß ich Ihnen ein kleines Geheimnis anvertrauen. Ich werde nämlich in meinem Zweitberuf vom Tourismus-Ministerium bezahlt.
P.: Aha, und mit dem Hammer...
Antwort: ... vertreibe ich keineswegs die Touristen, sondern helfe ihnen. Da mittlerweile alle versteinerten Holzteile weggeschleppt worden sind, die tragbar waren, zerkleinere ich jetzt die großen Stücke in transportable Brocken. Nur so kann der Steinerne Wald voll abgegrast werden.
P.: Verraten Sie mir, bitte, zum Schluß noch das langfristige Ziel Ihrer Tätigkeit.
Antwort: Gerne. Die Wüste muß wieder flach und sandig werden, langweilig und uninteressant für Touristen und andere Ausländer. Dann bin ich alleine und ungestört an meinem Arbeitsplatz, denn wir Förster lieben die unberührte und ungestörte Natur.
P.: PAPYRUS bedankt sich...

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Papyronymus:
Kopfjäger

(Glosse)

Papyrus-Logo Nr. 3/86, p. 34

Papyronymus ist einem Geheimnis auf die Spur gekommen: Dem bislang rätselhaften Tatbestand, warum die ägyptischen Altertümer nicht nur schier unerschöpflich scheinen, sondern es in der Tat sind. Den Spuren der Antiquitätensucher, Artefaktjäger und Freizeitarchäologen der letzten Ferienkarawanen folgend, traf er am Mons Brutus (dieses alte pharaonisch-römische Siedlungsgebiet liegt – bislang unerforscht – in den Bergen der Arabischen Wüste) auf Ali el-Turk el-Bau, einen leitenden Außendienstmitarbeiter der ägyptischen Altertumsverwaltung. Mit ihm führte Papyronymus, selbst begeisterter Sammler, das folgende Gespräch.

P.: Herr Ali, wie ich sehe, sind sie mit einem großen Lastwagen voll Schutt hierher gekommen. Richten Sie eine neue Mülldeponie ein?
Antwort: In gewisser Weise haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber lassen Sie mich etwas weiter ausholen... Nachdem wir einigen uns bekannten Deutschen entsprechende vertrauliche Hinweise gegeben haben, wird der Mons Brutus in den Osterferien offiziell entdeckt und für Campingbusfahrer zugänglich werden. Um den Bekanntheitsgrad dieses neuen Ausflugszieles zu erhöhen, haben wir uns etwas Besonderes einfallen lassen. Wie Sie wissen, machen unsere verehrten Spezialtouristen umso mehr Reklame für einen neuen Ort, je interessantere Funde sie dort ausbuddeln.
P.: Und dazu brauchen Sie Ihren Müll und Schutt?
Antwort: Stimmt. Sie können gerade selbst beobachten, daß ich am Rande der Mons-Brutus-Siedlung einen Abfallberg einrichte. Darin vergrabe ich einige Glasperlen der Spielzeugpuppen meiner Töchter, viele Keramikscherben aus dem Fustat, ein paar Münzfehlprägungen der Staatlichen Notenbank und ein halbes Dutzend Öllämpchen, die ich für Zehn Piaster das Stück auf dem Khan Al-Khalili gekauft habe. Hauptfund wird unser griechisch-römischer Wanderkopf sein.
P.: Das ist ein schönes Exemplar, Herr Ali. Aber warum trägt es diesen Namen?
Antwort: Ganz einfach: Die nächste Polizeistation wird den Finder kontrollieren und das Stück konfiszieren. Diese Beschlagnahmeaktion sorgt zusätzlich für einen ansonsten nicht zu bezahlenden PR-Effekt und wird mit Sicherheit weitere Hobby-Ägyptologen zum Mons Brutus ziehen. Den Gipskopf bringe ich dann zur nächsten historischen Fundgrube.
P.: Das nenne ich fürwahr Verarchäologie...

Karikatur

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Plapperonymus in Deutschland
MU.....$EUM

(Glosse)

Papyrus-Logo Nr. 5—6/94, p. 87

P.: Herr Klammer, Sie haben als Museumsdirektor eine bahnbrechende neue Idee.
Antwort: Ach, so bahnbrechend ist sie nicht.
P.: Ja?
Antwort: Wir werden in Zukunft gestaffelte Eintrittspreise erheben.
P.: Aber auch das ist doch Usus: Frauen und Kinder die Hälfte, Rentner und Soldaten gegen Vorlage des Lebenslaufs...
Antwort: Nein, ja doch, natürlich. Aber unsere Neuerung sieht anders aus.
P.: Bitte, würden Sie das unseren Lesern erläutern?
Antwort: Also, wir werden in Zukunft Eintrittspreise entsprechend der Nationalität des Besuchers verlangen.
P.: Ach was?
Antwort: Ja. Deutsche zahlen drei Mark, Japaner und Amerikaner zwanzig, Mitglieder der europäischen Gemeinschaft dürfen zehn Mark berappen. Und alle anderen dürfen 15 Mark zahlen.
P.: Ist ja interessant. – Wird's Ermäßigungen geben?
Antwort: Ja, selbstverständlich. Kinder aus Mischehen, die also halben ... 'tschuldigung, halbdeutsch und halbfremdländisch sind, werden der europäischen Gemeinschaft zugeteilt. Also zehn Mark.
P.: Nun sieht man es einem Japaner ja an, daß er einer ist. Aber ein Engländer oder Franzose oder Amerikaner?
Antwort: Eintrittskarteneingruppierung und gegebenenfalls Ermäßigung erfolgt nur gegen Vorlage eines gültigen Passes oder Personalausweises. Ist das nicht möglich, ist automatisch der amerikanisch-japanische Preis zu zahlen. Wir dürfen uns nicht den Vorwurf des Rassismus einhandeln, sondern müssen streng demokratisch vorgehen.
P.: Aber meinen Sie nicht, das ganze könnte falsch verstanden werden? Vielleicht als weiterer Ausdruck einer Fremdenfeindlichkeit, die man uns ja unterstellt, sozusagen interkulturelle Xenophobie?
Antwort: Nein, ganz im Gegenteil. Schauen Sie, erst einmal wollen wir natürlich uns Deutschen etwas Gutes tun. Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt. Schiller. Und dann ist es da doch nur fair, wenn Japse und Amis ... unsere japanischen und amerikanischen Handelspartner, am meisten zahlen. Die haben doch das meiste Geld. Sehen Sie nur mal, was die so an teuren Kameras mit sich rumschleppen.
P.: Na ja, wenn Sie meinen...
Antwort: Und die anderen, die etwas sehen wollen, müssen eben mehr bezahlen. Apfelsinen sind in Spanien an Ort und Stelle auch billiger als im Ausland. Der Mehrpreis in unserem Museum ist eben Ausdruck der bild- und kulturmäßigen Exportteuerung.
P.: Ach ja, meinen Sie?
Antwort: Ja, denken Sie doch beispielsweise auch mal daran, daß wir für die Erhaltung der Kunstgegenstände, Antiquitäten und so weiter aufkommen müssen. Versicherung, Alarmgeräte, alles wird teurer, selbst das Papier, aus dem die Eintrittskarten sind. Auch das. Und was wird denn in andern Ländern nicht alles an Kunst geklaut ... ?
P.: ...und taucht dann in unseren Museen wieder auf.
Antwort: Das will ich überhört haben. – Öh, wir glauben, daß wir mit unserer Preispolitik nicht nur auf Verständnis stoßen werden bei unseren Museumsbesuchern, sondern auch auf breiteste Zustimmung. Es war schon immer etwas teurer, woanders her zu sein. Und es ist etwas Soziales, was wir da anstreben. Unsere ärmeren Landsleute, also alle, sollen nicht so zur Kasse gebeten werden wie die, die es sich leisten können.
P.: Aha, jetzt verstehe ich Ihre Argumentation. Ein Brief nach Indianapolis oder Ouagadougou kostet auch mehr Porto als einer nach Paris oder Bad Nenndorf oder Dublin oder Pinneberg. Folgerichtig müssen sich also Museumsbesucher eintrittskartenmäßig entsprechend verhalten.
Antwort: Richtig, und wir hoffen, daß unser Beispiel Schule macht.
P.: Folglich sollten eigentlich auch im Hotel- und Gaststättengewerbe gestaffelte Preise eingeführt werden, entsprechend dem Reisepaß.
Antwort: Na klar. Ein Hähnchen aus deutschen Landen wird für den mittelwestlichen Magen eines Amerikaners teurer werden, ein Hotelzimmer kostet mehr, wenn ein Ausländer drin schläft.
P.: Wie schön.
Antwort: Nicht wahr? Ich sehe in dieser Preispolitik einen Beitrag zur Beseitigung eines im Ausland bestehenden diffusen Deutschlandbildes. Wir schaffen eine positive Einstellung unserem Lande gegenüber. Aus dieser Überlegung heraus werden wir mit dem Image des Landes auch den Namen des Museums leicht verändern.
P.: Wie soll es denn künftig heißen?
Antwort: Museum für Gunst und Gewerbe.
P.: Herr Klammer, ich danke für dieses Gespräch.

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